Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung startet in Hamburg. „Wir teilen die Werte der individuellen Freiheit, der Herrschaft des Rechts und der Menschenrechte.“ Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

http://www.welt.de/regionales/hamburg/article13703820/EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung-nimmt-Arbeit-auf.html

http://www.brasil.diplo.de/Vertretung/brasilien/pt/01__Willkommen/Noticias_202010/Rede_20Westerwelle_20EULAK_20Stiftung.html

 Westerwelle: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/12/26/guido-westerwelle-war-gestern-der-spiegel-westerwelle-in-brasilien-keinerlei-kritik-an-gravierenden-menschenrechtsverletzungensystematische-folter-todesschwadronen-liquidierung-von-menschen/

Attentate auf Systemkritiker: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/02/10/gestaltungsmacht-brasilien-erneut-systemkritischer-journalist-erschossen-nationale-journalistenvereinigung-protestiert-reporter-ohne-grenzen-zur-pressefreiheit-unter-lula-rousseff-bundesau/

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Ausriß, Rio-Lokalzeitung, Scheiterhaufen-Opfer, 7.11.2012.   http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/668242/

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Ausriß. “Mit der SPD bin ich schon seit den Zeiten verbunden, als ich Gewerkschaftsführer war.” Hochrangige SPD-Politiker wie Willy Brandt und Helmut Schmidt pflegten enge Beziehungen zur nazistisch-antisemitisch orientierten brasilianischen Folterdiktatur. 

-http://www.hart-brasilientexte.de/2014/02/01/brasilien-2014-50-jahre-nach-dem-militarputsch-von-1964-historiker-erinnern-an-sympathie-der-folterdiktatur-fur-lula-militardiktator-golbery-uber-lula-%E2%80%9Cder-mann-der-brasiliens-linke-vern/

”Hitler irrte zwar, hatte aber etwas, das ich an einem Manne bewundere – dieses Feuer, sich einzubringen, um etwas zu erreichen. Was ich bewundere, ist die Bereitschaft, die Kraft, die Hingabe.” Ist das Zitat von Lutz Bachmann, Björn Höcke oder von SPD-Idol Lula?

Merkel und die Brasilianisierung Deutschlands:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/08/18/brasilien-praesentiert-vor-merkel-ankunft-2015-sehr-anschaulich-sein-gewalt-gesellschaftsmodell-mord-und-ueberfallserien-in-rio-und-sao-paulo-feuergefechte-brennende-busse-chaos-und-panik-verschi/

Hintergrund:

Massaker, Blutbäder, Todesschwadronen, lebendig verbrannte Obdachlose, von Mord bedrohte Ordensbrüder –  könnt ihr Franziskaner in Deutschland, in den deutschen Kirchen überhaupt vermitteln, unter welchen Extrembedingungen Ihr in Sao Paulo Seelsorge leistet, Menschen in Not helft?

Johannes Bahlmann, Ordensoberer  in Sao Paulo und Rio de Janeiro(inzwischen Bischof in Obidos),  im Website-Interview: Ich nenne es „vergessener Krieg”, in dem wir hier leben –  all die unglaublichen, absurden Geschehnisse unseres Alltags kann man vielen Deutschen nur schwer begreiflich machen. Diese komplexe Lage hier ist in Deutschland nur schwer zu vermitteln. Nur wer hier gewesen ist, die Dinge mit eigenen Augen gesehen hat, kann eigentlich nachvollziehen, in welche Realität wir Franziskaner eingebunden sind. Selbst in verschiedensten Kreisen Brasiliens geht es mir so:  Vieles Furchtbare wird verdrängt, man blockt ab, will sich damit nicht auseinandersetzen, will es nicht wahrhaben. In den Medien wird viel über den Irakkrieg, Kriege in Afrika berichtet –  und dabei oft vergessen, daß hier in Sao Paulo ebenso viele Menschen oder sogar noch mehr als in manchem fernen kriegerischen Konflikt getötet werden, auch wir hier im Grunde genommen wie in einem Krieg leben. Es gab sogar Massenmorde an Obdachlosen. Wir Franziskaner sind hier in friedensstiftender Mission, wollen hier Frieden schaffen.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/28/der-judische-weltsozialforum-erfinder-oded-grajew-uber-die-deutsch-brasilianische-atomkooperation-weltsozialforum-2010/

Slumwachstum im „Boom“-Land: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/26/boom-land-brasilienslum-wachstum-ist-ruckschritto-globo-mehr-slumbewohner-selbst-laut-offiziellen-angaben-erstes-rousseff-amtsjahr/

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„Jeden Tag wird in Brasilien gefoltert.“ Ausriß 2011

Frankfurter Buchmesse 2013: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/10/17/frankfurter-buchmesse-2013-gastland-brasilien-literatur-und-landesrealitaet-keinerlei-veranstalterhinweis-auf-gravierende-menschenrechtslage-auf-daten-und-fakten-von-amnesty-international-und-bras/

In der deutschen Parteipropaganda wird die brasilianische Regierung als progressiv eingestuft.

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/09/brasiliens-menschenrechtslage-in-den-slums-weiter-banditen-diktatur-selbst-im-complexo-do-alemao-von-rio-de-janeiro-bewaffnete-gangster-verkaufen-nach-wie-vor-drogen-trotz-militarprasenz-laut/

Auswanderungsland: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/26/bye-bye-brasil-auslander-verlassen-sao-paulo-und-rio-de-janeiro-laut-offizieller-statistik-auswanderungsland-brasilien/

Hunger in Brasilien:

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/03/24/in-brasilien-existiert-weiter-hunger-das-problem-wurde-langst-nicht-beseitigt-jose-francisco-leiter-der-franziskaner-sozialprojekte-in-sao-paulo/

Brasiliens Widersprüche, Stefan Zweig, die Goethe-Gesellschaft. “Diese tiefen Widersprüche in der brasilianischen Gesellschaft sind damals von Goethe nicht erfaßt worden. Heute sind diese Widersprüche noch tiefer.” Dr. Marcus Mazzari, Präsident der Goethe-Gesellschaft Brasiliens. Wie Stefan Zweig bewußt beschönigte…Alberto Dines im Website-Interview. **

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/07/rio-de-janeiro-der-tod-des-kameramanns-bei-feuergefecht/

 

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Der jüdische Zweig-Experte Alberto Dines in Sao Paulo beim Website-Interview.

Prof. Dr. Marcus Mazzari, Präsident der Goethe-Gesellschaft Brasiliens. “Associacao Goethe do Brasil”. Gesichter Brasiliens. Goethe und Martius: “Neigung zum Harmonisieren der Konflikte und Widersprüche Brasiliens.” Stefan Zweig habe ebenfalls vieles beschönigt. Wikileaks.

 

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Dr. Mazzari, Professor an der Bundesuniversität Sao Paulo,  betonte im Website-Interview seine tiefe Bewunderung für Johann Wolfgang von Goethe, ebenso für dessen engen Freund Carl Friedrich Philipp von Martius. Dies verleitet Dr. Mazzari indessen keineswegs zu Einseitigkeiten, wie nicht selten in der Goethe-Szene zu beobachten ist. Vielmehr besticht an dem Präsidenten der Goethe-Gesellschaft Brasiliens neben der profunden wissenschaftlichen Kenntnis beider Persönlichkeiten auch die kritische Sicht: “Sowohl Goethe als auch Martius haben eine Neigung zum Harmonisieren der Konflikte und Widersprüche. Die haben über vieles hinweggesehen in Brasilien. Martius schrieb an Goethe, daß Brasilien eine große Zukunft bevorstünde: `Brasilien macht eine harmonische Entwicklung durch.` Und so war es ja nicht. Diese tiefen Widersprüche in der brasilianischen Gesellschaft sind damals von Goethe nicht erfaßt worden. Heute sind diese Widersprüche noch tiefer.”

Als Martius Brasilien bereiste, herrschte dort u.a. grauenvollste Sklaverei. Bis heute ist die Sklavenarbeit nicht abgeschafft worden.

Goethe-Kongreß in Sao Paulo 2009 mit Dr. Marcus Mazzari und Dr. Jochen Golz aus Weimar: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/11/04/goethe-institut-sao-paulo-erster-internationaler-kongres-der-neu-gegrundeten-goethe-gesellschaft-brasiliens/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/14/nach-wie-vor-hemmungslose-aktionen-der-todesschwadronen-institutionalisierte-barbarei-lulas-menschenrechtsminister-paulo-vannuchi-raumt-gegen-ende-der-zweiten-amtszeit-erneut-fortbestehen-der-b/

“Martius spricht von Brasilien als einem glückseligen Land – zur Sklavenzeit. Soviel Blut wurde in Brasilien vergossen. Das hat Martius nicht sehen wollen. Und Goethe auch nicht.”

Bereits zu Goethes Zeiten war Brasilien ein berüchtigter Folterstaat, wurden schwarze Sklaven lebendig verbrannt. 

 angeloagostinosklavenverbrennung.JPGBild von Angelo Agostino.

Indianerstämme versklavten andere indianische Gemeinschaften, folterten unterworfene Indios anderer Stämme.  Heute ist in Lateinamerikas größter Demokratie laut UNO und Amnesty International weiterhin Folter üblich, lodern Scheiterhaufen in Rio de Janeiro, Sao Paulo oder Salvador da Bahia.

 http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/668242/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/06/10/brasiliens-tupi-indianer-lehrbuch-mit-folterszenen-schockt-schuler-laut-zeitung-o-dia-franzosische-gravur-zeigt-foltern-gegnerischer-indiostamme/#more-2585

Professor Mazzari kritisiert zudem  das Buch “Brasilien – ein Land der Zukunft” von Stefan Zweig: “Er hat vieles beschönigt – es ist ein Wunschbild.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/21/stefan-zweig-und-judenhasser-getulio-vargas/

Wikileaks: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/16/der-judesao-paulo-gouverneur-goldman-und-der-lula-minister-samuel-pinheiro-guimaraes-anhanger-der-nazifaschistischen-achse-existieren-noch-in-der-brasilianischen-diplomatie-in-erinnerung-an-di/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/04/19/gestapo-folter-unter-brasiliens-diktator-getulio-vargas-trager-des-bundesverdienstkreuzes-der-fall-des-deutschen-harry-berger/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/06/07/alberto-dines-stefan-zweig-experte-sao-paulo/#more-2523

Filmemacher Paulo Lins (City of God): http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/20/paulo-lins-gesichter-brasiliens/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/15/httpwwwgoethebrasilde/

Goethe und der Kannibalismus: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/16/goethe-und-der-kannibalismus-in-brasilien-todeslied-eines-gefangenenbrasilianisch/

 1830 ging der deutsche Naturforscher F.J.F. Meyen  durch Rios Sklavenmarkt in der Rua Camerino und schrieb in sein Tagebuch:”Das Schicksal wird sich an den Weißen für die Unthaten rächen, die sie seit Jahrhunderten an Millionen von Negern begangen haben. Die Magazine der Sclavenhändler waren mit das Erste, das wir hier besuchten, um endlich selbst diesen, aller Würde der Menschheit entehrenden  Handel mit anzusehen. Wir fanden mehrere Hundert dieser unglücklichen Geschöpfe in solchen Läden. Sie saßen reihenweise auf kleinen Bänken oder niedergekauert auf der Erde und ihr Zustand war schaudererregend. Es waren meistens Kinder, die hier angeboten wurden, fast alle waren gezeichnet mit glühenden Eisen. Zu unserem Erstaunen fanden wir auch zu Rio Landsleute, die durch ihre Bildung und Humanität allgemein bekannt sind, und die uns doch mit kalten Worten erklärten, wir mögten ja nicht glauben, daß die Neger zu unserem Menschen-Geschlecht gehörten und gleiche Ansprüche zu machen berechtigt wären. Die Menschheit wird es einst nicht glauben, wenn wir mittheilen, da man zuweilen die Neger selbst zur Zucht hält, wie man bei uns die Pferdezucht in Gestüten betreibt. Man kauft junge Negressen bloß zum Kinder-Erzeugen…Auch die Milch der Negressen benutzt man  zum Handel und verkauft sie als Kuhmilch; deshalb kommt zu Rio, in den Häusern der Fremden, wenn sie nicht selbst Kühe besitzen, niemals Milch zum Vorschein, die hier überhaupt sehr teuer ist. Erst der Mangel an Sclaven wird die Brasilianer arbeiten lehren,und dann wird eine neue Epoche für Brasilien beginnen. Schon sehen sie mit neidischen Augen auf die Fremden, die sich in ihrem Lande niedergelassen haben, und durch bittere Erfahrungen und harte Arbeit mehr oder weniger zum Wohlstande gekommen sind. Wenn hier eine vornehme Familie einen Abend-Spaziergang macht, so gehen die Töchter voran; in einiger Entfernung folgt das Elternpaar und eine Menge Sclaven schließen den Zug; langsamen und angemessenen Schrittes bewegt sich die Gesellschaft fort.” In der Rua Camerino, in der bis heute nicht ein einziges Denkmal, keine Tafel an einen der größten Sklavenmärkte der Weltgeschichte erinnert, begingen viele Schwarze aus Verzweiflung Selbstmord.

…fanden wir auch zu Rio Landsleute…: Bezog sich Meyen etwa auf Personen auch aus dem Freundes-und Bekanntenkreis Goethes?

Brasilienreisender Martius: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/08/der-deutsche-brasilienreisende-martius-uber-kindstotung-kinderverkauf-kannibalismus-sklaverei-bei-den-indianern-brasiliens/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/08/20/goethe-institut-sao-paulo-seminar-mit-marianne-birthler-uber-vergangenheitsbewaltigung-in-brasilien/

Hans Magnus Enzensberger im Goethe-Institut Sao Paulo: hthttp://www.hart-brasilientexte.de/2009/06/13/hans-magnus-enzensberger-sao-paulo-goethe-institut/

Sammlung von Theaterkritiken zur “Amazonasoper”: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/12/die-mit-grosen-medialen-vorschuslorbeeren-bedachte-amazonasoper-eine-sammlung-von-theaterkritiken-uber-das-resultat/

”Im Xingu-Reservat werden Zwillinge stets gleich bei der Geburt eliminiert. Gebrüder Villas-Boas, Indianerexperten.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/05/amazonasindianer-als-erfahrene-goldgraber-nach-dem-vorbild-mit-den-techniken-der-stets-offiziell-kritisierten-nichtindianischen-eindringlinge-laut-landesmedien/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/20/brasiliens-massengraber-erschreckend-hohe-zahl-von-toten-monatlich-in-massengrabern-verscharrt-laut-menschenrechtspriester-julio-lancelotti-in-sao-paulo/

Brasiliens Auslandspropaganda: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/02/01/brasiliens-erfolgreiche-auslandspropaganda-2009-uber-40-millionen-euro-investiert-laut-brasil-economico-enge-zusammenarbeit-mit-medien-europas/

http://www.youtube.com/watch?v=Xkv

Stefan Zweig und Judenhasser Getulio Vargas, Träger des Bundesverdienstkreuzes. Die engen Beziehungen von Vargas zur GESTAPO Adolf Hitlers. **

 

 Deutschlandradio Kultur – Hitlers “Mein Kampf” – ein Bestseller in Brasilien: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/676160/

„Das erfundene Paradies”
Biograph Alberto Dines: “Er hat die Augen vor vielem verschlossen”

Zu den geschicktesten Schachzügen der antisemitischen Diktatur des Hitlerverehrers Getulio Vargas gehörte, den Schriftsteller Stefan Zweig in die Auslandspropaganda des Regimes einzuspannen und gewünschte Brasilienklischees weltweit zu verbreiten. Die Wirkungen sind bis heute spürbar: Vor 65 Jahren veröffentlichte Stefan Zweig sein Buch “Brasilien – ein Land der Zukunft” – bis heute ist es ein Weltbestseller, ein Klassiker der Brasilienliteratur und weckt auch bei Deutschen aller Generationen nach wie vor Interesse, sogar Begeisterung für das Tropenland.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/04/19/gestapo-folter-unter-brasiliens-diktator-getulio-vargas-trager-des-bundesverdienstkreuzes-der-fall-des-deutschen-harry-berger/

 Wer Brasiliens gravierende Menschenrechtsprobleme, Rassismus und fortexistierende Sklavenhaltermentalität, die keineswegs neuen Sozialkontraste indessen genauer kennt, fragt sich bei der Lektüre des literarischen Meisterwerks, ob Zweig nicht gelegentlich irrte, idealisierte, romantisierte, übertrieb, gar opportunistisch mit historischen Wahrheiten umsprang, sich da realitätsfremd ein Tropenparadies zurechtschrieb. Der brasilianische Zweig-Biograph Alberto Dines aus Sao Paulo spart just aus solchen Gründen nicht mit Kritik.
Dines hat bei der edition Büchergilde in Frankfurt am Main seine rund 700 Seiten starke Zweig-Biographie „Tod im Paradies” veröffentlicht.
Der Journalist und Autor zählt zu den bekannten jüdischen Persönlichkeiten Brasiliens und hat als Junge Stefan Zweig in Rio de Janeiro noch persönlich kennengelernt. Wer heute dessen Werk „Brasilien “ ein Land der Zukunft” lesen und verstehen wolle, so Dines im Website-Exklusivinterview, müsse stets die Persönlichkeit, das Charakterprofil des Dichters sowie den damaligen historischen Kontext im Blick haben. Dies betreffe Zweigs Lob für Brasiliens Rassenharmonie ebenso wie seine Beschönigung des Lebens in den Slums. Neue Studien brasilianischer Wissenschaftler, aber auch der Vereinten Nationen, beschreiben das grauenhafte Ausmaß von Rassismus und Diskriminierung in Brasilien. „Just der brasilianische Staat”, so 2006 Lucia Xavier von der NGO „Criola” in Rio, „welcher den Mythos von der Rassendemokratie konstruierte, pflegt den institutionalisierten Rassismus.” War er während Stefan Zweigs Aufenthalt etwa abgemildert, schwächer als heute? „Damals war all das noch viel grauenhafter”, konstatiert Alberto Dines. Laut Stefan Zweig löste Brasilien die Rassenfrage geradezu beispielhaft und bewundernswert. Alle Rassen, so der Dichter, lebten in vollster Eintracht miteinander. Dines setzt dagegen, daß von einer Lösung der Rassenfrage weder damals noch heute die Rede sein kann. „Aber es gab damals nicht jenen aggressiven Rassismus, den Zweig aus Europa kannte. Stefan Zweig war kein Sozialwissenschaftler, kein Anthropologe, kein Wirtschaftsexperte – und sprach auch nicht portugiesisch.” Deshalb kommt er wohl zu der irrigen Annahme, in Brasilien fehlten ein abfälliges, rassistisches Vokabular, herabsetzende Worte über Negros. „Solche Begriffe gibt es durchaus”, meint Dines. „Es ist unbestreitbar, daß man viele Jahre braucht, um in das Leben Brasiliens wirklich einzutauchen – und Stefan Zweig sagt selbst, er sei nur kurze Zeit hier gewesen, habe nur wenige Orte besucht. Er war auch kein politisierter Mensch, er täuschte, irrte sich, auch in politischen Fragen Brasiliens. Ich denke, er hat die Augen vor vielem verschlossen, ich bin da sehr kritisch.”
So behauptet Zweig realitätswidrig, in Brasilien habe man noch nie von Brutalität gegenüber Tieren, gar von Hahnenkämpfen gehört. Der große Zweig kann für diese Anmerkung nur ungläubiges Kopfschütteln ernten – denn gerade die grausamen Hahnenkämpfe waren damals in Brasilien – und auch in der Region von Rio de Janeiro – außerordentlich beliebt. Schwer vorstellbar, daß Zweig davon nichts mitbekommen hatte. Das entsetzliche Vergnügen hatten die portugiesischen Kolonisatoren mitgebracht, seit 1530 gibt es darüber Berichte. Und selbst Staatschef Lulas PR-Manager Duda Mendonca ist bis heute Fan von Hahnenkämpfen, die ganze Spitze der Arbeiterpartei wußte stets davon. Bei den von Anbeginn der Kolonisierung bis heute üblichen Brandrodungen sterben ungezählte, auch seltenste, vom Aussterben bedrohte Tiere auf grausamste Art, verbrennen lebendig – und jeder Brasilianer weiß das genau. Angesichts des heute wie damals extrem sozialdarwinistischen Alltags von Brasilien erscheint Zweigs Beschreibung des brasilianischen Nationalcharakters, der Landesmentalität teilweise wie ein schlechter Witz. Hans Stern aus Rio, jüdischer Besitzer eines Juwelierkonzerns, nennt Zweigs Brasilienbuch daher „opportunistisch”:”Da schwärmt er von der Harmonie der Rassen, von der Herzensgüte des Volkes, von den bunten, lebhaften Tropen, in denen alles blüht, auch wenn es mal welkt.” Zu Zweigs Zeiten, in den vierziger Jahren sei Brasilien ein ganz primitiver Staat gewesen.
–Zweigs „Geschäft” mit der Vargas-Diktatur “ Buch im Tausch gegen Dauervisum
Alberto Dines erinnert daran, daß damals, 1941, in Brasilien der Diktator Getulio Vargas an der Macht war, es eine faschistische Partei mit 600000 Mitgliedern gab, die Politik, die öffentliche Meinung von grauenhaftem, aggressivem Antisemitismus geprägt waren. Das Außenministerium “ voller Antisemiten. „1941 schrieben Zeitungen, die Copacabana sei nicht wiederzuerkennen – verpestet von Leuten mit Judennasen!” Regimegegner wurden gefoltert. Ein Vargas-Dekret verbot zur Hitlerzeit, europäischen Juden, die nach Brasilien flüchten wollten, ein Einreisevisum auszustellen “ ungezählte endeten deshalb in den KZs. Für die brasilianische Historikern Maria Tucci Carneiro aus Sao Paulo ist die Vargas-Regierung mitschuldig an nazistischer Ausrottung, was sich jeder Brasilianer endlich einmal bewußt machen sollte.
Schon 1936 hatte der als antisemitisch verschriene Diktator Vargas in Rio taktisch geschickt Stefan Zweig empfangen “ genau zwei Tage später lieferte Vargas die Jüdin Olga Benario an Hitlerdeutschland aus, in Bernburg wurde sie vergast. „Am 27.August 1936 war die Nachricht von der Auslieferung in den brasilianischen Zeitungen.”
Damals ist der deutschstämmige Filinto Müller gefürchteter Chef der politischen Polizei, hält mit seinen Leuten enge Kontakte zur Gestapo, läßt von ihr in Berlin seine Nachwuchskader ausbilden. Alberto Dines konstatiert: ”Dieses Visum war damals eine kostbare Sache für jeden Juden, der aus Europa flüchten wollte. Und Stefan Zweig machte eben ein Negocio, Geschäft mit der Vargas-Regierung “ er schrieb ein Buch zugunsten Brasiliens im Tausch gegen ein Dauervisum, erhielt es mit unglaublicher Leichtigkeit. Und wenn er ein Buch verfaßt, das günstig für das Land ist, wird er eben bestimmte Dinge nicht sagen.” Jorge Amado nennt es ein Auftragswerk. Zweig, so heißt es, habe enge Kontakte zu Diktator Vargas unterhalten. Dieser wird stets positiv erwähnt.
Das Vargas-Regime macht vorhersehbar offen Propaganda für „Brasilien “ ein Land der Zukunft”. Lourival Fontes, rechte Hand von Vargas und sein Propagandachef, charakterisiert das Buch als Dienst an der brasilianischen Nation. Ausgerechnet vom Goebbels dieses Vargas ließ sich Zweig, der sich mit Brasilianern nicht in ihrer Landessprache unterhalten konnte(!), einen Übersetzer stellen sowie eine Reise in den Nordost-Teilstaat Pernambuco finanzieren. Biograph Dines erinnert daran, daß ausgerechnet Mussolini jenen hochintelligenten Propagandachef überschwenglich lobte. In der ganzen Welt verstünden nur drei Personen den Faschismus “ Fontes sei einer davon. „Mit Stefan Zweig und anderen jüdischen Persönlichkeiten ging Fontes sehr freundschaftlich um – dem vor den Nazis geflohenen französischen Juden Max Fischer half er sogar, einen Verlag zu gründen. Das ist wichtig “ man muß die brasilianische Ambiguidade, Zweideutigkeit verstehen, Brasilien ist ein zweideutiges Land.” Hat Zweig dies verstanden? „Ah “ das weiß ich nicht.”
Zudem war Stefan Zweig laut Dines eine empfindsame, ängstliche Person, die nicht polemisierte und auch nicht diskutierte. „Ich hätte nicht wie Zweig reagiert “ der damals bereits tief depressiv war. Denn Zweig hatte ja Angst vor dem Krieg, flüchtete deshalb nach Brasilien “ doch der Krieg kam ihm nach. In Rio wurden Zivilschutzübungen abgehalten, wegen der deutschen U-Boote lag nachts die Copacabana im Dunkel.”
Dines zitiert Zweigs Gastgeber in Rio, Abrahao Koogan, der über den Dichter auf einer Konferenz sagte: ”Er war ein feiger Mensch.”
Als „Brasilien “ ein Land der Zukunft” herauskam, wurde es von der Presse wegen verschiedenster Ungereimtheiten arg verrissen “ doch jeglicher Hinweis auf politische Aspekte, gar auf die unterlassene Kritik am Antisemitismus, fehlte durchweg. Denn wer dies gewagt hätte, so Alberto Dines, wäre unter der Vargas-Diktatur womöglich verhaftet worden. Zweig antwortet auf die Vorwürfe “ ausgerechnet in einer wenig gelesenen Zeitung der Vargas-Regierung. Manche Buch-Zitate Zweigs wirken wie pure Vargas-PR:”Wer das Brasilien von heute erlebt, hat einen Blick in die Zukunft getan.” Oder:”Wer Brasilien wirklich zu erleben weiß, der hat Schönheit genug für sein halbes Leben gesehen.” Bis heute werden solche Zweig–Sprüche selbst von der Reisebürowerbung gerne übernommen.
In dem Brasilienbuch brilliert er mit anschaulichen Beschreibungen der nationalen Industrie, der enormen Bodenschätze, der Landwirtschaft. Nichts davon stammt von ihm, alles hat er von dem Wirtschaftsexperten Roberto Simonsen übernommen, wie Alberto Dines betont.
Dann zählt er verschiedene Irrtümer Zweigs auf. In Sao Paulo begeisterte sich dieser an einem Modellgefängnis, das nach den Methoden eines deutschen Pädagogen und Mediziners geführt wurde. ”Stefan Zweig glaubte damals, Brasilien nutze Wissen und Erfahrung anderer Völker landesweit und habe daher alle Möglichkeiten zum Wachsen. Doch just dieses Modellgefängnis von Sao Paulo wurde zu einer entsetzlichen riesigen Anstalt namens Carandirù ausgebaut, zur Hölle für unzählige Häftlinge. Zweig konnte nicht voraussehen, daß Brasilien ins Stocken, ja zum Stillstand kommen würde. Man investierte weder in die Gefängnisse noch in die Schulbildung. Statt echter Entwicklung nur pharaonische Projekte, dazu die Auswirkungen der Bevölkerungsexplosion, der Korruption und vieler anderer negativer Faktoren. Brasilien hat sich brutalisiert.”
Stefan Zweig hätte auch die Folgen der tiefverwurzelten Sklavenhaltermentalität erwähnen, den Horror der brasilianischen Sklaverei schildern müssen. Nichts davon “ stattdessen betont er, in keinem anderen Land seien die Sklaven so relativ humanitär behandelt worden. Er gewinnt dem elenden Leben der schwarzen Sklavennachfahren sogar pittoreske Seiten ab, beschreibt die Schwarzen als fröhlich und glücklich.
–Dichterisch-journalistische Sorgfaltspflicht”„Er erfand das Paradies”–
”Nur ein einziges Mal war er in einem Slum und idealisierte daraufhin das einfache Leben der Leute dort. Andere prominente Zugereiste, darunter Soziologen und selbst Orson Welles, hoben ebenfalls nur die pittoresken Aspekte der Armut hervor. Zweig täuschte sich “ aber das entsprach ja seinem idealisierenden, romantisierenden Naturell. Er erfand das Paradies. Sicherlich hatte er dafür einige konkrete Elemente, denn es gab gute Dinge in Brasilien. Doch jenes Paradies, das er da erdichtete, hat seinen Selbstmord nicht verhindert.”

