Auch während der Wahlkampagne, sogar am Pflichtwahltag selbst bestand keinerlei politisches Interesse, das theoretisch verfassungsmäßig garantierte Menschenrecht auf persönliche Sicherheit der Slumbewohner zu gewährleisten – die Landesmedien berichten kontinuierlich über Terror und Gewalt. Kleinkinder, Schulkinder sehen regelmäßig Erschossene, schauen bei Morden zu – die Auswirkungen auf die Psyche sind bekannt.
Opfer des Stadtkriegs – Zeitungsfoto. Schulkinder betrachten Ermordete. http://www.hart-brasilientexte.de/2010/06/29/tropa-de-elite-2-der-blog-zum-neuen-spielfilm-uber-rio-de-janeiro-unter-lula/
“Das Leben in Brasilien ist leicht und unbeschwert. Probieren Sie es selbst.” Deutschsprachige Tourismuspropaganda, meist ganzseitig in Leitmedien geschaltet.
Laut brasilianischen Wahlanalysen der Qualitätsmedien profitierte Präsidentschaftskandidatin Marina Silva stark von religiös besetzten Themen wie der Abtreibung. Dilma Rousseffs plötzliche Positionsänderung von der Abtreibungsbefürworterin zur Abtreibungsgegnerin, das Anbiedern bei Evangelikalen und Katholiken kam bei den Kirchen schlecht an, habe die grüne Kandidatin direkt begünstigt und ihr fast 20 Prozent der Stimmen zugespielt – weit mehr, als zuvor prognostiziert, heißt es. Marina Silva habe es geschafft, daß Anhänger der evangelikalen Sektenkirchen, die ursprünglich für Dilma Rousseff stimmen wollten, zur Predigerin aus den eigenen Reihen umschwenkten. Anhänger der Grünen Partei(PV) seien von Lulas PT-Kampagnemanagement als Hauptverbreiter von religiösen Botschaften gegen Dilma Rousseff identifiziert worden. Anti-Rousseff-Videos von evangelikalen Pastoren seien zu regelrechten Hits, vor allem im Internet geworden, millionenmal angeklickt.
Leitmedien “Die Zeit” und “Spiegel” zum Wahlergebnis: http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-10/brasilien-praesidentschaftswahl-rousseff
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,721014,00.html
Selbst in Sao Paulo schwenkten evangelikale Empfänger von “Bolsa Familia” in den letzten Tagen vor der Wahl um, weil in deren Kirchen Zweifel an der Religiosität von Dilma Rousseff ausgestreut worden waren. Die PT-Wahlkampagne, hieß es in den Qualitätsmedien weiter, habe erfolglos versucht, den damit bei Dilma Rousseff angerichteten Imageschaden zu begrenzen. Das Gewicht der Religion bei Wahlen sei nach wie vor groß, wurde der Politikwissenschaftler Marcus Figueiredo von der Staatsuniversität Rio de Janeiro zitiert. Besonders gelte dies für evangelikale Wähler, die konservativer als andere religiöse Wählergruppen seien. Selbst die Frau von Präsidentschaftskandidat José Serra habe das Abtreibungsthema gegen Dilma Rousseff genutzt. Monica Serra habe sogar beim Wahlkampf in Rio de Janeiro erklärt, Dilma Rousseff sei dafür, Kinder zu töten(matar criancinhas).
Marina Silva als Predigerin – anklicken: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/07/marina-silva-brasiliens-evangelikaler-grunen-star-predigt-anklicken/
“Marina Silva gewann Stimmen nicht wegen ihrer Fortschrittlichkeit, sondern wegen des Traditionalismus ihrer Meinungen.”(Folha de Sao Paulo)
“Nicht ohne Grund hat etwa der frühere US-Präsident Ronald Reagan in Südamerika die Sekten gefördert, weil sie individualisierend und systemstabilisierend wirken.” Franziskaner Paulo Suess in Publik-Forum
“Aborto opoe Marina a Dilma e esquenta guerra de candidatas.”(Schlagzeile von O Globo vor den Wahlen)
“Ich bin gegen die Abtreibung, ich bin gegen die Homo-Ehe.” Marina Silva in TV-Interviews.
In den Teilstaaten Rio de Janeiro und Sao Paulo sind die Grünen die Bündnispartner der PSDB Serras.
