Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Marina Silva, Brasiliens Umweltministerin, zurückgetreten – kurz vor Eintreffen Angela Merkels. Marina Silvas Exekutivsekretär und der Chef der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA nahmen ebenfalls ihren Hut.

WWF und Greenpeace Brasilien: Rücktritt weist auf Mißachtung des Umweltschutzes durch Lula-Regierung

Die zu einer Wunderheiler-Sektenkirche zählende brasilianische Umweltministerin Marina Silva hat Staatschef Lula kurz vor dem Eintreffen der deutschen Bundeskanzlerin schriftlich um die Entlassung ersucht. Sie begründete dies u.a. mit  wachsenden Widerständen in wichtigen Sektoren der Regierung und der Gesellschaft  gegen die Umweltvorhaben. Marina Silva ist Mitglied der Arbeiterpartei von Staatschef Lula und Umweltministerin seit Januar 2003. Sie  zählt damit zu den politisch Hauptverantwortlichen für die seitdem gestartete beispiellose Umwelt-und Naturvernichtung in dem Tropenland. Noch kurz vor ihrem Rücktritt hatte Marina Silva die Produktion von Ethanol-Kraftstoff aus Zuckerrohr öffentlich verteidigt und im Gegensatz zu zahlreichen Umwelt-und Menschenrechtsexperten die offizielle Sprachregelung wiederholt, daß die Ethanolerzeugung nicht auf Kosten der Nahrungsproduktion gehe.

Marina Silvas Sektenkirche „Assembleia de Deus“ betrachtete den Ministerposten wegen damit möglicher politischer Einflußnahmen sowie zwecks Imageförderung als enorm wichtig. In jüngster Zeit war die Ministerin von den brasilianischen Medien heftig kritisiert worden, weil ein von ihr als „technischer Berater“ eingestellter Sektenpastor die Ministeriumsräume für Sektenaktivitäten, darunter Kulte und Seminare, nutzte. Die Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“, aber auch renommierte Umweltexperten  hatten Marina Silva vorgeworfen, ganz im Stile der nordamerikanischen Neokonservativen völlig antiwissenschaftlich den Kreationismus zu predigen.

 Es sei ein Unding, wenn Marina Silva behaupte, man könne die Natur nicht durch die Evolutionslehre Darwins erklären.  Ihre Position:“Es ist unmöglich, an Gott zu glauben, ohne zu glauben, daß ER alle Dinge geschaffen hat.“ Marina Silva liege damit völlig falsch. Sie müsse den Sektenpastor aus ihrem Ministerium entfernen. Kurioserweise hatte die britische Zeitung „Guardian“ Marina Silva in eine Liste von 50 Persönlichkeiten aufgenommen, die, wie es hieß, den Planeten vor durch die Klimaerwärmung ausgelösten Umweltkatastrophen retten könnten. Brasiliens Auslandspropaganda hatte es geschafft, Marina Silva dank geschickter Legendenbildung weltweit  zur Ikone engagierter Umweltpolitik hochzujubeln – während brasilianische Umweltexperten und auch die Medien teils vernichtende Urteile über die Ministerin fällten. So schrieb Brasiliens wichtigstes Nachrichtenmagazin „Veja“ in einer Bilanz der 64-monatigen Amtszeit:“Viel Lärm, wenige Resultate.“

 Namhafte Umweltaktivisten hatten Marina Silva seit mehreren Jahren zum Rücktritt geraten, damit sie ihren eigenen Ruf nicht noch mehr beschmutze. Marina Silva zählte neben Kulturminister und Musiker Gilberto Gil und Sozialministerin Benedita da Silva  zu jenen Ministern der Lula-Regierung, die zwecks Imageförderung gegenüber dem Ausland  zu Sympathieträgern aufgebaut worden waren. Benedita da Silva, die zur selben Wunderheilersekte wie Marina Silva zählt, mußte indessen wegen verschiedener Verfehlungen bald entfernt werden. Sie war u.a. wegen ihrer Menschenrechts-und Sozialpolitik als Vizegouverneurin bzw. Gouverneurin Rio de Janeiros berüchtigt. Kulturminister Gilberto Gil trug als Marketingtalent stark zur Sympathiewerbung für Brasilien bei, hat indessen aus Sicht der brasilianischen Kulturszene und der Kulturmedien nur eine sehr schwache bis schlechte Amtsbilanz vorzuweisen. Gil kündigte für dieses Jahr seinen Rücktritt an.

Vertreter des sogennnten Agrobusiness, der Holzfirmen und Großgrundbesitzer im Nationalkongreß, genannt „Bancada ruralista“, haben unterdessen den Rücktritt von Marina Silva gefeiert, warfen ihr entwicklungshemmende Positionen und ideologisch geprägte Vorgehensweisen vor, die das Image Brasiliens im Ausland geschädigt hätten.

Zu den Resultaten bisheriger reaktionärer Umweltpolitik zählt auch, daß Sao Paulo als größte und wichtigste Stadt Brasiliens ebenso wie andere Millionenstädte immer noch kein Radwegenetz besitzt, was die Masse der Armen am meisten benachteiligt. Um den Absatz der Auto-und Treibstoffkonzerne zu fördern, wird der öffentliche Nahverkehr bewußt von den Politikern  auf so niedrigem und skandalös schlechtem Niveau gehalten, daß jedermann in der von PKW völlig verstopften, luftvergifteten  Megacity Sao Paulo die Anschaffung eines eigenen Wagens als absolut erstrebenswert erscheinen soll. PKW können sich angesichts der Billigstlohnpolitik indessen fast nur Mittel-und Oberschichtler leisten. Die täglichen Staus erreichen in Sao Paulo bis zu 250 Kilometer. Außerdem wurde in Brasilien der früher relativ ausgebaute Zugverkehr zugunsten der Auto-und Treibstoffkonzerne so stark eingeschränkt, daß heute sogar zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo keine Personenzüge mehr verkehren und der Massentransport  extrem unökologisch sowie mit weit höherem Kraftstoffaufwand ausgerechnet mit unbequemen, engen Bussen realisiert wird.  Marina Silva hat in ihrer Amtszeit bezeichnenderweise nie versucht, derartige Absurditäten auszutilgen, moderne und umweltfreundliche Verkehrskonzepte beispielsweise aus Europa zu übernehmen.

Wegen ihrer Politik war Marina Silva bei bestimmten Alibi-Umweltorganisationen und -parteien Europas sehr beliebt. Deren gesellschaftliche Funktion ist, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, es würde etwas für den Schutz von Natur und Umwelt getan. Indessen zeigen objektive Fakten, darunter die gravierende Artenvernichtung, wofür derartige Gruppierungen und deren Exponenten tatsächlich stehen.

Hintergrund:

Greenpeace-Experte Dialetachi bereits 2003 im Exklusivinterview:

„Umweltministerin sollte zurücktreten”

Stark enttäuscht ist Greenpeace von der neuen brasilianischen Umweltministerin Marina Silva, die bislang jede klare Stellungnahme zum Atomkraftwerk Angra III vermieden hat. Sie gehört zu Staatschef Lulas Arbeiterpartei PT – und ebenso wie die schwarze PT-Sozialministerin Benedita da Silva zu einer mehr als fragwürdigen Wunderheiler-Sektenkirche, der „Assembleia de Deus”, Gottesversammlung.