Rio+20, Scheiterhaufenstadt Rio de Janeiro: Der Tod des Kameramanns Gelson Domingos bei Feuergefecht, Video anklicken. “Abatido no front.”(O Globo) Brasiliens Fotojournalismus. Wem nützen Banditendiktatur und immer mehr No-Go-Areas? Stadtpolitik unter der Regierung von Dilma Rousseff. Brasiliens unbequeme Realitäten. Atomkraftwerk Angra 3 bei Rio im Bau. **

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Ausriß. Gelson Domingos, verheiratet, drei Kinder – mehrfach preisgekrönt. Die MG-Salve durchdrang die Schutzweste.

Video anklicken:

http://exame.abril.com.br/economia/brasil/noticias/veja-ultimas-imagens-do-cinegrafista-da-band-que-morreu-em-tiroteio-em-favela

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/02/baukultur-made-in-germany-ausstellung-in-sao-paulo-dr-ulrich-hatzfeld-bundesministerium-fur-verkehr-bau-und-stadtentwicklung-sigurd-trommer-prasident-der-bundesarchitektenkammer-bei-eroff/

Wie starb der mehrfach preisgekrönte TV-Reporter Tim Lopes? Laut Polizeibericht entdeckten ihn Banditen in der Favela Vila Cruzeiro von Rio de Janeiro – Tim Lopes wurde zuerst gefoltert, dann rammten ihm die Gangster einen Spieß in den Brustkorb, hackten seine Füße ab und verbrannten ihn lebendig in Autoreifen – siehe Szene aus ”Tropa de Elite”.

http://g1.globo.com/rio-de-janeiro/noticia/2011/11/patrulhamento-e-reforcado-em-favela-do-rio-onde-cinegrafista-foi-morto.html

YouTube-Video von Feuergefecht in Rio anklicken:

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/17/krieg-auf-dem-morro-dos-macacos-von-rio-de-janeiro-youtube-anklicken-bope-im-einsatz/

In europäischen Analysen ist häufig von einer energischen Kriminalitätsbekämpfung im Vorfeld von Fußball-WM und olympischen Spielen die Rede – in Brasilien selbst wird dies wie üblich völlig anders gesehen.  

Brasiliens Scheiterhaufen:

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/668242/

Scheiterhaufen-Theaterstück in Deutschland, Österreich, der Schweiz offenbar noch nicht aufgeführt:

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/04/29/brasiliens-scheiterhaufen-erstmals-in-einer-anklagenden-inszenierung-der-scheiterhaufenstadt-rio-de-janeiro-zu-sehen/

Wem nützt die Banditendiktatur?

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/12/ein-guter-freund-und-langjahriger-nachbar-theaterregisseur-vicente-maiolino-in-rio-de-janeiro-bergstadtteil-santa-teresa-durch-12-schusse-getotet-kein-hinweis-auf-tater/

Aus Europa erhält die Regierung unter Dilma Rousseff sehr viel Lob.

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/24/mord-wichtigste-todesursache-bei-jungen-brasilianern-zwischen-15-und-24-jahren-sicherheits-und-menschenrechtspolitik-unter-lula-rousseff/

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Zeitungsfoto aus Rio, Ausriß: Ermordeter in Favela neben Ziege.

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/14/nach-wie-vor-hemmungslose-aktionen-der-todesschwadronen-institutionalisierte-barbarei-lulas-menschenrechtsminister-paulo-vannuchi-raumt-gegen-ende-der-zweiten-amtszeit-erneut-fortbestehen-der-b/

Atomkraftwerk Angra 3:

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/08/19/brasilien-atomkraftwerke-angra-3-im-bau-bei-rio-de-janeiro-doppelseitige-regierungspropaganda-in-qualitatszeitungen-energie-fur-neue-zeiten/

Was Brasiliens Fotoreporter u.a. in Rio de Janeiro festhielten – Brasiliens unbequeme Realitäten:

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/

Die Aufdringlichkeit der Sinne

Vom machtgeschützten Verlust der gesellschaftlichen Sehkraft – Oskar Negt(2000)

“Der Verlust jener in sinnlicher Erfahrung begründeten Urteilsfähigkeit der Menschen hat in unserem Jahrhundert für viele Menschen tödliche Folgen gehabt. Das Wegsehen, die machtgeschützte Sinnenblindheit, wenn Menschen verfolgt und getrieben, vergewaltigt und öffentlich gequält werden – das gehört nicht der Vergangenheit an.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/29/rio-de-janeiros-militar-zirkus-politik-feiert-sieg-gegen-nicht-vorhandene-feinde-der-slumregion-complexo-do-alemao-banditenkommandos-reichlich-zeit-zum-ruckzug-gelassen-wie-bei-uno-umweltg/

Brasilianischer Fotograf Marcio Alexandre von TV Globo in Rio de Janeiro mit Mpi-Salve ermordet. Reisewarnungen, öffentliche Sicherheit und Gewaltklima unter Lula. Fußball und Mpi-Gangster – Rocinha. Tote bei WM-Siegesfeier. **

 

Laut Polizeiangaben kam der Fotograf mit seinem elfjährigen Sohn und zwei anderen Kindern am WM-Sonntag aus einem Fußballstadion und war auf dem Weg nach Hause, als die Killer auf einem Motorrad heranfuhren und aus einer Mpi und einer Pistole auf ihn feuerten. Die Täter hätten lediglich das Handy geraubt, hieß es. Alexandre war verheiratet, hatte drei Kinder.

“Im Complexo do Alemao geschah eine Raubzug-Operation. Dutzende von Reportern und Kameraleuten waren dort – doch dies entging ihrer Beobachtung.” (O Estado de Sao Paulo) Kritik an Hurra-Berichterstattung über die Farce des Polizei-und Militäreinsatzes von Rio de Janeiro. Viele Fragen über gesteuerten Journalismus. **

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Im Zuge der jüngsten Enthüllungen über die tatsächlichen Vorgänge bei der Besetzung der Slumregion “Complexo do Alemao” von Rio de Janeiro geraten inzwischen immer mehr die Mainstreammedien und Mainstreamjournalisten in die Kritik, die in heute üblicher Manier offizielle Versionen des Militär-und Polizeieinsatzes verbreitet hatten. Brasiliens wichtigste Qualitätszeitung “O Estado de Sao Paulo” betont inzwischen, was brasilianische Richter und kirchliche Menschenrechtsexperten bereits seit dem Beginn der Operation vom vergangenen November scharf verurteilt hatten, indessen vorhersehbar  bei in-und ausländischen Mainstreammedien kein Gehör fanden. Gemäß der Analyse der Qualitätszeitung handelte es sich um eine große Raubzug-Operation. Die Reporter hätten sich als Teil der Kriegsoperation gesehen und ihr kritisches Potential verloren. “In der Schilderung war alles schön und wunderbar – während real im Schatten Raub und Plünderung abliefen.” “O Garimpo envolveu o saque de varias casas de cidadaos comuns, perplexos com a furia e a ganancia de seus salvadores…Aves de rapina agradecem.”Brasilianische Menschenrechtsaktivisten, die zu selber Zeit wie in-und ausländische Journalisten im Complexo do Alemao recherchierten, berichteten gegenüber der Website vom vorherrschenden Klima der Einschüchterung,  Angst unter den Slumbewohnern, von staatlichem Terror, Raub. Massakrierte habe man in der üblichen Weise zwecks Beseitigung von Schweinen auffressen lassen. Menschenrechtsaktivisten im Complexo do Alemao fürchteten Repressalien und Ermordung, zögen es vor, daß jegliche Art von Protesten gegen die Menschenrechtsverletzungen fern der Slumregion stattfinde und von Gruppierungen außerhalb des Teilstaats Rio de Janeiro organisiert werde. Ein Blick auf Berichte über die Besetzungsaktion zeigt, daß in nicht wenigen Medien offenbar verboten war, derartige kritische Stimmen überhaupt zu erwähnen.

Nicht nur in Brasilien ist allgemein bekannt, daß es bei Polizei-und Militäraktionen in Favelas fast stets zu derartigen gravierenden Menschenrechtsverletzungen kommt. Umso merkwürdiger mutet an, daß just in Berichten von ausländischen Reportern, die vor Ort waren,  solche nunmehr offengelegten Fakten komplett fehlen. Was war da passiert, welche Abstimmungen erfolgten mit den zuständigen Redaktionen? Fragen über Fragen, viel Stoff für Kommunikationswissenschaftler.

Zu den gerne weltweit verbreiteten offiziellen Versionen zählte just im November 2010, mitten in den Raub-und Gewaltaktionen,  auch die Einschätzung eines Rio-Polizeichefs, wonach man den Bewohnern des Complexo do Alemao die Freiheit gebracht habe. Präsidentin Dilma Rousseffs neuer Justizminister nannte laut Landesmedien die Besetzungsaktion ein “Modell und Beispiel für das ganze Land”.

 http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/11/militarische-besetzung-des-complexo-do-alemao-von-rio-de-janeiro-ist-modell-und-beispiel-fur-das-ganze-land-zitieren-brasiliens-landesmedien-neuen-justizminister/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/17/rio-de-janeiros-bejubelter-militareinsatz-in-der-slumregion-complexo-do-alemao-neue-enthullungen-uber-tatsachliche-vorgange/

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Militäreinsatz von 2006 im Complexo do Alemao – mit den bekannten Resultaten…

Fotoserie:  http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/

Folter und Haftbedingungen in Brasilien – Amnesty-Bericht 2010

Nach wie vor waren Häftlinge grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen ausgesetzt. Folter wurde als gängige Verhörmethode zur Bestrafung, Kontrolle, Erniedrigung und Erpressung eingesetzt. Auch die Überbelegung der Haftanstalten blieb ein ernsthaftes Problem. Die Kontrolle der Hafteinrichtungen durch Banden führte zu einer hohen Gewalttätigkeit unter den Häftlingen. Das Fehlen unabhängiger Kontrollinstanzen sowie ein hohes Maß an Korruption sorgten für eine weitere Verfestigung der Gewaltprobleme im Straf- und Jugendstrafvollzug.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/22/brasiliens-kulturexport-nur-02-prozent-vom-weltvolumen-retrato-de-um-pais-que-nao-exporta-sua-cultura-o-estado-de-sao-paulo-brasilianische-musik-verkauft-sich-garnicht-so-gut-im-ausland/

Hintergrund Favelas – Österreichs Südwind-Magazin:

http://www.suedwind-magazin.at/start.asp?ID=234729&rubrik=31&a

Brasilien: “Tropa de Elite 2? – noch dokumentarischer als der Berlinale-Gewinner. Landeskunde pur über die Sicherheits-und Menschenrechtspolitik unter Lula. “Porém, os principais inimigos do herói são mesmo os políticos, mostrados em vários formatos.” USP-Studenten Sao Paulos: “Genauso ist leider unser Brasilien heute, da wurde nichts übertrieben. Man muß um das Leben von Regisseur Padilha fürchten.” Constantin Costa-Gavras. **

 

 http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/14/wagner-moura-und-jose-padilha-bei-debatte-uber-tropa-de-elite-2-in-sao-paulo-ich-votiere-in-der-stichwahl-fur-keinen-der-beiden-kandidatenpadilha/

Der neue, ab sofort landesweit gezeigte Streifen von Regisseur José Padilha ist noch erheblich näher an der derzeitigen Realität der größten Demokratie Lateinamerikas als Vorläufer und Berlinale-Gewinner “Tropa de Elite”. Wer die hiesigen Zustände aus der Nähe kennt, ersetzt im Film gezeigte Figuren des öffentlichen Lebens beinahe zwangsläufig im Kopf sofort durch passende real existierenden Personen – denkt bei Opfern der Gewaltkultur, der Menschenrechtssituation an brasilianische Freunde und Bekannte, die ebenfalls sadistisch umgebracht, gar lebendig verbrannt worden sind. In dem Film werden eine Journalistin und ein Fotograf Rio de Janeiros verbrannt. Ein Menschenrechtsaktivist, der sich gegen die Slum-Diktatur auflehnt, Abgeordneter wird, erinnert sehr an einen real existierenden politischen Gegner der paramilitärischen Milizen, an Marcelo Freixo.

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Banditen verbrennen die Journalistin und den Fotografen – ein Gangster hält in der Hand einen verkohlten Menschenkopf.  Wie starb der mehrfach preisgekrönte TV-Reporter Tim Lopes? Laut Polizeibericht entdeckten ihn Banditen in der Favela Vila Cruzeiro von Rio de Janeiro – Tim Lopes wurde zuerst gefoltert, dann rammten ihm die Gangster einen Spieß in den Brustkorb, hackten seine Füße ab und verbrannten ihn lebendig in Autoreifen – siehe Szene aus Berlinale-Gewinner ”Tropa de Elite”. http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/28/cnn-brasilien-ist-coolste-nation-der-welt/

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BOPE-Capitao Matias und Rio-Bandit.

”Die Politiker erkennen sich wieder. Es gibt keinen Politiker, der nicht auf Fotos an der Seite von Angehörigen paramilitärischer Milizen abgebildet ist.” Regisseur José Padilha. http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/19/erfolgsfilm-tropa-de-elite-2-und-ubersturzte-reaktionen-3-monate-vor-lulas-abtreten-besetzt-spezialeinheit-scheiterhaufen-hinrichtungsstatte-in-rio-slum/

“Mit Tropa de Elite 2 klagt Padilha die Politik und die Politiker an.” Kritiker Luiz Zanin Oricchio in “O Estado de Sao Paulo”

Bizarre Rio-Realität November 2010: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/25/rio-de-janeiro-polizeipannen-ohne-ende-tv-helikopter-zeigt-live-lange-zeit-uber-250-schwerbewaffnete-slum-banditen-wahrend-die-spezialeinheiten-unfahig-zu-entsprechendem-eingreifen-sind/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/04/auch-am-wahltag-patrouillierten-mit-mpis-bewaffnete-banditen-sogar-auf-motorradern-in-rio-slums-wie-rocinha-berichtet-landespresse-politik-und-organisiertes-verbrechen-in-brasilien/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/06/08/jurandir-freire-costa-therapeut-professor-an-der-staatsuniversitat-von-rio-de-janeirouerj-in-brasilien-herrscht-ethisch-moralische-schizophrenie/

Brasiliens Schriftsteller Zuenir Ventura aus Rio weist in seiner Pressekolumne ebenfalls auf diese Ähnlichkeiten: “Um exercicio é identificar em “Tropa de elite 2? os personagens reais que se escondem ou se disfarcem em cada tipo criado pelo diretor José Padilha. Eles compoem a paisagem politica do Rio de Janeiro dos ultimos anos. Esse aqui lembra aquele ex-secretario de Seguranca que teria virado deputado federal com apoio dos milicianos. Esse outro é o deputado estadual Marcelo Freixo, ameacado de morte por sua acao contra as milicias. O governador ficticio, porem, `nao é nenhum e sao todos, como informa o diretor…Mais complexo do que o primeiro, o numero 2 desvenda a promiscuidade etre as forcas da ordem e da desordem…Padilha nao perdoa…A seguranca publica do Rio estava nas maos dos bandidos.”  Immer wieder erstaunlich und sehr beneidenswert die Freiheit der brasilianischen Journalisten, über die Realität des eigenen Landes zu berichten.

“Lula besser als Wagner Moura”: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/11/19/lula-ist-der-groste-schauspieler-des-landes-besser-als-wagner-moura-laut-regisseur-fernando-meirellescity-of-god-blindness/

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Lulas Sicherheits-und Menschenrechtspolitik und der Tourismus: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/03/braslien-tourismus-stagniert-seit-zehn-jahren-degradierung-und-gefuhl-der-unsicherheit-helfen-erklaren-warum-der-jahresdurchschnitt-auslandischer-touristen-seit-1999-nicht-funf-millionen-uberste/

Padilha erweist sich erneut als ausgezeichneter Kenner, intimer Beobachter Brasiliens, das wegen seiner Politik auch aus Mitteleuropa sehr viel Lob erhält – der Film macht mögliche Gründe nachvollziehbar.  Teil der Film-Landeskunde ist ein Hubschrauberflug über die Regierungsbauten von Oscar Niemeyer in Brasilia, von den Ministerien bis zu Nationalkongreß und Präsidentenpalast – politisch-soziologisch eingebunden in die Handlung des Streifens. Die Realitätsnähe könnte dem Kunstwerk einen weiteren Berlinale-Gewinn einbringen – oder noch mehr Verrisse als beim Vorläufer.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/04/16/achtung-bewohner-vermeidet-an-kriegstagen-die-hauser-zu-verlassen-danke-comando-vermelho/

Regisseur Constantin Costa-Gavras, der den Vorläufer “Tropa de Elite” 2008 mit dem “Goldenen Bären” der Berlinale auszeichnete, hat gegenüber der Presse erneut gewürdigt,  wie Kollege José Padilha die Schuld des Staates für die Gewalt herausstellt.

Wem nützt die Slum-Diktatur? http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/06/tropa-de-elite-2-offizieller-trailer-anklicken-interessante-politische-und-soziokulturelle-einblicke-in-den-alltag-des-strategischen-partners-brasilien/

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Rua Augusta, Sao Paulo.

“Die Realität ist schlimmer als der Film”: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/13/tropa-de-elite-2-die-realitat-ist-schlimmer-als-der-film-laut-regisseur-jose-padilha/

http://g1.globo.com/pop-arte/noticia/2010/10/infelizmente-o-brasil-vai-continuar-o-mesmo-depois-do-filme-diz-padilha.html

http://cinema.uol.com.br/ultnot/2010/10/06/em-tropa-de-elite-2-jose-padilha-aponta-culpados-na-esfera-do-poder-publico.jhtm

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/01/hit-der-fusball-wm-in-sudafrika-rap-das-armas-aus-rio-de-janeiro-musik-des-berlinale-gewinners-tropa-de-elite-anklicken-zeitgeist/

“Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.” Deutschsprachige Tourismuspropaganda, meist ganzseitig geschaltet.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/01/rio-de-janeiro-schweine-fressen-getotete-auf-banditen-verliesen-slums-in-panzerwagen-bestochener-polizisten-massiver-raub-durch-beamte-und-soldaten-laut-berichten-der-folha-de-sao-paulo/

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Regisseur José Padilha in Sao Paulo.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/15/tropa-de-elite-2-neuer-film-uber-menschenrechtspolitik-in-brasilien-unter-lula-steuert-zuschauerrekord-an/

Film und Realität, Fotodokumentation: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/11/franz-josef-overbeck-neuer-vorsitzender-der-bischoflichen-aktion-adveniat-besucht-erstmals-lateinamerika-im-vorfeld-des-50-jahrigen-bestehens-von-adveniat-2011-overbeck-besucht-franziskanerbischo/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/04/the-worlds-happiest-cities-forbes-rio-de-janeiro-top-of-our-list-good-humor-good-living-carnaval/

Das Erste: Drehstart für “Das Traumhotel – Brasilien” (AT)

 

München (ots) – Am 29. August 2011 ist die erste Klappe für eine neue Folge von “Das Traumhotel” gefallen. Dieses Mal entführt Das Erste seine Zuschauer ins farbenfrohe und temperamentvolle Brasilien. Die Reise mit Hotelbesitzer Markus Winter führt nach Rio de Janeiro und Salvador da Bahia.(Pressetext)

Köln schließt Städtpartnerschaft mit Rio de Janeiro:

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/rio-de-janeiro-und-koln-rucken-naher-zusammen-die-neue-stadtepartnerschaft/

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Ausriß – Rio de Janeiros Präfektur läßt Ausstellung von Menschenrechts-NGO über Morde und Gewalt in Rio entfernen. Zur Begründung hieß es, die Ausstellung schädige den Stadt-Tourismus.  Die NGO “Rio de Paz” protestierte entsprechend.

Endstation Carandiru01.04.2006 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Endstation Carandiru Ein brasilianisches Gericht spricht den Offizier frei, der das größte efängnismassaker in der Geschichte des Landes zu verantworten hat. Von Klaus Hart Ein Gericht in der brasilianischen Wirtschaftsmetropole São Paulo hat im Februar eine mehrfach lebenslängliche Gefängnisst …

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Menschenrechtler besorgt über Terror von rechts01.11.2000 | Amnesty Journal Artikel | Brasilien Menschenrechtler besorgt über Terror von rechts Der brasilianische Schriftsteller Joao Silvèrio Trevisan, 56, Pionier und intellektueller Kopf der nationalen Schwulenbewegung, hat die Regierung von Präsident Fernando Cardoso aufgefordert, rigoros gegen rechtsextreme Gruppen vorzugehen, um die derzeiti …

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Kolumne: Kopf unter Wasser04.06.2009 | Amnesty Journal Artikel | Kolumne zum Thema “Folter in Brasilien”.

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Ganz normales Vorgehen : Ein Fall von Folter beschäftigt die brasilianische Öffentlichkeit01.05.2001 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Ganz normales Vorgehen Ein Fall von Folter beschäftigt die brasilianische Öffentlichkeit. Er markiert jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Der Fall schien klar: Der 23-jährige Bauarbeiter Alexandre de Oliveira aus Bom Jardim de Minas, einem Ort etwa 200 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt, hatte s …

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Sklavenarbeit nimmt wieder zu01.02.2002 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN SKLAVENARBEIT NIMMT WIEDER ZU Erst im Jahre 1888 hat Brasilien die Sklaverei offiziell abgeschafft, doch es gibt sie bis heute. Vor allem im Norden und Nordosten wird sie von etlichen Großgrundbesitzern in modifizierter Form weitergeführt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Morde an Landgewerkschaftern …

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Kein Ende des Mordens in Sicht01.04.1997 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Kein Ende des Mordens in Sicht In Brasilien sind auch zehn Jahre nach Ende der Diktatur Todesschwadronen aktiv. Die Opfer sind Kinder, Jugendliche, Arme, Menschenrechtler oder politische Gegner – die Gewalt nimmt zu. An einem Februarnachmittag geschieht in Rio de Janeiro wieder einmal das, was …

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Folter bleibt alltäglich01.11.2001 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Folter bleibt alltäglich In Brasilien hat die Regierung eine Kampagne gegen die Folter gestartet. Menschenrechtler sind eher skeptisch, was den Erfolg betrifft. Denn auch das Anti-Folter-Gesetz von 1997 hat bisher nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Der Dreißig-Sekunden-TV-Spot ist gut gemacht, drasti …

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Sicherheitskräfte treiben Menschenrechtler in Exil01.10.2000 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Sicherheitskräfte treiben Menschenrechtler ins Exil Der brasilianische Staatschef Cardoso ist stolz auf seine Menschenrechtspolitik. Doch engagierte Menschenrechtler und verfolgte Homosexuelle fliehen ins Ausland und erhalten dort politisches Asyl. Wer sich in Brasilien für die Rechte von Minderh …

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Brasilien: Schießen mit “Wildwest-Zulage”01.02.1998 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Schießen mit “Wildwest-Zulage” Die Militärpolizei Brasiliens ist heute gewalttätiger als während der Diktatur. Massaker an Häftlingen, Straßenkindern und Landlosen häufen sich. Menschenrechtler protestieren gegen eine “Wildwest-Zulage”, die Ermordungen belohnt und zum Töten Unschuldiger anreizt. …

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Geld oder Gewehre: Mit Hilfe einer Kampagne versucht die Regierung Waffen abzukaufen01.09.2004 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Brasilianisches Roulette In kaum einem anderen Land der Welt sterben so viele Einwohner durch Schusswaffen wie in Brasilien. Jetzt versucht die Regierung, die privaten Revolver und Gewehre einzusammeln. Was soll ich noch mit den Schießeisen – in meinem Alter“, sagt die 89-jährige Zulmira de Oli …

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Die “Hölle auf Erden”01.12.1996 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN Die “Hölle auf Erden” Revolten, Hungerstreiks und Aids bestimmen den Alltag in den völlig überfüllten brasilianischen Gefängnissen. Brasilien gilt zwar als die zehntgrößte Wirtschaftsnation, leistet sich aber Haftanstalten, die man eher in Ruanda oder Burundi vermuten würde. Eine im April verkünde …

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Staat im Staate01.10.2002 | Amnesty Journal Artikel | BRASILIEN STAAT IM STAATE In Brasilien haben sich einflussreiche Verbrechersyndikate entwickelt, die vor allem in den Favelas, den Elendsvierteln der Großstädte das soziale Leben kontrollieren. In den über achthundert Favelas von Rio de Janeiro häufen sich Szenen wie diese: Mehrere Dutzend schwer bewaff …

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Ungesühnte Gewaltexzesse01.09.1999 | Amnesty Journal Artikel | Brasilien Ungesühnte Gewaltexzesse In den Armenvierteln der brasilianischen Großstädte gehört der Terror zum Alltag. Bewaffnete Banden, Paramilitärs und die Polizei treiben hier ihr Unwesen. Der Staat schaut zu. Rio de Janeiro, Ende Juli 1999: In Sichtweite des Rathauses und einer Polizeikaserne, ganz in …

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Nachrichten01.11.2000 | Amnesty Journal Artikel | NACHRICHTEN Brasilien Menschenrechtler besorgt über Terror von rechts Der brasilianische Schriftsteller Joao Silvèrio Trevisan, 56, Pionier und intellektueller Kopf der nationalen Schwulenbewegung, hat die Regierung von Präsident Fernando Cardoso aufgefordert, rigoros gegen rechtsextreme Gruppen vorzugehen, …

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Nachrichten01.06.1999 | Amnesty Journal Artikel | Nachrichten Brasilien/Deutschland Keine Schelte für Präsident Cardoso Menschenrechtler hatten sich vor dem Deutschland-Besuch des brasilianischen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso gefragt, was diesmal wohl anders sein würde. Kam Cardoso zu Bundeskanzler Kohl an den Rhein, schlugen ihm Freundlichkeiten und …

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Nachrichten01.06.1998 | Amnesty Journal Artikel | NACHRICHTEN Brasilien Ein Folterer macht Karriere Ricardo Fayad ist heute Brigadegeneral – während der Diktatur von 1964 bis 1985 hatte er sich als ausgebildeter Mediziner an Folterungen politischer Gefangener beteiligt. In einer Kaserne in Rio de Janeiro bestimmte er die Methoden: Celia Manes erhielt im …

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“Cities of Terror” – WOXX:
 http://archiv.woxx.lu/0700-0799/700-709/703/703p5.pdf

http://www.ila-web.de/brasilientexte/inhalt.

Brasilianische Sozialwissenschaftler analysieren die bürgerliche Demokratie des Tropenlandes  und spezielle Menschenrechtsverletzungen.

Die rasch wachsenden Slums der brasilianischen Millionenstädte sind nach Darstellung von Sozialwissenschaftlern und Sicherheitsexperten regelrechte Parallel-Staaten, No-Go-Areas, in denen hochbewaffnete Banditenkommandos des organisierten Verbrechens neofeudal die Normen bestimmen, die Bevölkerung terrorisieren. Dies habe verheerende Auswirkungen auf die Sozialbeziehungen der Slumbewohner und paralysiere Protestpotential. In den Diktaturjahrzehnten habe das Militär die Ghettos “niedergehalten “ heute habe das organisierte Verbrechen diese Rolle übernommen. Immer wieder wird daher die Frage gestellt, wem derartige Slumstrukturen am meisten nützen.

