Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien, Neuer Menschenrechtsreport: „Direitos Humanos no Brasil 2008″. Folter, Sklavenarbeit, Terror gegen Arme…Plinio Sampaio, Dr. Marisa Feffermann, Sandra Quintela, Thyssen-Krupp, Essener Weihbischof Franz Grave, Angela Merkel… 60. Jahrestag der UNO-Menschenrechtsdeklaration.

Führende Menschenrechtsaktivisten der katholischen Kirche und die Sozialbewegungen Brasiliens haben die fortdauernde Folter sowie Polizeigewalt gegen die arme Bevölkerung des Landes beklagt. Bei der Präsentation des diesjährigen Menschenrechtsreports in der traditionsreichen Rechtsfakultät Sao Paulos warfen  sie der Regierung von Präsident Luis Inacio Lula da Silva sowie den Autoritäten der Teilstaaten vor, permanent gegen Gesetz und Verfassung zu verstoßen.

Kuba-Systemvergleich:

http://www.hart-brasilientexte.de/2016/05/03/kuba-2016-islamisierung-und-forcierte-installierung-des-organisierten-verbrechens-treiben-dem-islamisierungsfreien-nationalstaat-immer-mehr-touristen-zu-denen-frueher-weit-mehr-interessante-urlaubsz/

Der Chefankläger des Tribunals, der angesehene katholische Bürgerrechtler und Jurist Plinio Sampaio sagte, vor allem die dunkelhäutigen Armen zu terrorisieren und einzuschüchtern, sei in Brasilien heute staatliche Politik. Gegenüber diesem Bevölkerungsteil habe der Polizeiapparat seit jeher die Folter praktiziert. Bei der Polizei von Teilstaaten handele es sich nur zu oft um Ausrottungskommandos. In den Polizeiwachen würden Verdächtige sogar solange kopfunter aufgehängt, bis sie Geständnisse ablegten. Wer derartigen Foltermethoden ausgesetzt sei, „gestehe“ schließlich alles, was man von ihm verlange.

Mittels Gewalt sollten zudem die Unterprivilegierten dazu gebracht werden, die Einschränkung ihrer Bürgerrechte zu akzeptieren. Unter der Lula-Regierung, so Sampaio, habe sich die soziale Ungleichheit außerordentlich verstärkt. Den offiziellen Versprechen seien auch bei den Menschenrechten keine Taten gefolgt. Andere kirchliche Aktivisten warfen dem Staat vor, entgegen nationalen Gesetzen und internationalen Abkommen die Folterer der Diktaturjahrzehnte nicht zu bestrafen und damit den Folterern von heute regelrecht den Rücken zu stärken. Schwerwiegend sei, daß selbst die von den deutschen Kirchen unterstützte Landlosenbewegung MST, aber auch andere soziale Gruppierungen, zunehmend kriminalisiert würden. Weiter hieß es, daß andererseits die strikt verbotene Sklavenarbeit vor allem im Hinterland fortexistiere. Das deutsche Unternehmen Thyssen-Krupp, das derzeit an der Küste bei Rio de Janeiro ein Stahlwerk errichtet, war ebenfalls heftiger Kritik ausgesetzt. Das Milliardenprojekt zerstöre massiv geschützte Umwelt, verletze die Existenzrechte der dort lebenden Fischerfamilien und füge dem Tourismus schweren Schaden zu. In Deutschland sollte man erfahren, daß eine deutsche Firma zahlreiche nationale Gesetze verletze und brasilianisches Territorium offenbar als Niemandsland betrachte.