„Die Wahrheit ist, daß die Arbeiterpartei von den Umweltorganisationen nie viel gehalten hat, sie auch jetzt verachtet. Bislang haben wir die Umweltministerin geschont, haben abgewartet, Zusammenstöße vermieden. Doch jetzt zeigt sich, daß wir im Umweltschutz alle Kämpfe verlieren können. Und gehen deshalb in die offene Konfrontation mit Lula und Marina Silva. Nicht mal für Amazonien hat sie was erreicht, sollte besser zurücktreten, um ihren guten internationalen Ruf zu retten. Die Lage ist ziemlich kompliziert, chaotisch und frustrierend. Die öffentliche Meinung der Welt ist derzeit viel mächtiger als die hier in Brasilien – wir sind sehr geschwächt, haben wenige Leute, um diese vielen Umweltprobleme anzugehen.“

AGROKRAFTSTOFFE

Marina Silva übernimmt Propaganda der Zuckerrohr-Ethanolindustrie

(Übersetzung: Christian Russeau, FDCL-Berlin)

Sáo Paulo, 06/05/2008 – Während des Brasilienbesuchs des bundesdeutschen Umweltministers, Sigmar Gabriel, stimmte letzte Woche die Umweltministerin, Marina Silva, in den Chor von Präsident Lula ein, indem sie in Bezug auf Agrokraftstoffe behauptete, ”Brasilien verfügt in der Produktion schon jetzt über Umwelt- und Sozialkriterien und müsse diese nur ”publik machen. Nach Ansicht der in der Arbeitsgruppe Energie des Brasilianischen Forums von Nichtregierungsorganisationen und Sozialen Bewegungen für Umwelt und Entwicklung (FBOMS) versammelten Organisationen und Bewegungen sind solche vermeintlich in Brasilien angewandten oder von der Regierung definierten und in der Praxis umgesetzten Kriterien der Gesellschaft nicht bekannt. Für die Organisationen verschärft die weltweite Ausweitung des Ethanolmarktes die bereits existenten Probleme in Brasilien, dies sowohl in Bezug auf die sozialen Auswirkungen als auch in Bezug auf die Impakte auf die Biodiversität.

>
> Rettet den Regenwald e.V.
>
> PRESSEMITTEILUNG
>
> 14. Mai 2008
>
> Regierungseklat in Brasilien
>
> Umweltministerin Silva tritt direkt vor Merkels Besuch zurück
>
> „Bundeskanzlerin Merkel steht heute bei ihrem Staatsbesuch in Brasilien
> vor einem weiteren Scherbenhaufen deutscher Umwelt- und Energiepolitik,
> erklärt Klaus Schenck vom Verein Rettet den Regenwald. „Ende April hatten
> Umweltminister Sigmar Gabriel und seine brasilianische Amtskollegin Marina
> Silva noch die „Nachhaltigkeit der brasilianischen Agrospritproduktion
> beteuert und ein bilaterales Energieabkommen mit Schwerpunkt
> Agrokraftstoffe angekündigt. Der gestrige Rücktritt der brasilianischen
> Umweltministerin Marin Silva am 13. Mai 2008 zeigt, dass diese
> Beteuerungen nichts mehr sind als schöne Worte.
>
> Der Rücktritt der brasilianischen Umweltministerin lässt alle Alarmglocken
> schrillen. In ihrem Rücktrittsschreiben begründet Silva ihre Entscheidung
> mit dem „Widerstand, den ihre Umweltpolitik in wichtigen Sektoren der
> Regierung und Zivilgesellschaft erfahren hat“. Mit Marina Silva traten
> weitere hohe Funktionäre des brasilianischen Umweltministeriums und der
> Direktor der Waldbehörde Ibama zurück. Brisant ist auch, dass Brasilien
> und Silva den Vorsitz bei der UN-Biodiversitätskonvention inne hatten, die
> dieser Tage in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn tagt und Deutschland
> den Vorsitz übernommen hat.
>
> Die aus einer Kautschukzapferfamilie im Bundesstaat Acre stammende
> Ex-Ministerin hatte sich unermüdlich für den Umweltschutz und insbesondere
> den Rückgang bei der Zerstörung des Amazonasregenwalds eingesetzt. Ihr
> Rücktritt ist ein deutliches Warnsignal bezüglich der fortschreitenden
> Rodung des Regenwaldes. Bereits Ende vergangenen Jahres zeichnete sich das
> Scheitern ihrer Bemühungen ab. Die brasilianische Regierung musste
> öffentlich eine dramatische Zunahme der  Regenwaldrodung eingestehen. Mit
> Landwirtschaftsminister Stephanes lag Umweltministerin Silva im Streit
> wegen dessen Förderung des Zuckerrohranbaus zur Ethanolproduktion im
> Amazonasgebiet, welche, wie er behauptet hat, auf degradiertem Land
> stattfände. Ausserdem war sie die einzige Ministerin in Lulas Regierung,
> die sich “ leider gleichfalls erfolglos “ gegen den Bau neuer
> Atomkraftwerke wie Angra 3 und gegen den Einsatz gentechnisch veränderter
> Pflanzen ausgesprochen hat.
>
> Ihr Rücktritt kurz vor Verabschiedung einer von der Agroindustrie seit
> 2005 angestrebten Änderung des Waldschutzgesetzes (Código Florestal), die
> faktisch die Abholzung Amazoniens in großem Stil erlauben würde, zeigt
> deutlich, dass Umweltpolitik in der Regierung von Lula da Silva keine
> Bedeutung beigemessen wird “ sie hat deshalb nun Konsequenzen gezogen.
>
> „Das sollten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Umweltminister Sigmar
> Gabriel dringend tun, sagt Klaus Schenck. ”Auch die deutsche und
> europäische Energie- und Umweltpolitik sind nicht konsistent und fügen
> Mensch und Umwelt schweren Schaden zu. Beimischungsquoten von  Agrosprit
> im fossilen Kraftstoff wurden von den Politikern festgelegt, ohne sich
> ehrliche Gedanken zu machen, wo und wie dieser produziert werden soll. In
> der Praxis bedeutet das die Rodung von Regenwald für deutsche Autotanks “
> für Diesel aus Soja und Ethanol aus Zuckerrohr.
>
> Rettet den Regenwald hat in einem offenen Brief an Merkel und Gabriel
> gemeinsam mit weiteren Umwelt- und Sozialorganisationen am vergangenen
> Freitag scharf dagegen protestiert. Wir haben Angelika Merkel
> aufgefordert, das Energieabkommen nicht zu unterzeichnen und die
> Agrospritimporte aus Übersee zu stoppen. Der Verein hat jetzt eine
> Unterschriftenaktion an Frau  Merkel begonnen. Gestern haben wir vor dem
> Bundesministerium für Umwelt in Bonn zusammen mit brasilianischen Bauern
> protestiert. „Agrosprit macht Hunger, kein Energieabkommen mit Brasilien
> lautete das Motto. Die  drastisch gesteigerte Produktion von Ethanol aus
> Zuckerrohr habe eine „Explosion der Sklavenarbeit“ ausgelöst, klagt die
> katholische Landkommission CPT. Kirchliche Vertreter bezeichnen Ethanol
> aus Zuckerrohr gar als „Todesprit“.
>
> Die Soja- und Zuckerrohrbarone feiern bereits den Abgang der
> Umweltministerin. Diese galt bei ihnen als „Radikale, weil sie ihnen
> immer wieder Steine bei der Rodung des Urwalds für neue Plantagen zwischen
> die Beine geworfen hatte. Die gekoppelte Produktion von Sojaölzur
> Beimischung im Dieselkraftstoff und Sojaschrot für die Fleischproduktion
> ermöglichen den Industriefirmen traumhafte Gewinne. Nun haben sie freie
> Bahn für die Regenwaldrodung für Soja und Zuckerrohr.
>
> All dies macht klar: Deutschland und EU dürfen keine Ethanol- und
> Agrodieselimporte aus Brasilien und anderen Tropenländern erlauben. Rettet
> den Regenwald fordert: Frau Merkel, beenden Sie den Agrarenergie-
> Albtraum! Angela Merkel und Sigmar Gabriel müssen einen radikalen
> Kurswechsel bei der Regenwald- und Energiepolitik vornehmen. Anstatt den
> Import von Agrosprit per Regierungsabkommen festlegen zu wollen, brauchen
> wir einen sofortigen Importstopp für diese Produkte.
>