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Rio – Zeitungsausriß.

„Die Tyrannei des organisierten Verbrechens verhindert jegliche demokratische Partizipation der Slumbewohner, das Protestpotential der Armenviertel wird von den lokalen Despoten völlig erstickt”, analysiert Luiz Eduardo Soares, einer der renommiertesten brasilianischen Sozialwissenschaftler, der das Bestseller-Buch zum sozialkritischen Berlinale-Film „Tropa de Elite” mitverfaßt hatte, im Website-Exklusivinterview.

„Das Interessante ist: Beim Übergang von der Militärdiktatur zur Demokratie am Anfang der achtziger Jahre wurden in den Slums geradezu massenhaft Verbände, Organisationen, Bürgerrechtsgruppen gebildet, erlebten die Sozialbewegungen einen enormen Aufschwung. Doch dann haben die schwerbewaffneten Verbrecherkommandos dies alles wieder zunichte gemacht. Sie kontrollieren ihre Territorien mit brutaler Gewalt “ und in Politik und Wirtschaft kann es durchaus Leute geben, die das begrüßen. Solche Zustände gelten für Rio de Janeiro und alle anderen brasilianischen Städte “ überall wird eine Selbstorganisation der Armen und Verelendeten blockiert.”

Die nordöstliche Küstenstadt Fortaleza hat annähernd so viele Einwohner wie Berlin und belegt ebenfalls die These von Sozialwissenschaftler Soares. In den riesigen Slums der Peripherie haben die Bewohner geradezu panische Angst vor Greueltaten, Gewaltexzessen marodierender Banditenkommandos. Allein an den Weihnachtsfeiertagen von 2007 wurden mehr als einhundert Menschen ermordet, waren selbst Heiligabend überall Schüsse zu hören. Die meisten Geschäfte sind sogar tagsüber, während der Öffnungszeiten, mit Stahlgittern verriegelt. Abends und nachts sind die meisten Straßen und Gassen der dichtbesiedelten Peripherie wie ausgestorben, haben sich viele Menschen in ihren Katen hinter Gitterstäben und dem überall frei verkauften NATO-Stacheldraht verbarrikadiert. Gesellschaftliche Apathie, Mißtrauen und Entsolidarisierung sind in diesen No-Go-Areas deutlich zu spüren. ”Das ist eine biblische Plage “ solche Gewalt wird bereits in der Heiligen Schrift beschrieben”, betont Ricardo Mendes, Pastor einer der vielen Sekten in den Slums von Fortaleza. „Hinter dieser Gewalt steckt der Satan “ ohne das Evangelium hätten wir hier die pure Barbarei.”

Die Anthropologin Alba Zaluar, eine der führenden Gewalt-Forscherinnen Brasiliens, argumentiert indessen ähnlich wie der Soziologe Soares: ”Die Slum-Assoziationen waren selbst in der Diktaturzeit sozusagen die Seele der Ghettos, hatten eine enorme Bedeutung für das kulturelle, soziale Leben, für den Karneval und selbst für den Fußball. Doch dann intervenierten die Verbrecherorganisationen und haben diese Strukturen zerschlagen. Heute können die Slumbewohner nicht mehr gegen die Verletzung ihrer Bürgerrechte protestieren “ denn sie leben in einer brutalen Diktatur. Die Slums sind heute voller psychisch gestörter Menschen “ dort herrschen soziales Chaos und Verwahrlosung.”

José Murilo de Carvalho, Mitglied der brasilianischen Dichterakademie und Lehrstuhlinhaber für Geschichte an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro, schlußfolgert, daß diese bedrückende Lage indessen systemstabilisierend wirkt. ”Die Existenz des organisierten Verbrechens in den Slums blockiert die Politisierung der Bewohner, hält sie ruhig, verhindert eine Rebellion, Protestaktionen jeder Art. Die Gangsterkommandos dienen damit der Aufrechterhaltung von politischer Stabilität im Lande “ und das ist den Autoritäten sehr recht, ist gut für sie. Natürlich würden sie das nie eingestehen. Ohne Zweifel gehört zum strategischen Kalkül auch der jetzigen Regierung, daß es wegen der so hilfreichen Gangsterkommandos keine soziale Explosion geben wird “ und das ist natürlich reiner Zynismus. Wir haben soviele Gewalttote wie in Bürgerkriegen.” Falls die Lage in den Slums doch einmal außer Kontrolle gerät, setzt der Staat die Armee oder Sondereinheiten der Polizei in Marsch. Nicht zufällig ist der Spielfilm „Tropa de Elite” der erfolgreichste und meistdiskutierte Streifen der letzten Jahre.

Benedita da Silva – politisch verantwortliche Staatssekretärin für Menschenrechte im Teilstaat Rio de Janeiro, bei Teilen der europäischen NGO-Szene hoch angesehen.

Hintergrund von 2002:

“PT-Gouverneurin für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich

Erschwerend kommt hinzu, daß die PT derzeit nicht nur im Teilstaat Sao Paulo, sondern auch in Rio de Janeiro – mit einem Bruttosozialprodukt über dem von ganz Chile – wegen Mißwirtschaft und Skandalen stark an Ansehen verliert. Am Zuckerhut regiert die schwarze, unangenehm populistische PT-Gouverneurin Benedita da Silva, Mitglied einer Sektenkirche, vorhersehbar desaströs – tolerierte bereits als privilegiensüchtige Kongreßsenatorin in den Slums schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungen, ließ den hochgerüsteten, rivalisierenden Verbrechersyndikaten und Banditenmilizen freien Lauf, die bis heute zahlreiche Schulen schließen, in den Elendsvierteln der Peripherie sogar Ausgangssperren verhängen, die Bewohner terrorisieren, einen beträchtlichen Teil der Slumkinder rekrutieren. Besonders schwerwiegend: In den letzten Wochen akzeptierte die von manchen deutschen Drittweltbewegten, sogar Drittwelt-Gazetten gefeierte Gouverneurin allen Ernstes, daß Banditenmilizen kinderreiche Familien aus ihren Slumkaten vertrieben. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten sicherten zumindest den Abtransport der wenigen Habe aus dem Elendsviertel. Auch unter Benedita da Silva werden Slum-Bürgerrechtler, die sich dem Diktat des organisierten Verbrechens widersetzen, zur Abschreckung sadistisch umgebracht. Zuletzt ermordeten die international vernetzten, politisch einflußreichen Gangstersyndikate den 47-jährigen Leiter einer Slum-Bürgerassoziation, zudem Musikchef einer großen Sambaschule – in den letzten Jahren starben auf gleiche Weise, aus gleichen Gründen weit über einhundert. Und selbst das ist unter der “progressiven” Benedita da Silva weiter möglich: Zwei direkt benachbarte Slums werden von rivalisierenden Banditenmilizen dominiert, die den Bewohnern verbieten, sich dem anderen Elendsviertel auch nur zu nähern. Ein Fischer stieg jetzt zufällig, unbeabsichtigt am “gegnerischen” Slum aus dem Peripherie-Bus – wurde von Gangstern identifiziert und auf der Stelle erschossen. Indessen – PT-Präsidentschaftskandidat Lula ist des Lobes voll für die Gouverneurin, verliert über derartige gravierende Menschenrechtsverletzungen in seinen Wahlkampfreden nicht ein einziges Wort. Seit unter Benedita da Silva selbst laut offiziellen Angaben in Rio de Janeiro monatlich mehr als sechshundert Menschen ermordet werden, macht die Stadt erschreckend negative Schlagzeilen, sind die Touristenhotels die letzten Monate nicht einmal zur Hälfte belegt.”

http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html

http://www.suedwind-magazin.at/start.asp?ID=234433&rubrik=7&ausg=200210

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/10/20/brasiliens-burgerfreiheiten-uber-8o-prozent-veranderten-wegen-zunehmender-gewalt-und-kriminalitat-die-lebensgewohnheiten-54-prozent-verlassen-nachts-nicht-mehr-das-haus-laut-neuer-studie/

Tourismus in Brasilien und das Menschenrecht auf persönliche Sicherheit unter Lula – die deutsche Botschaft in Brasilia informiert. Vorsicht vor Überfällen durch Motorradgangster in Rio de Janeiro und Sao Paulo. Todesschwadronen, Scheiterhaufen, Menschenrechtslage, Günter Nooke, Rogerio Reis. Feuergefechte in Rio, verirrte Kugeln. Morde an Geistlichen, Lynchjustiz häufig. Massengräber. **

 

 http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/21/brasilien-ein-land-der-zukunft-ehrung-fur-propaganda-buch-von-stefan-zweig-fallt-wegen-umweltkatastrophe-in-petropolis-ins-wasser/

“Kriminalität

Die Großstädte Brasiliens, insbesondere Belem, Recife, Salvador, Rio de Janeiro und Sáo Paulo, weisen eine hohe Kriminalitätsrate auf (Eigentumsdelikte, Gewaltverbrechen, Entführungen; siehe auch Allgemeine Reiseinformationen). Grundsätzlich ist Vorsicht angebracht, auch in als sicher geltenden Stadtteilen.”

microondaspensionista.jpg

Scheiterhaufen “microondas” in Rio de Janeiro – laut Lokalzeitung. Populärer Scheiterhaufen-Rap zum Anklicken: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/16/rio-de-janeiro-popularen-scheiterhaufen-rap-microondas-der-scheiterhaufen-stadt-anklicken-vacilou-bem-na-favela-microondas-te-torrou-a-tua-chance-acabou/

Wie starb der mehrfach preisgekrönte TV-Reporter Tim Lopes? Laut Polizeibericht entdeckten ihn Banditen in der Favela Vila Cruzeiro von Rio de Janeiro – Tim Lopes wurde zuerst gefoltert, dann rammten ihm die Gangster einen Spieß in den Brustkorb, hackten seine Füße ab und verbrannten ihn lebendig in Autoreifen – siehe Szene aus ”Tropa de Elite”.

 Rio-Gefechte: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/17/krieg-auf-dem-morro-dos-macacos-von-rio-de-janeiro-youtube-anklicken-bope-im-einsatz/

bosshartmpikinder.JPGZeitungsausriß NZZ.

Scheiterhaufen in Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/05/scheiterhaufen-in-sao-paulo-mindestens-15-menschen-in-der-megacity-seit-jahresbeginn-lebendig-verbrannt-laut-landesmedien-fogo-para-matar-rivais/

(Brasiliens Presse, darunter die von Rio de Janeiro, hat in den letzten Jahrzehnten noch weitaus grauenhaftere Nahaufnahmen von Scheiterhaufenopfern veröffentlicht. Auf Scheiterhaufen Rio de Janeiros sind auch immer wieder Bürgerrechtler lebendig verbrannt worden, die sich gegen das Normendiktat der Slum-Diktatoren aufgelehnt hatten. Entsprechende Proteste von eigentlich zuständiger Seite sind indessen bis heute ausgeblieben. Eine auf dem Uni-Campus von Rio vergewaltigte und danach lebendig verbrannte 20-jährige Frau wurde in einer populären Zeitung als „Presunto”(Schinken) bezeichnet. Das Opfer wurde sexistisch-appellativ fotografiert und kannibalistisch mit zubereitetem Grillfleisch verglichen, im Bildtext mit Toastbrot. Der Beitrag war humorig gehalten.) Siehe auch Rogerio Reis: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/10/07/rogerio-reis-microwaves-microondas-fotoinstallation-uber-scheiterhaufen-brasiliens-vom-maison-de-la-europeenne-de-la-photographie-in-paris-angekauft/

angelivisiteobrasil.JPG

Ausrhttp://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/20/rio-de-janeiros-scheiterhaufenmicroondas-und-die-gerichtsmedizinerin-antonieta-campos-xavier-verkohlte-leichen-sadismus-vergleiche-mit-sydney/

zeitungsfotomatancatrio.jpg

Zeitungsfoto zur Faktenlage in den Slums. Das Desinteresse an den tatsächlichen Lebensbedingungen der Slumbewohner ist enorm.

Steinigen im Iran und in Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/14/steinigen-im-iran-unter-ahmadinedschad-und-in-brasilien-unter-lula-lula-konnte-sich-uber-die-tatsache-beunruhigen-das-brasilien-zu-den-landern-gehort-in-denen-am-meisten-gelyncht-wird-jose/

Massengräber: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/20/brasiliens-massengraber-erschreckend-hohe-zahl-von-toten-monatlich-in-massengrabern-verscharrt-laut-menschenrechtspriester-julio-lancelotti-in-sao-paulo/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/05/brasiliens-zeitungen-eine-fundgrube-fur-medieninteressierte-kommunikations-und-kulturenforscher/

“Rüttgers-Besuch bei den Gangstern angemeldet”: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/01/nrw-ministerprasident-dr-jurgen-ruttgerscdu-im-kinderdorf-rio-ev/

Tödliche Auskunftsbitte an Rio-Slums: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/25/brasiliens-no-go-areas-unter-lula-schon-eine-simple-auskunftsbitte-kann-todlich-sein/

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Überfallenes, von Banditen mit Messern verwundetes Ehepaar aus Frankreich mit Polizist am Tatort in Maranhao.

Formel-1-Fahrer Jenson Button: http://www.focus.de/panorama/boulevard/brasilien-button-entkommt-nur-knapp-ueberfall_aid_569564.html

NGO “Rio de Paz”: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/20/rio-de-paz-brasilianische-ngo-mit-interessanten-angaben-uber-die-menschenrechtsbilanz-der-lula-regierung/

Moderne Wegelagerer in Rio de Janeiro: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/13/moderne-wegelagerer-in-rio-de-janeiro-bewaffnete-banditen-stoppen-serienweise-pkw-rauben-insassen-aus-uber-50-erstatten-anzeige-wegelagerei-dieser-art-auch-in-anderen-millionenstadten-ublich-offe/

Morde an Geistlichen: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/15/weiterer-katholischer-priester-in-brasilien-ermordet-alvino-broering-erstochen-in-santa-catarina-deutsche-schweizerische-reisenwarnungen-menschenrecht-auf-sicherheit-unter-lula/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/01/15/fall-christian-wolffer-keine-polizeiangaben-mehr-uber-fahndung-nach-killerboot-von-paraty/

Bewaffnete Überfälle auf Busse in Rio de Janeiro: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/05/25/wieviele-bewaffnete-uberfalle-auf-nahverkehrsbusse-gibts-taglich-in-ihrer-stadt-in-rio-sinds-23-alle-elf-minuten-ein-mord-in-brasilien-deutsche-botschaft-warnt-das-menschenrecht-auf-sicherheit-unt/


http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/14/hinter-gittern-atras-das-grades-die-schweinestallchen-chiqueirinhos-von-sao-paulo-zwecks-banditenabwehr-im-eingangsbereich-von-wohnblocks-installiert-dennoch-werden-regelmasig-wohnan/
“Besonders betroffen sind Elendsviertel (Favelas). Von Favela-Besuchen wird dringend abgeraten.  Diese Gebiete werden teilweise von Kriminellen kontrolliert. Bewaffneten Auseinandersetzungen, auch mit der Polizei, fallen häufig auch Unbeteiligte zum Opfer.Auf auffällige Kleidung und Wertgegenstände (Uhren, Schmuck) sollte beim Straßenbummel verzichtet werden. Bei Überfällen sollte kein Widerstand geleistet werden. Die oft unter Drogeneinfluss stehenden Täter sind in aller Regel bewaffnet und schrecken vor Gewaltanwendung auch aus nichtigem Anlass nicht zurück. Es ist ratsam, stets einen Geldbetrag im Wert von ca. 50,- Euro zur widerstandslosen Herausgabe mitzuführen.Überfälle können überall stattfinden. Eine Häufung ist vor allem in weniger belebten Straßen der Innenstädte, an Stränden sowie auf Zubringerautobahnen zum Flughafen zu verzeichnen. Taxis sollten nach Möglichkeit nur per Bestellservice in Anspruch genommen werden. In größeren Flughäfen können Taxis auch schon im Flughafengebäude gebucht und bezahlt werden. Bei der Reise sollten Ausweispapiere nicht im Gepäck aufbewahrt werden. Am Zielort ist es empfehlenswert, Originale der Ausweispapiere im Safe des Hotels zu lassen und nur Kopien und eine Broschüre/Visitenkarte des Hotels mit sich zu führen. Laptops sollten unauffällig, z.B. in einer Reisetasche, verstaut werden.Auf Straftaten im Umfeld der Prostitution (Diebstähle, Raub, Überfälle etc.) wird besonders hingewiesen. Die sog. Beischlafdelikte erfolgen häufig nach Verabreichung von Getränken mit Schlaf- bzw. willensverändernden Mitteln. Es wird dringend empfohlen, vor allem in Bars und anderen Lokalitäten Getränke nie unbeaufsichtigt zu lassen. Von der Mitnahme von Prostituierten oder flüchtigen Bekannten in das eigene Hotelzimmer wird ausdrücklich abgeraten.“Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.” ( deutschsprachige Tourismuspropaganda) Reisewarnung der Schweiz: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/09/gewaltkultur-in-brasilien-unter-lula-die-schweizer-botschaft-informiert-rio-de-janeiro-in-dieser-stadt-besteht-die-gefahr-auf-offener-strase-unversehens-in-eine-schieserei-zwischen-rivalisiere/  

US-Reisewarnung für Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/04/27/us-reisewarnung-fur-kustenstadte-brasiliens-wegen-mordserie-guaruja-santos-praia-grande-sao-vicente-vermeiden-freier-massenhafter-verkauf-von-raubgut-und-sogar-waffen-direkt-vor-polizeibasis/  

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/26/gunter-nooke-beauftragter-der-bundesregierung-fur-menschenrechtspolitik-und-humanitare-hilfe-im-auswartigen-amt-ist-am-642009-zu-gesprachen-in-brasilie-die-themenpalette-ist-reichhaltig-alltagli/ 

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/21/ein-stadtguerillheiro-todesschwadronen-und-pistoleiros-die-alltagliche-kriminalitat-verschont-auch-die-reichsten-nicht-2001/  

Copacabana-Protest gegen verirrte Kugeln, Menschenrechtsverletzungen: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/07/19/copacabana-protest-wegen-tod-des-schulers-wesley-durch-verirrte-kugel-menschenrechte-der-slum-bewohner-unter-lula/ 

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Crack und Kinderprostitution in Sao Paulo:  http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/13/crack-business-auch-unter-rousseff-regierung-weiter-auf-vollen-touren-crack-madchen-prostituieren-sich-fur-mini-preise/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/10/brasilianische-verbrecherorganisationen-pcc-und-cv-erhohen-auslandsprasenz-portugal-als-einfallstor-fur-europa-betont-us-state-department-in-washington/   

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/18/schweizer-an-der-copacabana-erschossen/ 

 http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/02/wieder-europaischer-tourist-in-brasilien-ermordet-diesmal-ein-schwede/  

Lateinamerikas größte Demokratie liegt auf dem UNO-Index für menschliche Entwicklung an 73. Stelle.Brasilianischer Leserkommentar zu niedrigen Touristenzahlen Brasiliens: “Gewalt hat seinen Preis.”  Violencia tem seu preço. S o “desgoverno” náo percebe que a violencia e a impunidade destroi o pai­s. Eu mesmo náo viajo mais no Brasil. Náo é so tiro que o turista recebe no Brasil. Sáo também assaltados, furtados, enganados e explorados.” 

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/09/todesschwadron-im-teilstaat-sao-paulo-schlug-opfern-die-kopfe-ab-14-verdachtige-militarpolizisten-in-haft/  

Kuba hat annähernd soviel Einwohner wie Rio de Janeiro – die deutsche Botschaft in Havanna informiert überraschend kurz, anders als in Rio de Janeiro sind über ermordete Touristen keine Angaben zu finden. Zudem fehlen Hinweise auf sichere oder unsichere Stadtteile, auf Slums, Todesschwadronen, Massaker sowie unter Drogeneinfluß stehende bewaffnete Kriminelle und Scheiterhaufen:Kriminalität Im Vergleich zu anderen Fernreisezielen ist der Tourismus auf Kuba immer noch sicher. Allerdings werden auch auf Kuba Touristen Opfer von Eigentumsdelikten, von Körperverletzung, in seltenen Fällen auch von Gewaltverbrechen. Vor allem Individualreisende sollten daher ähnliche Vorkehrungen wie in anderen Ländern in der Region treffen:Sie sollten nicht Ihr gesamtes Bargeld bei sich führen und es auf mehrere Stellen am Körper verteilen, den mitgeführten Geldbetrag nicht zur Schau stellen sowie Bargeld und Originalreisepass im Hotelsafe verwahren. Offizielle Sicherheitshinweise der Schweiz(EDA): KriminalitätDie Kleinkriminalität hat in den letzten Jahren infolge der Wirtschaftskrise zugenommen. Gewarnt wird vor allem vor Entreissdiebstählen, bei denen vereinzelt auch Waffengewalt angewendet wird. Einbruchdiebstähle in Privatunterkünften (casas particulares) kommen ebenfalls vor. Beachten Sie unter anderem nachstehende Vorsichtsmassnahmen:

  • Tragen Sie keine Wertgegenstände (Uhren, Schmuck etc.) und nur wenig Geld auf sich. Stellen Sie generell Ihre – im Vergleich zu den lokalen Verhältnissen – Wohlhabenheit nicht zur Schau.
  • Deponieren Sie wichtige Dokumente im Hotelsafe (Pass, Flugticket, Schecks etc.); tragen Sie jedoch eine Kopie Ihres Passes auf sich.
  • Achten Sie bei den Casas particulares darauf, dass es sich um offiziell anerkannte Unterkünfte handelt; sie sind durch ein blaues Dreieck an der Türe gekennzeichnet.
  • Benutzen Sie ausschliesslich gekennzeichnete, offizielle Taxis.
  • Machen Sie weder Autostopp noch nehmen Sie Anhalter mit.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/03/02/brasiliens-privilegiertenghettos-als-gesellschaftsmodell/

Achtung, Gringos in Sao Paulo – Gefahr durch Motorradgang-Überfälle: Der weiße David aus Südafrika war im April 2009 gerade in der Megacity angekommen, als er im Innenstadtbereich auf dem Weg zum Hotel  Opfer eines der typischen Überfälle wurde. Ein Motorrad stoppt neben ihm, der Mann auf dem Hintersitz bedroht David mit einer Pistole, nimmt ihm sämtliche wertvollen Dinge ab, auch den Rucksack- nach wenigen Sekunden prescht das Motorrad davon. David mußte Ausländer(wie mich) daher um Geld anbetteln, zeigte die Anzeige bei der brasilianischen Polizei vor. Auch in bisher als sicher geltenden Küstenregionen Sao Paulos, darunter sogar Militär-Areas von Praia Grande, sind derartige Überfälle so häufig geworden, daß nunmehr ständig bewaffnete Sicherheitsleute auf dem Motorrad auch tagsüber durch die betreffenden Viertel fahren, mit laut tönender, nervender Warnsirene. Interessanterweise befinden sich in diesen Vierteln stets Polizeiwachen, vor denen jeweils bis zu sechs Streifenwagen stehen – auf Motorrad-Gangster hat das offensichtlich keinerlei abschreckende Wirkung. In Rio de Janeiro sind Überfälle, bestellte Morde durch Motorrad-Gangster so häufig geworden, daß auf Gouverneursanweisung alle mit zwei Personen besetzten Motorräder seit Anfang 2009 von der Polizei zwecks Durchsuchung und Leibesvisitation gestoppt werden sollen.

In Rio de Janeiro besteht laut Presseberichten von 2010 nach wie vor kein politischer Wille der Autoritäten, den Taxiverkehr zu zivilisieren – immer wieder werden Fälle bekannt, in denen bewaffnete Taxifahrer ihre Insassen im Wagen ausrauben und dann “aussteigen” lassen, Betrugsversuche aller Art sind nach wie vor in der Olympia-und Scheiterhaufenstadt an der Tagesordnung.