Der emeritierte Essener Weihbischof Franz Grave, Vorsitzender der Bischöflichen Kommission Adveniat, hatte erst kürzlich an der Seite von NRW-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers den Bauplatz besucht und danach im Kölner Domradio erklärt:“Besonders beeindruckt hat mich der Besuch einer Baustelle, auf der ein großes Stahlwerk entsteht. Eine technische Meisterleistung! Und ich hatte nicht den Eindruck, daß hier Industriemaßnahmen zu Ungunsten von Natur und Ökologie errichtet werden. Ein gutes Beispiel für gelungene Globalisierung…Globalisierung ist für mich kein Teufelszeug, sie ist zu gestalten. In einer ethisch orientierten Globalisierung liegt unsere Chance.“

Die Präsentation des Menschenrechtsreports in Brasiliens wichtigster Rechtsfakultät war zudem Teil eines dreitägigen Tribunals, das den brasilianischen Staat wegen verschiedener Menschenrechtsverstöße an den Pranger stellt. Zur Jury zählen auch Mitglieder der bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden wie Helio Bicudo, zudem Schriftsteller wie Ferrez und Waldemar Rossi, Führer der Arbeiterseelsorge in der Erzdiözese Sao Paulo. Die Tribunalmitglieder nehmen an den offiziellen brasilianischen Jubelfeiern anläßlich des 60. Jahrestages der UNO-Menschenrechtsdeklaration nicht teil.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/30/premier-jurgen-ruttgers-visits-new-steel-mill-an-der-guanabarabucht-rio-de-janeiros/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/12/04/der-brasilianische-staat-auf-der-anklagebank-des-volkstribunals-wegen-menschenrechtsverletzungen-anklicken-zuschauen/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/10/28/nrw-ministerprasident-dr-jurgen-ruttgerscdu-mit-brasilianischen-kindern-im-franziskaner-mullrecycling-projekt-von-sao-paulo/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/11/21/uno-berichterstatter-fur-die-folter-manfred-nowak-aus-osterreich-lula-regierung-mus-diktaturverbrechen-aufklaren-und-bestrafen-ruckenstarkung-fur-deutschstammigen-bundesstaatsanwalt-marlon-weichert/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/07/31/globo-serie-uber-die-diktatur-in-den-brasilianischen-slums-erhalt-transparency-international-preis/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/05/16/kirchliche-menschenrechtsaktivisten-brasiliens-enttauscht-uber-angela-merkel-keine-offentliche-stellungnahme-zu-folter-und-todesschwadronen-terror-und-gewalt-gegen-umwelt-und-menschenrechtsaktivist/

http://www.thyssenkrupp-steel.de/csa/de/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/04/16/achtung-bewohner-vermeidet-an-kriegstagen-die-hauser-zu-verlassen-danke-comando-vermelho/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/11/der-brasilianische-musiker-und-poet-marcelo-yuka1/

feffermann.JPGTribunalsprecherin Dr. Marisa Feffermann

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Chefankläger Plinio Sampaio, Jurist, katholischer Menschenrechtsaktivist, langjähriges Mitglied der bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden.

MerkelBrasilienZgubicSampaio2008

Ausriß, Radio Vatikan . “Die Stimme des Papstes und der Weltkirche”. “Brasilien: Kirchliche Menschenrechtler enttäuscht über Merkel”. Plinio Sampaio, Günther Zgubic…

Kissinger hält Rede für Schmidt in Hamburg:

http://www.hart-brasilientexte.de/2015/11/17/henry-kissinger-haelt-rede-auf-staatsakt-fuer-helmut-schmidtspd-am-23-11-2015-in-hamburg-kissinger-und-schmidt-viele-gemeinsame-wertvorstellungen/

Kuriose Mythenbildung um Schmidt und Lula:

http://www.hart-brasilientexte.de/2015/11/11/helmut-schmidt-2015-gestorben-mainstream-verbreitet-falschmeldungen-kuriose-mythen-schmidt-hatte-angeblich-den-damaligen-gewerkschaftsfuehrer-lula-begehrt-bei-unternehmern-als-verhandlungs-und-g/

1978 besuchte Brasiliens Militärdiktator Ernesto Geisel die Bundesrepublik Deutschland – in einer Tischrede lobte Bundeskanzler Helmut Schmidt(SPD) die “Konvergenz der Ziele” und die “Übereinstimmung der Werte” der sozialliberalen Bundesregierung und der brasilianischen Militärdiktatur. Beide Seiten hätten die gleichen Grundkonzeptionen über die Gesellschaft.“Mit Brasilien hatten wir nie Interessenunterschiede oder Divergenzen im Nord-Süd-Dialog”. 