Nach Besuch von Umweltminister Sigmar Gabriel: Brasiliens Umweltministerin Marina Silva räumt Zunahme der illegalen Urwaldvernichtung ein. **

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Wenige Tage nach dem rund einwöchigen Besuch des deutschen Umweltministers Sigmar Gabriel hat dessen brasilianische Amtskollegin, die zu einer Wunderheilersekte zählende Marina Silva, gegenüber der Presse eingeräumt, daß die illegale Urwaldrodung 2008 gegenüber 2007 zunehmen werde. Zu den Gründen zählte sie u.a. die Verteuerung von Lebensmitteln. 

Wegen des zunehmenden Anbaus von Zuckerrohr zur Herstellung des Ethanol-Kraftstoffes wird auch gemäß brasilianischen Kirchenangaben die Nahrungserzeugung verringert, werden Grundnahrungsmittel-Kulturen zunehmend von den fruchtbarsten Böden verdrängt, deren Preise ebenfalls stark ansteigen. Auch die Viehzucht verlagert sich zunehmend nach Amazonien, was dort die Urwaldvernichtung – zwecks Schaffung von Weideflächen – forciert. In Amazonien werden entgegen amtlichen Angaben immer mehr Zuckerrohrplantagen angelegt. Laut unvollständigen Presseangaben wurden in dem nach wie vor von Hunger und Misere gezeichneten Tropenland innerhalb nur eines Jahres die Grundnahrungsmittel um bis zu dreißig Prozent teurer.

Wie es in Medienberichten hieß, ist die Holzwirtschaft Amazoniens zu 50 bis 80 Prozent illegal, 36 Prozent des gefällten Holzes werde exportiert, vor allem nach Europa. Kurioserweise soll der EU-Umweltkomissar Stavros Dimas vorgeschlagen haben, daß jeder europäische Holzimporteur per Zertifikat künftig exakt nachweisen müsse, welchen Weg das eingeführte Tropenholz bisher genommen habe. Bekanntlich sind in Brasilien gefälschte, fiktive Zertifikate und Rechnungen absolut normal. Jedermann kennt die Gepflogenheiten im Geschäftsgeschehen, wenn der Kunde vom Verkäufer gefragt wird, welche Summe er – abweichend von der tatsächlichen – in die behördlich geforderte Rechnung eintragen solle. Unzählige Male wurden auch Zertifikatfälschungen dieser Art bei Tropenholz nachgewiesen.

Brasilias neue ”Maßnahmen gegen Amazonasvernichtung: Scharfe Kritik von Umweltschützern **

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 Widersprüchliche Informationspolitik über Amazonien ein Fall für Medienexperten
Medien: Lula-Regierung spielt der Öffentlichkeit Theater vor
Das neue Maßnahmenpaket der brasilianischen Regierung gegen die zunehmende Regenwaldvernichtung ist von nationalen Umweltexperten und den Qualitätsmedien scharf kritisiert worden. Staatspräsident Luis Inacio Lula da Silva wurde vorgeworfen, vergangenen September vor der UNO die Unwahrheit über die gravierende Lage in Amazonien gesagt zu haben. Lula, so hieß es in ersten Analysen, habe vor dem Weltforum einen Rückgang der Abholzungsraten gefeiert, obwohl seine Regierung bereits über einen starken Anstieg der Urwaldzerstörung bestens informiert gewesen sei.

Auf dem UNO-Klimagipfel vom Dezember in Bali habe die brasilianische Delegation entgegen den Tatsachen sogar weitere Rückgänge angekündigt. Auch die neuesten Gegenmaßnahmen Brasilias würden ebensowenig realisiert wie die in den Vorjahren verkündeten Schritte. Fachleute von Greenpeace sowie renommierten brasilianischen Umweltorganisationen erklärten, das Maßnahmenpaket komme viel zu spät und wiederhole Kontrollvorschriften früherer Schutzpläne, die indessen nie verwirklicht worden seien. So existiere sogar seit langem ein Gesetz, das staatliche Kredite an Farmbesitzer verbiete, die Urwald vernichteten, um Anbauflächen für Soja oder Zuckerrohr bzw. Weideflächen für Rinder zu schaffen. Das Gesetz werde jedoch schon seit 2002 nicht eingehalten. Daß sich die Regierung von den neuen Rekordraten der Abholzung überrascht zeige, sei scheinheilig. Die Qualitätszeitung ”Folha de Sao Paulo: ”Beeindruckend, welches Theater die Regierung spielt, um so zu tun, als sei sie empört über ein Verbrechen, dessen erklärter Mittäter sie selbst ist.Der für Amazonien zuständige Greenpeace-Experte Paulo Adario betonte, Brasilia sei seit dem Mai vergangenen Jahres vor einer rapiden Zunahme der Regenwaldvernichtung gewarnt worden. Die brasilianischen Medien hatten über diese Zunahme ausführlich berichtet, große Vor-Ort-Reportagen veröffentlicht. Die einer Wunderheilersekte angehörende Umweltministerin Marina Silva hatte indessen wiederholt vor der Presse einen solchen Anstieg bestritten. Die Lage sei keineswegs außer Kontrolle geraten. 2007 werde die Abholzungsrate weiter zurückgehen. Entsprechende Positivmeldungen wurden kurioserweise auch in Medien Europas durchgeschaltet. Marina Silva hatte im April 2007 den UNO-Umweltpreis „Champions of the Earth” erhalten “ begründet wurde dies vor allem mit ihren Taten zum Schutze Amazoniens. In Marina Silvas erster Amtsperiode unter Lula waren gemäß WWF-Angaben rund 85000 Quadratkilometer Urwald vernichtet worden “ ein Rekord, denn dies sei mehr als unter jeder Vorgängerregierung.
Wie die Qualitätszeitung ”O Globo in Rio jetzt betonte, hatte die Regierung noch zum Jahresende 2007 offizielle Resultate über einen Abholzungsrückgang veröffentlicht. Erst danach habe Umweltministerin Silva die von den Umweltorganisationen nachgewiesene Zunahme der Vernichtungsraten eingeräumt. Silva hatte stets bekräftigt, 2007 würden etwa 9600 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt – jetzt wird mit rund 15000 Quadratkilometern gerechnet. Seit den achtziger Jahren hatten brasilianische Umweltexperten immer wieder erklärt, daß Regierungsangaben über den Zustand von Umwelt und Natur sehr häufig falsch bzw. geschönt seien.
Das Pilotprojekt der G-8-Staaten zum Schutze der Amazonas-Regenwälder, hauptsächlich von Deutschland finanziert, sei völlig ineffizient. Die Vernichtungs-Fakten zeigten, daß die Gelder gar nicht für wirksame Schutzaufgaben verwendet würden.
Franziskanerbischof Luiz Flavio Cappio, der letztes Jahr einen 24-tägigen Hungerstreik gegen ein umstrittenes Flußumleitungsprojekt geführt hatte, warf der Lula-Regierung völlige Unsensibilität gegenüber der Natur sowie eine umweltfeindliche Politik vor. Brasiliens Natur werde nicht geschützt, sondern mißhandelt. Wie bei der vom Militär begonnenen Umleitung des Rio Sao Francisco sehe man in der Natur lediglich eine Quelle des Profits. Die Schöpfung müsse im Interesse des Volkes, künftiger Generationen erhalten werden. Umweltzerstörung komme Brasilien seit langem sehr teuer zu stehen und bewirke einen spürbaren Klimawandel. Wegen ausbleibender Regenfälle blieben die Staubecken wichtiger Wasserkraftwerke leer, sodaß erneut eine Stromrationierung drohe.