Herzschrittmacher und Metalldetektoren in Banken: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/14/bank-wachmann-erschiest-mann-mit-herzschrittmacher-der-wegen-des-gerats-nicht-durch-die-sicherheitspforte-kommt-und-dies-ankundigte-vielfaltige-folgen-immer-niedrigeren-bildungsniveaus-in-brasilien/#more-5410

http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/vermischtes/Schweizer-Touristin-in-Brasilien-vergewaltigt/story/22996965

Straßenverkehr: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/12/17/weiter-stimmenkauf-mit-autofuhrerscheinen-in-brasilien-uber-40000-verkehrstote-jahrlich/

Kindersoldaten: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/22/brasiliens-kindersoldaten-junge-kinder-mit-waffen-die-einfach-anderre-kinder-erschossen-haben-die-sie-gerade-mal-schief-angeschaut-habenlesermail/

Todesschwadronen, “Barbarei”: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/14/nach-wie-vor-hemmungslose-aktionen-der-todesschwadronen-institutionalisierte-barbarei-lulas-menschenrechtsminister-paulo-vannuchi-raumt-gegen-ende-der-zweiten-amtszeit-erneut-fortbestehen-der-b/

Nachrufe: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/12/ein-guter-freund-und-langjahriger-nachbar-theaterregisseur-vicente-maiolino-in-rio-de-janeiro-bergstadtteil-santa-teresa-durch-12-schusse-getotet-kein-hinweis-auf-tater/

Fotograf von TV Globo erschossen: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/06/21/brasilianischer-fotograf-von-tv-globo-in-rio-de-janeiro-mit-mpi-salve-exekutiert/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/02/ruttgers-im-nebelunglaublich-aber-wahr-die-sicherheitsbehorden-haben-den-ruttgers-besuch-bei-den-gangstern-angemeldet-um-misverstandnisse-wegen-der-polizeiprasenz-zu-klaren-die-bosse-stimmte/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/04/07/mord-an-deutscher-jennifer-kloker-in-brasilien-polizei-stellt-anzeige-gegen-funf-tatbeteiligte-dreijahriger-sohn-war-offenbar-zeuge-des-mordes/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/14/198-homosexuelle-2009-in-brasilien-ermordet-meldet-grupo-gay-da-bahia-laut-radioagencia-np-alarmierende-statistik-hohe-dunkelziffer-laut-marcelo-cerqueira-klage-bei-uno-und-oea-geplant/

Behinderter Junge in Rio zu Tode geschleift(2007)Brasilianische Öffentlichkeit reflektiert über Normalität sadistischer Verbrechen
Bestsellerautor Paulo Coelho: Wir sind alle schuldig
Rund eine Woche vor dem weltberühmten Karneval hat die barbarische Tat mehrerer Slum-Banditen Rios in dem Tropenland eine sehr emotionale Diskussion über zur Alltagsnormalität zählende sadistische Verbrechen ausgelöst.
Die Banditen hatten gemäß den Polizei-und Medienberichten in der Zuckerhutstadt zwecks Autoraub den Wagen einer Frau gestoppt, die mit ihrer 13-jährigen Tochter und dem behinderten sechsjährigen Sohn unterwegs war. Die Insassen wurden zum Aussteigen gezwungen, wobei es nicht gelang, den Sitzgurt des auf der Hinterbank befindlichen Jungen zu lösen. Die Banditen fuhren mit dem Wagen los, obwohl der Junge noch außerhalb der hinteren Wagentür im Gurt festhing. Er wurde auf rund zehn Kilometern durch vier Stadtviertel Rios mitgeschleift, was eine enorme Blutspur hinterließ. Die Banditen wollten durch verschiedene Manöver, wie Zickzackkurs und nahes Vorbeifahren an Verkehrshindernissen, sich des Körpers entledigen, was indessen mißlang. Zahlreiche Passanten, andere Verkehrsteilnehmer versuchten, die Banditen im Interesse des Lebens des Jungen zum Anhalten zu bewegen, wurden indessen mit der Waffe bedroht. Einem Zeugen wurde gesagt, bei dem Mitgeschleiften handele es sich um eine Judas-Puppe. Die Gangster stoppten den Wagen schließlich an ihrem Slum, gingen kurz zum Umziehen nach Hause, amüsierten sich dann auf einem Straßenfest. Von dem behinderten Jungen waren nur noch zerfetzte Reste übrig. Aufgrund von telefonischen Anzeigen konnte Rios Polizei mehrere Täter rasch fassen, die die Tat den Berichten zufolge sofort gestanden haben. Wie in Brasilien üblich, wurden zwei im Fernsehen interviewt – ein 18-jähriger Bandit beschrieb dabei die Tat und sagte, man habe den Jungen nicht gesehen. Der Bandit war, wie es hieß, als Minderjähriger bereits wegen Raubmordes vor Gericht. Ein 16-jähriger Mittäter dürfte gemäß brasilianischen Gesetzen höchstens drei Jahre in Gewahrsam bleiben.
An der Beerdigung des Jungen beteiligten sich sogar Rios Sicherheitschef sowie der Chef der Militärpolizei. In Rio de Janeiro weinten spontan viele Menschen auf den Straßen, darunter auch Polizeibeamte. Die Medien erhielten eine Rekordzahl von Leser-und Hörerreaktionen, in denen unter anderem die Einführung der von der Bevölkerungsmehrheit befürworteten Todesstrafe gefordert sowie die allgemeine Straffreiheit angeprangert wurde. In Rio de Janeiro werden jährlich deutlich weniger als fünf Prozent der Morde aufgeklärt.
Angesichts dieser barbarischen Tat, hieß es außerdem, sollte man den Rio-Karneval boykottieren. Erinnert wurde zudem an andere Verbrechen der jüngsten Zeit, bei denen u.a. Banditen Stadtbusse mit Benzin angezündet hatten, wodurch zahlreiche Menschen verbrannt waren.
Indessen handelt es sich bei diesen bekanntgewordenen Untaten nur um die Spitze des Eisberges, weil Brasiliens Medien im Interesse des Landesimage nur über einen Bruchteil der sadistischsten Taten überhaupt berichten. Gewöhnlich wird nur über Verbrechen informiert, die Angehörige der Mittel-und Oberschicht betreffen, nicht jedoch über schier unbeschreiblichen Sadismus, dem die Slumbevölkerung seit Jahrzehnten ausgesetzt ist. Daß von den die Slums neofeudal beherrschenden Banditenmilizen Mißliebige lebendig verbrannt oder zerstückelt werden, mit abgeschlagenen Köpfen Fußball gespielt wird, man Menschen durch Schweine auffressen läßt, haben zahlreiche Zeugen bestätigt. Ein Großteil der Slumbewohner, darunter bereits kleine Kinder, hat solchen Verbrechen zugesehen – mit den entsprechenden Wirkungen auf die Psyche. Es gibt zudem Berichte, demzufolge auf Rap-und HipHop-Massendiscos, die an der Slumperipherie Rios häufig vom organisierten Verbrechen veranstaltet werden, Jugendliche lebendig verbrannt worden sind. Die auf diesen “Bailes Funk” gespielten Titel sind extrem machistisch bzw. frauenfeindlich und verherrlichen detailliert sadistische Taten. Nicht zufällig wird in Deutschland von interessierter Seite versucht, derartige brasilianische Musik aus dieser Gewaltkultur gesellschaftsfähig zu machen, zu popularisieren.
Marina Maggessi, seit kurzem Kongreßabgeordnete und zuvor Rio de Janeiros Chefinspektorin der Zivilpolizei, hatte immer wieder die vom organisierten Verbrechen begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Die Banditenbosse, mit denen sich sogar weltbekannte Topathleten und Prominente einlassen, nannte sie Tyrannen:”Sie verbrennen Menschen lebendig, zerstückeln Personen, begehen Greueltaten jeder Art, herrschen über die Slums mit aller Brutalität.”
Auffällig, daß zahlreiche NGOs, die auch mit europäischen Spendengeldern finanziert werden, in den Slums der größten bürgerlichen Demokratie Lateinamerikas zwar tätig sind, jedoch zu den Vorgängen weitestgehend schweigen. Gleiches gilt für teils vom Steuerzahler finanzierte Alibi-Menschenrechtsorganisationen.
In Brasilien werden jährlich über 55000 Menschen ermordet. In Rio de Janeiro wurde jetzt eine Website eingerichtet, die die aktuelle Zahl der Ermordeten angibt: http://www.riobodycount.com.br/
Im Teilstaate Rio de Janeiro wurde 2006 gemäß neuesten Angaben eine Rekordzahl von Homosexuellen umgebracht. Wie es hieß, waren es mindestens 45. “Dies zeigt den machistischen und gewalttätigen Charakter der Gesellschaft Rio de Janeiros”, wurde betont. Rio de Janeiro hat etwa die gleiche Einwohnerzahl wie Kuba, das indessen auch gemäß dem UNO-Index für menschliche Entwicklung völlig andere soziokulturelle Bedingungen aufweist.
Auch in Deutschland nimmt machistische Gewalt ständig zu, wird sogar von den Autoritäten ganz bewußt, u.a. durch Tolerierung, stark gefördert. Die deutsch-türkische Anwältin Seyran Ates, die jetzt den Margherita-von-Brentano-Preis der FU Berlin erhielt, hat über Machismus und Gewaltbereitschaft sowie über Sexualität und Gewalt zahlreiche Analysen angestellt.
Viele Deutsche, auch aus der Drittweltszene, reden gerne von der sogenannten “Einen Welt”, lehnen es indessen ab, darüber zu reflektieren, wie die Öffentlichkeit reagierte, wenn sich Verbrechen wie die oben beschriebenen in deutschen Städten wie Berlin oder München ereignen würden. Verdrängungsmechanismen funktionieren gut.

Schriftsteller Paulo Coelho von der Copacabana zum sadistischen Verbrechen:
“Wir sind alle schuldig”
Entáo estamos nos aproximando cada vez mais do Mal Absoluto. Quando rapazes, em pleno controle de suas faculdades mentais, sáo capazes de arrastar um menino pelas ruas de uma cidade, isso náo é apenas um ato isolado: todos nós, em maior ou menor escala, somos culpados. Somos culpados pelo silêncio que permitiu que a situaçáo em nossa cidade chegasse a este ponto. Somos culpados porque vivemos em uma época de ”tolerância, e perdemos a capacidade de dizer NÃO. Somos culpados porque nos horrorizamos hoje, mas nos esquecemos amanhá, quando há outras coisas mais importantes para fazer e para pensar. Somos os olhos que viram o carro passar, o medo que nos impediu de telefonar para a polícia. Somos a polícia, que recebeu alguns telefonemas através do número 190, e demorou para reagir, porque o Mal Absoluto parece já náo pedir urgência para nada. Somos o asfalto por onde se espalharam os pedaços de corpo e os restos de sonhos do menino preso ao cinto de segurança. A cada dia uma nova barbárie, em maior ou menor escala. A cada dia algum protesto, mas o resto é silêncio. Estamos acostumados, náo é verdade?Muitos séculos atrás, John Donner escreveu: ”nenhum homem é uma ilha, que se basta a si mesma. Somos parte de um continente; se um simples pedaço de terra é levado pelo mar, a Europa inteira fica menor. A morte de cada ser humano me diminui, porque sou parte da humanidade. Portanto, náo me perguntem por quem os sinos dobram: eles dobram por ti. Na verdade, podemos pensar que os sinos estáo tocando porque o menino morreu, mas eles dobram mesmo é por nós. Tentam nos acordar deste cansaço e torpor, desta capacidade de aceitar conviver com o Mal Absoluto, sem reclamar muito “ desde que ele náo nos toque. Mas náo somos uma ilha, e a cada momento perdemos um pouco mais de nossa capacidade de reagir. Ficamos chocados, assistimos às entrevistas, olhamos para nossos filhos, pedimos a Deus que nada aconteça conosco. Saímos para o trabalho ou para a escola olhando para os lados, com medo de crianças, jovens, adultos. Entra ano, sai ano, mudam-se governos, e tudo apenas piora. O que dizer? Que palavra de esperança posso colocar aqui nesta coluna?Nenhuma. Talvez apenas pedir que os sinos continuem tocando por nós. Dia e noite, noite e dia, até que já náo consigamos mais fingir que náo estamos escutando, que náo é conosco, que estas coisas se passam apenas com os outros. Que estes sinos continuem dobrando, sem nos deixar dormir, nos obrigando a ir até a rua, parar o trânsito, fechar as lojas, desligar as televisões, e dizer: ”basta. Náo agüento mais estes sinos. Preciso fazer alguma coisa, porque quero de volta a minha paz. Neste momento, entenderemos que embora culpemos a polícia, os assaltantes, o silêncio, os políticos, o hábito, apenas nós podemos parar estes sinos. Nosso poder é muito maior do que pensamos “ trata-se de entender que náo somos uma ilha, e precisamos usá-lo. Enquanto isso náo acontecer, o Mal Absoluto continuará ampliando seu reinado, e um belo dia corremos o risco de acreditar que ele é a nossa única alternativa, náo existe outra maneira de viver, melhor ficar escutando os sinos e náo correr riscos. Náo podemos deixar que chegue este dia. Náo tenho fórmulas para resolver a situaçáo, mas sou consciente de que náo sou uma ilha, e que a morte de cada ser humano me diminui. Preciso parar minha cidade. Náo apenas por uma hora, um dia, mas pelo tempo que for necessário. E recomeçar tudo de novo. E, se náo der certo, tentar náo apenas mais uma vez, mas setenta vezes. Chega de culpar a polícia, os assaltantes, as diferenças sociais, as condições econômicas, as milícias, os traficantes, os políticos. Eu sou a minha cidade, e só eu posso mudá-la. Mesmo com o coraçáo sem esperança, mesmo sem saber exatamente como dar o primeiro passo, mesmo achando que um esforço individual náo serve para nada, preciso colocar máos à obra. O caminho irá se mostrar por si mesmo, se eu vencer meus medos e aceitar um fato muito simples: cada um de nós faz uma grande diferença no mundo.http://www.riobodycount.com.br/Â

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/05/24/italienischer-tourist-bei-raububerfall-in-fortaleza-erschossen-sinkende-zahl-auslandischer-besucher-in-brasilien/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/05/26/alle-11-minuten-ein-mord-alle-15-minuten-ein-todlicher-verkehrsunfall-alle-65-minuten-ein-selbstmord-wir-sind-eine-extrem-gewalttatige-gesellschaft-brasiliens-parlamentsprasident-arlindo-china/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/20/rio-de-janeiro-inspiriert-salvador-strasenpinkler-festzunehmen-o-globo-kardinal-primas-von-brasilien-protestiert-gegen-soziokulturelle-gepflogenheit/

“Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.” Deutschsprachige Tourismuspropaganda.

Brasiliens Massengräber

 „Wenn die Toten da reingeschmissen werden, sind das Szenen wie in diesen Holocaustfilmen“, beklagen sich Anwohner von Massengräber-Friedhöfen der größten lateinamerikanischen Demokratie. In der Tat wird seit der Diktaturzeit vom Staat die Praxis beibehalten, nicht identifizierte, zu „Unbekannten“ erklärte Tote in Massengräbern zu verscharren.  Die Kirche protestiert seit Jahrzehnten dagegen und sieht darin ein gravierendes ethisch-moralisches Problem, weil es in einem Land der Todesschwadronen damit auch sehr leicht sei, unerwünschte Personen verschwinden zu lassen. In der Megacity Sao Paulo mit ihren mehr als 23 Millionen Einwohnern empört sich der weltweit angesehene Menschenrechtspriester Julio Lancelotti: „In Brasilien wird monatlich eine erschreckend hohe Zahl von Toten anonym in Massengräbern verscharrt, verschwinden damit Menschen auf offiziellem Wege, werden als Existenz für immer ausgelöscht. Wir von der Kirche nehmen das nicht hin, versuchen möglichst viele Tote zu identifizieren, um sie  dann auf würdige Weise christlich zu bestatten. Wir brauchten einen großen Apparat, ein großes Büro, um alle Fälle aufklären zu können – dabei ist dies eigentlich Aufgabe des Staates!“Padre Lancelotti erinnert daran, daß während der 21-jährigen Diktaturzeit in Sao Paulo von den Machthabern 1971 eigens der Friedhof Dom Bosco geschaffen wurde, um dort zahlreiche ermordete Regimegegner heimlich gemeinsam mit jenen unbekannten Toten, den sogenannten „Indigentes“, in Massengräber zu werfen. Wie die Menschenrechtskommission des Stadtparlaments jetzt erfuhr, wurden seit damals allen Ernstes 231000 Tote als Namenlose verscharrt – allein auf d i e s e m Friedhof. Heute  kommen Monat für Monat dort zwischen 130 und 140 weitere Indigentes hinzu. Nach einem Massaker an Obdachlosen Sao Paulos kann Priester Lancelotti zufällig auf dem  Friedhof Dom Bosco beobachten, wie sich der Staat der Namenlosen entledigt: “Als der Lastwagen kommt und geöffnet wird, sehe ich mit Erschrecken, daß er bis obenhin voller Leichen ist. Alle sind nackt und werden direkt ins Massengrab geworfen. Das wird zugeschüttet – und fertig. Sollten wir später noch Angehörige ermitteln, wäre es unmöglich, die Verstorbenen in der Masse der Leichen wiederzufinden. Was sage ich als Geistlicher dann einer Mutter?“ Lancelotti hält einen Moment inne, reflektiert: „Heute hat das Konzentrationslager keinen Zaun mehr, das KZ ist sozusagen weit verteilt – die Menschen sind nach wie vor klar markiert, allerdings nicht auf der Kleidung, sondern auf dem Gesicht, dem Körper. Und sie werden verbrannt, verscharrt, wie die Gefangenen damals, und es gibt weiter Massengräber.“ Was in Sao Paulo geschieht, ist keineswegs ein Einzelfall. In der nordostbrasilianischen Millionenstadt Fortaleza leiden die Anwohner des Friedhofs „Bom Jardim“ seit Jahren bei den hohen Tropentemperaturen unter grauenhaftem Leichengeruch. „Die Toten werden oft schon verwest hergebracht, wie Tiere verscharrt, wir müssen zwangsläufig zusehen, es ist grauenhaft“, klagt eine Frau. „Fast jeden Tag kommt der Leichen-LKW – doch bei den heftigen Gewitterregen wird die dünne Erdschicht über den Toten weggeschwemmt, sehen wir die Massengräber offen, wird der Geruch im Stadtviertel so unerträglich, daß viele Kopfschmerzen kriegen, niemand hier eine Mahlzeit zu sich nimmt.“ Der Nachbar schildert, wie das vergiftete Regenwasser vom Friedhof durch die Straßen und Gassen des Viertels läuft: „Das Wasser ist grünlich und stinkt, manchmal werden sogar Leichenteile mitgeschwemmt – und weggeworfene Schutzhandschuhe der Leichenverscharrer. Die Kinder spielen damit – haben sich an die schrecklichen Vorgänge des Friedhofs gewöhnt.  Wir alle haben Angst, daß hier Krankheiten, Seuchen ausbrechen.“Selbst in Rio de Janeiro sind die Zustände ähnlich, werden zahllose Menschen von Banditenkommandos der über 1000 Slums liquidiert und gewöhnlich bei Hitze um die 35 bis 40 Grad erst nach Tagen in fortgeschrittenem Verwesungszustand zum gerichtsmedizinischen Institut abtransportiert. Wie aus den Statistiken hervorgeht, werden in den Großstädten monatlich stets ähnlich viele Tote als „Namenlose“ in Massengräber geworfen wie in Sao Paulo, der reichsten Stadt ganz Lateinamerikas. Priester Julio Lancelotti und seine Mitarbeiter stellen immer wieder Merkwürdigkeiten und verdächtige Tatbestände fest. „Werden Obdachlose krank und gehen in bestimmte öffentliche Hospitäler, bringt man an ihrem Körper eine Markierung an, die bedeutet, daß der Person nach dem Tode zu Studienzwecken Organe entnommen werden. Die Männer registriert man durchweg auf den Namen Joao, alle Frauen als Maria. Wir streiten heftig mit diesen Hospitälern und wollen, daß die Obdachlosen auch nach dem Tode mit den echten Namen geführt werden. Schließlich kennen wir diese Menschen, haben über sie Dokumente. Man meint eben, solche Leute sind von der Straße, besitzen also weder eine Würde noch Bürgerrechte. Wir haben in der Kirche eine Gruppe, die den illegalen, kriminellen Organhandel aufklären will, aber rundum nur auf Hindernisse stößt. Denn wir fragen uns natürlich auch, ob jenen namenlos Verscharrten vorher illegal Organe entnommen werden.“Fast in ganz Brasilien  und auch in Sao Paulo sind Todesschwadronen aktiv, zu denen Polizeibeamte gehören, wie sogar das Menschenrechtsministerium in Brasilia einräumt. Tagtäglich würden mißliebige Personen außergerichtlich exekutiert, heißt es. Darunter sind auch Obdachlose, von denen allein in Sao Paulos Zentrum weit über zehntausend auf der Straße hausen. Wie Priester Julio Lancelotti betont, ist zudem die Zahl der Verschwundenen auffällig hoch. „Auf den Straßen Sao Paulos werden viele Leichen gefunden. Denn es ist sehr einfach, so einen Namenlosen zu fabrizieren. Man nimmt ihm die Personaldokumente weg, tötet ihn und wirft ihn irgendwo hin. Wir gehen deshalb jeden Monat ins gerichtsmedizinische Institut, um möglichst viele Opfer zu identifizieren. Die Polizei ist immer überrascht und fragt, warum uns das interessiert. Das Identifizieren ist für uns eine furchtbare, psychisch sehr belastende Sache, denn wir müssen monatlich stets Hunderte von Getöteten anschauen, die in großen Leichenkühlschränken liegen – alle schon obduziert und wieder zugenäht. Und man weiß eben nicht, ob da Organe entnommen wurden.“Solchen Verdacht hegen nicht wenige Angehörige von Toten, die seltsamerweise als „Namenlose“ im Massengrab endeten. In der nordostbrasilianischen Küstenstadt Maceio geht letztes Jahr der 69-jährige Sebastiao Pereira sogar mit einem Protestplakat voller Fotos seines ermordeten Sohnes auf die Straße. Dem Vater hatte man im gerichtsmedizinischen Institut die Identifizierung der Leiche verweigert – diese dann mysteriöserweise auf einen Indigentes-Friedhof gebracht. Kaum zu fassen – ein Friedhofsverwalter bringt es fertig, Sebastiao Ferreira später  mehrere Leichenteile, darunter einen Kopf zu zeigen. „Mein Sohn wurde allein am Kopf von vier MG-Schüssen getroffen – und dieser Kopf war doch intakt! Ich setzte eine DNA-Analyse durch – der Kopf war von einem Mann, das Bein von einem anderen, der Arm wiederum von einem anderen – doch nichts stammte von meinem Sohn“, sagt er der Presse. In Sao Paulo hat Priester Lancelotti durchgesetzt, daß ein Mahnmal auf dem Friedhof Dom Bosco an die ermordeten Regimegegner, aber auch an die mehr als 200000 „Namenlosen“ erinnern wird. Neuerdings macht der Friedhof in Brasilien immer wieder Schlagzeilen, allerdings nicht wegen der Massengräber von heute. Progressive Staatsanwälte versuchen das Oberste Gericht in Brasilia zu überzeugen, den zur Diktaturzeit für den Friedhof verantwortlichen Bürgermeister Paulo Maluf und den damaligen Chef der Politischen Polizei, Romeu Tuma, wegen des Verschwindenlassens von Oppositionellen vor Gericht zu stellen. Erschwert wird dies jedoch durch den Politikerstatus der Beschuldigten: Paulo Maluf ist Kongreßabgeordneter und Romeu Tuma sogar Kongreßsenator – beide gehören zum Regierungsbündnis von Staatspräsident Lula.

“Favela-Tours”: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/16/der-spiegel-favela-tour-in-rio-de-janeiro-vorzeige-favelas-und-die-uber-1000-anderen/

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Junger Bandit – Zeitungsfoto.

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/22/brisanter-nachfolgefilm-des-berlinale-gewinners-tropa-de-elite-darf-erst-nach-den-oktober-pflichtwahlen-brasiliens-gezeigt-werdenpersonliche-sicherheit-neben-gesundheit-die-hauptsorge-der-brasi/

Feuergefechte 2010 in Rio de Janeiro, erneute Besetzung von Slums: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/25/rio-de-janeiro-weiter-panik-terror-brennende-busse-feuergefechte-autoritaten-haben-seit-sonntag-lage-nicht-im-griff-guerrillhataktik-der-banditenkommandos/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/29/rio-de-janeiros-militar-zirkus-politik-feiert-sieg-gegen-nicht-vorhandene-feinde-der-slumregion-complexo-do-alemao-banditenkommandos-reichlich-zeit-zum-ruckzug-gelassen-wie-bei-uno-umweltg/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/01/rio-de-janeiro-schweine-fressen-getotete-auf-banditen-verliesen-slums-in-panzerwagen-bestochener-polizisten-massiver-raub-durch-beamte-und-soldaten-laut-berichten-der-folha-de-sao-paulo/

Geköpfte in Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/08/gekopfte-in-brasilien-landesmedien-zeigen-realitat-des-gefangnishorrors-haftlingsaufstand-beendet-laut-amtlichen-angaben/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/12/04/lula-lobt-in-rio-uberschwenglich-auslandsmedien-fur-deren-berichterstattung-stets-harsche-kritik-an-nationalen-medien-elogios-para-a-imprensa-de-fora/

Brasilien auf Tourismus-Ranking des Weltwirtschaftsforums:   http://www.hart-brasilientexte.de/2011/03/09/brasilien-fallt-auf-tourismus-ranking-des-weltwirtschaftsforums-auf-52-platz-zuruckzuvor-45-rang-tourismuspolitik-unter-lula-und-rousseff/

http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/reisen/wke/index,page=1860564.html

Rechtsanwälte – Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/11/19/httpwwwrechtsanwalt-brasiliende-anwalte-infur-brasilien/

Das Erste: Drehstart für “Das Traumhotel – Brasilien” (AT)

 

München (ots) – Am 29. August 2011 ist die erste Klappe für eine neue Folge von “Das Traumhotel” gefallen. Dieses Mal entführt Das Erste seine Zuschauer ins farbenfrohe und temperamentvolle Brasilien. Die Reise mit Hotelbesitzer Markus Winter führt nach Rio de Janeiro und Salvador da Bahia.(Pressetext)

Köln schließt eine Städtepartnerschaft mit Rio de Janeiro:

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/rio-film-tropa-de-elite-2-fur-oscar-nominiertbester-auslandischer-streifen-stadtepartnerschaft-koln-rio-de-janeiro-trailer-anklicken/

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/03/18/brasilianische-systemkritiker-protestieren-in-vitoriaes-gegen-gefangnishorror-unter-lula-politisch-verantwortlicher-gouverneur-angeklagt-paulo-hartung-morder/

Hintergrund 1997, Lateinamerika-Nachrichten:

Im Dienst des organisierten Verbrechens

Rios Straßenkinder – neue Dimension eines alten Problems

Immer mehr Straßenkinder Brasiliens werden von der organisierten Kriminalität rekrutiert und landen damit in den Kreisläufen der täglichen Barbarei und Gewalt. Das „Missionsobjekt“ Straßenkind hat hierdurch neue Dimensionen erfahren, die bislang allerdings von den Straßenkinderprojekten im Ausland kaum zur Kenntnis genommen wurden. Unser Autor Klaus Hart aus Rio de Janeiro schildert die wenig erfreuliche Entwicklug des Problems.

Bis zum entsetzlichen Candelaria-Massaker von 1993 (vgl. LN Nr. 231/232) gehörten die Meninos de Rua zum normalen Erscheinungsbild der Sieben-Millionen-Stadt Rio de Janeiro. Ob in Copacabana, Ipanema oder in der City – immer zogen sie in Gruppen herum, bettelten, stahlen. Und schlimmer noch: Eine sichtbare Minderheit unter den Straßenkindern überfiel, terrorisierte regelrecht bevorzugt schwangere Frauen und alte Leute.
Im Stadtzentrum bin auch ich mehrfach von Straßenkindern verfolgt worden, flüchtete mich in Restaurants oder in von bewaffneten Pförtnern bewachte Hauseingänge. Wenn die Gruppen mich dennoch erwischten, waren eben Geld und teures Arbeitsgerät wie Sony-Recorder oder Kamera weg. Eine Bande ritzte mir vorm Wegrennen in Richtung Polizeikabine einmal Arm und Hand blutig. Aber das ist alles harmlos im Vergleich zu den Erlebnissen vieler Einheimischer. Eine brasilianische Bekannte fuhr mit dem Wagen die famose Avenida Atlantica entlang, ihr Kleinkind auf dem Rücksitz. An der Ampel wird das Auto von Straßenkindern umringt, eines schneidet ihrer Tochter die Kehle durch, sie verblutet. Einem Nordamerikaner, zum Arbeiten in Rio, schlägt eine Gruppe eine abgeschlagene Flasche ins Gesicht, einfach so, ohne Raubabsicht.
Derzeit muß man in Rios Kernbereichen Meninos de Rua allerdings fast mit der Lupe suchen. Statt der Tausenden von Anfang der 90er Jahre verlieren sich im Straßengewühl bestenfalls einige hundert. Will ich zur nächsten Metrostation, kommen mir gelegentlich ausgeraubte traumatisierte Frauen entgegen: „Gehen Sie nicht weiter, an der Ecke lauern drei Meninos mit Messern!“ Also laufe ich zurück, nehme am Stand ein Taxi, fahre an den Kids vorbei, höre vom Motorista: „Die da werden nicht alt, hinter denen sind schon die Kollegen her.“ Diskutieren sinnlos. Grundtenor an den Stehbars: Sofort umlegen, bevor die Blödsinn machen.
Straßenkinder-Experten wie Roberto Santos, Leiter der angesehenen Stiftung Sâo Martinho, bestätigen, daß die Gesellschaft, besonders die Mittel- und Oberschicht, auf Repression setzt und Gewalt gegen die Minderjährigen wie nie zuvor befürwortet. Gemäß einer neuen seriösen Umfrage sind rund 52 Prozent der BewohnerInnen von Rio generell für Lynchjustiz. Den Intellektuellen, ebenso wie den in-und ausländischen NGOs, gelang es nicht, einen Meinungsumschwung herbeizuführen – die brasilianische Gesellschaft ist neoliberaler, individualistischer und deutlich egoistischer geworden. Das früher bestehende Mitgefühl etwa der Mittelschicht mit den Armen hat spürbar abgenommem. Weiter gilt, was der inzwischen verstorbene Betinho konstatierte: Das Beseitigen von als störend empfundenen Minderjährigen wird von einem Großteil der BrasilianerInnen hingenommen, toleriert, und im Sinne einer geistigen Komplizenschaft mit den Mördern sogar befürwortet.

