Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Rio+20. ARD-Monitor:“Versklavt und vertrieben. Die Verlierer des Biosprit-Booms“. TV-Film anklicken. Die Rolle der deutschen Banken in Brasiliens Zuckerrohrbranche. Warum Lula-Rousseff soviel Lob aus Europa bekommen. Wirtschaft und Ethik, fehlende Positionierungen von Merkel, Gauck etc…

http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2008/0612/biosprit.php5

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/26/dieser-weltmarkt-heute-will-garnicht-wissen-ob-das-zuckerrohr-von-sklavenarbeitern-geerntet-wurde-ob-man-die-plantagen-umweltfeindlich-abfackelte-mario-mantovani-prasident-der-renommierten-umw/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/09/02/das-dieser-boom-auf-kosten-des-amazonas-regenwaldes-gehthalten-die-experten-fur-ausgeschlossen-das-handelsblatt-uber-eine-experten-diskussion-uber-zuckerrohr-ethanol-am-rande-der-deutsch-bra/

HSBC, Finanznachrichten: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/01/anlegerfernsehen-die-sicht-der-anderen-auf-brasilien-anklicken/

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/09/28/multis-der-ersten-welt-verlagern-produktion-zunehmend-nach-brasilien-melden-landesmedien-billigstlohne-soziale-minimalstandards-und-zahme-gewerkschaften-sind-hauptvorteil-multis-aus-deutschland/

hhttp://www.hart-brasilientexte.de/2011/02/02/brasiliens-rousseff-regierung-will-etwa-50-atomkraftwerke-bauen-anti-atom-filmfestival-in-rio-de-janeiro-und-sao-paulo-von-norbert-suchanek-organisiert/

“Biosprit” und die Selbstverbrennung von Francelmo 

2005 verbrennt sich Francisco Anselmo de Barros, genannt Francelmo, selbst, um ein Zeichen gegen die immer brutalere Umwelt-und Naturvernichtung in Brasilien zu setzen. Francelmo ist einer der wichtigsten, bekanntesten Umweltaktivisten des Tropenlandes. Direkter Anlaß seines Protests ist die Ausweitung der Ethanolproduktion auf Kosten der Natur.Unter der Lula-Regierung erklärt Francelmo, „in Umweltfragen werden wir heute hintergangen durch Interessen schlechter Politiker, schlechter Unternehmer. In Bezug auf Brasilien sehen wir, wie das Schiff untergeht – doch niemand sagt etwas dagegen. In den Süden werden genmanipulierte Pflanzen eingeschmuggelt – und die Regierung unterstützt das. Brandrodungen in Amazonien – die Regierung ist unempfindlich, gleichmütig.  Es gibt Leute mit Landbesitz so groß wie ein Teilstaat – und es gibt die Landlosen. Der Rio Sao Francisco wird umgeleitet, statt ihn zu revitalisieren.“ Brasiliens Umweltministerin Marina Silva gehört einer großen Wunderheilersekte an – die Resultate von Silvas Politik sieht, spürt man in Amazonien genauso wie in Sao Paulo. Europäische Alibi-Umwelt-und Menschenrechtsorganisationen, die der Öffentlichkeit vorgaukeln sollen, daß sich jemand für Natur und Bürgerrechte engagiert, belassen es wie im Falle der Selbstverbrennung Francelmos gewöhnlich bei Alibi-Erklärungen – echte, wirksame Aktionen werden, weil unerwünscht, unterlassen. Wie es um Deutschlands Natur, die biologische Vielfalt, die Artenentwicklung und den Schutz der Landschaften dank des „Engagements“ dieser teils hoch gesponserten Alibi-Organisationen steht, zeigen die Fakten überdeutlich. Und daher ist auch Francelmo in Europa so gut wie unbekannt, wird sein Name, sein Protest in der Diskussion um „Todes-Sprit“ (Frei Betto) nur selten erwähnt. „Menschen ernähren, nicht Autos“, fordern hunderte Umweltgruppen Lateinamerikas, zudem einen EU-Verzicht auf Agrotreibstoffe wie Ethanol.  Doch Wirtschaftsinteressen von Minoritäten setzen sich durch – mehr Autos, mehr Agrotreibstoffe statt Schutz von Umwelt und Gesundheit.