Nichts kapiert?

Der deutsche Umweltjournalist Norbert Suchanek 2007 über Marina Silva:
Nichts getan und doch geehrt
(Wer nichts tut, wird Champion of the Earth)

Brasiliens Umweltministerin Marina Silva wird am 19. April, am signifikanten ”Tag des Indios in Lateinamerika, den Umweltpreis des Umweltprogramms der Vereinten Nationen(UNEP) zusammen mit Ex-Vizepräsident Al Gore und fünf weiteren Preisträgern in Singapur erhalten. Doch womit hat Marina Silva die UNEP-Auszeichnung ”Champio of the Earth verdient? Dafür, daß sie still gehalten hat, als Präsident Luis Inacio Lula da Silva und seine Fortschrittskollegen beschlossen, Brasiliens größten im Lande entspringenden Fluß, den Rio Sao Francisco teilweise umzuleiten? Dafür, daß sie sich nicht rührte, als der Ausbau des Atomenergiesektors inclusive Weiterbau des umstrittenen Kraftwerks Angra 3 im Süden Rio de Janeiros ”klammheimlich beschlossen wurde?

Dafür, dass sie zusammen mit dem Betreiber der Atomkraftwerke Angra 1, Angra 2 und bald auch Angra 3, Eletronuclear, eine Strasse im Regenwaldnationalpark von Bocaina asphaltieren lässt? Dafuer, dass der gefährliche, die Umwelt und Minenarbeiter mit radioaktiven Substanzen belastende Uranbergbau in Bahia ausgeweitet wurde? Dafür, dass sie die Legalisierung des illegalen Gen-Soja-Abaus abnickte?
Dafür, dass es noch immer ”Stand der Technik in Brasilien ist, Abwässer faktisch ungeklärt in den Boden, in Flüsse, Lagunen oder direkt ins Meer zu pumpen? Dafür, dass sie der Abholzung des Cerrados wie des Amazonasregenwaldes durch Rinderzuechter und Strassenbau seit Jahren effektiv tatenlos zusieht, dass sie der rücksichtslosen Ausweitung der Soja- und Zuckerohrplantagen unter anderem für die Produktion von sogenannten Biotreibstoffen nichts entgegenzusetzen hatte? Oder dafür, dass sie aber auch gar nichts gegen die Zerstörung von Tausenden von Hektaren Mangrovenwald für die exportorientierte Garnelenzucht unternommen hat?
Dafür, dass die Regierung Lula nun weitere gigantische Wasserkraftwerke auf Kosten der Ureinwohner und traditionellen Flussbevölkerungen in Amazonien am Rio Madeira und im Xingu-Gebiet (Belo Monte) durchsetzt, die vergangene brasilianische Regierungen aufgrund internationaler Proteste haben in den Schubladen verschwinden lassen?
”Ihre Exzellenz Frau Marina Silva wurde als Preisträgerin 2007 ausgesucht, weil sie sich „unermüdlich” für den Schutz des Amazonasregenwaldes einsetze und geichzeitig die Perspektiven der von den natürlichen Ressourcen abhängigen Menschen berücksichtige, so die UNEP-Pressemitteilung. Ihr Engagement als brasilianische Umweltministerin für den Schutz des artenreichen Amazonasgebietes, seit 2003, sei bemerkenswert. Und der Rückgang der Abholzungsrate Amazoniens um schätzungsweise mehr als 50 Prozent während der vergangenen zwei Jahre sei zweifellos mit ihrer politischen Arbeit verknüpft.
Der in Brasilien geborene deutsche Wirtschaftswissenschaftler, Harvard Business School-Absolvent und neue UNEP-Chef, Achim Steiner, scheint bei der Wahl Marina Silvas als „Champion of the Earth” vom in der Tropensonne des Karnevals von Rio glänzenden, künstlich gereinigten Sandstrand der Copacabana geblendet gewesen zu sein.
Die Abholzungsrate Amazoniens – die übrigens nur einen Teil Brasiliens betrachtet und die Vernichtungsrate wichtiger Waldökosysteme wie den Cerrado oder die Mangrovenwälder und Restinga-Gebiete, die Caatinga, die Galleriewälder und die atlantischen Regenwälder vollkommen außer acht lässt – gleicht seit mindestens 15 Jahren einer Fieberkurve, mehr abhängig vom Wetter, von starken oder schwachen Regenperioden oder Boersenkursen als von heutigen brasilianischen Politikern. Es gilt die Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu betrachten.
Laut offiziellen Daten beispielsweise führten die ersten vier Jahre der Regierung Lula unter Mithilfe von Marina Silva zu einer Amazonasabholzung von insgesamt 84.000 Quadratkilometern. So viel schafften der Vorgänger, Fernando Henrique Cardoso und sein Umweltministerium nicht. Laut WWF – der finanzstarken, von Banken wie von Konzernen gestützten Naturschutzorganisation, die nicht unbedingt zu den Kritikern Marina Silvas gehört – verlor Amazonien hingegen „nur” 77.000 Quadratkilometer Regenwald während der ersten vier Regierungsjahre Cardosos und „lediglich” weitere 74.700 Quadratkilometer während der zweiten Amtsperiode “ was für den damaligen UNEP-Chef, Klaus Töpfer, keinesfalls ein Grund für einen Preis an Fernando Henrique Cardosos Umweltministerium war.
Das einzige nennenswerte, was Marina Silva in den vergangenen Jahren seit ihrer Amtsübernahme zu Wege brachte, war die Ausweitung der Naturschutz- und Nationalparkgebiete. Doch dies ging in der Regel zu Lasten der traditionellen Wald- und Flussbewohner Amazoniens, den Caboclos und Ribeirinhos, sowie zu Lasten der Kontaktierten wie noch nicht kontaktierten indigenen Völker. Denn per Definition der Weltnaturschutzunion (IUCN) sind Nationalparks Gebiete ohne Menschen, wo Ureinwohner nicht mehr leben und auch nicht mehr jagen oder Pflanzen sammeln dürfen. Was allerdings durchaus im Sinne des neuen UNEP-Chefs sein könnte, schließlich war er vor seinem Umzug nach Nairobi in der Schweiz zu Hause und Generaldirektor der IUCN, die seit Jahrzehnten so gut wie nichts anderes im „Kopf” hat, als die „Dritte Welt” in zwei Teile zu teilen: In menschenleere, nur für zahlende Naturtouristen und ausgesuchte Naturwissenschaftler geöffnete Nationalparks sowie in Wirtschaftszonen mit Agrarsteppen, Industrieparks und Slums für den ärmeren oder ungebildeteren „Rest” der Welt.

