Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

50 Jahre Bossa Nova politisch(2) – wie standen die Stars zu Adolf Hitler, den Ultrarechten, zur brasilianischen Militärdiktatur(1964-1985)?

Über 50 Jahre Bossa Nova im Folter-und Scheiterhaufen-Land Brasilien wird aus den bekannten Gründen in Mitteleuropa meist bewußt unpolitisch reflektiert, obwohl der politische Kontext zu den interessantesten, aufschlußreichsten Aspekten gehört.  Gewöhnlich wird ausgeklammert, wo die Stars der Bossa Nova politisch standen, wie sie sich beispielsweise zu Hitler und dem zweiten Weltkrieg, zur 21 Jahre währenden Militärdiktatur Brasiliens sowie generell zur grauenhaften Menschenrechtslage in dem Tropenland, zu den entsetzlichen Sozialkontrasten, zum Massenelend verhielten. Da kommt Desillusionierendes zutage.

Lula war Informant der Diktatur-Geheimpolizei Dops, laut neuem Buch:  http://www.hart-brasilientexte.de/2014/02/12/brasilien-die-folterdiktatur-lula-und-die-arbeiterpartei-pt-rufmord-ein-kapitalverbrechen-buch557-seiten-mit-schweren-vorwurfen-gegen-lula-macht-schlagzeilen/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2012/07/14/brasiliens-nazistisch-antisemitisch-orientierte-militardiktatur-lieferte-waffen-fur-repression-in-chile-laut-jetzt-veroffentlichten-geheimdokumenten-abkommen-von-diktator-medici-mit-pinochet-geschlo/

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Burka, „Girl from Ipanema“, sinnliche Bossa Nova in Itanhaem/Teilstaat Sao Paulo an der Statue von Padre Anchieta. “Garota de Ipanema” mit Tom Jobim und Vinicius Morais:https://www.youtube.com/watch?v=KJzBxJ8ExRk –

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Islamische Frauenunterdrückung, Burka, soziokulturelle Kontraste…

Beispiel Vinicius de Morais –  ein Karrierediplomat und Poet, wichtigster Texter der Bossa Nova, Alkoholiker, Frauenaufreißer. In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zählt Morais zu den führenden Intellektuellen Brasiliens, gehört zur ultrarechten Partei der „Integralistas”, die Beziehungen zur NSDAP pflegt, ein totalitäres Brasilien anstrebt. „Integralistas” gehen mit Gewalt gegen Juden, Schwarze, Ausländer vor. Der brasilianische Bossa-Nova-Experte Ruy Castro erinnert im Website-Interview daran, daß Morais zu Beginn des zweiten Weltkrieges sogar auf seiten der Wehrmacht, Hitlers und dessen Verbündeten stand. ”Das war damals überhaupt kein Geheimnis, alle wußten das. Vinicius de Morais und eine große Zahl von Intellektuellen hatten Sympathien für Mussolini und Hitler. Zu Kriegsbeginn trat Morais für Deutschland ein, wie zahlreiche andere Intellektuelle von den Integralistas, einer brasilianischen Version des Nazismus. Ja, der hatte Sympathien für das nazistische Deutschland, für das faschistische Italien –  ließ sich später aber davon abbringen.”

Das war etwa 1942, als Brasiliens damaliger Diktator, der Hitler-Verehrer und Judenhasser Getulio Vargas, auch auf Druck der USA umschwenkt, um nicht auf der Verliererseite zu stehen. Deutschland wird noch der Krieg erklärt. Vinicius de Morais strebt unter Vargas ein Amt im diplomatischen Dienst an, bewirbt sich 1943 zum ersten Mal im Außenministerium des Diktators, wird 1944 angenommen, bekommt bis 1968 mehrere hohe Auslandsposten.