Streit zwischen Wunderheiler-Sektenkirchen vor Stichwahl 2010: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/22/evangelikale-wunderheilerkirche-von-predigerin-marina-silva-streitet-fur-prasidentschaftskandidat-jose-serra-sektenkirche-igreja-universal-von-edir-macedo-fur-lulas-kandidatin-dilma-rousseff/
Marina Silva als PT-Umweltministerin(bis Mai 2008): http://www.hart-brasilientexte.de/2008/05/13/brasiliens-umweltministerin-marina-silva-bittet-um-entlassung-meldet-presse-kurz-vor-eintreffen-angela-merkels/
“Präsidentenpalast schützt Ehemann von Ministerin Marina Silva”: http://portalamazonia.globo.com/pscript/noticias/noticias.php?idN=8744
“Marina Silva sucumbiu a esta politica, e na sua incompetencia politica permitiu, sendo ministra, que a bomba demorasse a estourar…E a ministra Marina Silva que vá desalojar o Sibá Machado no senado que, alias, emprega o marido da ministra em seu gabinete de suplente…da propria. Houve tempo em que o PT reclamava disso….È imensuravel o mal que esta senhora que, segundo o Osmarino Amancio(sindicalista autentico e seringueiro, amigo e companheiro de Chico Mendes) traiu os interesses dos Povos da Floresta, em busca de uma politica de conciliacao de interesses inconciliaveis.”
Umweltjournalist Norbert Suchanek über Marina Silva: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/14/marina-silva-norwegischer-umweltpreis-dotiert-mit-100000-dollar-nichts-getan-und-doch-geehrt/
Tiririca-Video anklicken: http://g1.globo.com/especiais/eleicoes-2010/noticia/2010/10/saiba-quais-foram-os-candidatos-famosos-mais-e-menos-votados.html
Laut Politikexperten handelte es sich bei der Kandidatur von Tiririca um einen Trick der Republikanischen Partei(PR), um belastete Politiker, die in den Mensalao-Regierungsskandal um Stimmen-und Parteienkauf verwickelt sind, wieder in den Nationalkongreß zu hieven. Die hohe Stimmabgabe für Tiririca kommt diesen Politikern direkt zugute.
Lulas Arbeiterpartei PT hatte in Brasilia ein Freudenfest vorbereitet, um den erwarteten Wahlsieg von Dilma Rousseff entsprechend zu feiern. Lula und Dilma Rousseff hatten gemäß Landesmedien ihr Erscheinen fest zugesagt, entschieden jedoch angesichts der wenigen Besucher, sich dort besser nicht sehen zu lassen.
José Serra aus Sao Paulo – gegen Dilma Rousseff in der Stichwahl.
“Siegeskundgebung” in Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/28/dilma-rousseff-und-lula-grose-siegeskundgebung-grande-comicio-da-vitoria-in-sao-paulo/
Wahlfotos(Ausriß O Estado de Sao Paulo) – u. a. Wähler vor Favela Rocinha in Rio de Janeiro und Kraho-Indianerin vor Wahlkabine im nördlichen Teilstaat Tocantins.
Franziskaner Valnei Brunetto befragt Geraldo Alckmin zu gravierenden sozialen Problemen des Teilstaats Sao Paulo – Obdachlose hören im Franziskanerkloster Sao Paulos gespannt zu.
Nach Ansicht von brasilianischen Politikexperten wirkte sich der Erenice-Guerra-Skandal offensichtlich stärker auf das Wahlergebnis aus, als die Lula-Regierung erwartet hatte. Erenicegate rief Erinnerungen an den gigantischen Mensalao-Skandal wach. Auch Lulas und Dilma Rousseffs Attacken gegen die Landesmedien wegen jüngster Korruptionsenthüllungen kosteten viele Stimmen. http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/23/autoritarismus-von-lula-in-manifest-verurteilt-pt-grunder-helio-bicudolangst-ausgetreten-und-deutschstammiger-kardinal-evarista-arns-unterzeichnen-regierungsattacken-gegen-medien-zuruckgewies/
Gleiches gilt für die Abtreibungsfrage: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/30/abtreibung-in-brasilien-abtreibungsbefurworterin-dilma-rousseff-andert-kurz-vor-pflichtwahlen-die-position-erklart-sich-zur-abtreibungsgegnerin-scharfe-kritik-von-marina-silva-und-jose-serra/
Im Arbeiter-Teilstaat Sao Paulo, der wichtigsten Industrieregion ganz Lateinamerikas, konnte José Serra in den letzten Tagen vor der Wahl stärker aufholen als erwartet. Zudem überraschte das gute Abschneiden von Lulas früherer Umweltministerin und Abtreibungsgegnerin Marina Silva, womit nur wenige gerechnet hatten. http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/06/uber-die-halfte-der-brasilianischen-savannenwaldercerrado-bereits-abgeholzt-in-der-amtszeit-von-umweltministerin-marina-silva-rund-100000-quadratkilometer-zerstort/
“Marina Silva gewann Stimmen nicht wegen ihrer Fortschrittlichkeit, sondern wegen des Traditionalismus ihrer Meinungen.”(Folha de Sao Paulo)
Gerade in armen Teilstaaten war das Resultat der Lula-Kandidatin Rousseff keineswegs so überzeugend wie vorausgesagt – in mindestens fünf davon lag Serra vorn. “Ironischerweise zwang ein Wähleranteil, der wirtschaftlich während der Lula-Regierung vorankam, Dilma dazu, sich der Stichwahl zu unterwerfen”, analysiert die “Folha de Sao Paulo”.