Zeitungskommentatorin Miram Leitao von „O Globo“  zum Rücktritt: „Der Weggang von Marina Silva schwächt die Lula-Regierung. Marina Silva ist eine Ikone und deshalb wird ihr Rücktritt hier und im Ausland als ein weiterer Sieg jener Gruppierung gesehen, die meint, daß Umweltschutz eine Entwicklungsbarriere ist.“ 

Marina Silva, Verfechterin des fundamentalistische Kreationismus, und die Wunderheilersekten

”Ihr elenden, irregeleiteten Ehebrecher, Masturbierer, auf Sex Versessenen, Raucher, Trinker, TV-Glotzer!Â **

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Brasiliens Sekte ”Deus è Amor und ihr Megatempel in Sao Paulo
Die auch im multikulturellen Deutschland agierende brasilianische Sekte ”Deus è Amor, Gott ist Liebe, unterhält mitten in der drittgrößten Stadt der Erde, in der über tausend deutsche Firmen vertreten sind, den nach eigenen Angaben gewaltigsten Tempel der Welt, der über zweihunderttausend Menschen fassen könne. Im Megatempel werden täglich Wunderheilungen und Exorzismus praktiziert, treibt man von den Anhängern auf dubiose Weise Geld ein. Christoph Schlingensief war hier 2007, holte sich Anregungen, Inspiration¦