Francelmo setzte sich auch für den bedrohten Nordost-Strom Rio Sao Francisco ein – 2005, im Jahr der Selbstverbrennung, startet dort Bischof Luiz Flavio Cappio seinen ersten Hungerstreik gegen jenes gigantische Umleitungsprojekt der Regierung.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/wissenschaft/1375344/

http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/210563/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/28/lulas-einkommen-allein-als-ehrenprasident-der-arbeiterpartei-aufschlusreich-ist-der-vergleich-mit-dem-brasilianischen-mindestlohn-den-satzen-von-bolsa-familia-den-arbeiter-durchschnittslohnen/

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/01/27/brasiliens-neue-menschenrechtsministerin-maria-do-rosario-definiert-das-tropenland-als-folterstaat-laut-landesmedieno-brasil-reconhece-a-existencia-e-a-presenca-da-tortura/

Brasiliens Kirche appelliert an Europas Christen: Schweigt nicht zu diesen Zuständen hier. Hintergrund von 2008

Sklavenarbeit, Umweltvernichtung, teure Nahrungsmittel und Misere in Brasilien – für volle Auto-Tanks in europäischen Staaten wie Deutschland? Die katholische Kirche des Tropenlandes hat jetzt an die deutschen Gläubigen appelliert, zu den unmenschlichen Bedingungen bei der Erzeugung des Kraftstoffs Ethanol aus Zuckerrohr nicht zu schweigen. Padre Antonio Garcia Peres, Generalsekretär der brasilianischen Wanderarbeiter-Seelsorge, sagte, die deutschen Kirchen müßten die Öffentlichkeit über die gravierenden Hintergründe und Folgen der Ethanolproduktion aufklären, vor allem brutale Menschenrechtsverletzungen  sowie Umweltzerstörung anprangern. Padre Peres lebt, arbeitet seit vielen Jahren nahe der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo mitten in einer traditionellen Landwirtschaftsregion. „Die Böden im Teilstaat Sao Paulo zählen zu den fruchtbarsten der Erde – deshalb wurden hier früher alle wichtigen Grundnahrungsmittel, von Bohnen bis Reis, Getreide aller Art, angebaut. Wenn ich mich jetzt umschaue – ein wahrer Ozean von Zuckerrohr zur Ethanolerzeugung. Es ist der reine Wahnsinn – pure Geld-und Profitgier hat diesen absolut verrückten Ethanolboom ausgelöst, das muß man entlarven!“ Durch die Ethanolproduktion werde die Nahrungserzeugung stark reduziert, erhöhten sich die Lebensmittelpreise. In Sao Paulo, Brasiliens größter Stadt, seien schwarze Bohnen, ein wichtiges, sehr nährstoffhaltiges Grundnahrungsmittel im Lande, in den letzten zwölf Monaten um 168 Prozent verteuert worden. Mit  zunehmenden Ethanolexporten  auch nach Deutschland  werde all diese negative Entwicklung weiter forciert.

Ist das die einsame Position eines Provinzpadres, der die Welt, die neuen Zeiten nicht mehr versteht? Schließlich rühmt auch Deutschlands Wirtschaft jenes Ethanol als „Biosprit“, als sauber, umweltfreundlich, fortschrittlich. Padre Peres ist längst gefragter Experte, reist häufig in europäische Länder, wird von Nichtregierungsorganisationen ebenso wie von der UNO regelmäßig konsultiert. Nicht zufällig nennt diese die Erzeugung von Agro-Treibstoffen sogar „ein Verbrechen gegen die Menschheit“ – Lateinamerika werde ebenfalls von der neuen, weltweiten Hunger-und Nahrungsmittelkrise erfaßt.  Padre Peres hat die gesamte Bischofskonferenz Brasiliens hinter sich, arbeitet eng mit kirchlichen, nicht-kirchlichen Umwelt-und Menschenrechtsaktivisten zusammen. Und beruft sich stets auf Jesus Christus: „Er hat uns gelehrt, brüderlich zu handeln, für christliche Werte zu kämpfen. Kirche darf nicht heißen, nur Gottesdienste zu zelebrieren, eine leere Spiritualität zu predigen. Echter Glaube zeigt sich in der täglichen Praxis! Deshalb darf die Kirche jetzt Jesus Christus nicht verraten, darf nicht mithelfen, diese unerträglichen Zustände zu verstecken oder zu bemänteln, sondern muß ganz im Sinne von Jesus klar Position beziehen, muß informieren und hinterfragen, hat dort in Deutschland jetzt eine ganz wichtige Rolle.“ Vor dem Hintergrund der Nahrungskrise müßten die Kirchen zudem ein weltweites Netz der Solidarität knüpfen, auf die Einhaltung der Menschenrechte dringen. „Die Wohnlager der Zuckerrohrarbeiter erinnern mich an deutsche KZs – nur durch abstoßendes, inhumanes Sozialdumping sind brasilianisches Ethanol, brasilianischer Zucker auf dem Weltmarkt so billig!“

Padre Peres beobachtet, wie nicht nur im Teilstaate Sao Paulo mit seinen deutschen Auto-Multis von VW bis Mercedes-Benz europäische, darunter deutsche Investoren Milliarden Euro in die Ethanolerzeugung stecken. „Pflegt man in Deutschland nicht diesen wunderschönen Diskurs von der sozialen Verpflichtung des Eigentums, vom Wert des human factor – vergißt das aber in Brasilien?“, fragt er ironisch. Und richtet auch an die Investoren einen Appell:“Sie dürfen nicht nur auf rasche Superprofite schauen, sondern müssen hier beim Respektieren von Menschenrechtsnormen und Sozialstandards ein Beispiel geben! Mit Menschenleben darf man nicht spielen – Investoren sollten sich nicht zu Komplizen skandalöser Zustände machen!“