Anti-NGO-Kampagne

Inzwischen hat sich das Problemfeld verändert. Heute über gute oder schlechte Straßenkinderprojekte, über die Unterschlagung von Spendengeldern und über Kinderelend als Bereicherungsquelle für unehrliche NGOs zu debattieren, wäre müßig. Regierungsunabhängige Organisationen, die sich direkt den Straßenkindern widmen, gibt es kaum noch. Die meisten sind schlichtweg eingegangen, seit das Ausland weit weniger Spenden überweist und die Regierung nach einer geschickt betriebenen Anti-NGO-Kampagne Gelder stoppte. Cristina Leonardo, die couragierte Leiterin des Centro Brasileiro de Defesa dos Direitos da Crianca e do Adolescente (Brasilianisches Zentrum für die Verteidigung der Rechte von Kindern und Jugendlichen) und Verteidigerin von Opfern und Überlebenden des Candelaria-Massakers, wie auch Roberto Santos bestreiten vehement, daß die Regierung etwa durch gute Präventivprojekte die Zahl der Straßenkinder gesenkt habe. Unter Präsident Fernando Henrique Cardoso sei die Situation gerade im Sozialbereich, ob Bildung oder Gesundheit, so schlecht wie noch nie. Ausländische Unterstützergruppen, so ist immer wieder zu hören, hätten eine völlig falsche, oft sozialromantische Sicht der Dinge. Größtenteils werde übersehen, was sich bereits vor dem Candelaria-Massaker 1993 deutlich abzeichnete: Das organisierte Verbrechen offeriert den Kindern und Jugendlichen vergleichsweise gutbezahlte Jobs, bei keineswegs geringerem, sondern weit höherem Lebensrisiko, doch für umgerechnet bis zu tausend Mark die Woche. In sämtlichen Slums von Rio de Janeiro, auch dies ist inzwischen ein Gemeinplatz, funktionieren selbst die vom Ausland finanzierten Hilfsprojekte nur, wenn das organisierte Verbrechen seine Zustimmung gibt. In Europa denken immer noch viele, Kinder und Jugendliche der Unterschicht würden mehrheitlich von der Militärpolizei erschossen. Seriöse Untersuchungen stellten jedoch bereits 1993 richtig, daß der große „Exterminador“ eben das organisierte Verbrechen ist. Keiner weiß das besser als die mit Cristina Leonardo kooperierende Künstlerin Yvonne Bezerra de Mello. Kinder, die nicht richtig mitziehen, etwa drogensüchtig werden und statt Profiten Verluste bringen, werden kurzerhand eliminiert. Die Leichen, so Yvonne Bezerra de Mello, verschwinden meistens. Die großen Bosse, sagt sie, wohnen natürlich nicht im Slum, sondern in den Nobelvierteln Rios. In diesen Vierteln der Geld- und Politikerelite werden derzeit Drogen verbraucht wie nie zuvor – daher die enorme Nachfrage, die den Straßenkindern Jobs verschafft.
Das beste Beispiel für die jüngeren Entwicklungen sind die Candelaria-Überlebenden: Der Trafico, wie die auf Drogen-und Waffenhandel, Entführungen und Rauberüberfälle spezialisierten Gangsterkommandos genannt werden, hat sie adoptiert. Die Leute vom organisierten Verbrechen, so Roberto Santos, zeigten sich in der Tat weitaus besser organisiert und professioneller als der Staat und die NGOs. Kinder und Jugendliche brauchen die rund 800 Slums von Rio nicht mehr zu verlassen. Die Kleinsten verdienen als Fogueteiro (Leuchtrakete) über fünfzig Mark pro Tag. Sie warnen die schwerbewaffneten Gangster mittels Feuerwerksraketen vor herannahenden gegnerischen Verbrechermilizen oder der Polizei. Fünfjährige transportieren als sogenannte Aviôes, Flugzeuge, Drogen in der Stadt, und bringen sie auch zu den privaten Bestellern der Mittel-und Oberschicht. Sieben- oder Achtjährige haben für gewöhnlich schon Pistole oder Revolver im Hosenbund. Als Soldados schließlich gehören sie zum martialischsten Teil der nach militärischem Vorbild streng hierarchisch gegliederten wichtigsten Syndikate Comando Vermelho (Rotes Kommando) und Terceiro Comando (Drittes Komando). Soldados kontrollieren die Ein- und Ausgänge der Steilhangslums. Sie schießen auf Verdächtige, nehmen an Gefechten und Massakern teil, führen Mordbefehle aus und sind bei Entführungen und Banküberfällen dabei.

Kultur feudalistisch-machistischer Werte

Mit Reinaldo Guarany, militanter Diktaturgegner und einer der Entführer des deutschen Botschafters Ehrenfried von Holleben im Jahre 1970, fahre ich eine enge steile Straße des malerisch wirkenden Bergstadtteils Santa Teresa hinunter. An der ersten Biegung richtet am Favela-Eingang ein nur mit Shorts und Sandalen bekleideter Zwölfjähriger seine verchromte MP auf uns. Er bräuchte nur einmal durchzuziehen, und alle im Wagen wären tot. Das passiert auch gelegentlich – im Drogenrausch sehen die Soldados in jedem einen Gegner, erschießen sogar die eigene Freundin oder Frau. Guaranys Kommentar: „Noch vor zwei Jahren habe ich hier viele von den Jungs, die mir heute mit MPs begegnen, Murmeln spielen sehen – sie wurden zu Soldaten des organisierten Verbrechens, prahlen damit herum und rühmen die Banditen als ihre Helden.“
Guarany sieht es nicht anders als Anwältin Cristina Leonardo: „Daß heute die große Mehrheit der Meninos de Rua beim Trafico ist, bedeutet, daß Staat und Regierung sie im Stich ließen und die Sozialprogramme einschränkten. Wenn ein Junge mit acht Jahren schon mit einer nordamerikanischen Heeres-MP umzugehen weiß, wird es kompliziert. Darüber spricht niemand, aber genau das müßte das Hauptthema sein!“ Die Drogenprobleme und das Ausmaß des organisierten Verbrechens herunterzuspielen, ist für sie „scheinheilig“.
Alba Zaluar, Brasiliens führende Gewaltexpertin, sieht inzwischen in den Slums eine neue tyrannische Kultur feudalistisch-machistischer Werte fest installiert – hingenommen von den Autoritäten des Staates. Denn die Herrschaft des organisierten Verbrechens über Rios Slums verhindert auf perfide Weise, daß deren BewohnerInnen politisch für ihre Rechte kämpfen. Immer wieder werden engagierte BürgerrechtlerInnen, die Selbsthilfegruppen in den Slums leiten und sich dem Normendiktat der Gangster nicht beugen wollen, zur Einschüchterung aller ermordet. Auch von ehemaligen, vom Trafico rekrutierten Straßenkinder.
So wollte im September eine 83-jährige Frau nicht mehr akzeptieren, daß Gangsterkommandos bei Gefahr stets ihr winziges Slum-Grundstück passierten. Sie diskutierte mit den Banditen. Eines Nachts wurde sie deshalb von einer Gruppe grausam ermordet. Ein brasilianischer Bekannter wohnt unglücklicherweise nur wenige Schritte von einem Kommando-Treffpunkt entfernt. Er muß mitansehen, wie dort Kinder, Jugendliche und Erwachsene gefoltert, gekreuzigt, mit Schüssen durchsiebt werden. Mehrfach feuerten Jugendliche unter Drogeneinfluß in seine Haustür, und hätten die zwei kleinen Söhne treffen können. Die Kids tragen übrigens bevorzugt deutsche G-3 – und schweizerische Sig-Sauer-Sturmgewehre. Weil diese eine besonders große Reichweite haben, werden immer mehr Stadtbewohner durch verirrte Kugeln getötet oder verwundet.
In Rio ist die Gewöhnung an diese tägliche Barbarei die Regel – in Deutschland dagegen, so scheint es, haben nur wenige die Entwicklungen der letzten Jahre und deren politische Dimension zur Kenntnis genommen. Andere wollen sie nicht wahrnehmen. Sie müßten sich sonst von ihren liebgewordenen Brasilien-Klischees trennen.

Vier zu drei gegen José Rainha

26 Jahre wegen „Beihilfe zum Doppelmord“ – Brasiliens Justiz in Hochform

In einem 17stündigen Prozeß wurde der Führer der brasilianischen Landlosenbewe­gung MST José Rainha zu 26 Jahren und sechs Mona­ten Haft wegen angeblicher Beteiligung an einem Doppelmord ver­urteilt. Mit vier zu drei Stimmen befand die Jury den 36jährigen für schuldig, obwohl der zur Tatzeit 1000 Kilometer vom Tatort entfernt war.

Lange vor dem Prozeß gegen den populärsten, cha­ris­­ma­tischsten Land­lo­senführer kün­digte amnesty inter­national an, daß es im Ver­fahren nicht mit rechten Dingen zuge­hen wird. Aber die bösen Erwartun­gen wurden noch übertroffen. Der 36jährige José Rainha er­hielt im Juni 26 Jahre und sechs Mo­nate Haft wegen angeblicher Be­tei­li­gung an einem Doppel­mord, der 1989 im Bundesstaat Es­pírito Santo began­gen wurde. Amnesty in­ternational prote­stierte um­ge­hend und erklärte Rainha für un­schul­dig: Das Ur­teil erinnere an Dik­taturzeiten. Bleibe es auch beim zweiten Verfahren im Sep­tem­ber bei die­sem Strafmaß, wer­de er zum po­litischen Ge­fan­ge­nen erklärt und ai rund um den Erd­ball für seine Freilassung mo­bilisie­ren. Nicht einmal die juristi­schen Mindest­regeln seien im Prozeß einge­halten worden, kri­tisierte ai: Weder durch Be­wei­se noch durch Zeu­gen­aus­sa­gen konnte bestätigt werden, daß Rainha am Tat­ort war. Im Ge­gen­teil gibt es Nach­weise, daß er sich tausend Kilometer entfernt auf­gehalten hat. Mit dem Ge­richts­verfahren sollte viel mehr die Land­lo­senbewe­gung MST ein­ge­schüchtert werden, die zur zweit­wichtigsten Stimme der Op­posi­tion geworden ist.
Auch die katholi­sche Kirche Bra­sili­ens, in der Rainha seine po­litische Laufbahn begann, steht weiterhin zu ihm und unter­strich, daß den 922 Morden an Bau­erngewerkschaftlerInnen, kirch­li­chen Mit­arbeiterInnen, Landlo­sen, Kleinbau­ern und Klein­bäue­rinnen von 1990 bis 1995 nur 47 Ge­richtsverfahren und nur fünf verurteilte Täter ge­gen­über­stehen, von denen zwei aus dem Ge­fängnis flohen.

Im Visier: Das MST

Daß Rainha noch lebt, grenzt fast an ein Wunder: Seit 1987 verfolgt ihn die berüchtigte To­des­schwadron Escuderie Le Cocq seines Heimatstaa­tes Espí­rito Santo, in dem er als Land­arbei­tersohn aufwuchs. Rainha ent­ging Hinterhal­ten, überlebte Mord­anschläge und konnte nur ein­mal durch Schüsse verwun­det wer­den. Zwei seiner engen Freun­de, Pfarrer Gabriel Maire und Gewerk­schaftsführer Edson Ra­mos, dage­gen star­ben 1988 im Ku­gelha­gel der Pistole­ros.
Ein Jahr später kam es zu ei­nem Schußwechsel zwi­schen ei­nem Groß­grundbesitzer, sei­nem ihn begleitenden Militärpolizi­sten und einer Gruppe von Land­lo­sen. „In Wahrheit vertei­digten sich die Sem Terra, die Landlo­sen, gegen jenen Fa­zendero, der ein Blutbad anrich­ten wollte.“ meint Anwalt Os­mar Barcellos. Zeu­gen wollen Rainha bei der Schießerei gese­hen ha­ben, be­schreiben ihn als ziemlich dick, mit rundem Ge­sicht und ka­sta­ni­en­farbigen Haa­ren. Rainha ist je­doch geradezu dürre, hat ein längli­ches Gesicht und schwarze Haare. Und vor allem wurde er zur Tatzeit nicht nur von zwei Lo­kalparlamentariern, sondern auch einem Obersten der Mi­li­tär­po­li­zei des nordöstlichen Bun­des­staates Ceará gesehen. Beim Prozeß wurden aber weder Zeu­gen der Anklage noch der Ver­tei­digung angehört. Die laut Nach­rich­tenmagazin Veja gra­vierendste Verur­teilung einer brasi­lianischen Führungspersön­lich­keit seit der Rückkehr zur Demo­kratie wird deshalb von zahl­reichen Ju­risten und Krimi­nalisten des Landes als schlech­ter Witz bezeichnet, die Strafe als „absurd“. Auch das Pastoral­büro für Landange­legenheiten der Bi­schofskonferenz kritisierte, daß mit dem Schauprozeß nicht Rainha, son­dern die ge­samte Landlosenbewegung ge­troffen wer­den sollte. In vielen Medien da­gegen wurde das Urteil einsei­tig darge­stellt und sogar begrüßt: das MST also doch die Bande von Mör­dern, ge­walttätigen Ge­sellen und Gesetzesbre­chern, wie die mäch­ti­gen Großgrundbe­sitzer im­mer be­haupten?
Kä­me Rainha tatsächlich hin­ter Gitter, wäre das für das MST ein herber Verlust. Niemand sonst hat in Brasi­lien so viele Be­setzungen brachliegender La­ti­fundien mit durchgeführt, hat so große Erfahrungen und kennt Bra­silien und die Landlosen­basis so gut. An die zwanzig Prozesse wurden gegen Rainha geführt, etwa 50 Untersuchungsverfahren ge­gen ihn ein­geleitet – ohne Er­folg. Hinter Gittern saß er bereits mehrfach, interna­tionale Proteste führ­ten jedoch stets zu seiner Frei­lassung.
Ist Rainha nur eine Art MST-Pro­fi-Funktionär? Er be­sitzt vier Hektar im Hinterland des Bun­des­staates Sâo Paulo, pflanzt Pap­rika, Mais, Tomaten und Me­lo­nen, und gehört zu einer Asso­cia­çao comuni­taria mit 16 Fa­mi­li­en. Von der bra­silianischen Zeit­schrift Imprensa nach seiner Schul­bildung gefragt, antwortete er: „Ich war nie in der Schule. Le­sen und Schreiben habe ich mir mit fünfzehn zuhause beige­bracht. Wir waren eben ver­dammt arm, meine Brü­der ar­bei­te­ten auf dem Feld, um zu Über­le­ben. … Ich lese gerne. Von Frei Betto kenne ich fast alle Bücher – der ist mein Freund.“

PC Farias: Tangotänzer und Mafioso

Brasiliens Justiz muß Mord an „Grauer Eminenz“ wieder aufrollen

Unter dem Druck von Gerichtsmedizinern, Kriminalisten und der Öffentlichkeit sieht sich Brasiliens Justiz gezwungen, den Mord an Paulo Cesar Farias, Symbolfigur für Korruption in Politik und Wirtschaft, erneut zu untersuchen. Die bislang verbreitete offi­zielle Tatversion ist nicht mehr haltbar.

Mit der finanziel­len Unter­stützung des Multimillionärs Paulo Cesar Farias­, im Volks­mund PC, gewann Collor de Mello 1989 die Präsident­schaftswahlen. Aber auch nach der Wahl ver­sorgte PC seinen Präsidenten, der 1992 wegen Korrup­tion und Machtmiß­brauch seines Am­tes enthoben wurde, mit reich­lich Geld (siehe LN 222). „Wegen Mangels an Be­weisen“ 1994 in ei­nem offen­sicht­lich politisch motivier­ten Kor­ruptionspro­zeß frei­ge­spro­chen, lebt Collor heute in Miami. PC be­kam sieben Jah­re, die er größtenteils höchst kom­fortabel im of­fe­nen Straf­vollzug von Ma­ceio / Alagoas absaß. Damit könnte die Geschichte ein Ende haben.

PCs Comeback

Als ihn 1996 in seiner Wo­chenendvilla im Nord­oststaat Ala­goas der tödli­che Schuß traf, hatte PC Farias gerade sein poli­tisches Co­meback, die Gründung einer Tageszeitung angekündigt. Der zu­ständige Po­lizeichef gab noch am selben Tag bekannt, der fünfzigjährige kahl­köpfig-char­man­te Tangotän­zer sei wegen Be­ziehungspro­ble­men von seiner Freundin Suzana Mar­colino er­schossen wor­den, die anschlie­ßend an seiner Seite Selbst­mord be­gangen habe. – Spott und Iro­nie war der Tenor von Brasiliens Leitar­tikeln. Als Tat­motiv wurde allgemein Quei­ma de Archivo, die Vernichtung von Archiven angenom­men, da PC exzellenter Kenner der brasi­lianischen Kor­ruptionsme­chanismen war und streng­gehütete Geheim­nisse der jünge­ren Politik mit ins Grab nahm. Zur allgemei­nen Ver­blüf­fung be­stätigte zwei Mo­nate später der bis dahin landes­weit hoch­ange­sehene Gerichts­me­di­zi­ner Badan Palhares nach vor Ort an­gestell­ten Untersu­chungen die Ver­sion des Polizei­chefs. Für die Re­gie­rung schien der Fall damit er­le­digt.
Von Anfang an hatte der ala­goanische Gerichtsmedi­ziner und Militärpolizei­oberst George San­guinette mit einem hohen Maß an Zivil­courage öffentlich auf Un­gereimtheiten bei dem Mord hin­ge­wiesen. Seine ermit­telnden Kol­legen würden von „oben“ ge­wal­tig unter Druck ge­setzt, bei dem Verbrechen han­dele es sich um einen Doppel­mord. Sangui­nette erhielt da­raufhin Mord­droh­ungen und wurde we­gen seiner Aufmüpfig­eit zeit­weise unter Haus­arrest gestellt. Der Oberst ließ sich nicht ein­schüch­tern, wies über­zeugend grobe Er­mitt­lungs­fehler nach, und ver­öf­fent­lichte darüber sogar ein Buch. Die Untersu­chungen wur­den schließlich wiederaufge­nom­men. Die jüng­ste defini­tive Ex­per­tise vom Mai macht die bis­he­rige offizielle Version zu Ma­ku­la­tur. Suzana Marco­lino konn­te nicht auf PC geschossen und sich danach in der beschrie­be­nen Weise umge­bracht haben — ge­mäß der zu­ständigen Staats­an­wäl­tin weisen die Indi­zien nun­mehr auf Dop­pelmord hin. Als PC und dessen Freundin be­reits tot waren, wur­den nach­weis­lich Te­lefongesprä­che mit der Wo­chen­endvilla ge­führt. Die Lei­chen „entdeckte“ man aber erst rund vier Stunden später.

Zivilcourage eines Gerichtsmediziners

Laut Sanguinetti steht die Ma­fia von Alagoas hinter der Tat. Mitt­lerweile wurden auch Ver­bin­dungen PCs zur italienischen Mafia nachgewiesen. Ein Partner soll in Geldwäsche, Drogen und Waf­fenhandel verwickelt sein. Zwei Kinder von PC stu­dierten auf einem Privatgymnasium der Schweiz, wo die ita­lienische Po­li­zei vier Konten des Er­mordeten aus­machen konnte. Auf diesen und sechs weiteren Konten in den USA, den Niederlanden und Uruguay hatte PC über sechs Millionen Dollar de­poniert: Ein Bruch­teil seines Vermögens.
PC Farias eigener Einschät­zung nach säßen bei strenge­ren Ge­setzen gegen Korruption im Wahl­prozeß – wie zum Beispiel in Italien – die Politiker, die Bau­un­ternehmer und Bankiers des Landes allesamt hinter Git­tern. Und er muß es wohl am be­sten wis­sen.

KASTEN

Würden Sie Ihr Kind „Hitler“ nennen?

Antonio Callade, der auch in Deutschland und Österreich viel­verlegte brasi­lianische Roman­cier, stau­nte nicht schlecht, als er bei der Pre­miere eines seiner Stücke im Teatro Ziembinski von Rio de Janeiro auf den Mosaik­fußboden schaute: auf über zehn Metern Länge ein Ha­kenkreuz nach dem an­deren kunstvoll aufge­reiht, saubere Handwerksarbeit aus den 30er und 40er Jahren. Seit das alte Haus 1985 von ei­nem Schauspieler er­worben und in ein Theater umgewan­delt worden war, hatte nie­mand An­stoß an der auch vom angrenzenden öffentli­chen Platz deutlich erkennba­ren Haken­kreuz­or­na­men­tik genommen.
Obwohl in den brasiliani­schen Zeitungen häufig über Hakenkreuz­schmierereien in Deutschland und anderen eu­ropäischen Län­dern sowie über die entsprechen­den Proteste jü­discher Organisa­tionen be­richtet wird, verkau­fen Straßenhändler in Rio oder Sâo Paulo sogar nach­produzierte Me­tall-Erinne­rungsplaketten an den „Gautag der Bayrischen Ost­mark, Pfingsten 1933 in Regens­burg“, darauf das Ha­kenkreuz unter’m Reichsad­ler. Bis heute tragen nicht wenige Brasilianer den Vor­namen Hitler – die Eltern wa­ren eben Bewunderer des Naziführers. Richter Hitler Canta­lice läßt einen Parlaments­abgeordneten we­gen Autoraubs verhaften – und als die Insassen einer total überfüllten Haftanstalt re­voltieren, behält Polizei­chef Hitler Mussolini Pacheco kühlen Kopf, führt persönlich die Verhand­lungen über Geiselfreilassun­gen. Weiße Hitler sitzen in Universitätshörsälen, schwarze Hitler hausen in Slums der Sklavennachfah­ren. „Hitler“ steht auch auf Straßenschildern: In der Stadt Barra do Bugres befindet sich das Hospital in der „Avenida Hitler Sansâo“. Auch der Vor­nahme „Rommel“ ist sehr häufig.
Viele Juden flüchteten vor der drohenden Verfolgung und Ermordung auch nach Brasilien – die den Deutschen aus der Nazizeit bekannte üble Verunglimpfung der jü­dischen Minderheit ist jedoch bis heute selbst in Wörterbü­chern und Lexika beibehalten worden – trotz entsprechen­der Proteste. Ver­gangenes Jahr hat erstmals auch die jü­dische Weltorganisation B’NAT B’RITH scharf ver­urteilt, daß sogar im wichtig­sten brasilianischen Nach­schlagwerk Aureliano der Jude als „schlechter Mensch, Geizhals, Habgieriger, Wu­cherer“ definiert bzw. charakteri­siert wird.

Megaescândalo

Gesprächsmitschnitte weisen auf massiven Stimmenkauf im Kongreß hin, Nutznießer: Staatschef Cardoso

Der Präsident will wiedergewählt werden. Die entsprechende Verfassungsänderung kam Ende Januar nur mittels Stimmenkauf und andere Machenschaften durchs Par­lament – sagten damals Kirche, Opposition und Medien. Doch niemand konnte es be­weisen. Jetzt liegen Gesprächsmitschnitte vor, denen zufolge Cardosos rechte Hand, Kommuni­kationsminister Sergio Motta, den Stimmenkauf veranlaßte. Eine un­bekannte Zahl von Abgeordneten erhielt demnach jeweils umgerechnet an die 300.000 DM in bar. Cardoso war noch nie so in der Bredouille.

Was Brasiliens größte Quali­tätszeitung, die Folha de Sâo Paulo, Mitte Mai abdruckte, schlug ein wie eine Bombe: Zwei zur Rechtspartei PFL der Re­gierungsallianz zählende Kon­greß­abgeordnete er­läutern klar und unzwei­deutig eine groß­an­ge­leg­te Stimmenkaufopera­tion. Car­dosos In­tim­freund Sergio Motta von der So­zi­aldemokrati­schen Partei (PSDB) habe veranlaßt, daß über die PFL-Gou­ver­neu­re der Teil­staaten Acre und Ama­zonas um­gerechnet rund 300.000 DM in bar – oder sogar noch viel mehr – an Parlamentarier aus­gezahlt wurde, damit sie Ende Januar für die Wie­derwahl-Novelle vo­tie­rten. Der Abstimmung war von der Mitte-Rechts-Regierung al­ler­größte Be­deutung bei­ge­mes­sen wor­den.
Überraschend hatte eine große Zahl von Abgeord­neten, die die Ver­fas­sungsänderung stets öf­fent­lich ablehnten, dann doch der No­velle zuge­stimmt. In den ab­ge­druckten Gesprächsmitschnit­ten wer­den fünf bestochene De­pu­tados aus Acre nament­lich genannt, doch weit mehr sollen Sum­men zwischen 200.000 und 300.000 Reais er­hal­ten haben. Diese bezeichen die Darstel­lungen als falsch und absurd. Die PFL, stärkster Partner Cardosos, schloß indessen sofort jene zwei Acre-Abgeordneten aus der Par­tei aus, die den Stimmenkauf erläuterten und selber Geld er­hielten. Mit anderen Worten: Beide werden als geständig ange­sehen, die Mitschnitte somit als authentisch be­trachtet. Wa­rum nur diese beiden und nicht die an­deren Deputados – die zwei Gouverneure und der Mi­nis­ter?, fragt sich alle Welt. Die in Folha-Kommentaren gege­be­ne Antwort: Entläßt Cardoso Mi­ni­ster Motta, wie sogar die PFL-Spit­ze empfiehlt, gesteht er auch seine eigene Schuld ein – und dann ist alles möglich. Erinnert sei hier an das Col­lor-Im­peach­ment von 1992.

Kurse der Stimmenbörse

Motta, der mit Cardoso eine Großfarm betreibt, ist in einer heiklen Situation. Vorwürfe, daß er als Hauptorganisator des Stimmenkaufs fungiert, er­hob sogar Paulo Maluf, Führer der nicht zur Re­gierung gehörenden Rechtspartei PPD. Deren Kon­greßabgeordneter Jair Bolsonari beschrieb, wie es am Tage der Abstimmung im Januar in den Kon­greßkorridoren zuging: Wie bei Geschäftsverhandlungen auf ei­ner Stimmenbörse. Am Mor­gen wurde ein Votum noch für 200.000 Reais ge­handelt, weil die Regierung nicht sicher war, ob die Verfassungsänderung pas­sieren würde. Einige Parla­men­ta­rier verlangten sogar 300.000 Re­ais. Kurz vor der Ab­stimmung glaub­te die Regierung an ihren Sieg und ging deshalb mit dem Kurs herunter, zahlte nur noch 50.000 Reais. „Ich weiß nicht, wer Stimmen an- bezie­hungs­wei­se ver­kaufte, doch den Kauf und Verkauf gab es tatsächlich.“
Die Cardoso-Regierung hat seit dem Amtsantritt eine Reihe von parlamenta­rischen Untersu­chungs­ausschüssen verhin­dert, die ihr hätten gefährlich wer­den kön­nen. Zwar bekam die Oppo­si­tion die nötigen Unter­schriften der Abgeordneten zusammen, oh­ne die ein Ausschuß nicht ge­bil­det werden kann. PFL und PSDB entsandten je­doch nicht die vor­geschriebenen Repräsen­tanten – und damit war die Untersuchung ganz „demokra­tisch“ blockiert.
Nach dem Abdruck der Ge­sprächs­mitschnitte hatte die Op­po­si­tion die Unterschrif­tenliste rasch komplett – auf Anwei­sung Cardosos mußten indessen PFL- und PSDB-Abgeordnete ihre Unterschriften zurückziehen. Es wurde öffentlich spekuliert, wieviel Reais sich die Regierung die Rückzieher wohl habe kosten las­sen – wieder 200.000 pro Kopf?
Brasiliens Bischofskon­ferenz CNBB hat den Me­ga­es­cândalo nicht kommentiert, sie verwies nur auf ein jüngst veröffent­lich­tes CNBB-Dokument, in dem die Re­gie­rung der ak­tiven Kor­rup­tion beschul­digt wird. Im Bezug auf die Wiederwahlno­velle heißt es, die Regierung be­sorge sich bei für sie interessan­ten Vor­lagen die nötigen Stim­men ohne Skrupel. Cardosos Allianzpartner PFL, der den Vizepräsidenten stellt, ist gemäß Un­ter­suchungen und Zeugenaus­sa­gen bereits seit langem in Wahlstimmenkauf ver­wickelt. Im archai­schen Nord­osten, so Anwälte ge­gen­über den La­tein­a­me­rika Nach­richten, sei all­ge­mein be­kannt, daß der deutsch­stäm­mige PFL-Chef Jor­ge Born­hau­sen mit prall­ge­füll­tem Geld­koffer he­rum­rei­se, Politiker besteche und den Stim­menkauf organi­sie­re. Born­hau­sen ist Mitgründer der einstigen Militärdiktatur-Par­tei Arena. Cardosos Vize Marco Ma­ciel gehörte ebenfalls zur Are­na und zählte zu den ak­tiv­sten Unter­stüt­zern der Folter­ge­ne­räle.