Alles wird meist live im Radio übertragen, sogar auf mehrere Kontinente. Die zahlreichen anderen Sekten Brasiliens verfahren sehr ähnlich.
„Große Wunder ereignen sich hier im Namen von Jesus Christus”, ruft Missionar David Miranda, Gründer und Chef von „Deus è Amor” in seiner kugelsicheren Glaskabine ins Mikro – mitten in einer Wunderheilung, einer Cura milagrosa, vor zehntausenden Anhängern. Er wirkt wie ein gutmütiger, weißhaariger alter Onkel, ist dick, trägt einen langen weißen Kittel. Der Schauplatz “ Mirandas neuer Tempel, ein gewaltiges kastenförmiges Bauwerk mit bunten, hohen Fenstern, mitten in der modernen City von Sao Paulo, nahe der lateinamerikanischen Leitbörse und der Kathedrale. Am Tempel flattert auch die deutsche, britische, amerikanische, italienische Fahne – unüberhörbar euphorische, frenetische Stimmung. „Die Gelähmten können wieder gehen, die Blinden sehen, die Tauben hören – in diesem neuen Tempel wurden in nur zehn Tagen über 1500 von tödlichem Krebs geheilt “ und über zweihundert von Leistenbruch. Hier operiert Gott jeden Nachmittag!”
Immer wieder stehen Frauen, Männer aus Rollstühlen auf, die man sofort auf die Altarbühne hebt, wie Trophäen herumschwenkt “ schaut her, sie brauchen diese Rollstühle nicht mehr! Alles schreit, klatscht begeistert “ es klappt also mit den Wundern, es gibt sie tatsächlich! Andere werfen ihre Krücken weg “ bedanken sich enthusiastisch beim Heiligen Geist. Auch die Krücken kommen vor Mirandas Glaskasten. „Es ist vollbracht”, ruft er am Schluß der Wunderheilung aus, „alle sind geheilt, Probleme sind gelöst, alle sind froh und glücklich, dank Gott, dem Herrn!”
Missionario Miranda zelebriert seine sechs-bis siebenstündigen Messen beinahe in Hardrocklautstärke, überall riesige Lautsprechertürme, wie bei Popkonzerten. Miranda predigt, schreit, singt wirklich ununterbrochen, hat unglaubliche Ausdauer und Kondition, wirft sich in seiner Glaskabine schluchzend vor den Altar, immer das Mikrophon umgeschnallt, denn alles wird live bis in den letzten Winkel des Riesenlandes übertragen, dazu auf mehrere Kontinente, mehrfach wiederholt. Und jede Wunderheilung dauert über eine Stunde! Curas milagrosas auch in den zigtausend Tempeln landesweit und in 120 Ländern der Erde, darunter Deutschland. Miranda bildet zügig Wunderheiler-Nachwuchs heran “ vor seinem Auftritt läßt er häufig vielversprechende Talente vor die Massen.
Man hätte Miranda, oder wenigstens seine Pastoren, Assistenten, gar die Gläubigen selber gerne gefragt, wie man denn diese Heilungen feststellt, nachweist, ob da Mediziner oder andere Experten hinzugezogen werden. Denn im Sektenradio werden den ganzen Tag über solche Geheilten präsentiert. Haben die Leute wirklich keinen Krebs mehr, können Gelähmte wirklich wieder gehen? Doch merkwürdig, alle hier scheinen extrem medienscheu. Und draußen auf der großen Freiterrasse am Tempel will sich niemand, auch keiner von Mirandas Helfern, dazu äußern. Wochenlange Versuche, tägliche Anrufe, um einen Interviewtermin mit Miranda oder irgendeinem seiner Mitarbeiter zu bekommen, schlagen fehl. In dem mehrstöckigen Sektensitz mit dem Hubschrauberlandeplatz obendrauf räumt eine Anwältin Mirandas nach langem Bohren am Telefon schließlich ein, daß man wohl tatsächlich keine Interviews geben wolle. Brasilianische Journalisten hatten ebenfalls noch nie Glück.
Doch Wunderheilungen sind keineswegs die einzige Spezialität Mirandas. Immer wieder Tumulte in der dicht vor seinem Glaskasten stehenden Menge, wenn Anhänger plötzlich steif wie ein Brett auf den Boden fallen, stöhnen und wie irre zucken, die Augen verdrehen. Laut Miranda sind alle vom Satan besessen, das gebe es viel heutzutage. Deshalb folgt sofort die Teufelsaustreibung, herzueilende Pastoren drücken die Hand auf Stirn und Haar.
„Teufel, laß ab von dieser Frau, verschwinde”, schreit er “ bekommt von der Frau zur Antwort: „Er ist weg, der Satan.”
Und schon fällt die nächste Frau um. Irgendwann werden diese Besessenen dann wieder normal, stehen auf, lächeln glücklich. Und Sektenchef Miranda stimmt für die Massen ein fröhliches Liedchen an.
Miranda liebt Campanhas, Kampagnen, startet eine nach der anderen – diese richtet sich wider die Sünde just unter seinen Anhängern, zig Millionen sollen es angeblich sein. Miranda macht ihnen schwere Vorhaltungen: „Hier unter uns sind viele Ehebrecher und Ehebrecherinnen, Masturbierer, auf Geschlechtsverkehr Versessene, dazu Diebe, Vagabunden. Wer von euch Fernsehen mag und weltliche Musik, ist irregeleitet. Wer die heutigen Moden mitmacht, gar im Minirock, den Bauch frei, herumläuft, versündigt sich schwer gegen Gott. Und auch wer raucht, trinkt, kommt nicht in den Himmel, wird in der Hölle schmoren. Her mit den Zigaretten, und mit den anderen Drogen “ wir werden alles hier vorne am Altar vernichten. Ihr Frauen, macht die Taschen auf “ her mit dem ganzen Schminkzeug! Oh ihr Scheinheiligen, die ihr euch nicht zu euren Sünden bekennt, euch einfach nicht bessern wollt! Euer Missionar ist mit euch böse! Ja, schämt ihr euch nicht? Doch Gott wird gegen all jene handeln, die nicht von ihren Sünden lassen, merkt es Euch! Deshalb Schluß jetzt mit Fernsehen, Schminken, all den weltlichen Kleidermoden! Oh, ihr Ehebrecher, Ehebrecherinnen! Und jetzt “ schämt euch, wehklagt und jammert nur, ihr elenden, miserablen Sünder!
Miranda fällt hinterm Altar auf die Knie, ist nicht mehr zu sehen, schluchzt, heult, stöhnt, wimmert ins Mikrophon “ und die riesige Menge schluchzt, heult, stöhnt, wimmert mit. „Oh, ich miserabler Sünder, schlimme Kreatur “ Gott hilf mir! Ich werde nie mehr fernsehen, nie mehr rauchen, trinken, werde von all den Moden lassen, Herr, errette mich!” Viele werfen sich auf den Betonboden der schlichten Tempelhalle “ eine dramatische, eigentlich unbeschreibliche Situation.
Das Wehklagen, Jammern dauert allen Ernstes über eine Stunde, wird immer intensiver “ bis Miranda endlich wieder aufsteht, Gott dankt.
”Rettung ist möglich “ beginnt euer Leben von vorne, aber jetzt mit Gott!”
Auf Europäer mag dies alles irrsinnig, unwirklich und auch sehr anstrengend, stressig wirken – wie absurdes Theater, Zirkus, Scharlatanerie pur, zynisch und teils auch unfreiwillig komisch, sehr komisch sogar. Auch wenn Miranda Geld eintreibt.