Brasilien ist die zehntgrößte Wirtschaftsnation, Sao Paulo ihr reichster , ökonomisch führender Teilstaat. „Und dennoch verdeckte Sklaverei, viele Arbeiter sterben vor Erschöpfung!“ Kaum zu fassen, aber Zuckerrohrarbeiter auf den endlosen Plantagen verdienen monatlich allerhöchstens umgerechnet etwa 300 Euro. Wer als Zuckerrohrschneider mit dem schweren Haumesser pro Tag nicht mindestens acht Tonnen schafft, fliegt raus. Immer mehr Arbeiter nehmen deshalb harte Drogen wie Crack, um durchzuhalten, die körperlichen Schmerzen zu ertragen. „Das sind bitterarme, häufig schlecht ernährte Wanderarbeiter aus dem tausende Kilometer entfernten Nordosten – man braucht sich nur vorzustellen, wie die am Ende des Arbeitstages aussehen – fix und fertig!“ Unter den Zuckerrohrplantagen liegt das bis Argentinien reichende, weltgrößte Süßwasservorkommen. „Das wird durch den massiven Pestizideinsatz kontaminiert.“

Über dreitausend Kilometer von Padre Peres entfernt, fordert in Amazonien der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler sogar einen Stopp für weitere Zuckerrohrplantagen, kritisiert den Ethanolboom ebenfalls scharf. „Wer im Weg ist, wird erschossen“, sagt Kräutler zu den vielen Morden an Umwelt-und Menschenrechtsaktivisten, die sich den Vernichtern der Schöpfung in den Weg stellten. Der Bischof selbst überlebte Attentate, ist von Mord bedroht, wird rund um die Uhr durch Polizisten bewacht. Daß man in Europa meist so gleichgültig gegenüber den Zuständen in Lateinamerika ist, erbittert ihn. „Es ist kurzsichtig zu sagen, damit habe ich nichts zu tun! Wir sind in einer einzigen Welt. Wir tragen auch Verantwortung für andere Teile der Welt und die Menschen, die dort leben. Gerechtigkeit heißt, daß wir uns gerade für diese Völker, die heute im Abseits stehen, einsetzen – und das ist auch Aufgabe der Kirche. Profitgier zerstört Amazonien!“

Aber was stimmt denn nun? Deutsche Politiker, deutsche Wirtschaftsexperten sagen doch immer, die Ethanolproduktion schädige Brasiliens Regenwälder nicht, in Amazonien wachse gar kein Zuckerrohr, nur viel weiter südlich – und Brasiliens Staatschef Lula sagt das auch. Der französische Menschenrechtsanwalt und Franziskaner Xavier Plassat, der in Brasilien die Anti-Sklaverei-Aktionen der Bischofskonferenz leitet, widerspricht  diesen „Experten“ und auch Lula:“Das ist die Unwahrheit. Lula sagte all dies in Europa just an dem Tag, als auf einer Zuckerrohrplantage in Amazonien über eintausend Sklavenarbeiter befreit worden sind! Ein alter Hut, daß in vier Amazonas-Teilstaaten seit Jahren Zuckerrohr angebaut wird!“

Moment mal: Sagen nicht Lula, seine zu einer Wunderheilersekte zählende Umweltministerin Marina Silva, zudem europäische Politiker nicht immer, Ethanol-Treibstoff werde nachhaltig erzeugt, europäische Nachhaltigkeitskriterien für den Ethanol-Import würden bereits erfüllt? „Allein der massive Einsatz von Sklavenarbeitern bei der Ethanolerzeugung beweist, daß von Nachhaltigkeit keine Rede sein kann“, betont Padre Antonio Canuto, Generalsekretär der bischöflichen Landpastoral (CPT). „Wenn unsere Ministerin Marina Silva der deutschen Seite erklärt, daß die Ethanolproduktion weder zu Lasten des Regenwaldes noch der Nahrungserzeugung gehe, sagt sie nicht die Wahrheit!“ Roberto Malvezzi, Umweltexperte der Bischofskonferenz und Misereor-Partner, ist gerade von einer Vortragsreise durch Deutschland zurückgekehrt, stimmt im Interview Padre Canuto zu, weist auf die grauenhafte Ausbeutung ungezählter Sklavenarbeiter. „Der Zuckerrohranbau zerstört nicht nur Amazonien, sondern auch unsere wertvollen Savannenregionen und das Pantanal!“ In dieses tierreichste Feuchtgebiet der Erde reisen auch viele europäische Touristen – manche bemerken, wie man auch das zerstört. Dort hatte sich bereits 2005 der bekannte brasilianische Umweltaktivist Francisco Barros aus Protest gegen die forcierte naturvernichtende Ethanolproduktion selbst verbrannt.

