Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien: NRW-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers(CDU) im Franziskaner-Müllrecycling-Projekt von Sao Paulo. „Das hier geht einem unter die Haut.“

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„Das hier geht einem unter die Haut”, staunt der NRW-Ministerpräsident, „sowas kann man sich in Deutschland nicht vorstellen.”

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/11/leben-wie-ein-brasilianer-der-bolsa-familiakriegt-die-ganze-familie-mit-27-euro-monatlich-uber-wasser-halten/

In dem von Gewalt und Misere geprägten Viertel „Varzea do Glicério“ der brasilianischen Megacity Sao Paulo, in dem häufig Schüsse fallen, steht Rüttgers zwischen achtzig Obdachlosen, die riesige, teils übel stinkende Müllsäcke auseinandernehmen und ihn, den „Governador” aus „Alemanha”, neugierig beäugen. Alle haben zuvor völlig verwahrlost auf der Straße gehaust, wurden wie Aussätzige behandelt “ jetzt werden sie von deutschen Franziskanern im Müll-Recycling-Projekt namens RECIFRAN fit gemacht für eine geregelte Arbeit, die Rückkehr ins normale Leben. Rüttgers nennt das Projekt eine Insel der Hoffnung, die Franziskaner Vorbilder von heute. Sao Paulo ist Lateinamerikas reichste Stadt, zählt indessen über  2000 Slums, die nicht selten direkt an Villen-und Penthouse-Viertel grenzen. Selbst in der City, nahe Lateinamerikas Leitbörse, fallen die Heerscharen von Obdachlosen ins Auge. Rüttgers beeindruckt, daß über 20000 Menschen Tag und Nacht als Abfallsammler unterwegs sind, damit ihr Leben fristen. Padre Johannes Bahlmann, Ordensoberer der Franziskaner in Sao Paulo, erläutert dem Ministerpräsidenten, daß das RECIFRAN-Projekt ganz bewußt in diesem Problemdistrikt gestartet wurde, der von den allermeisten Stadtbewohnern gemieden wird. „Wir wollten hier Frieden stiften “ denn in Sao Paulo ist ein vergessener Krieg im Gange “ es gab sogar Massenmorde an Obdachlosen.” In dieser Stadt würden ebensoviele Menschen oder sogar noch mehr als in manchem fernen kriegerischen Konflikt getötet. Staatschef Lulas Menschenrechts-Staatssekretär Paulo Vannuchi betont kürzlich, daß sich in Brasilien täglich Blutbäder und andere Arten außergerichtlicher Exekutionen ereignen “ verübt von Polizisten oder Todesschwadronen. Eine neue schweizerische Studie hat ergeben, daß mehrere brasilianische Städte die gleiche Tötüngsrate haben wie im Irak “ und daß auf Brasilien etwa zehn Prozent der weltweit verübten Morde entfallen. Franziskanerpriester Bahlmann nennt weitere schockierende Fakten: „In diesem Viertel, ganz in der Nähe, arbeiten Menschen im System der Sklaverei!” Rüttgers läßt sich von Bahlmann auch die Franziskaner-Herberge für 600 Obdachlose zeigen. „Selbst hier war eine friedensstiftende Aktion nötig, hatte man den Koch erschossen, war der frühere Projektleiter zugleich Rauschgifthändler.” Viele Insassen seien geistig behindert, was für den Orden eine zusätzliche Herausforderung bedeute. Die Herberge grenzt direkt an Brasiliens größten evangelikalen Sektentempel “ mit Wunderheilungen und Teufelsaustreibungen in Hardrock-Lautstärke. Doch das Verhältnis ist problemfrei. „Die Franziskaner sind total ökumenisch”, lobt die dunkelhäutige Projektlehrerin Carla Nascimento “ und stellt sich Ministerpräsident Rüttgers noch neben den Müllbergen  als evangelikale Pastorin  der „Assembleia de Deus”, Gottesversammlung, vor. Und schmettert dann mit ihrer souligen Stimme vor der ganzen NRW-Delegation einen Gospelsong über Jesus Christus. „Ich war früher auch gegen die Katholiken, doch die Franziskaner haben mich gelehrt, die Spiritualität anderer zu respektieren!” Jetzt singt Pastorin Nascimento sogar in katholischen Kirchen Sao Paulos “ und natürlich auf den Franziskaner-Protestdemos gegen Mißstände in der Stadt. „Gouverneur” Rüttgers läßt sich zudem informieren, wie die Ordensbrüder in weiteren Projekten Aids-Infizierte und Lepra-Kranke betreuen. Denn nirgendwo auf der Erde ist die Lepradichte höher als in Brasilien, werden in Sao Paulo zwanzig Prozent aller brasilianischen Aidsfälle registriert, bei hoher Dunkelziffer. Priester Bahlmann dankt für die vielen Spenden aus Nordrhein-Westfalen und erinnert daran, daß aus diesem Bundesland besonders viele Franziskaner nach Brasilien kamen. NRW-lerin Hedwig Knist, die Sao Paulos Obdachlosengemeinde leitet, schildert Rüttgers ihre Arbeit, überreicht ihm eine aus Zuckerrohrabfall in der Obdachlosenwerkstatt gefertigte Lampe, dankt dem deutschen Generalkonsulat für jüngste Geldspenden, mit denen die Werkstatt ausgebaut wird. „Wir wollen, daß in das Leben dieser Menschen wieder Licht kommt.