Die meist dunkelhäutigen Frauen, Männer stehen und sitzen im Tempel getrennt, halten immer wieder ihre Bibeln hoch, müssen alle paar Minuten lauthals den Suggestivfragen Mirandas antworten. ”Noch sind viele Rechnungen für den Tempel zu begleichen”, ruft er aus, „wenn ihr nicht spendet, bin ich geliefert, muß ich ins Gefängnis, muß ich dann in der Zelle ins Handy hineinbeten, damit ihr mich noch im Radio hören könnt. Wollt Ihr das?” Die Menge empört: Nein, natürlich nicht. Viele Hunderte reichen den ständig herumeilenden Kollektensammlern Geldkuverts und Schecks, worauf Miranda trommelt: Wer jetzt nichts gibt, will also, daß ich ins Gefängnis muß, hehehe! Den Tip, jenen Megatempel zu bauen, habe er direkt vom Herrgott, vom Senhor, bekommen.
Dann fordert Miranda sogleich Spenden für das weltweite Sektenradio „Stimme der Befreiung” – für die Wunderheilungen sowieso. Denn jedem wurde eingeschärft: Je mehr man gibt, umso höher die Heilungschancen.
Besonders fragwürdig und grotesk, weil es sich ja bei den Anhängern dieser rasch wachsenden Sekte gemäß Studien meist um die Ärmsten der Armen, um Menschen mit geringster oder gar keiner Schulbildung, niedrigstem oder gar keinem Einkommen handelt. Am meisten von Rekordarbeitslosigkeit, Verarmung und Verelendung betroffen “ und deshalb auch am meisten für Heilsversprechen solcher Sekten anfällig. Mirandas Publikum fährt kaum Auto, hat nur zu oft nicht mal Geld für Bus oder Metro, läuft dann eben vom Slum zum Tempel. Die Slumperipherie Sao Paulos wächst jährlich um über zehn Prozent.
Ein Blick vom Megatempel Mirandas auf die andere Straßenseite – dort steht die schlichte katholische Kirche Nossa Senhora da Paz “ für Pfarrer Guiseppe Bortolato aus Italien ist die neue Nachbarschaft eine schwere Belastung “ aber natürlich beobachtet, analysiert er sehr genau, was dort geschieht:
”Den Krach hören wir Tag und Nacht “ aus allen Städten Brasiliens, aus Uruguay und Paraguay kommen Buskarawanen. Aber uns läßt man in Ruhe, grüßt uns nicht, sieht uns nicht, hält deutlich Distanz. Doch aus meiner Gemeinde geht niemand dorthin, die Sekte ist für uns keine Konkurrenz. In den Tempel gehen ganz einfache Menschen, die nur sehr simpel denken. Dort werden sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Was Miranda befiehlt, ist ihnen heilig, sie hinterfragen nichts, zweifeln nichts an, halten sich an die Regeln der Sekte. Die Anhänger werden gewarnt, nie in katholische Kirchen zu gehen, denn dort hause der Teufel.”
Aber warum betreibt Miranda das Ganze überhaupt, legt sich so ins Zeug – was sind seine Motive? ”Damit verdient er sich schlichtweg den Lebensunterhalt, verwirklicht seinen Lebenstraum von Grandiosität. Miranda investiert viel Geld in solche Bauten, um der Welt zu zeigen, wie großartig er ist. Miranda benutzt die übelsten Methoden, damit die Leute an ihn zahlen “ er zieht ihnen noch den letzten Centavo aus der Tasche. Und die Leute geben tatsächlich alles, was sie haben, sogar die, die eigentlich überhaupt nichts besitzen. Aber Miranda und seine Sekte haben keinerlei theologisches Fundament, keinerlei Moral, keinerlei Respekt vor den Wertvorstellungen der Menschen. Bei den Wunderheilungen wird getrickst, das sind alles pure Inszenierungen “ er weckt ja verrückterweise sogar Tote wieder auf. Er stellt einen Sarg hin, legt eine angeblich tote Braut hinein, veranstaltet eine Totenwache “ und holt die Braut dann wieder ins Leben zurück. Jemand von meiner Gemeinde hat sich das mal angeschaut “ Miranda hat wirklich keine Skrupel.”
Aber eigentlich gibt es doch in Brasilien einen Scharlatanerieparagraphen, der all das verbietet? Selbst als Südamerikas reichste, modernste Metropole von Bürgermeisterin Marta Suplicy, Vizechefin von Staatschef Lulas Arbeiterpartei regiert wurde, hatte den Sekten freie Bahn.
”Miranda kann beruhigt so weitermachen, niemand wird ihm etwas anhaben wollen. Und er beraubt seine Anhänger ja in einer sehr gerissenen Form. Der Tempel hat übrigens bereits einen Spitznamen “ Geldfabrik, Gelddruckerei.”
Schwer zu übersehen, daß gerade die Sekten auch in Sao Paulo von den Politikern und besonders in Wahlkämpfen umworben werden. Kein Geheimnis “ von den über 180 Millionen Brasilianern können nur 26 Prozent richtig lesen, den Inhalt einer Zeitungsseite, eines Buches auch tatsächlich verstehen. Der große Rest, also die Halb-und Vollanalphabeten, ist auch für politische Rattenfänger das gefundene Fressen, läßt sich besonders leicht manipulieren.
Sandra Stalinski aus Süddeutschland betreute in Sao Paulo als „Missionarin auf Zeit” in Sao Paulo Obdachlose: ”Ich empfinde es auch als schockierend, sehe das ab und zu, wenn ich durch die Straßen laufe, wo eben ein Prediger gerade schreit, über Satan spricht¦ Es gibt auch einige Obdachlose, die davon erzählen, die einen umheimlich fundamentalistischen Glauben haben, die die Bibel wortwörtlich nehmen “ wo jedes zweite Wort, das sie sagen, irgendwas mit Gott zu tun hat¦Es ist Fatalismus. Daß sie sich mit ihrem Schicksal abfinden “ und es liegt alles in Gottes Hand “ und ich werd nix dran ändern können. Und das kritisier ich natürlich.”
Brasiliens Sekten haben Zulauf, eröffnen jeden zweiten Tag einen neuen Tempel, oft ehemalige Kinos, Supermärkte, Fabrikhallen. Und auch eine Frau macht Furore als Wunderheilerin, Exorzistin, versetzt Menschenmassen in Hysterie und Ekstase “ Lanna Holder aus dem reichen, so modern und weltoffen scheinenden Sao Paulo: ”Jetzt wird die Hölle in ihren Fundamenten erschüttert, jetzt droht sie einzustürzen”, schreit sie los, „und der Teufel zittert vor Angst. Denn ich treibe jetzt den Teufel aus euren Leibern “ Krebskranke werden geheilt, Querschnittsgelähmte können wieder gehen!”
Lanna Holder zählt zur großen Sektenkirche „Assembleia de Deus”, Gottesversammlung, die sogar Regierungsposten besetzt. Staatschef Lulas Umweltministerin Marina Silva beispielsweise gehört zur Assembleia de Deus – sollte es auch damit zusammenhängen, daß Brasiliens Umweltpolitik weiterhin eine Katastrophe ist, ein Umweltschutz, der diesen Namen verdient, eigentlich gar nicht existiert?