Alte Kameraden

Die PFL stand an der Seite Präsident Fernando Collor de Mellos, der 1992 wegen Korrup­tion und Machtmißbrauch abge­setzt wurde.
Jener Senhor X, von dem die Fol­ha de Sâo Paulo die Mit­schnitte erhielt, hat in­zwischen be­tont, weitere Tonbänder zu be­sitzen, auf denen noch mehr Per­so­nen belastet werden.
Zwei Mitglieder der PSDB-Spitze erklärten interessanter­weise vor der Veröf­fentlichung der Mitschnitte gegen­über dem Nachrich­tenmagazin Veja, sie sei­en überzeugt davon, daß der PFL-Gou­verneur von Amazo­nas mit der Ab­sicht des Stimmen­kaufs nach Brasi­lia gekommen sei. Mit Kof­fern voll Geld sei der Gou­ver­neur in den Wiederwahl-Pro­zeß hi­neingegangen. Warum stell­te die Cardoso-Regierung ihn nicht zur Rede, fragt die Veja.
Gemäß einer neuen Mei­nungs­umfrage führt die Popula­ri­täts­kurve des Staatschefs nach lan­ger Stabilität erstmals deut­lich nach unten. Brasiliens Bör­sen reagierten auf die Ver­öff­ent­li­chung der ersten, brisanten Mit­schnit­te in der Folha am 13. Mai so­fort mit Kursabfall. Die Echt­heit der Mitschnitte wurde am 20. Mai bestätigt. Je­ne zwei Ab­ge­ordnete, die den Wortlaut des Ab­drucks bestritten, ste­hen bös‘ da. Ganz zu schwei­gen von den an­deren Ver­wickelten.

Lebendige Fackeln

Immer häufiger werden Wohnungslose im Schlaf angezündet

Sie hatten angenommen es sei nur ein Bettler, verteidigten sich die fünf jungen Tä­ter, die in Brasilia das schlafende Oberhaupt der Pataxó-Indianer Galdino Jesus dos Santos an­zün­deten. Der Fall erregte gerade deshalb Aufmerksamkeit, weil es sich um einen In­digena handelte, reiht sich jedoch ein in die zunehmende Gewalt gegen Woh­nungs­lo­se. Die Täter kommen meist aus der Mittel- und Oberschicht.

Die Avenida Rio Branco, ein­stige Prachtstraße Rio de Janei­ros, bietet nachts ein deprimie­rendes Bild. Weil seit 1995 in­folge von neoliberalen Regie­rungsprogrammen die Arbeitslo­sigkeit steil an­stieg und Sozialein­richtungen schlossen, lie­gen so viele Obdachlose, Bettler, psy­chisch Kranke und Stra­ßenkinder wie selten zuvor aufgereiht ne­beneinander auf dem Bürger­steig; nicht wenige nutzen als Unterlage oder zum Zudecken ledig­lich Zeitungs­pa­pier oder Pappe. Neuerdings hat ein Großteil von ihnen Angst, Op­fer jener Brandattacken zu werden, die sich auch in Sâo Pau­lo und selbst in der Haupt­stadt Brasilia häu­fen: Nur Schrit­te von der Ave­nida Rio Branco ent­fernt, über­goß vormittags eine gut­geklei­dete Frau einen sit­zen­den Bettler mit reich­lich Al­ko­hol, warf zy­nisch lachend ein bren­nendes Streichholz auf ihn. Und ver­schwand im Men­schen­ge­wühl, während der Mann die Flammen zu er­sticken suchte. Dreißig Pro­zent der Haut ver­brann­ten, derzeit liegt er in ei­nem öffentlichen Hospital der Sie­ben-Millionen-Stadt, das pro Mo­nat mindestens zwei woh­nungs­lose Brandopfer behandelt. Oft kommt in­dessen jede Hilfe zu spät, wie die fast täglich veröf­fentlichten Fotos von ver­kohlten Leichen bewei­sen.
Ivan Bertanha, Leiter einer Hospi­talabteilung für Verbren­nungen in Sâo Paulo, betont, daß die Eingelieferten fast nie ge­richtsverwertbare Angaben lie­fern können: „Sie sagen, daß sie in Flammen stehend aufge­wacht sind und keine Verdächtigen ge­sehen haben.“ Pataxó-Häupt­ling Jesus dos Santos verbrannte in Brasilia lebendig, nachdem nicht weniger als zwei Liter Alkohol über ihn ausge­gossen worden waren. Die in­zwischen gefaßten fünf Täter aus Elitefamilien ver­teidigten mit dem Argu­ment, sie hätten ihn „nur“ für einen Bettler gehalten. Für regierungskriti­sche Men­schenrechtler und So­ziolo­gen spricht dieser Satz Bände. Her­bert de Souza Betinho, Füh­rer der natio­nalen Kampagne ge­gen Hunger und für Bürger­rechte, nennt das Handeln der jungen Männer einen Hinweis „auf den Grad der Degenerierung in be­stimmten höheren Schich­ten der brasilianischen Gesellschaft.“ Helio Bi­cudo, enger Mitarbeiter des Kardinals von Sâo Paulo und Kongreßabgeordneter der Ar­bei­ter­partei PT, konstatiert, die bra­si­lianische Gesellschaft ent­wür­dige die Armen und bana­li­sie­re das Leben. Der angesehene So­zi­al­wissenschaft­ler und The­ra­peut Ju­randir Freire Costa bringt so­gar die Globali­sierung mit ins Spiel: Junge Männer, wie jene fünf von Bra­silia, kennen die rei­che „Erste Welt“ sehr gut und glau­ben, eher per Zufall in Bra­si­li­en zu le­ben. Widerwillig sind sie dort mit einer Mehrheit von „Häß­lichen, Armen, Zahn­losen und Nicht-Weißen“ konfrontiert, ana­ly­siert Co­sta weiter. Eine Art von Umgang mit dieser Realität sei, sie nicht wahrzuneh­men, eine andere, diese so­gar physisch zu eliminieren. „Wir reden viel über die Modernisierung Brasili­ens, doch wenig über die Befrie­dung der Gesell­schaft“, sagt Os­car Vieira, Generalsekretär des UN-Lateinamerika-Instituts und weist auf die Straffreiheit hin, von der besonders die High So­ciety profitiert. Gemäß neuesten UNO-An­gaben werden in Brasi­lien mehr Menschen durch Feu­er­waffen getötet als in jedem an­deren nicht durch Krieg gezeich­neten Land. In Sâo Paulo kann die Po­lizei bestenfalls in zwan­zig Prozent der Fälle die Täter iden­tifizieren, was nicht bedeu­tet, daß diese auch verhaftet werden.

Der neue Sport der Besserbetuchten

Inzwischen wurden sehr un­vollständige Angaben über die Anzahl wohnungsloser Brand­op­fer veröffentlicht. Allein in der Haupt­stadt Brasilia sind seit 1988 minde­stens 29 Bettler an­ge­zün­det wor­den. In Sâo Paulo und Rio sind mehrere Woh­nungs­lose pro Mo­nat betroffen. Brand­attacken sind jedoch nicht alles: So gehört es in den ge­nannten drei Städten zum ma­ka­bren Sport Besserbe­tuchter, etwa nach der Disco vom Wagen aus auf schlafende Woh­nungslose zu schießen. Auch ein Polizeiof­fi­zier Rios pflegte, gerichtlichen Zeu­gen­aus­sagen von 1994 zu­fol­ge, seine Waffen nachts an Bett­lern zu te­sten.
Schließlich wurden 1990 in der Stadt Matupá drei arbeitslose Landarbeiter, die ver­sucht hat­ten, eine Fazenda zu über­fallen, in Anwesenheit von Po­li­zisten und einem Politiker auf offener Straße lebendig ver­brannt: das von einem Amateur gedrehte Vi­deo der Untat über­gab die katho­lische Kirche inter­nationalen Men­schen­rechtsorga­ni­sa­tionen. 22 Personen wurden zwar ange­klagt – zu einer Bestra­fung ist es aber bis heute nicht gekommen.
Wegen des spektakulären Brand­an­schlags auf Galdino Je­sus dos Santos interessiert sich die brasilianische Öf­fentlichkeit auf einmal für das Leben der Pa­ta­xó. Nach Angaben der Kir­che wur­den in den letzten Jah­ren in Südbahia 24 Pataxó-Indios von Pis­toleros der Großgrundbe­sit­zer oder diesen selbst erschos­sen, 47 über­lebten Mordver­su­che, 48 In­dios starben wegen un­ter­lassener Hil­feleistung.
Ein Großteil Südbahias war ursprünglich Pataxó-Land. Doch vor und wäh­rend der Militärdik­tatur legten Latifundistas im Stam­mesgebiet Ka­kao­farmen an, von denen auch große interna­ti­o­na­le Schokola­denmarken ihren Roh­stoff bezie­hen. Vor Gericht streiten die Pa­taxó seit 15 Jahren um die Rück­gabe von etwa 36.000 Hektar – 788 Hektar waren ihnen zwar von der Justiz zugespro­chen, de facto aber nie übergeben worden. Der Stamm nutzt jetzt die Gunst der Stunde: Zur Beerdi­gung von Häuptling Je­sus dos Santos kamen TV-Teams, Presse und so­gar der Chef der staatli­chen Indianer­schutz­behörde FUNAI, Julio Gei­ger. Nach der Beisetzung durf­ten weder er noch die Jour­na­listen das Reservat verlassen, viel­mehr wurden sie gezwun­gen, die Pataxó beim Be­setzen von vier benach­bar­ten Kakaofarmen zu be­glei­ten. Umringt von Indios mit Fe­der-Kokarden, Wurfspies­sen, Pfeil und Bogen, mußte Gei­ger grimmigen Blickes als erster das aufge­brochene Farm­tor jenes Groß­grundbesitzers durch­schrei­ten, der die Pataxó am meisten ter­ro­risiert – während diese auf­paß­ten, daß die Szene für die TV-Abendnachrichten auch or­dent­lich gefilmt wurde. Erst nach­dem das Gebiet ohne Ge­walt und Zwi­schen­fälle be­setzt wor­den war, ließen sie den FU­NAI-Chef und den Me­dien­troß von dannen zie­hen.

Terror, Lügen und Videoaufnahmen

Kontroverse um Polizeiübergriffe in Sâo Paulo

Die Aufnahmen gehen um die Welt: Polizisten errichten eine Straßensperre und ter­rorisieren vorbeikommende PassantInnen. Niemand wehrt sich: aus Angst, er­schossen zu werden. Der Präsident ist international entrüstet und die heimischen Intellektuellen schweigen.

Zehn Militärpolizisten Sâo Paulos machen sich einen sadi­stischen Spaß daraus, in einem Slum alle paar Tage eine Stras­sensperre zu errichten und zu­fällig vorbeikommende Bewoh­nerInnen auf brutalste Art zu foltern, mit Hartholzstücken blu­tig zu schlagen und auszurauben. Ein völlig unschuldiger Mann wird vor aller Augen erschossen, ein anderer schwer verwundet.
Wer in brasilianischen Elendsvierteln lebt oder dort So­zial- und Menschen­rechts­arbeit betreibt, weiß, daß Derartiges seit Diktaturzeiten ab­solut nor­mal und alltäglich ist. Der jüng­ste Fall von Polizeiter­ror erregt indessen enormes Auf­sehen, weil jemand gut versteckt tagelang al­les filmt, das Video schließlich nicht nur im brasilia­nischen, son­dern auch im nord­ame­ri­ka­ni­schen, europäischen und asiati­schen Fernsehen ge­zeigt wird.
Sâo Paulos Kardinal Evaristo Arns und seine Bischöfe und Pa­dres protestieren vehement, stel­len nicht an­ders als amnesty in­ternational (ai) und Human Rights Watch klar, daß die Greu­eltaten nicht überra­schen. In ganz Brasilien würden die Men­schenrechte von der Mi­litär­po­li­zei gravierend verletzt, Opfer seien stets Angehörige der unter­privilegierten Schichten, An­zeigen fruchteten gewöhnlich nichts.
Der neue Fall zeigt dies ex­emplarisch. Zwei der zehn Militärpolizisten gelten als Mit­glieder einer Todesschwa­dron, die in jüngster Zeit minde­stens dreizehn Menschen ermor­det hat. Fünf Beamte standen be­reits we­gen acht Morden sowie Mord­ver­suchen und schwerer Körper­verletzung unter Anklage, die Verfahren wurden, wie fast durchweg üblich, eingestellt. Ganz offenkundig unter dem Druck der Medien und der Ent­rüstung im Ausland wurden in­zwischen alle zehn Tatbeteiligten verhaftet – die Mitte-Rechts-Re­gierung instruierte in Windeseile auch die Botschaften in Bonn, Bern und Wien, wie zu reagieren ist.

Scheinheiligkeit und fragwürdige Aufregung

Ricardo Ballestreri, Präsident der brasilianischen ai-Sektion, mag ebensowenig wie die Kirche in den jetzt von den Medien ge­schürten Chor der Entrüstung einstimmen, wirft der Gesell­schaft Scheinheiligkeit vor. Bei jenen, die sich über Polizeibru­talität aufregen, handelt es sich ihm zufolge um dieselben, die mehr Gewalt bei der Verbre­chensbekämpfung und auch die Todesstrafe verlangen. ai hatte wie die Erzdiözese Sâo Paulos bereits vielfach angeprangert, daß die „High Society“ und auch die Mittelschicht in Lateinameri­kas erstem Wirtschaftsstandort Greueltaten gegen Slumbewoh­nerInnen schlichtweg ignorier­ten. In Brasilien, so ai auf An­frage, gebe es ein Kontingent von Personen, deren Folterung absurderweise als sozial gerecht­fertigt angesehen werde. Unter der Folter hatten erst kürzlich neun Männer der Unterschicht gestanden, ein Nobellokal über­fallen und dabei zwei Gäste er­schossen zu haben. Glücklicher­weise fand man eher durch Zu­fall die wahren Täter mit der Beute, die Neun bleiben dennoch für ihr Leben gezeichnet.

„Beifall“ für Todesschwadrone

Cecilia Coimbra, couragierte Präsidentin der brasilianischen Menschenrechtsorganisation „Nie mehr Folter“, erinnert jetzt daran, daß die sich in Sâo Paulo häufenden chacinas, Blut­bäder, sowie andere Aktionen der To­desschwadronen von sehr vie­len BrasilianerInnen mit „Beifall“ aufgenommen werden. Nach der Ausstrahlung des Amateurvideos sei zu hoffen, daß es nie mehr zu derartigem Applaus komme. Ju­randir Freire Cos­ta, Therapeut und Direktor des Instituts für So­zialmedizin an der Universität von Rio, teilt diesen Optimismus nicht. Die Mittel- und Ober­schicht, so Costa, spreche Slum­bewohne­rInnen den Gleich­heits­grundsatz ab, definiere sie quasi als „Nicht-Menschen“ und rea­giere daher mit extremer Indiffe­renz und Akzeptanz auf jede Art von Ge­walt gegen diesen Teil der Bevölkerung.
Befreiungstheologe Frei Bet­to, enger Mitarbeiter von Kardi­nal Arns, teilt den Stand­punkt von Costa, zählt den Sozi­alwissenschaftler außerdem zu den ganz wenigen Mitgliedern der geistig-künstlerischen Elite Brasiliens, die auf Massaker an Landlosen, Polizeiterror gegen Arme und von Todesschwadro­nen begangene Morde nicht mit Schweigen reagieren. Im Ge­spräch sagt Frei Betto, Hunderte von führenden Intellektuellen Frankreichs oder Italiens prote­stierten in Manifesten an die Mitte-Rechts-Regierung von Prä­sident Fernando Henrique Car­doso gegen all diese Greuel­taten und verlangten energische Maß­nahmen. Deren brasiliani­sche KollegInnen duldeten in­dessen, von wenigen Ausnahmen abge­sehen, die gravierende Ver­letzung der Menschenrechte in der größten Demokratie Latein­amerikas, seien daher mitschul­dig.
Das Schweigen, so Frei Betto, sei Resultat der Unterstützung jener Intellektu­ellen für die Cardoso-Regierung und deren neoliberale Politik. Viele aus der geistigen Elite, die besonders hohes Prestige in der öffent­lichen Meinung genössen, wür­den von Brasilia mit Posten, Po­sitionen und Geldern begün­stigt. Oder klarer ausgedrückt: kor­rum­piert. Der Theologe erin­nerte auch daran, daß viele In­tel­lek­tuelle, aber auch in Deutschland sehr bekannte Schrift­steller wie Jorge Amado oder Sänger wie Gil­berto Gil, Caetano Veloso, Elba Ramalho und Joâo Bosco, Filme­macher wie Héctor Ba­ben­co sich 1994 in einem Manifest für die Wahl Cardosos aus­ge­spro­chen hatten. Positive Aus­nah­me: Chico Buar­que. „Daß all diese Perso­nen sich heute passiv ver­halten“, so Frei Betto weiter, „wird von den In­tel­lektuellen Eu­ropas na­türlich be­merkt. Wa­rum prote­stieren wir, fragt man dort, doch die Kollegen in Bra­si­lien nicht – wie steht es daher um deren Se­riosität?“ Sie sei nicht vorhan­den, fügt der Theologe hinzu.
Der schwarze Intellektuelle Milton Santos: „Brasiliens Gei­steswissenschaftler kapitulieren vor der Situation ihres Landes, nähern sich dem Establishment an.“
Frei Betto wurde während der Diktatur im berüchtigten Caran­diru-Gefängnis Sâo Paulos ein­gekerkert und gefoltert. 1992 wurde er vom Gouverneur des Bundesstaats vor Gericht ge­stellt, weil er Gewalttaten der Militärpolizei öffentlich ange­prangert hatte. Im selben Jahr er­schossen Spezialeinheiten jener policia militar in Carandiru min­destens 111 Häft­linge.
Zum Lärm um das Amateur­video meint Frei Betto, das bra­silianische Medienecho werde wie in vorangegangenen Fällen rasch verhallen.
Für Präsident Cardoso kommt der Vorfall dop­pelt ungelegen. Denn Sâo Paulo mit seinen weit über eintausend deutschen Fir­menfilialen wird von einem Gou­ver­neur und en­gem Vertrauten aus des Staats­chefs Sozial­demo­kra­tischer Par­tei PSDB regiert. Glei­ches trifft auf den politisch Haupt­verant­wortlichen des Land­losenmassa­kers von 1996 im Amazonas­bundesstaat Pará zu – und auch auf den Gou­ver­neur Rio de Janeiros, wo ein Blut­bad an Minderjährigen dem an­deren folgt.

KASTEN

Männer des Gesetzes

Vorsicht, Leute aus Sâo Paulo, Osasco und ABC,
Die Polizei von Sâo Paulo ist zum Beschützen da.
Ist ein Polizist ein Verbrecher?
Es gilt das Gesetz des Hundes.
Die Polizei tötet das Volk,
Aber ins Gefängnis kommt sie nicht.

Immer mehr Leute, deren Wege sich verlieren
Aber sagen können wir nichts,
Denn wir sind nicht auf der Seite des Gesetzes.
Oh mein Gott, wann werden sie bemerken,
Daß Sicherheit zu geben nicht bedeutet
Angst einzujagen?

Song von Thaíde und DJ HUM

KASTEN

Männer des Gesetzes

Vorsicht, Leute aus Sâo Paulo, Osasco und ABC,
Die Polizei von Sâo Paulo ist zum Beschützen da.
Ist ein Polizist ein Verbrecher?
Es gilt das Gesetz des Hundes.
Die Polizei tötet das Volk,
Aber ins Gefängnis kommt sie nicht.

Immer mehr Leute, deren Wege sich verlieren
Aber sagen können wir nichts,
Denn wir sind nicht auf der Seite des Gesetzes.
Oh mein Gott, wann werden sie bemerken,
Daß Sicherheit zu geben nicht bedeutet
Angst einzujagen?

Song von Thaíde und DJ HUM

Die Abwertung des Lebens

Die Regierung stoppt die Inflation – die Spirale der Gewalt dreht sich weiter

In der größten Demokratie Lateinamerikas gehören die berüchtigten „Esquadrôes da Morte“ auch über zehn Jahre nach Diktaturende zum Alltag. Sie ermorden Kin­der, Jugendliche, Menschenrechtsaktivisten und politische Gegner. Unter der Mitte-Rechts-Regierung von Staatschef Fernando Henrique Cardoso hat laut ai die Ge­walt stark zugenommen.

An einem Februarnachmittag geschieht in Rio de Janeiros Slumgürtel Baixada Fluminense erneut, was viele in der Ersten Welt für unvorstellbar, unmög­lich halten: Sechs aufgeweckte Jugendliche zwischen fünfzehn und siebzehn springen auf einen Linienbus auf und machen sich zweier „Vergehen“ schuldig: Um nicht bezahlen zu müssen, pas­sieren sie nicht das Drehkreuz des Buskassierers sondern blei­ben, wie es täglich unzählige Schüler und Arbeitslose tun, auf den hintersten Bänken, lärmen, trom­meln Disco-Rhythmen. Dem Kassierer wird es zu bunt. Er fordert zwei bewaffnete Si­cherheitsleute der Busgesell­schaft auf, die Jungen zum Schweigen zu bringen. Der Fah­rer hält an, die sechs werden mit vor­gehaltener Pistole zum Aus­steigen gezwungen, müssen sich in einer Reihe auf die Erde knien. Dann werden sie kaltblü­tig mit Kopfschüssen außerge­richt­lich exekutiert, wie es ai und andere Menschenrechtsor­ga­ni­sa­tio­nen stets in Untersu­chungs­be­rich­ten nennen. Die Mörder un­ter­ziehen sich, wie üblich, nicht der Mühe, die To­ten zu verstecken oder zu ver­scharren. Ein Jugendlicher über­lebte die Schüsse noch eine halbe Stunde, hätte gerettet wer­den können. Doch niemand der vielen herbeigelaufenen Neugie­rigen rührte aus Angst vor Rache eine Hand: Die Killer hatten es verboten, keiner der Gruppe sollte davonkommen.

Schlag für Rios Olympia-Bewerbung

Bereits in den 80er Jahren war die Baixeda Fluminense von den Vereinten Nationen als gefähr­lichste Stadtzone der Welt einge­stuft worden – bis heute werden hier Morde selten aufgeklärt. Gemäß einer neuen Untersu­chung sahen über dreißig Prozent der minderjährigen Slumbewoh­ner schon einen Mord.
Auch diese Bluttat wäre ge­mäß jüngster Praxis von Öf­fent­lichkeit und Medien über­gangen worden, wenn nicht das Inter­na­tionale Olympische Ko­mitee gerade über die Kandidatur der Sieben-Millionen-Metropole am Zucker­hut für die Spiele 2004 entscheiden würde. In weltweit verbreiteten Imagekampagnen hatten Brasiliens Autoritäten für Rio getrommelt und stets ar­gu­men­tiert, daß sich Gewalttaten doch schließlich heute in allen großen Städten ereigneten. Die Ner­vo­sität der Politiker war nach dem Massaker groß. Anders als bei vorangegangenen Ver­bre­chen dieser Art mußten Rios beste Kriminalisten Tag und Nacht nach den Tätern fahnden. Zeu­gen hatten sie laut Presse­angaben zweifelsfrei erkannt. Einer ge­hört zu Rios Munizipal­garde und wird gemäß der en­gagier­ten Staatsanwältin und Killer­kommando-Expertin Tania Sal­les Moreira stets dann als Mittä­ter genannt, wenn es in Bussen zu „Exekutionen“ ge­kommen sei. Der andere leitet eine der zahl­reichen regionalen Todesschwa­dronen.

Morddrohungen gegen holländischen Men­schenrechtsaktivisten

Immer mehr brasilianische Pfarrer, Bischöfe, Sozialarbeiter, Künstler und Menschenrechts­aktivisten, die gegen das Wüten der Killerkommandos protestie­ren, wer­den durch Mord­drohungen unter Druck ge­setzt, müssen aus Sicherheits­gründen ihren Aktionsradius stark einschränken. Dies gilt auch für das neueste Blutbad. Zwei der Ermordeten stammten aus Slums, in denen das auch mit Geldern der deutschen Bundes­regierung arbeitende Sozialin­stitut IBISS seit Jahren Projekte realisiert. Der holländische Di­rektor Nanko van Buuren hatte als Arzt im zuständigen ge­richtsmedizinischen Institut die beiden ihm bekannten Jugendli­chen identifiziert – an der Aus­gangspforte wurde er derweil von zwei Bewaffneten erwartet. Sie zeigten sich über alle Details der IBISS-Projekte gut infor­miert und drohten, den 48-jähri­gen umzubringen, falls er sich in die Ermittlungen einmische und juristisch gegen jene Busgesell­schaft vorgehe, zu deren Sicher­heitspersonal die Todesschützen nach bisherigen Ermittlungen ge­hören. Van Buuren hatte 1996 Bundespräsident Herzog wäh­rend dessen Rio-Aufenthalts mit den IBISS-Projekten vertraut ge­macht, hält zu ihm ständig Kon­takt. „In Europa“, so der Ex­perte, „schenkt man wahrheits­gemäßen Berichten über die Re­alitäten Rios gewöhnlich keine Be­ach­tung. Das Ausmaß der Greuel­taten gegen Arme und Ver­elendete wird für unwahr­schein­lich gehalten.“

Politiker verwickelt

Duque de Caxias, Satelliten­stadt Rios in der Baixada Flumi­nense, ist seit langem wegen der Todesschwadronen berüchtigt. Gegen Bürgermeister Zito dos Santos läuft ein Prozeß, weil er den Mord an einem seiner politi­schen Gegner befohlen haben soll. Mehrere seiner Kritiker, aber auch Menschenrechtler be­schul­digen ihn, in Killerkom­mando-Aktivitäten verwickelt zu sein. Zito dos Santos gehört zur Sozial­demokratischen Partei von Staats­chef Fernando Henrique Cardoso, dem Rios Pfarrer Caio Fabio vorwirft, zwar die mone­täre Inflation, nicht aber die Ab­wertung des Lebens gestoppt zu haben. Todesschwadronen sind in ganz Amazonien und in Millio­nenstädten wie Manaus, Sâo Paulo, Salvador de Bahia, Re­cife, Fortaleza und Natal aktiv. In letzterer Pro­vinz­haupt­stadt hatte der an­ge­sehene Men­schen­recht­ler und Anwalt Fran­cis­co Negueira gegen die größ­ten­teils aus Po­li­zi­sten be­ste­hen­den Kom­mandos er­mittelt: Ver­gan­genen Ok­tober wur­de er auf of­fener Straße durch MPi-Salven er­mor­det. Da­rauf­hin forderte die Men­schen­rechts­kommission der Or­ga­ni­sa­tion Amerikanischer Staa­ten (OAS) Brasilia auf, wei­te­ren zehn von Kommandos in Na­tal Ver­folgten Personenschutz zu ge­währen.