Hedwig Knist live über Menschenrechtslage in Sao Paulo: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/25/brasiliens-befreiungstheologen-demonstrieren-mit-obdachlosen-tagesschaude/

”Rüttgers nennt es wichtig, den Bewohnern Nordrhein-Westfalens zu zeigen, daß ihre Spenden für Misereor, Brot für die Welt oder Adveniat im fernen Sao Paulo einen sehr guten Zweck erfüllten. Und sagt Bahlmann weitere materielle Hilfe seiner Landesregierung zu. Der emeritierte Bischof Franz Grave, langjähriger Leiter von Adveniat, der Rüttgers auf der Brasilienreise begleitet, appelliert an die Deutschen, auch weiterhin für Franziskanerprojekte Sao Paulos zu spenden. Mancher Deutsche wird dann auf einen offensichtlichen Widerspruch stoßen: Wieso ist Brasilien als zehntgrößte Wirtschaftsnation eigentlich nicht in der Lage, gravierendes Elend und andere hausgemachte Probleme zu beseitigen, wieso fehlen dafür Mittel? Wieso geben beispielsweise in Lateinamerikas reichster (Millionärs-)Stadt Sao Paulo die Betuchten nicht genügend ab, so daß Spenden aus dem fernen Deutschland nötig sind? Bischof Grave im Franziskanerprojekt:”Hier fragt man sich, ob man in dieser Riesenwelt des Elends überhaupt etwas bewegen kann. Doch wichtig ist, ein Licht anzuzünden, statt über die Dunkelheit zu klagen. Hier wird deutlich, daß man mit dem Geist des Evangeliums etwas bewegen kann. Es muß auch eine Globalisierung der Solidarität geben, nicht nur von Geldströmen.” Zu Menschenrechtsverletzungen in Brasilien, wie Folter und außergerichtliche Exekutionen durch Todesschwadronen, sagte Grave:”Derartige Sachverhalte darf man nicht ignorieren, dazu darf man nicht schweigen. Man muß sich stets für die Würde und die Menschenrechte besonders der Armen einsetzen, für Frieden und Gerechtigkeit im Sinne des Heiligen Franziskus kämpfen.”

WAZ-Mediengruppe über Rüttgers-Besuch: http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/2008/10/28/news-86690406/detail.html

http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/politik/2008/10/28/news-86694927/detail.html

http://nachrichten.rp-online.de/article/politik/Ruettgers-bei-den-Muellsammlern-von-So-Paulo/18590

Offizielle Reiseinformationen mit Fotos: http://www.nordrhein-westfalen.de/

http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/631734/Der-Bummel-durch-Sao-Paulo.html

http://www.rp-online.de/public/article/politik/ausland/632139/Politische-Gespraeche-im-Plano-Piloto.html

ruttgers2.JPGWeihbischof em. Franz Grave, Dr. Jürgen Rüttgers, Müll-Trenner

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Franziskanerpriester Johannes Bahlmann, Ordensoberer in Sao Paulo und Rio de Janeiro – Dr. Jürgen Rüttgers

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/29/nrw-ministerprasident-dr-jurgen-ruttgerscdu-und-franziskanerpriester-johannes-bahlmann-ordensoberer-in-sao-paulo-und-rio-de-janeiro/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/02/ruttgers-im-nebelunglaublich-aber-wahr-die-sicherheitsbehorden-haben-den-ruttgers-besuch-bei-den-gangstern-angemeldet-um-misverstandnisse-wegen-der-polizeiprasenz-zu-klaren-die-bosse-stimmte/

Domradio – Weihbischof Franz Grave zur Reise: http://www.domradio.de/aktuell/artikel_46405.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/25/nrw-ministerprasident-jurgen-ruttgerscdu-besucht-am-montag-franziskaner-recycling-projekt-in-sao-paulo/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/09/aufschrei-der-ausgeschlossenen-schwarzer-beobachtet-auf-der-treppe-der-kathedrale-sao-paulos-die-protestaktion/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/28/lula-regierung-vor-oae-in-washington-angeklagt-folterer-zu-schutzen-meldet-brasilianische-presse/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/26/brasilien-ist-das-rassistischste-land-der-erde-mauricio-pestana-herausgeber-von-raca-brasil-der-einzigen-schwarzen-zeitschrift-des-tropenlandes/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/12/o-iraque-e-aqui-der-irak-ist-hier-hit-von-jorge-aragao/

http://www.bpb.de/themen/AG8OHL,0,0,Brasiliens_Widerspr%FCche.html

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/31/kinderprostitution-unter-der-lula-regierungha-casos-de-meninas-de-56-anos-que-se-vendem-por-1-real-1-real-umgerechnet-etwa-38-cents/

Brasilien – Daten, Statistiken:https://www.nachdenkseiten.de/?p=45930

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 28. Oktober 2008 um 05:00 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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