Und die sogenannte Universalkirche vom Reich Gottes gründete sogar Brasiliens Republikanische Partei, aus der Staatschef Lulas Vize stammt “ der Milliardär und Großunternehmer Josè Alencar. Der Sektengründer und selbsternannte Bischof Edir Macedo mietete für seine spektakulären Wunderheilungen sogar das größte Fußballstadion der Welt in Rio de Janeiro an.
Neuester Hit der Sekten “ die Theologie der Prosperität “ Reichwerden durch Gott. Das Motto: An allem persönlichen Mißerfolg, an deiner Misere ist nur der Teufel schuld. Wir treiben ihn aus, helfen dir, wenn du nur willst, intensiv genug glaubst. Und das zündet selbst bei kleinen Händlern, hochverschuldeten Unternehmern, die bei den Gottesdiensten der Prosperität reichlich spenden. Täglich Werbung in den Sektenradios. Auch hier Religion als Spektakel, als Show: Volle Tempel – Tausende strecken Schuldscheine, Arbeitsbücher, Entlasssungspapiere, Kreditkarten, Zettel mit geschäftlichen Projekten gen Himmel “ euphorische Stimmung. Jener Bischof Edir Macedo der Universalkirche vom Reich Gottes setzt in Brasilien am erfolgreichsten auf die Teologia da Prosperidade.
Selbst auf seiner Website verkündet er: Wer ein üppig-reiches Leben führt, genießt die Segnungen des Herrn. Gott ist doch kein Sadist, will nicht, daß wir Armut leiden. Wohlstand ist eine Gabe Gottes “ und durch die Macht des Glaubens erreicht man ihn auch.”
Daß Sektenpastoren im Luxus leben, der politisch einflußreiche Bischof Edir Macedo das teuerste Privatflugzeug Brasiliens besitzt “ und nicht etwa irgendein Banker oder Industrieller – ist da nur folgerichtig, wird akzeptiert, bewundert. Die katholische Kirche fühlt sich von diesem Evangelium des Reichwerdens zunehmend provoziert. ”Diese Theologie der Prosperität ist keineswegs eine neue Richtung, wird aber von religiösen Gruppen derzeit viel genutzt”, sagt der deutschstämmige Kardinal Odilo Scherer in Sao Paulo. „Sie instrumentalisieren den Glauben, die Religiosität auf der Hatz nach materiellen Gütern. Das funktioniert bei vielen Menschen. Denn wer will schon nicht der Misere entfliehen, auf möglichst einfache Weise Geld verdienen? Das sind doch alles betrügerische Versprechen. Du mußt nur an Gott glauben, dann wirst du auch reich! Wem Gott Gutes tun will, dem schenkt er materielle Güter schon auf Erden, ein Leben ohne Probleme! Das ist natürlich eine arglistige Täuschung!”
Doch was sagen die Sekten jenen Anhängern, die weiterhin bitterarm und arbeitslos sind, immer noch nicht in eine Villa umzogen, keinen neuen Wagen fahren? Dein Glaube ist eben nicht tief, nicht intensiv genug “ deshalb steckt der Teufel noch in dir, läßt dich nicht weiterkommen. Und gerade von den am wenigsten Gebildeten, also der Bevölkerungsmehrheit, wird das so hingenommen, akzeptiert.
Doch immer wieder kehren Menschen solchen Sekten den Rücken – wie die 35-jährige Rosa de Freitas aus Nordostbrasilien.
”Ich war ein sehr aktives Mitglied, habe die Kinder-und Jugendarbeit der Gemeinde geleitet. Doch dann habe ich auf einmal gemerkt, daß es den Pastoren nur ums Geldeintreiben ging “ selbst die ganz, ganz Armen aus dem Slum sollten zehn Prozent ihres Geldes abliefern. Und das fand ich ungerecht. Ich kannte Pastoren, die anfangs sehr, sehr einfach lebten “ und nachdem sie eine Kirche verwalteten, wurden die richtig reich, hatten auf einmal sogar einen Fahrer und solche Sachen. Auf Kosten so vieler armer, einfacher Leute, die man schamlos ausbeutete. Das hat mich empört, da bin ich ausgetreten.”
Aber ihre Eltern, beide über siebzig, sind noch dabei, geben brav jeden Monat zehn Prozent ihrer Minirente von umgerechnet 75 Euro dem Sektenpastor. Tochter Rosa de Freitas kann sie einfach nicht davon abbringen.
“Ex-Banditen, Ex-Berufskiller als spektakuläre Prediger”
Wo Pastor Salles auftritt, sind die Kirchen rappelvoll, können es Tausende kaum erwarten, daß er in seiner unnachahmlichen Weise schreit, stöhnt, schluchzt, heult wie ein Schloßhund. Wer als Mitteleuropäer da hineingerät, Brasiliens religiöse Szenerie noch nicht kennt, versteht womöglich die Welt nicht mehr. Darf das denn wahr sein, bin ich wirklich in einer Kirche und nicht im grotesken Spektakel eines gerissenen Scharlatans “ und wieso protestiert denn keiner? Doch je stärker der Tobak von Pastor Salles, je lauter die zustimmenden Halleluja-Rufe der Gläubigen. „Ich war reich, hatte Villen und tausende Frauen “ in Rio de Janeiro hörten tausende schwerbewaffnete Banditen auf mein Kommando”, beeindruckt der Prediger. „Ich war ein Bankräuber und Berufskiller “ so viele Opfer flehten vergeblich um Barmherzigkeit!” Pastor Salles wild gestikulierend vorm Altar, tadellos gekleidet in feinstem Tuch, mit weißem Hemd und Krawatte “ noch unlängst ein Bandenchef, der gnadenlos mit der Mpi um sich schoß, Rivalen und Polizisten ins Jenseits beförderte; das läßt die Leute mehr und mehr erschauern. „Ich war besessen vom Teufel, ich war ein Monster, ein Psychopath”, ruft er aus und kommt zu weiteren gräßlichen Details:”Jawohl – wie von den Dämonen gefordert, habe ich mit meiner Frau unseren sechs Monate alten Sohn getötet, in der Pfanne gebraten, sein Fleisch gegessen “ so viele barbarische Verbrechen habe ich begangen, ich war schon in der Hölle!” Sechzehn Kugeln bekam er in den Leib, überlebte die Folter im Knast, machte Russisch Roulette. Doch dann, oh Wunder, wurde er bekehrt, ließen die Teufel von ihm ab, holte er, „von Gott auserwählt”, die eigene, tot im Sarg liegende Mutter zum Leben zurück. „Die Umstehenden lachten, als ich sagte, Mama, erhebe dich “ und sie stand wirklich auf!” Wo Pastor Salles predigt, lacht auch an dieser Stelle niemand schallend oder fordert gar Beweise “ mit aufgerissenen Augen und Mündern glaubt man ihm aufs Wort. Um die Gottesdienste spektakulär „aufzupeppen”, noch mehr gebefreudige Anhänger zu gewinnen, kamen diese „Kirchen” bereits in den achtziger und neunziger Jahren auf die Idee, unter Ex-Gefangenen und selbst in den Haftanstalten nach geeigneten Predigern zu suchen. Im fortgeschrittenen Alter, oft mit schweren Behinderungen nach vielen Einschüssen, haben Männer aus der Welt des Verbrechens gewöhnlich auf dem Arbeitsmarkt keinerlei Chancen. Soziologin Mariana Cortes von der Bundesuniversität Ueberlandia stellte bei mehrjährigen Untersuchungen fest, daß allein in Brasiliens Kultur-und Wirtschaftsmetropole Sao Paulo tausende Banditen daher zu Priestern mutierten, eine regelrechte religiöse Szene bilden. „Die dunkelsten Punkte ihrer Biographie machen sie zum Trumpf, zu einem Spektakel “ wollen auf diese Weise nicht nur Geld verdienen, sondern auch gesellschaftliche Anerkennung, Sozialprestige gewinnen.” Denn das hatten sie bereits als Banditenchefs im Parallelstaat der Slums, der von Verbrechersyndikaten dominiert, terrorisiert wird. Ein tolles Gefühl, mit der umgehängten Mpi durchs Gassengewirr der Elendsviertel zu schlendern und als Herr über Leben und Tod von den Bewohnern mit tiefster Unterwürfigkeit respektiert zu werden. Heute gehen sie teilweise durch die selben Viertel, ernten wiederum tiefen Respekt, werden oft als Wundertäter, Wunderheiler verehrt, die man alle paar Schritte um Rat und Hilfe bittet. Probleme mit den einstigen Kumpanen vom organisierten Verbrechen gibt es nicht “ die in den Slums agierenden Sekten kommen mit den Banditenmilizen gewöhnlich bestens zurecht.
“„Der Teufel wars, nicht ich!”“
Was Mariana Cortes am Fragwürdigsten, Absurdesten findet: „Morde und andere grauenhafte Verbrechen werden stets dem Teufel in die Schuhe geschoben, er wird zum Sündenbock. Damit stellen sich diese Priester als Opfer dar, leugnen die eigene Schuld und Verantwortung für ihre Taten, gebärden sich gar als Sieger und Hoffnungsträger.”
Sogar die Wissenschaftlerin kann es bis heute kaum fassen, daß das funktioniert, selbst beim Massenpublikum solcher als „gemäßigt” geltenden Pfingstkirchen wie der „Assembleia de Deus”(Gottesversammlung), großartig ankommt. Sie hat über zehn Millionen Anhänger und ist politisch einflußreich. Durch solche Pastoren wie Pastor Salles an Glaubwürdigkeit zu verlieren, scheinen diese Kirchen nicht zu befürchten.
Doch auch Pastor „Paulinho Bang-Bang”, Renato Cesar oder Francys Lins ziehen ähnlich melodramatisch-wild vom Leder, ihre Geschichten, schärfer als die schrillsten Krimis, gibt es auf CD und DVD. In Sao Paulo hat sich eine Plattenfirma nur auf diese Klientel spezialisiert, veröffentlichte bereits Tonträger von fünfzig solcher Priester, hat rund dreihundert weitere Kandidaten auf der Warteliste. Aber stimmen denn deren bombastische Aussagen – oder ist alles erstunken und erlogen? Laut Soziologin Mariana Cortes läßt sich nur schwer sagen, was davon Dichtung und Wahrheit ist. In den brasilianischen Slums ereignen sich unter der Banditendiktatur täglich barbarische Dinge, die das Vorstellungsvermögen eines Mitteleuropäers gewöhnlich weit übertreffen. „Solche Priester montieren nicht selten reale Slumereignisse zu einer Story und stellen sich als Täter, Urheber dar, basteln sich manchmal eine Biographie zusammen.” Viele sind damit höchst erfolgreich, ziehen im ganzen Land herum, können von jedermann gegen entsprechende Gage engagiert werden. Oder gründen sogar eine eigene Kirche. Absolute Religionsfreiheit ist in der brasilianischen Verfassung garantiert. Jedermann kann eine neue Glaubensrichtung ausrufen, sich von heute auf morgen zum Priester erklären “ denn eine theologische Ausbildung wird nicht verlangt. „Eine neue Kirche zu eröffnen, ist einfacher als eine Kneipe aufzumachen”, sagt der Soziologe Ricardo Mariano. „Nie zuvor wurden so viele Tempel gegründet, um Geld zu machen”, sagt Theologe Fernando Altemeyer von der Katholischen Universität der Megacity. Mancher Neupriester hat rasch Erfolg, wird reich “ doch andere gehen mit ihren Kirchen pleite. Religionsexpertin Mariana Cortes weiß, was die in etwa 17000 verschiedene Richtungen geteilten Pfingstkirchen Brasiliens natürlich verschweigen:”Gar nicht so wenige dieser ehemaligen Gangster packen es nicht, verkaufen nicht genug CDs und DVD, geben schließlich auf “ und entsinnen sich ihres früheren Gewerbes, kehren zum Verbrechen zurück.” Auf den Tonträgern sind stets die Kontakt-Telefonnummern. Ruft man dort an, will den Pastor für eine Show-Predigt ordern, hört man nicht selten von den Angehörigen: „Der ist doch schon wieder im Knast.”

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 13. Mai 2008 um 21:43 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Naturschutz, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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