Serras nur dem Namen nach sozialdemokratische Partei PSDB stellt künftig die Gouverneure in wirtschaftlich führenden Teilstaaten wie Sao Paulo, Minas Gerais und Paraná, außerdem im nördlichen Tocantins – hat zudem gute Chancen in der Stichwahl auf weitere Teilstaaten. Lulas Regierungspartei – errang im ersten Wahlgang lediglich vier Gouverneursposten, mit Ausnahme von Rio Grande do Sul allesamt wirtschaftlich weniger wichtig.
In der Abgeordnetenkammer des Nationalkongresses verbesserte sich Lulas Arbeiterpartei PT deutlich, stellt künftig von insgesamt 513 Sitzen jedoch immer noch nur 86. Zweitstärkste Fraktion ist die ideologisch ähnlich konfuse PMDB mit 78 Sitzen. Auf das Oppositionslager um José Serra entfallen lediglich etwa 118, hieß es in ersten Analysen.
Brasiliens fragwürdige Umfragen(Lula-Popularität, Dilma-Rousseff-Popularität etc.): Dilma Rousseff waren zwischen 50 und 51 Prozent der Stimmen vorausgesagt worden, José Serra 31 und Marina Silva 17 Prozent. Stattdessen erreichte Dilma Rousseff nicht einmal 47 Prozent – Hinweis auf die tatsächliche Bewertung der Lula-Regierung durch die wahlpflichtige Bevölkerung.
“Die politische Wirrnis in Brasilien ist von shakespearscher Komplexität. Politiker wechseln die Partei wie ihre Kleidung. Täglich werden die absurdesten Koalitionen geschmiedet.” Tim Wegenast, deutscher Professor an der Uni Konstanz.
“Lula diz que terá papel ativo em eventual governo Dilma.”(Folha de Sao Paulo)
José Serra.
“Gefährliche politische Manipulation – diese Umfragen sind nicht sehr vertrauenswürdig”: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/02/wir-wissen-das-es-grosen-stimmenkauf-im-norden-und-nordosten-gab-gefahrliche-politische-manipulation-emeritierter-katholischer-bischof-emilio-pignoli-zu-pflichtwahlen-anklicken/
Obdachloser mit Krücken, bei 15 Grad Temperatur.
Laut Befreiungstheologe Frei Betto, Ex-Lula-Berater beim Anti-Hungerprogramm, liegt die Zahl der in extremer Armut, also in Hunger und Misere, lebenden Brasilianer, nicht wie offiziell angegeben, heute bei 16 Millionen, sondern ist doppelt so hoch. Nach derzeit geltendem mitteleuropäischen Werteverständnis hat damit die internationale Wirtschafts-und Finanzkrise, wie die Lula-Rousseff-Regierung verbreiten ließ, auf Brasilien nur geringe Auswirkungen gehabt.
Brasiliens investigative Journalisten wiesen indessen auf Rekordentlassungen, den Stopp vieler Industrieprojekte, auf Exportprobleme und Deindustrialisierung, geschönte offizielle Statistiken.
Laut Medienangaben bekommen Nichtwähler, die keine schlüssige Rechtfertigung vorbringen, keine Arbeit im öffentlichen Dienst, erhalten weder Reisepaß noch neuen Ausweis, zudem keinen Kredit bei staatlichen Banken.
“È impossivel reduzir a desigualdade em um pais que dedica ao Bolsa Familia (12,6 milhoes de familias) apenas 13,1 bilhoes de Real e, para os portadores de titulos da divida publica(o andar de cima) a fortuna de 380 bilhoes de Real, ou 36 % do Orcamento-2009.”( Folha de Sao Paulo)
http://www.hart-brasilientexte.de/2010/10/03/wahlwerbung-in-sao-paulo-fur-nationalkongreskandidatin/
Zeitungsausriß. Brasiliens Crack-Epidemie – kein Wahlkampfthema. Ungezählte Kinder kommen mit schweren Behinderungen zur Welt, weil die Mütter Crack-süchtig sind. http://www.hart-brasilientexte.de/2010/06/08/crack-epidemie-auser-kontrolle-in-brasilien-laut-experten-12-millionen-suchtige/
“Hauptsorgen der Brasilianer”: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/09/22/gesundheit-und-personliche-sicherheit-sind-die-hauptsorgen-der-brasilianer-laut-neuer-umfrage/
Boris Fausto: http://www.estadao.com.br/noticias/nacional,pais-corre–sim–o-risco-de-cair-no-autoritarismo,619218,0.htm