Auch nach 1945 bleibt Brasilien ein Land mit Sklaverei, extrem archaischen Eliten und Massenelend, wüten auch in den Slums über der Copacabana und über Ipanema Lepra und Tuberkulose. Selbst manchen der betuchten, aus der Mittelschicht  stammenden Bossa-Nova-Musiker in Rios Nobel-Strandvierteln geht daher die strikt kultivierte, sentimentale und realitätsfremde Liebe-Blumen-Meer-Masche relativ rasch auf die Nerven, man vermißt schlichtweg Inhalte. Daher die Spaltung zwischen Politisierten, sozial Engagierten und politisch Indifferenten, zwischen Linken und Rechten. Ruy Castro: „Zur Spaltung kam es, weil einige sich eben für Politik interessierten, und von den anderen, desinteressierten forderten, politisch Position zu beziehen. Doch die wollten weiter nur Musik machen, ihr Künstlerleben  fortsetzen – darunter Tom Jobim, Joao Gilberto, Roberto Menescal. Solche Musiker wurden dann eben als realitätsfremd, oder sogar als rechts eingestuft. Wer sich im Bossa-Nova-Spektrum mit Politik befaßte, waren doch nur zwei oder drei “ wie Carlos Lyra, Sergio Ricardo, Geraldo Vandré. Tom Jobim sagte mal provozierend-spaßig, er gehöre zur Biertisch-Rechten. Texter Vinicius de Morais schuf zwar einige Poesien, die zu Klassikern der Linken wurden “ aber Politik mochte er im Grunde garnicht.”Just 1964, als Brasiliens Elite die Militärs zum Putschen vorschickt, kommt „Garota de Ipanema“ auf den Weltmarkt, mit dem bekannten Erfolg, hilft mit, den Diktatur-Horror Brasiliens garnicht so schlimm aussehen zu lassen. Die Militärs verhaften, foltern, lassen Ungezählte „verschwinden”. Bei Rio werden politische Häftlinge den Haien lebendig zum Fraß vorgeworfen. Wer es wissen will, erfährt es auch. 1975 wird mit den Diktatoren der deutsch-brasilianische Atomvertrag geschlossen. Die Realitätsfremden, Apolitischen halten sich weiterhin heraus –  wenigstens ein kleines Häuflein der Bossa-Nova-Szene komponiert Protestlieder, geht damit auf die Straße. Joao Gilberto lebt inzwischen in den USA –  ein Jahr nach dem Militärputsch besucht er Brasilien. Jene neue „Musica do Protesto” interessiert ihn überhaupt nicht, er nennt sie „bobagem demagogico”, demagogische Dummheit. Experte Ruy Castro bestätigts: ”Ja, exakt so war das “ und nicht nur er, viele Leute dachten so. Diese Protestmusik wirkte tatsächlich eher künstlich, die konnte man einfach nicht ernst nehmen. Joao Gilberto mochte sie überhaupt nicht.” Den Gegenpol bildet Bossa-Nova-Star Carlos Lyra, Exponent des linken Lagers.”In Wahrheit war ich der einzige Linke in der Bossa Nova –  der Rest war garnichts, oder eben rechts. Ich hielt es für  Feigheit, keinerlei Position gegen das Militärregime zu beziehen. Diese Leute dachten, wenn ich mich engagiere, könnte ich ja bestraft werden “ also halte ich mich lieber raus. Rios Strand-Südzone war die Region der Mittelschicht, die völlig mit der Diktatur übereinstimmte, war ein Bollwerk der Rechten oder der Realitätsfremden. Alle total zufrieden mit der Diktatur! Und in dieser Südzone lebten ja die großen Namen der Bossa Nova “ alle entfremdet! Es gab die Biertisch-Linke, die nur vor den Frauen angeben wollte “ aber nichts tat gegen das Regime, gar keine politischen Überzeugungen hatte. Ich gehörte damals zu den organisierten Diktaturgegnern, wir haben sogar die Guerillha unterstützt.”

Ruy Castros Empfehlung:Das beste Produkt der Bossa Nova, für meinen persönlichen Geschmack, ist `Maria Ninguem` von Carlos Lyra, gesungen von Brigit Bardot.

Indessen – alles kein Vergleich mit der musikalischen, textlichen Dichte und Tiefe eines Chico Buarque. Eine Brasilianerin Sao Paulos enthusiastisch über Chico: „Ele é  Bossa Nova!“

http://www.folker.de/200805/07bossanova.htm

Hintergrund:

 –Brasilienklischees sind Diktaturprodukt”
Brasiliens Kommentatoren erinnern  auch daran: Jenes Klischeebild Brasiliens als Land von Samba, Karneval, Fußball, unbändiger Lebensfreude und Rassendemokratie wurde kurioserweise von Diktator Getulio Vargas, einem Hitlerverehrer und Judenhasser, in den dreißiger und vierziger Jahren produziert, wurde Teil der Auslandspropaganda. Diogo Mainardi, provokanter Kolumnist des führenden Nachrichtenmagazins „Veja”, formuliert es so:”D e r Brasilianer existiert gar nicht, ist eine Täuschung, eine Lüge. Wer den Typus des Brasilianers erfunden hat, war die Getulio-Diktatur. Die erfand eine Rasse, glorifizierte die Mischung zwischen Weißen, Schwarzen und Indianern –  Frucht einer kollektiven Vergewaltigung. Erfunden wurden Mythen, der Fußball, der Karneval, die Populärmusik. Die Getulio-Diktatur erfand d e n Brasilianer, um ihn besser beherrschen zu können.” Mussolinis Italien, aber auch Hitlers Deutschland seien hier vorbeigekommen, es habe ein „ambiente goebbeliano” gegeben. „Der Unterschied ist, daß sich Italien und Deutschland von jenem sechzig Jahre zurückliegenden totalitären Diskurs befreit haben. In Brasilien wird er gleich fortgesetzt, werden Ideen von 1930 wiedergekäut. Die großen Namen unserer Intelligentsia und unserer Kultur sind jene alten Kollaborateure der Getulio-Diktatur, die mitgeholfen haben, jenes Image vom Brasilianer zu schmieden.” Diogo Mainardi nennt Namen wie Architekt Oscar Niemeyer, Lucio Costa, Gilberto Freyre und Vinicius de Morais. „Getulio Vargas wußte, daß man am besten mit Künstlern und Intellektuellen fertig wurde, wenn man ihnen einen Job verschaffte.”

Hintergrund zur Vargas-Ära, Neonazismus und Antisemitismus in Brasilien:

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/05/28/o-antisemitismo-nas-americas-der-antisemitismus-in-amerika-738-seiten-98-real-das-neue-werk-von-brasiliens-fuhrender-antisemitismus-expertin-maria-luiza-tucci-carneiro-diesmal-herausgeberin/#more-594

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/03/05/die-wirklichen-stars-der-musica-popular-brasileira-in-deutschland-fast-unbekannt/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/22/kulturminister-gilberto-gils-amtszeit-eine-grausige-bilanz-fur-brasilien/

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 24. Juli 2008 um 15:02 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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