KASTEN

Was ist das für ein Land?

In den Favelas, im Senat
Überall Dreck.
Die Verfassung achtet niemand,
Aber alle glauben an die Zukunft der Nation.
Was ist das für ein Land?

In Amazonas, in Arraguaia, in der Baixada Fluminense,
Mato Grosso, den Geraes und im Nordosten alles ruhig.
Im Tod finde ich Frieden, aber das Blut fließt weiter,
Befleckt die Papiere, die wahren Dokumente,
Auf denen der Patron sich ausruht.
Was ist das für ein Land?

Song von Renato Russo (Legiâo Urbana)

Schweine in Uniform

Die Männer des Gesetzes sind alle Verbrecher
Sie töten unschuldige Leute und machen in Ruhe weiter.
Unausgebildet, inkompetent handeln sie wider die Vernunft,
Anstatt für Sicherheit zu sorgen
Verängstigen sie die Bevölkerung.

Sie sind darauf trainiert, eine reiche Minderheit zu beschützen
Vor der armen Mehrheit, die mit ihrem Leben bezahlt.
Und wenn Du ein Arbeiter bist,
Dann hast Du die idealen Voraussetzungen,
Um in das Netz zu stürzen
Der offiziellen Todesschwadronen,
Schweine in Uniform.

Sie halten sich für Männer
Aber in Wirklichkeit ehren sie
Nicht einmal ihren Namen.
Bulle, mit Verlaub,
Ich werde die Dinge beim Namen nennen:
„Mit der Pistole in der Hand bist Du ein grimmiges Tier, ohne sie schwänzelst Du rum und Deine Stimme kiekst wie im Stimmbruch.“

Song von Marcelo D2 und Rafael (Planet Hemp)

Brasilianische Rapper- und Hip-Hop-Gruppen verarbeiten die brutale Realität in ihren Songs.
Übersetzung: Alina González / Elisabeth Schumann

Die USA und die brasilianischen Folterer

Dokumente beweisen CIA-Beteiligung an alltäglicher Repression

Von 1964 bis 1985 unterdrückte Brasiliens Militärregime Andersdenkende und mi­li­tan­te Oppositionelle auf grausamste Weise: Todesschwadronen ermordeten unzäh­lige Gegner der Diktatur, politische Gefangene wurden Haien lebendig zum Fraß vor­geworfen oder aus Helikoptern gestoßen, in Stücke gehackt, verscharrt an Strän­den Rio de Janeiros – Brutalität war alltäglich. Daß der US-Geheimdienst CIA den Re­pressionsapparat der Generäle auf vielfältige Weise unterstützte, wußten Men­schen­rechtsgruppen aus dem In- und Ausland schon damals. Jetzt sorgen Doku­men­te über die damaligen CIA-Aktivitäten in Brasilien für Schlagzeilen.

Wie die angesehene Zeitung O Estado de Sâo Paulo berichtet, kon­nte die nordamerikanische So­ziologin Martha Huggins bis­lang geheimgehaltene Kongreß­do­kumente einsehen, die die Kom­plizenschaft des CIA mit dem Unterdrückungsapparat von da­mals bestätigen. Das Fazit der 53-jährigen Wissenschaftlerin: „Die Teilnahme der CIA am All­tag der politischen Repression ist be­wiesen – die Dokumente sprech­en sogar von gemeinsa­men Operationen – die ameri­ka­ni­sche Demokratie partizi­pierte an der Schaffung eines un­ter­drüc­kerischen Staates.“
Besonders gravierend ist für Mar­tha Huggins, daß die CIA Spe­zialkommandos für die bra­silianische Polizei ausbildete. In Rio de Janeiro wurde eine „E­li­te“ von vierzig Beamten zum Grund­stock der berüchtigten To­des­schwadrone: „CIA-Agenten nah­men an Operationen in den Slums teil, aber auch an der po­li­ti­schen Unterdrückung – und be­rich­teten alles, was sie sahen, nach Washington.“ Bis heute sei in den USA wenig bekannt, daß die CIA bei der Ausbildung von Po­li­zisten in anderen Ländern mit­macht: „Unsere Demokratie be­nutzte die Polizeibeamten, um in anderen Ländern eine ide­ologische Kontrolle aus­zuüben.“

CIA läßt Dokumente verschwinden

Ein anderes interessantes De­tail der Recherchen von Martha Hug­gins: Die CIA half beim Auf­bau des Diktaturgeheim­dien­stes SNI mit, „lieferte sogar eine Li­ste mit den Namen ge­eigneter, ver­trauenswürdiger Mitarbeiter.“ Auf einer anderen Liste waren al­le Personen ver­zeichnet, die ge­mäß CIA-Ein­schätzung nach dem Militär­putsch von 1964 ver­haftet wer­den sollten.
Ärgerlich für die Soziologin, die bereits drei Bücher über Bra­si­lien veröffentlichte, ist, daß laut Gesetz zwar jeder US-Bür­ger offizielle Dokumente über Re­gierungsaktivitäten einsehen darf, wenn diese länger als 25 Jah­re zurückliegen – jene Seiten je­doch der Kongreßpapiere mit CIA-Berichten über Folterungen der politischen Polizei Brasiliens sind unleserlich gemacht; manch­mal fehlen sogar ganze Blätter.
In mühseliger Kleinstarbeit ge­lang es der Expertin, 26 Folte­rer von politischen Gefangenen aus­findig zu machen und unter Wah­rung der Anonymität zu in­ter­viewen. Einer davon, Militär­po­lizist, mochte nicht, wie seine Kol­legen, bei einem Einsatz ge­fan­gengenommene „Subversive“ mit Schlägen traktieren und die Frau­en vergewaltigen. „Ich for­derte, daß es doch besser sei, alle zu töten, anstatt sie zu foltern“, sagte der Militärpolizist zu Mar­tha Huggins und berichtete auch über den Abschluß der Ope­ration: Alle Gefangenen wurden hoch über der Wildnis lebendig aus einem Helikopter gestoßen.

Folterer heute in führenden Positionen

Helio Bicudo, während der Dik­tatur Präsident einer kirchli­chen Kommission für Gerechtig­keit und Frieden, hat die Aussa­gen der Soziologin bestätigt. Bi­cudo untersuchte damals die CIA-Aktivitäten ebenso wie das Wü­ten der Todesschwadronen. Po­lizisten und Armeeoffiziere Bra­siliens seien in den USA aus­ge­bildet worden – manche, die da­mals zum Repressionsapparat ge­hörten, machten und machen Kar­riere. Romeu Tuma, nach der Dik­tatur Chef der Bundespolizei, ist heute Kongreßsenator der star­ken Rechtspartei PPB. Regi­meaktivist Marco Maciel wurde gar Vize des jetzigen Staatsprä­si­den­ten Fernando Henrique Car­do­so – für Bicude auch Beleg da­für, daß von echter Vergan­gen­heitsbewältigung keine Rede sein kann: „Hier in Brasilien ha­ben die Leute ein kurzes Ge­dächtnis.“
Wie die Jahresberichte von am­nesty international und Hu­man Rights Watch zeigen, gehö­ren Folter und Todesschwadro­nen auch zwölf Jahre nach dem of­fiziellen Ende der Diktatur wei­terhin zum Alltag Brasiliens, es „verschwinden“ sogar mehr Men­schen als damals nach der po­lizeilichen Festnahme. Die ka­tholische Kirche beklagt, daß im­mer mehr nichtidentifizierte Ge­waltopfer beerdigt werden, ein Groß­teil auf den überall im Lan­de anzutreffenden „geheimen Fried­höfen“.

Die Kirche gegen den Strich

„Helfen statt verurteilen“ beim Umgang mit Kinderprostitution in Nordostbrasilien

Durch die neoliberale Wirtschaftspolitik der jetzigen Mitte-Rechts-Regierung ist in ganz Brasilien die Arbeitslosigkeit deutlich angestiegen; im Hinterland von Maranhao wurde deshalb laut Experteneinschätzung die Prostitution von Kindern und Jugendlichen erschreckenderweise zur wichtigsten und manchmal einzigen Einkommensquelle armer Familien. Nicht zuletzt die Kirche hat sich dem Problem angenommen.

Zu Dutzenden stehen zwölf- und dreizehnjährige Mädchen bereits in der Nachmittagsschwüle an der Brücke über dem von Hütten gesäumten Rio Mearim und bieten sich den Passanten für nur fünf Realen an,- das sind nicht einmal acht Mark. Andere warten in den von madames oder früheren Amazonas-Goldgräbern geführten Billigbordellen der neuen Rua do Campo auf Kunden. Doch auch dort sind sie keineswegs geschützt vor der Brutalität, die das Milieu prägt: Messerstechereien, Schußwechsel mit tödlichem Ausgang sind keine Seltenheit, wobei häufig Drogenkonsum die Hemmschwelle herabsetzt. Ausländische Sextouristen spielen hier nur eine geringe Rolle, da das im Nordosten Brasiliens gelegene Pedreiras zu weit von Touristengebieten entfernt liegt. Geradezu gierig auf möglichst junge Mädchen sind sexbesessene Machos aller sozialen Schichten aus der Stadt selbst: Nachbarn, Familienväter der Rua do Campo, Polizisten, Politiker. „Viele Mädchen prostituieren sich, weil die eigenen Eltern sie dazu anregen oder zwingen“, sagt die 52jährige Franziskanerin Maria Oliveira von der lokalen Frauenpastorale gegenüber. Sie verweist auf die Gründe der Misere: Von den rund 50 000 BewohnerInnen hat nicht einmal ein Viertel Arbeit, von denen wiederum verdienen 40 Prozent höchstens den Mindestlohn von umgerechnet 160 Mark.

Versteigerung von Jungfrauen

Pedreiras hat auch deshalb traurige Berühmtheit erlangt, weil dort in Bordellen makabere Auktionen abgehalten werden, wo Großgrundbesitzer, Politiker und Unternehmer Jungfrauen zwischen neun und vierzehn Jahren ersteigern, für eine einzige Nacht in einem besseren Stundenhotel. Anschließend werden die Mädchen gewöhnlich gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten; manche enden in den Goldgräbercamps Amazoniens.
Die Kirchengemeinde von Pedreiras fand sich mit der Situation nie ab. Pfarrer Luiz Mario Luís gründete bereits 1963 ein Rehabilitationszentrum, in dem Prostituierte lesen und schreiben sowie einen Beruf erlernen konnten.
Da die Zahl der Lernwilligen rasch zunahm, mußte das Zentrum vergrößert werden, und die Bezirksverwaltung stieg als finanzielle Trägerin mit ein. Schulunterricht erhalten inzwischen auch die Kinder der Frauen, derzeit sind es über 160 Mädchen und Jungen. Mehrere Dutzend jugendliche oder erwachsene Prostituierte sitzen auf den Bänken des Zentrums, das eher einer einfachen Lagerhalle ähnelt, und lernen Nähen sowie andere Handarbeiten. Inzwischen haben sie zum Teil Kolleginnen als Lehrkräfte. Die Direktorin und Mitbegründerin Benedita Leite versucht, sie davon abzubringen, weiter auf den Strich zu gehen, jedoch ohne Erfolg. Denn wie in tausenden anderen Städten und Gemeinden der zehntgrößten Wirtschaftsnation der Welt erhalten LehrerInnen und andere öffentliche Bedienstete auch in Pedreiras nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von umgerechnet etwa 160 Mark. Schlimmer noch: Die Bezirksverwaltung, der wichtigste lokale Arbeitgeber, zahlt das Hungersalär um bis zu elf Monate verspätet aus. „Ich gebe gerne Unterricht“, sagt eine Prostituierte, „doch das letzte Mal habe ich im August Geld gekriegt“. Viel ist es ohnehin nicht, nur an die neunzig Mark. Und Brasilien hat derzeit ein ähnliches Preisniveau wie Europa.

Erfolge – Rückschläge

Daß krasse Armut brutalisieren, verrohen und abstumpfen kann und die Betroffenen häufig dazu bringt, sich aufzugeben, beobachten Benedite Leite und die Franziskanerin Maria Oliveira täglich. In den Bretterhütten am Rio Mearim dominiert in den vielköpfigen Familien Promiskuität; Die Mädchen lernen nur die Gesetze ihres Milieus kennen und sehen die Prostitution als einzige – und attraktive – Möglichkeit, im Leben voranzukommen. Ihnen Unterricht zu geben, ist extrem schwierig, denn die Mädchen sind nicht daran gewöhnt, sich zu konzentrieren und lange Zeit zuzuhören. „Wir dürfen sie nicht verurteilen, sie uns zu Feinden machen“ betont Maria Oliveira, „sondern müssen immer wieder auf sie zugehen, ihnen helfen, den Raum der Kirche als Alternative anbieten.“ Erfolge beim Schwimmen gegen den Strom gibt es. In der Straße am Fluß treffen sich Kinder und Erwachsene im neuen Gemeindesaal zu kirchlichen Aktivitäten, eine Jugendgruppe stabilisiert sich. Maria Oliveira lehrt Katechismus, feiert Weihnachten und Ostern in den Familien, bringt diesen die Brüderlichkeitskampagne der Bischofskonferenz nahe, und hält Kontakt zu denjenigen Frauen, die mit ihrer Hilfe aus dem Bordell in einen Beruf wechselten.
Doch die madames besorgen sich immer wieder Mädchennachschub. Dabei rekrutieren sie jetzt schon im Hinterland, ködern mit der Aussicht auf „ehrliche Arbeit“ und locken damit Jugendliche in den Schuldenkreislauf. Versucht Maria Oliveira, solche Minderjährigen zur Rückkehr zu bewegen, hört sie immer wieder ein Argument: „Ich kann nicht weg, weil ich von der madame neue, schicke Kleider angenommen habe, die ich erst abbezahlen muß!“ Die Franziskanerin stellt deshalb eine Bordellbesitzerin zur Rede und bekommt wie stets eine drastisch-grobe Antwort: „Meine Schuld ist das nicht. Diese Hündinnen kommen doch angelaufen und bitten mich um Arbeit!“ Weil die madames den Neuankömmlingen weder den Besuch des Zentrums noch der Kirche gewähren, geht die Franziskanerin selbst zu ihnen an den Brückenstrich und setzt sich notfalls an die Bordelltischchen: „Einmal spreche ich mit den Mädchen über Gott, ein anderes Mal über Geschlechtskrankheiten und Aids. An der Brücke kommen viele schon auf mich zugerannt und umarmen mich!“
Kinderprostitution ist typisch für Brasiliens Norden und Nordosten. UNICEF, Kirche und NGOs haben in Maranhao bereits eine Kampagne gegen die praktisch straffreie sexuelle Ausbeutung Minderjähriger gestartet, denn laut Menschenrechtsaktivistin Sandra Torres gehört es bereits zur Gesellschaftskultur, abnorme Situationen als normal zu betrachten und hinzunehmen.
Während in Pedreiras Kinder aus Hunger und Not ihren Körper verkaufen, zeichnet der Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso im nur 277 Kilometer entfernt Sao Luis, der Hauptstadt Maranhaos, vor Mikrophonen ein positives Bild der Lage im Lande. Der Soziologe weist auch die Kritik der Bischöfe an seiner neoliberalen Politik zurück, erwähnt weder Kindersklaverei noch Kinderprostitution oder Jungfrauenversteigerungen. Neben Cardoso steht der jetzige Kongreßpräsident und Ex-Staatschef José Sarney – seit Diktaturzeiten reichster und mächtigster Mann in Maranhao. Daß hier alles beim alten bleibt, liegt nach Aussagen von Menschenrechtlern vor allem an ihm und seinen politischen Freunden.

„Ich könnte jederzeit fliehen“

Volmer do Nacimentos Alltag zwischen Gefängniszelle und Tropenlandschaft

Der 47-jährige Schwarze Volmer do Nacimento wagte als einer der ersten Brasilia­ner, auf Straßenkinder spezialisierte Todesschwa­dronen und deren Drahtzieher öf­fentlich anzuzeigen. 1993 wurde er wegen vorgetäuschter Entführung und „Ver­leumdung von Rich­tern“ zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, die er im halboffenen Strafvollzug verbringt (siehe LN 261). Die brasilia­nische Men­schen­rechtsorganisation Projeto Legal in Rio de Janeiro kämpft für seine Freilas­sung.

Am schlimmsten sind die Sonn- und Feiertage. Dann muß Volmer den ganzen Tag in einer engen Gefängniszelle verbrin­gen, im fünf Autostunden nörd­lich von Rio gelegenen Provinz­städtchen Natividada. Seine Frau und seine Kinder sitzen der­weil traurig nur rund 300 Meter von Nacimento entfernt. Der Bürger­rechtler liest dann stapel­weise Bücher und Zeitungen, schmie­det Pläne für die Zeit nach der Haft, und erinnert sich auch an die Gespräche mit dem Präsi­denten des Europaparla­ments. Wütend macht Nacimento, daß er die nach wie vor aus Straß­burg her­einflatternden Einladun­gen nicht annehmen darf. „Ich bin ein Gefangener, weil ich es selbst will, denn mit meinem Wagen könnte ich fast jederzeit fliehen – und nie­mand würde mich finden.“ Der lang­jährige Koordinator der nationalen Stra­ßenkinderbewegung tut es nicht. Schließlich trägt Nacimento die Ver­antwortung für mehrere von ihm selbst gegründete Projekte, die er selbst leitet. Zu einem der wichtig­sten, einer auch mit deut­schen Geldern finanzierten Land­wirtschaftsschule für Ju­gend­li­che, eilt er an Arbeitsta­gen je­den Morgen. Der gelernte Buch­hal­ter, dessen sozialpoliti­sches Engagement in Basisge­meinden und Pastoralen der ka­tholischen Kirche begann, emp­fängt die bislang neunzig Schü­ler­Innen, berät sich mit Agro­nom­In­nen, Zootechniker­In­nen und Lehrer­Innen, verteilt Auf­trä­ge: „Die El­tern der mei­sten Ju­gend­lichen hier sind ver­elen­dete Wanderar­beiter der Re­gion, mit ihnen zie­hen sie herum, schuften auf Plan­tagen der Groß­grund­be­sit­zer, ge­hen so gut wie nie in die Schule, flüchten aus Perspektiv­losigkkeit in die Slums von Rio. Die Schule wurde gegründet, da­mit die Kin­der hier bleiben, die Landflucht gestoppt wird.“

Die Landflucht stoppen

Jeder Schüler be­kommt mo­natlich umgerechnet rund neun­zig Mark und damit weit mehr als für Plantagenarbeit. Das Geld stammt von zwei holländischen Un­ternehmern. Der deutsche Child­ren Mission Fund in Über­lingen zahlt die Löhne der Leh­rer­Innen und beteiligte sich am Bau des Schulhauses am Rande von Nativi­dade in tropischer Idyl­le. Es ist nur halbfertig, ein Pro­viso­rium – in Deutschland würde niemand darin lernen und lehren wollen. Und auch die vom deut­schen Konsulat in Rio fi­nan­zier­ten Ausrüstungen für ein La­bo­ratorium zur einfachen Heil­mit­telherstellung können nicht in­stalliert, rund 300 Kurs­an­wär­ter nicht aufgenommen werden. Die Schuld trägt laut Volmer do Na­cimento die Mitte-Rechts-Re­gierung von Staatsprä­sident Fer­nan­do Henrique Cardoso und des­sen Freund aus der Sozialde­mo­kratischen Partei PSDP, Rio-Gou­verneur Marcello Alencar. Wäh­rend eines Belgienbesu­ches 1995 traf Cardoso überraschen­der­weise auf eine Gruppe von Men­schen­rechtlerInnen, die ein Poster von Nacimento tru­gen und dessen Freilassung forder­ten. Wie stets in solchen eigent­lich brenzligen Fällen stimmte Car­doso taktisch geschickt mit den KritikerIn­nen überein: „Ihr habt recht – wir werden damit auf­hören.“ Das Ver­sprechen blieb fol­genlos und auch die zum Jah­resbeginn 1996 vertraglich zu­gesicherten rund 90.000 DM von Co­munidade Solidaria, dem von der Präsi­dentengattin gelei­teten Wohl­fahrtsprogramm, tra­fen bisher nicht ein. Ebensowe­nig, trotz mehrfacher Mahnung, die etwa 100.000 DM des Rio-Gouver­neurs. „Wir werden im­mer nur mit Ausflüchten abge­speist“, kom­mentiert Nacimento, „aber viele andere NGOs be­kom­men ver­sprochene Mittel eben­falls nicht – wofür ist die Comu­nidade Solidaria dann ei­gentlich da? Wir können nicht im­mer nur mit Geld aus dem Ausland ar­beiten – wo bleibt da die eigene Ver­antwortung Brasi­liens?“ Den briti­schen Konsul in Rio, der dem Schulprojekt einen Traktor spen­dierte, verblüfft ebenfalls, daß die Regierung nichts über­weist. Dagegen wird laut Pres­seangaben ein existie­render „Sozialer Dringlichkeits­fonds“ fast täglich vom Mitte-Rechts-Kabi­nett angezapft, um Diplo­matenempfänge, Bankette oder üp­pige Geschenke für aus­ländische Gäste zu finanzieren.
Die achtzehnmona­tigen Kurse der Escola Fasenda laufen den­noch wei­ter. „Fast alle, die mit amtlichem Zerti­fikat abschließen werden, haben be­reits eine Ar­beitsstelle sicher,“ freut sich Naci­mento, „nach der Präfektur sind wir hier der zweitgrößte Ar­beitgeber!“ Abends muß der nicht nur in Europa bekannteste Häftling Brasiliens wieder in die Zelle. Der Polizeichef von Nati­vidade bekam bereits aus aller Welt über tausend Protest- und Soli­daritätsbriefe, mindestens ebenso­viele landeten beim Gou­verneur von Rio und im Justiz­ministerium.
Nacimento leidet indessen sichtlich unter der Situation, wollte 1996 durch einen Hunger­streik die Wiederaufnahme sei­nes Verfahrens und Ermittlungen ge­gen Todesschwadronen und de­ren Hinter­männer erreichen – was nicht gelang. Eine der wich­tigsten moralischen vor al­lem aber juristi­schen Stützen ist die Men­schenrechts­organisation Projeto Lagal in Rio de Janeiro. Sie er­reichte bisher, daß Naci­mento seine Haft nicht unter ständiger Lebens­gefahr in einer völ­lig überfüllten Zelle Rios, sondern im halboffenen Vollzug in Natividade ver­bringt. Für An­walt Carlos Nicodemos, Lei­ter des ebenfalls vom deutschen Child­ren Mission Fund unter­stütz­ten Projeto Legal, ist der Pro­zeß gegen Nacimento kaf­ka­esk: „In Untersuchungsbe­richten des Bun­desparlaments und selbst der Abgeordneten­kammer des Bun­desstaates Rio über die Er­mor­dung von Kindern und Ju­gend­lichen, ebenso in der Presse, wer­den die­selben Richter we­gen ihrer Verwick­lung in Ak­tivitäten von Todesschwadro­nen auf­ge­führt, die auch Volmer do Naci­men­to nannte.“
Anwalt Nicodemos eilt min­destens ein­mal im Monat mit dem Wagen nach Na­tividade, spricht seinem Mandanten Mut zu. Dessen Geburtstag im ver­gan­genen November fiel ausge­rechnet auf einen Sonntag. Daß er ihn dank Ni­codemos nicht durch­weg in der Zelle verbringen mußte, sondern mit seiner schwangeren Frau und den Kin­der zusammensein konnte, war wie­der ein kleiner Sieg.

Letzte Meldung: Seit Anfang Ja­nuar hat Volmer rund um die Uhr Freigang, d.h. er muß sich jetzt lediglich re­gelmäßig bei der Polizei mel­den. Und die schlech­te Nach­richt: Nach heftigen Re­gen­fällen ver­sank das Gelände der Land­wirt­schaftsschule unter ei­ner vier­zig Zentimeter dicken Schlamm­schicht. Die Gebäude ste­hen zwar noch, aber die Ernte ist völlig zerstört.

Fünf-Sterne-Rassismus

Schwarze fahren keine Importautos

Der Ehemann ist weiß, die Ehefrau ist schwarz. Am Hoteleingang verwehrt ein Wächter der Ehefrau den Zutritt: Prostituierte dür­fen nicht mit aufs Zimmer. Wer glaubt, dieser Vorfall wäre die Ausnahme, irrt. Unter der Oberfläche scheinbarer In­tegration zeigt sich das Bild einer verdeckten Apartheid.

Die Schwarzen müs­sen wis­sen wo ihr Platz ist, lautet eine uralte, immer noch hochaktuelle Redewendung in Bra­silien. Ge­meint ist damit: Sklavennachfah­ren haben nichts in der Mittel- und Ober­schicht, deren Krei­sen und Ambiente zu suchen. Sie werden entsprechend stigmati­siert und behandelt. Wie dies in der Praxis funk­tioniert, bekam jetzt der Züricher Fritz Müller, Fach­direktor der Cre­dite-Suisse-Bank, in Rio de Janeiro zu spü­ren. Als er mit seiner schwarzen, aus Rio stammenden Ehefrau Adriana nach einem Restaurant­be­such ins First-Class-Hotel In­tercontinental zu­rückkehrte, wur­de Adriana von einem mus­ku­lö­sen Wachmann grob ge­stoppt: Eine Garota de Programa, so hei­ßen Prostitu­ierte im Rio-Slang, dür­fe nicht mit aufs Zim­mer. Direktor Müller ließ sich von seiner Frau über­setzen worum es ging und schlug gehö­rigen Krach, stellte den Wach­mann zur Re­de, verlangte von der Ho­tel­lei­tung eine formelle Entschul­di­gung. Denn ohne ent­sprechende Vor­schrift hätte der Wächter kaum so gehandelt.