“Konvergenz der Ziele, Übereinstimmung der Werte”, gleiche Grundkonzeptionen über die Gesellschaft – diese Bewertungen von Helmut Schmidt sind politisch und zeitgeschichtlich brisant. Immerhin handelt es sich bei ihm um eine Führungsfigur, ein Idol der deutschen Sozialdemokratie – bei General Geisel indessen um einen Folterdiktator. In Geisels Amtszeit (1974-1979) war u.a. 1975 der sehr bekannte jüdische TV-Direktor, Journalist, Dramaturg und Professor Vladimir Herzog in einem heute unter Denkmalsschutz stehenden Repressionszentrum Sao Paulos extrem sadistisch totgefoltert worden – von vielen anderen Ermordeten, Verschwundenen ganz zu schweigen.Unterdessen wurde ermittelt, daß unter Geisel gefolterte Regimegegner auch durch Giftspritzen umgebracht wurden, das Militär zahlreiche Oppositionelle außergerichtlich exekutierte.

Die SPD, etwa der jetzige Parteichef Gabriel, haben sich nie vom engen Verhältnis von SPD-Politikern wie Brandt und Schmidt zu Brasiliens Folterdiktatur distanziert…

Wie die von interessierter Seite unterstützte Militärdiktatur Brasiliens Frauen folterte: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/03/26/brasiliens-komplizierte-vergangenheitsbewaltigung-maria-amelia-de-almeida-teles-grauenhaft-gefolterte-regimegnerin-heute-mitglied-der-wahrheitskommission-des-teilstaats-sao-paulo-zur-aufklarung-der/

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Ausriß, deutschstämmiger Folterdiktator Ernesto Geisel des nazistisch-antisemitisch orientierten Militärregimes von Brasilien und Helmut Schmidt 1978 im Bundeskanzleramt von Bonn.

Die Neue Zürcher Zeitung 1994 zum 30. Jahrestag des Militärputsches von 1964:

Exponenten der Diktatur als starke Männer demokratischer Parteien

Politik-und Wirtschaftswissenschaftler sowie die führenden Kommentatoren der Qualitätszeitungen begründen die Rückständigkeit Brasiliens in Artikelserien zum Putschjubiläum unter anderem damit, daß nach 1985 kein echter demokratischer Wandel begann, sondern die Kontinuität gewahrt blieb. Politiker, Bürokraten und Parteien, die die Diktatur aktiv unterstützten, behielten Einfluß und Macht.  Sie gehen heute auch Koalitionen mit einstigen Gegnern ein, was bisweilen irrational erscheint. Erster Zivilpräsident nach dem Generalsregime wurde der frühere Chef der Militärpartei PDS José Sarney. Der derzeitige Finanzminister Fernando Henrique Cardoso, Inhaber des wichtigsten Kabinettsressorts, fungierte damals als Sarneys Interessenvertreter(portugiesisch: „Lider do Governo“) im Senat. Bei der Übernahme des Ministerpostens sagte 1993 das bisher zu den Linksintellektuellen gerechnete Mitglied der Sozialdemokratischen Partei(PSDB):“Vergessen Sie alles, was ich bisher geschrieben habe.“…Führende Intellektuelle, wie etwa der Schriftsteller Antonio Callado, nennen es bezeichnend für Brasiliens Zustand, für fehlende politische Kultur und kollektiven Gedächtnisschwund, daß hohe Amtsinhaber der Diktaturregierungen , die sich damals schamlos bereicherten, heute immer noch zu den wichtigsten Meinungsmachern zählen und ihre Wochenkolumnen auch noch in den Provinzblättern der entlegensten Amazonasregionen erscheinen…Der ehemalige Justizminister Armando Falcao bekommt derzeit nicht weniger Platz  in den Medien für schönfärberische Interpretationen. Seiner Meinung nach begann 1964 eine vom Volk gewollte demokratische Revolution. Exekutionen, Folter, Gewalt und illegale Verhaftungen habe es nicht gegeben, von Diktatur könne keine Rede sein, behauptet er. Der damalige Planungsminister und heutige PPR-Abgeordnete Roberto Campos hebt seinerseits den „triumphalen Erfolg“ des sogenannten „brasilianischen Wunders“ 1968-1973 hervor, als Brasilien jährlich über zehnprozentige Wachstumsraten in der Wirtschaft verzeichnete.  Laut Campos erhöhten sich damals das Pro-Kopf-Einkommen und der Lebensstandard für die gesamte Bevölkerung. Davon kann indessen keine Rede sein; vom „Milagre brasileiro“ profitierten lediglich die Eliten, die Mittelschicht und nur ein Bruchteil der unterprivilegierten Bevölkerungsmehrheit, während die Arbeitslosigkeit erheblich zunahm. Campos verschweigt natürlich auch, daß 1964 Brasiliens Schuldenlast bei nur fünf Milliarden Dollar lag, von den Generalsregierungen aber auf über 100 Milliarden hochgetrieben wurde. Zu den hyperteuren pharaonischen Projekten jener Zeit ist auch das mit der Regierung des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt vereinbarte Nuklearprogramm zu zählen.

Spätfolgen in Mentalität und Psyche

Das autoritäre Regime von 1964 hinterließ in Mentalität und Psyche der Brasilianer tiefe Spuren.  Politische Gefangene wurden damals lebendig den Haien zum Fraß vorgeworfen, Studentenführer zuerst gefoltert und dann vor die Wahl gestellt, entweder zu sterben oder im Fernsehen vorfabrizierte Erklärungen abzugeben. Bis heute fordern Menschenrechtler und Angehörige vergeblich  Aufklärung über die „Verschwundenen“, deren Zahl nicht einmal annähernd bekannt ist.  Aus Angst vor Repressalien gehen wichtige Zeugen barbarischer Diktaturverbrechen nicht an die Öffentlichkeit – schließlich gibt es weiterhin die Todesschwadronen und auch die berüchtigte Militärpolizei, die immer noch nicht auf Folter verzichtet.

Für den Anthropologen Gilberto Velho  resultiert das Ausmaß an Gewalt in der heutigen brasilianischen Gesellschaft unter anderem aus der vom Militärregime entwickelten „Kultur der Brutalität“. Die seinerzeit institutionalisierte Gewalt und Korruption ist nach Darstellung von Rechtsexperten hauptverantwortlich  für die tiefe ethisch-moralische Krise Brasiliens, für den extremen Egoismus, das Fehlen von Solidarität und das Mißtrauen gegenüber den sogenannten demokratischen Institutionen, für die kalte Indifferenz und den Zynismus der Politiker…

Aus Neue Zürcher Zeitung, Brasiliens Last der Militärdiktatur, Klaus Hart, Freitag/Samstag 1./2.April 1994

Wie die Staats-und Regierungskirche  den Verstorbenen bewertet – Hauptpastor Alexander Röder, Hamburg, am 23.11. 2015: “Er ist für sie eine Autorität, ein Vorbild an Gradlinigkeit, Pflichtbewusstsein, Redlichkeit und Mut; Klugheit und Klarheit in seiner Haltung, manchmal auch Kantigkeit und zugleich Bodenständigkeit: So bleibt er in Erinnerung – auch über seinen Tod hinaus.”

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 04. Dezember 2008 um 23:47 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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