Rassismus – Machismus

Die Zeitung O Globo be­schrieb den Fall unter der tref­fenden Überschrift „Fünf-Sterne-Ras­sismus“. Kaum ein mit einer dunkel­häutigen Brasilia­nerin be­freundeter oder verheirateter Eu­ropäer, der in Rio, Sâo Paulo, Sal­vador de Bahia oder Fortaleza nicht ähnliche Erfahrungen ge­macht hat. Wer brasilianisches Portugiesisch nicht versteht, be­kommt kaum mit, daß der Gang über die Strandpromenade für sei­ne Partnerin ge­legentlich ei­nem Spießrutenlauf gleicht. Wei­ße Mit­telschichtsmachos der übel­sten Sorte, in Brasilien alles andere als dünn ge­sät, lassen eine Bösartigkeit oder Obszöni­tät nach der anderen fallen, ge­hen davon aus, daß der tumbe Gringo sicher nichts ver­steht und wohl im­mer noch glaubt, was die mei­sten Reiseführer kolportie­ren: Brasilien, ein wun­dervoller Schmelz­tiegel der Rassen, ein Beispiel gelun­gener Integration ver­schiedener Hautfarben, von Dis­kriminierung keine Spur.
Wer aber die Oberfläche, die schil­lernde Er­scheinungsebene ver­läßt, stößt auf Brasiliens hocheffi­ziente verdeckte Apart­heid. Die ist von den schwachen, wenig respektierten Schwarzen­or­ganisationen weit schwerer zu packen und zu attackieren als die aus Süd­afrika bekannte of­fene Ras­sentren­nung. Schwarze, Mu­latt­Innen gehören in die Slums, in die Unterschicht, in die drek­kig­sten, schlechtbezahltesten Be­ru­fe. Schwarze Frauen sind ge­mäß diesem Denk- und Ver­hal­tens­muster Hausdienerinnen, Rei­ne­machefrauen, bestenfalls Su­per­marktkassiererinnen. Oder aber: Schwarze Frauen sind bis zum Beweis des Gegen­teils Pro­sti­tuierte, Touristenhuren, die man entsprechend behandeln kann.
Untersuchungen belegen, daß in­for­melle Mechanismen ge­wöhn­lich den Auf­stieg Dunkel­häutiger in gutbezahlte qualifi­zierte Mittel­schichtsberufe ver­hin­dern. Privatban­ken bilden da keine Ausnahme. Bei meh­reren spricht das gängige System der zwei Kundenschlangen Bände. Wer besser verdient und umge­rech­net mindestens einige tau­send Mark auf seinem Konto hat, steht in der kürzeren Fila, wird bevorzugt behandelt und ist ge­wöhnlich weiß. Wer zu den Schlecht­bezahlten gehört, aber glück­lich ist, dennoch ein Konto besitzen zu dürfen, muß in der längeren Schlange gelegentlich Stunden warten, schaut nei­disch, frustriert oder mit Groll auf die Be­vorzugten mit dem dickeren Geld­beutel. Welche Hautfarbe in der langen Fila domi­niert, läßt sich in Rio gut beobachten.
Wer mit dunkler Haut den­noch den sozialen Aufstieg schafft, hat im Alltag fast pau­sen­los Ärger. In Sâo Paulo wird eine er­folgreiche schwarze Schau­spielerin von weißen Ma­dames im­mer wieder auf der Straße gefragt, ob sie nicht als Haus­dienerin anfangen wolle, sie sehe so gut und gesund aus. Der schwarze Sänger und Komponist Dicró wird in Rio de Janeiro von Si­cherheitsleuten zu seiner eige­nen Show nicht auf die Bühne ge­lassen. Ironisch erklärt er: „Mehr­mals haben sie mich auch schon ge­schnappt, als ich meinen eigenen Wa­gen klauen wollte.“ Wie überführte Au­todiebe wer­den ebenfalls immer wieder gut­ver­dienende schwarze Fußball­spieler traktiert, die teure Im­portwagen fahren. Oleude Ri­beiro vom Verein Portuguesa von Sâo Paulo wurde mit Blau­licht in seinem Ford-Jeep ge­stoppt und mit dem Revolver am Kopf gründlich durchsucht: „Mein tiefentsetzter kleiner Sohn woll­te danach wissen, ob diese Männer Ban­diten waren. Schwie­rig, ihm zu erklären, daß alles nur geschah, weil wir Schwarze sind.“
Der auch in Eu­ropa bekannte schwarze brasiliani­sche Musiker Djavan erläutert: „Wenn du be­rühmt wirst, ver­lierst du sozusa­gen deine Hautfarbe. Das heißt nicht, daß dich die Leute auf einmal mögen. Sie beginnen nur, dich zuzulas­sen.“

Weniger als ein Quadratmeter

Brasiliens Gefängnisse offenbaren Bilder wie aus einem Gruselfilm

Unter der Regierung von Präsident Cardoso verschlechtert sich die Lage in den total überfüllten Gefängnissen weiter. „Niemand ist an einer Resozialisierung der Häft­linge interessiert,“ so Padre Mauzeroll von der Gefangenenseelsorge der katholi­schen Kirche.

Eine mittelalter­lich anmu­ten­de Ge­fängniszelle in Rios Stadt­teil Realengo. Gesetzlich hat je­der der mehreren Dut­zend In­sas­sen Anspruch auf min­de­stens acht Quadrat­meter, hier da­gegen hat er nicht einmal ei­nen ein­zi­gen. Ge­schlafen wird des­halb in Schichten. Während ein Teil auf dem feuchten Beton liegt, hängt der andere in Stoff­schlau­fen da­rü­ber, die an den Git­ter­stäben be­fe­stigt sind. In ei­ner Zelle im Stadt­teil Bangu bie­tet sich ein ähn­liches Bild: 35 fast nackte, schwit­zende Männer auf nur sech­zehn Quadratmetern, bei­ßen­der Fäkalienge­ruch, nachts Rat­ten, die psychische Span­nung fast mit Händen greif­bar. Neun von zehn haben Krätze und Fu­run­kel. In der heißesten Jahres­zeit herr­schen bis zu sech­zig Grad in den Zellen, täglich fallen dann an die zwanzig In­sas­sen ohn­mächtig um, werden von den Wärtern herausge­zerrt und durch an­dere ersetzt. Um aus die­ser Höl­le herauszukommen, in eine we­niger über­füllte Zelle verlegt zu werden, beste­chen Häftlinge ih­re Aufseher mit um­gerechnet bis zu 5.000 DM. Es gibt auch Ge­fängnisse, in denen die In­sas­sen das nötige Geld zu­sam­men­le­gen und dann den Be­günstigten wie in einer Lotterie per Los be­stimmen. In Bangu kom­men die not­wendigen Reais von der Fa­mi­lie oder von Verbre­cher­syn­di­ka­ten. Je größer, je un­er­träg­li­cher die Hitze, umso hö­her stei­gen die Preise auf die­sem Schwarz­markt. Nur einmal am Tag gibt es Essen von haar­sträu­ben­der Qualität, Lebens­mittel­pa­ke­te der Angehörigen werden ge­wöhn­lich nicht ausge­händigt. Fol­terungen sind die Regel, nicht nur in Rios Gefäng­nissen. Ein An­walt be­schreibt einen Fall aus dem Jahr 1996: „Polizisten mit Ka­puzen miß­handelten 116 Ge­fan­gene mit Elektroschocks, alle wie­sen Blutergüsse auf und wur­den dar­überhinaus zu sexu­ellen Hand­lungen gezwungen.“
Fast täglich wer­den Fälle tot­ge­folterter, er­schlagener Häft­linge bekannt. Doch die politisch Ver­ant­wortlichen rühren sich kaum, nur we­nige Intellektuelle pro­testieren und die Gesellschaft scheint sich an die grauen­vollen Zustände ge­wöhnt zu haben.
Nach dem letzten offiziellen Zen­sus bieten die 511 Gefäng­nis­se Brasili­ens Platz für höch­stens 60.000 Per­sonen. Mit über 148.000 Gefangenen sind sie da­mit mehr als doppelt be­legt. Not­wen­dig, so heißt es, seien 145 neue Gefängnisse. Rund 95 Pro­zent der Häft­linge sind Arme, 96 Pro­zent Männer, etwa drei Vier­tel Voll- und Halbanal­phabeten. Der typi­sche Gefangene, so eine Stu­die, ist dunkelhäutig und jün­ger als 25 Jahre. Jeden Monat kommt es laut Statistik zu min­de­stens drei großen Häftlingsre­vol­ten; die meisten von ihnen wer­den aller­dings der Öf­fent­lich­keit ver­heimlicht.

Pervertieren statt resozialisieren

Amnesty international und Human Rights Watch/­Ame­ri­cas prangern die Zu­stände in den bra­silianischen Haftan­stalten als „pu­ren Horror“ an. Aber auch die Gefange­nenseelsorge der katho­li­schen Kirche läßt nicht locker. Padre Geraldo Mau­zeroll von der Pa­storal Carçeraria im Bundes­staat Sâo Paulo: „Wer ins Ge­fängnis kommt, wird pervertiert, wird angesehen und be­handelt wie ein Tier. Niemand ist an ei­ner Besserung oder Resozialisie­rung der Insassen interessiert. Die Gesellschaft rächt sich an ihnen. Sie läßt sie intellektu­ell, seelisch, mora­lisch, kulturell und nicht selten sogar physisch ster­ben.“ Padre Mauzeroll hört auf Polizeiwachen und in Gefängnis­sen sehr häufig den Spruch: „Nur ein toter Häftling ist ein guter Häftling!“ Der Padre geht seit 1973 in die Gefäng­nisse und leitete die letzten sechs Jahren die Seel­sorge. Was er täg­lich zu sehen be­kommt, scheint kom­mer­ziellen Horror­filmen ent­lehnt: Häftlinge verfaulen buch­stäb­lich in ih­ren Zellen. Die Ge­fängnisärzte sind selbst Krimi­nelle, weil sie Kranke be­wußt nicht behan­deln, sie sterben las­sen, dafür aber nie zur Rechen­schaft gezogen werden. Tuber­ku­lo­se grassiert, über die Ge­sichter Tod­kran­ker laufen Amei­sen. Kri­mi­nell handeln auch Richter und Staats­anwälte, die sehr wohl über Folter und alle an­deren Men­schenrechtsverlet­zungen de­tail­liert informiert sind und den­noch nicht ein­greifen.
Gefängnisleitungen und Wär­ter ermögli­chen den Dro­gen­han­del und -kon­sum hinter den Git­ter­stäben. Ein Direktor zu Padre Mauzeroll: „Drogen müs­sen dort drin sein, damit die Ge­fangenen ruhig bleiben.“
Ein besonders fin­steres Kapi­tel ist darüber hinaus die sexuelle Ge­walt, die von perversen Auf­se­hern sogar ge­fördert wird. Padre Mauzeroll: „Wird ein we­gen Vergewalti­gung Verurteilter ein­geliefert, stecken ihn die Wär­ter extra in be­stimmte Mas­sen­zel­len, damit er dort von fünf­zehn, zwan­zig Häftlingen ver­ge­wal­tigt wird. Das ist Gesetz in den Kerkern, und so verbreitet sich Aids sehr schnell.“ Selbst nach amtlichen An­gaben haben sich bereits über zwanzig Pro­zent der Insas­sen mit dem Aids-Vi­rus infiziert. Ein Großteil der rund 150.000 brasiliani­schen Ge­fan­genen hat homosexuellen Ver­kehr, gewöhnlich unge­schützt, Pro­miskuität ist normal.
Vitor Carreiro teilte in Rio eine Zelle jahrelang mit 47 ande­ren Häftlin­gen, hat jetzt sichtbar Aids und sagt es deutlich: „Alle Welt weiß, daß die Frau des Ge­fan­genen der andere Gefangene ist.“ José Ferreira da Silva, eben­falls HIV-posi­tiv, berichtet von vier festen und acht gelegentli­chen Partnern. Keiner hatte Prä­servative benutzen wollen.
„Wenn die Lage in den Ge­fängnissen in Sâo Paulo und Rio de Janeiro bereits so schlimm ist“, gibt Padre Mauzeroll zu be­denken, „wie muß sie dann erst in den stark unterent­wickelten Gebieten des Nordens und Nord­ostens sein?“ Padre Mauzeroll drückt sich im Ge­gensatz zu so vie­len Landsleuten um solche un­beque­men Wahrheiten nicht. Er hat keine Probleme damit, die von den Autoritäten gerne ver­steckten und verdrängten Pro­ble­me offen an­zusprechen. „Doch wer über die Zu­stände re­det und in­formiert, stirbt“, lautet eine an­dere Regel – Pistoleiros, Be­rufs­kil­ler, erle­digen dies. Padre Mau­zeroll weiß, daß auch sein Leben in Gefahr ist. Den­noch klagt er offen die soziale Ord­nung Brasi­liens an: „Sie ist schuld an der grauenhaften Si­tu­a­tion!“
Wärter und Spe­zialeinheiten ge­hen gewöhnlich äußerst brutal gegen meu­ternde Häftlinge vor. 1992 wurden im Gefängnis Ca­ran­diru von Sâo Paulo minde­stens 111 In­sassen von Militär­polizisten massa­kriert. Politisch Ver­antwortliche und di­rekt Be­tei­ligte blieben bisher straffrei. Die letzte Revolte in Carandiru er­eignete sich Ende Oktober. 670 Ge­fangene nahmen dort 27 Wär­ter als Gei­seln und forderten die Ver­legung in eine andere Haftan­stalt. Fünf Gefan­gene versuchten mit einem Müll­fahrzeug zu flie­hen, vier von ih­nen wurden von Mi­litärpolizisten er­schossen.
Die Rechtanwältin Zoraide Fer­nandez weist noch auf eine be­sondere Absurdi­tät hin. Tau­sende von Häftlingen wer­den nach verbüßter Strafe oft noch jahrelang festge­halten, allein in Rio waren es 1995 min­destens 560. Hinzu kommen jene, die unrechtmäßig in die Zellen von Po­lizei­wachen gepfercht und dort mitunter regelrecht verges­sen werden.

Menschenrechte ja – aber nicht für Schwule

Todesschwadronen jagen Homosexuelle – 1300 Morde seit 1980

Staatspräsident Cardoso präsentierte in Brasilia mit großem Pomp einen „Nationalen Plan für Menschenrechte“ – doch die Show stahl ihm Luiz Mott, intel­lektueller Führer der brasilianischen Schwulenbewegung. Weil die Homosexuellen in dem Dokument nicht einmal erwähnt werden, entrollte Mott ein Transparent „Gays querem Justiça“- (Schwule wollen Gerechtigkeit) und nannte Fakten zur sy­stematischen Verfolgung der Homosexuellen in Brasilien.

Laercio, 22, und Mariquinhos, 30, wohnten in Rios armseliger Nordzone in einem simplen Häuschen, waren beliebt und gal­ten als hilfsbereit, fröhlich. In einer Novembernacht werden sie von einem der berüchtigten „Kom­mandos zur Jagd auf Gays“ überwältigt – fünf Kapuzenmän­ner stoßen die beiden bis zur na­hen Bahnlinie, dann krachen Pi­stolenschüsse. Anwohner finden Laercio und Mariquinhos in ih­rem Blut, stellen erschüttert Ker­zen auf.
Luiz Mott erläutert: „In Bra­silien sind mindestens vierzehn Todesschwadronen hinter Ho­mosexuellen her. Seit 1980 wur­den über 1300 Schwule ermor­det, 1996 waren es bisher 85, aber unsere Statistik ist sehr un­vollständig.“ Das stimmt, denn von den Serienmorden der letz­ten Wochen in Rio wußte Mott zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Hinzu kommt, daß Angehörige wegen der bestehenden Vorur­teile gegen die Schwulen oftmals die Natur des Verbrechens ver­schweigen.
Universitätsprofessor Mott, 50 Jahre alt, Präsident der Grupo Gay do Bahia (GGB) und Se­kretär für Menschenrechte der Bra­silianischen Vereinigung für Gays, Lesben und Transvestiten (ABGLT), lehrt in der nordost­brasilianischen Küstenmetropole Sal­vador da Bahia – auch dort werden Schwule diskriminiert, ver­folgt und ermordet. Mott spricht von „Opfern des Ma­chismus“, die Täter gingen ge­wöhnlich straffrei aus. So seien bei über vierzig Prozent der Schwulenmorde die Täter er­mittelt worden, nur zehn Prozent kamen jedoch letztlich vor Ge­richt und wurden dann fast im­mer freigesprochen.

Archiv über Homosexualität

Ein schönes Kolonialhaus in Salvador da Bahia beherbergt im ersten Stock den kleinen Sitz der Grupo Gay do Brasil mit dem immerhin größten lateinameri­kanischen Archiv über Homose­xualität. Die GGB ist die älteste und aktivste Homosexuellenver­einigung in Lateinamerika. Nach dem Klingeln schaut der Leiter zunächst prüfend auf den Besu­cher und wirft danach den Schlüssel hinunter. Oben kann man sich eine Ausstellung über homosexuelle Männer und Frauen ansehen, von Platon, Leonardo da Vinci, Shakespeare, Cleopatra und James Dean bis hin zu der berühmten Sängerin der Musica Popular Brasileiro, Maria Bethânia. Man wird höf­lich zu den zwei wöchentlichen Versammlungen eingeladen, an denen auch Bi- und Heterosexu­elle teilnehmen. Vor dem Ab­stieg über die steile Holztreppe teilt der GGB-Leiter Präserva­tive, „Camisinhas“, aus – schließlich ist die Gruppe beson­ders aktives Mitglied in der vom Gesundheitsministerium geführ­ten Nationalen Kommission zur AIDS-Bekämpfung.
In der Stadt selbst machen die Homosexuellen drastisch auf sich, ihre Freuden und Probleme aufmerksam. „Liebe mit Vor­sicht – suche Deine amantes bes­ser aus“, steht groß auf Schauta­feln, und „Laß Dich nicht von AIDS ins Jenseits befördern, aber laß Dich auch nicht ermor­den!“ Die Warnung ist nicht un­begründet, druckte doch gar eine große lokale Zeitung regelmäßig folgende Anzeige: „Halte Salva­dor sauber – töte jeden Tag einen Homo!“

Erscheinungsebene – Wirklichkeit

Brasiliens Schwulenszene prä­sentiert sich anders als zum Beispiel jene in San Francisco oder gar in Deutschland. Gays fallen viel mehr auf, haben ihre Kneipen, Discos, Strände, Zeit­schriften. Der Terror gegen Schwule existiert indessen wei­ter, scheint sogar stark zuzuneh­men. Motts Grupo Gay do Bahia hat deshalb ein „Über­le­benshandbuch“ publi­ziert, das zahl­reiche praktische Tips zur Selbstverteidigung gibt. Mott hat das Handbuch in Brasi­lia, Belo Horizonte, Curitiba und Recife vorgestellt. In jeder Stadt gab er die Namen der dort in den letzten Jahren ermordeten Schwulen be­kannt. Die meisten Verbrechen ereigneten sich aber in Rio de Janeiro, Sâo Paulo und Salvador da Bahia.

Umfragen und Machismus

Daß Schwule diskriminiert werden, zeigen neue repräsenta­tive Umfragen: So würden 36 Pro­zent der BrasilianerInnen ei­nem Homosexuellen selbst dann nicht eine Arbeit geben, wenn er der bestqualifizierte Bewerber wäre. JedeR Fünfte würde sich von einem homosexuellen Kol­legen bewußt fernhalten, 56 Pro­zent würden zumindest ihr Ver­halten ändern. 79 Prozent, im Nordosten sogar 87 Prozent, ak­zeptierten auf gar keinen Fall, daß ihr Sohn mit einem Ho­mosexuellen ausginge. Und 62 Prozent meinen, daß Eltern die Änderung der homosexuellen Orientierung ihrer Söhne er­zwingen müßten.

Politisches Asyl für Schwule

Gay-Menschenrechtsgruppen in San Francisco prangern seit Jahren die Zustände in Brasilen an. 1993 gewährten die USA erstmals einem brasilianischen Schwulen politisches Asyl. Der Begünstigte heißt Marcelo Teno­rio, Luiz Mott trat in dem Asyl­verfahren als Zeuge auf und wurde dafür zuhause in den Me­dien niedergemacht. Das Asyl, hieß es, basiere auf einer Lüge über Brasilien; Schwule würden nicht systematisch getötet. In den letzten Wochen erhielten zwei weitere Homosexuelle Asylsta­tus, wollen aber anonym blei­ben, aus Angst, daß Familienan­ge­hö­ri­ge in Brasilien Repressa­lien er­lei­den könnten. Eine un­bekannte Zahl brasilianischer Homo­sexu­el­ler lebt illegal in den USA. Mög­licherweise werden jetzt wei­tere einen Asylantrag stellen.

KASTEN

Staatstrauer für Ex-Diktator

Nach dem Tod des Ex-Generalpräsidenten Ernesto Geisel im Sep­tember 1996 ordnete Fernando Henrique Cardoso per Dekret acht Tage Staatstrauer an. Geisel war von 1974 bis 1979 der dritte Generalpräsident der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985). Geisel war bereits zur Amtseinführung von Cardoso gela­den worden. 1995 traf sich der Präsident mit dem EX-Diktator und wollte dies ausdrücklich als „Würdigung“ verstanden wissen.
Die Homenagem weckte in der Tat Aufmerksamkeit. Denn bei Gei­sel und seinem ebenfalls im Regimeapparat dienenden Bruder Or­lando handelte es sich um Vertreter der „harten Linie“, die kei­nes­wegs nur militante Diktaturgegner rücksichtslos verfolgen, fol­tern und ermorden ließen. Dies hat gerade ein wichtiger Zeit­zeuge bestätigt: Reserveoberst Jarbas Passarinho, Mitautor der berüchtigten Ausnahmegesetze von 1968 und Minister unter drei Dik­taturgenerälen, sagte im brasilianischen Fersehen, daß ein Groß­teil der Greueltaten an Linken in Geisels Regierungszeit be­gangen worden seien. Die Medien pflegten dagegen stets dessen Amts­vorgänger Emilio Garrastazzu Medici die Verantwortung für die größten Schlechtigkeiten des Militärregimes aufzubürden.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/der-schwierige-ausbruch-aus-dem-stahlkorsett/5810270.html

“Zwölf Jahre nach dieser Fusion ist der Ruhrkonzern aber mit 6,25 Milliarden Euro verschuldet. Das ist mehr als das Dreifache des für das Geschäftsjahr 2010/11 geplanten operativen Gewinns. Grund für die Schuldenlast sind die neuen Stahlwerke in Brasilien und den USA, die mit zehn Milliarden Euro viel teurer wurden als geplant. Nun fehlt in allen Geschäftsfeldern das Geld für Investitionen.”

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/27/das-thyssenkrupp-stahlwerk-und-die-von-der-who-konstatierte-luftvergiftung-von-rio-de-janeiro-brasiliens-umweltschutzer-weisen-auf-den-interessanten-zusammenhang/

“Ein gutes Beispiel für gelungene Globalisierung”:

http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/19/thyssenkrupp-in-rio-de-janeiro-neues-stahlwerk-wird-immer-teurer-laut-handelsblatt-lokale-militardiktatur-im-umfeld-laut-grunen-politiker-alfredo-sirkis-todesschwadronen-folter-scheiterhauf/

TODA UNANIMIDADE É BURRA. Nelson Rodrigues.

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/07/brasiliens-boom-und-die-slumhutten/

Brasiliens Gefangenenseelsorge – der deutsche Pastor Wolfgang Lauer.

Samstag, 10. Dezember 2011 von Klaus Hart   **

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1624771/

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http://brueckenbauer.blogspot.com/2011_05_01_archive.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/10/wahlen-in-rusland-und-in-brasilien-wie-unterschiedlich-mainstream-und-politschauspieler-reagieren/

Deutsch-brasilianischer Atomvertrag und Ermordung des jüdischen Journalisten Herzog durch die Militärdiktatur 1975 unter General Ernesto Geisel – Brasiliens größte Qualitätszeitung “Folha de Sao Paulo” erinnert an historische Fakten. Grass-Gedicht und Reaktionen in Brasilien. **

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In einer großen Ausstellung in der City Sao Paulos erinnert die Qualitätszeitung an die beiden für das Jahr 1975 bedeutenden historischen Fakten – die Unterzeichnung des Atomvertrages unter Schmidt-Genscher mit der brasilianischen Militärdiktatur sowie die Folterung und Ermordung des jüdischen Journalisten Herzog durch das Militärregime unter dem deutschstämmigen General Ernesto Geisel. Die Herzog-Familie war aus Jugoslawien vor dem Nazismus nach Brasilien geflüchtet – die brasilianische Militärdiktatur war laut Historikerbewertung nazistisch-antisemitisch orientiert.

“Juni 1975. Brasilien und Deutschland schließen Abkommen zum Bau von Atomkraftwerken in Angra dos Reis.

1. November 1975. Etwa 8000 Menschen nehmen am Gottesdienst auf dem Sé-Platz zur Erinnerung an den Journalisten Vladimir Herzog teil, ermordet unter der Folter.

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Diktator Ernesto Geisel, in dessen Amtszeit der jüdische Journalist Herzog gefoltert und ermordet wurde –  und Willy Brandt, Ausriß.   http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/16/helmut-schmidt-und-lula-lulas-sonderbeziehungen-zu-deutschland/

“Die Zeit” 1974 über den General der Folter-Diktatur, Ernesto Geisel: “In Brasilien ist am Freitag voriger Woche der 65jährige Ernesto Geisel als brasilianischer Präsident vereidigt worden. Die Zeremonie fand unter strengen Sicherheitsmaßnahmen statt: die Kontrolleure verweigerten sogar dem neuen Industrieminister, einem aus Japan stammendem Brasilianer, wegen seines „fremden” Aussehens den Zutritt. Ehrengäste waren die drei Staats- bzw. Regierungschefs Pinochet (Chile), Banzer (Bolivien) und Bordaberry (Uruguay). Die Vereinigten Staaten wurden durch Patricia Nixon und den stellvertretenden Leiter des CIA vertreten.”

Treffen Nixon – Brandt in Florida 1971, laut US-Dokumenten – die Frage des Verhältnisses zur Militärdiktatur der Foltergeneräle:

“President Nixon asked for the Chancellor’s view on Brazil.

Chancellor Brandt stated that Germany has some trade and investment there, especially in the Sao Paolo area. He noted that political relations are good.”

Nixon über Militärdiktator General Ernesto Geisel : “On the other hand, the Brazilian leader9 has been good for Brazil and we continue to maintain that if he takes no foreign policy actions against us, then what he does is acceptable.”

Wer war Herzog? http://educacao.uol.com.br/biografias/vladimir-herzog.jhtm

Nach Folter und Mord an dem jüdischen Journalisten Herzog rief der deutschstämmige Kardinal Paulo Evaristo Arns in Sao Paulo zu einer ökumenischen Trauerfeier in die Kathedrale, zelebrierte mit zwei Rabbinern die Messe,die mit etwa 8000 Teilnehmern zu einem Symbol des Protestes gegen die Folter-Diktatur wurde. Nach der Beerdigung von Herzog auf dem jüdischen Friedhof von Butantá streikten etwa 30000 von 35000 Studenten der Bundesuniversität USP von Sao Paulo – Herzog war dort Professor.

Auffällig, daß außer Brandts Äußerung,  die politischen Beziehungen  zur Militärdiktatur unter General Ernesto Geisel seien gut, zumindest im Internet keinerlei Brandt-Bewertung der Diktaturverbrechen zu finden ist. 

http://womblog.de/die-brasilianische-bombe

Die Diktatur begann mit dem Militärputsch von 1964 – 1969 schloß Bonn mit dem Militärregime laut Jahreschronik ein Kulturabkommen. 

http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/12/Beilage/006.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2012/01/03/bundesprasident-christian-wulff-dilma-rousseff-und-der-zugige-bau-des-neuen-atomkraftwerks-angra-3-bei-rio-de-janeiro-mit-deutscher-bundesburgschaft/

In den Archiven des Weltkirchenrates in Genf lagern Dokumente der brasilianischen Kirche, die laut Brasiliens Medien für das Diktaturjahr 1970 von “Bürgerkrieg” und etwa 12000 politischen Gefangenen sprechen. Die Diktatur erlaubte dem Internationalen Roten Kreuz nicht den Zugang zu den Gefängnissen, Diktator Medici erklärte, es gebe keine politischen Gefangenen in Brasilien. 1971 wurde ein Appell an die UNO wegen der gravierenden Menschenrechtsverletzungen gerichtet. In den Dokumenten des Weltkirchenrates werden die sadistischen Foltertechniken detailliert beschrieben, Folter werde als politische Waffe angewendet. Die Zahl der Folterzentren wird mit 242 angegeben, weibliche Gefangene seien häufig vergewaltigt worden. Zu den Taktiken gehörte, Oppositionelle in Gegenwart ihrer Ehepartner, teils sogar ihrer Kinder zu foltern. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/08/25/brasilien-rund-3500-arbeiter-errichten-das-neue-atomkraftwerk-angra-3-bei-rio-de-janeiro-laut-nationalen-wirtschaftsmedien-nuklearteile-aus-deutschland-doppelseitige-regierungspropaganda-fur-angra/

Grass-Gedicht: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/04/13/grass-gedicht-und-kritische-reaktion-in-brasilien-sein-fuhrer-in-der-jugend-adolf-hitler-hatte-es-nicht-besser-gesagt-groste-qualitatszeitung-folha-de-sao-paulo/

Dieser Beitrag wurde am Montag, 07. November 2011 um 20:46 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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