Hintergrund:

Fünf Schritte zurück

NGOs protestieren gegen die Schlußdokumente der „Rio + 5″-Konferenz

Vom 13.-19.3. tagte der Earth Council unter dem Titel „Rio+5″ in Rio de Janeiro. Eingeladen waren dazu VertreterInnen von NGOs, Privatwirtschaft, Gewerkschaften, Frauen, indigenen Völkern, Landwirtschaft, Wissenschaft sowie von Regierungen und UN-Organisationen. Die Konferenz diente der Vorbereitung der Sondergeneralversammlung der UNO, die im Juni 1997 in New York stattfinden und die Umsetzung der Rio-Beschlüsse von 1992 unter die Lupe nehmen wird.

Am Ende der internationalen Konferenz, die eine Woche lang am Zuckerhut über Fortschritte und Rückschläge seit dem UN-Umweltgipfel von 1992 beriet, kam es zum Eklat: Vor Weltbankberater Maurice Strong, der die damalige wie die jetzige Veranstaltung leitete, protestierten NGO-VertreterInnen lautstark gegen die Schlußdokumente und zerrissen sie.
Die Papiere enthielten die offiziellen Empfehlungen für die Vereinten Nationen – erarbeitet in einjährigen Konsultationen mit Regierungen, Unternehmen, Banken, Experten und den NGOs und verfeinert auf der „Rio+5″-Konferenz. Die regierungsunabhängigen Organisationen und selbst der Vertreter der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika betonten, die Empfehlungen seien zu allgemein, zudem oberflächlich und die hochinteressanten Workshop-Resultate von „Rio+5″ habe man schlichtweg unterschlagen.
Liszt Vieira, Präsident des Instituts für Ökologie und Entwicklung und einer der führenden Unweltexperten Brasiliens kommentierte: „Die Kritik am Welthandel, an Marktwirtschaft, Globalisierung und zerstörerischer Landwirtschaft tauchte in den Schlußdokumenten nicht mehr auf. In den Workshops dominierten die Positionen der Zivilgesellschaft und der NGOs – in den Empfehlungen dagegen jene von Maurice Strong, den Regierungen und Unternehmern. `Rio+5` endete schlecht.“ Laut Vieira mußte Strong jedoch nachgeben und die Dokumente zurückziehen, was für die gewachsene Stärke der Zivilgesellschaft und der regierungsunabhängigen Organisationen spreche.

Ignoranz der Presse

Auf dem Gipfel 1992 standen Staatschefs und Minister im Rampenlicht – aus ihren Versprechen und Absichtserklärungen schlossen viele, daß auf dem Erdball nun unwiderruflich die Ära der nachhaltigen Entwicklung begonnen habe. Selbst Strong mußte nunmehr auf der „Rio+5″-Konferenz einräumen, daß die Regierungen im Gegensatz zu den NGOs ihre Zusagen von damals nicht einhielten. So steht Gastgeberland Brasilien weiterhin an der Spitze der waldvernichtenden Staaten.
Die internationalen NGOs veranstalteten 1992 etwa dreißig Kilomenter vom eigentlichen Umweltgipfel entfernt, ihren Alternativgipfel „Global Forum“, wurden von den Medien belächelt, kaum ernstgenommen. Auf der „Rio + 5″-Konferenz waren die „Regierungsunabhängigen“ stark vertreten, sie mußten daher gehört werden. Indessen fuhren die großen privaten Weltmedien ebenso wie die Presse Brasiliens einen sehr ähnlichen Kurs wie 1992: Gerade bei den komplexen Diskussionen und der Vorstellung der Workshopberichte waren ReporterInnen und marktbeherrschende internationale Nachrichtenagenturen nicht präsent, wurde somit nichts übermittelt. Damit entstand auch bei der europäischen Presse der Eindruck, „Rio+5″ sei ein unwichtiges, uninteressantes Ereignis. Volle Pressekkonferenzen hatten nur Prominente wie Michail Gorbatschow oder Weltbankpräsident James Wolfensohn, die indessen nur hinlänglich Bekanntes äußerten.

Der Gang in die falsche Richtung

Die Standpunkte der NGOs lassen sich wie folgt zusammenfassen: Umweltschonende, nachhaltige Entwicklung auf dem Erdball wird ihrer Ansicht nach durch die heute vorherrschenden globalen Wirtschaftsstrukturen keineswegs gefördert, sondern vielmehr verhindert. In der Dritten Welt getätigte Investitionen bedeuteten eine Art neuer Kolonialisierung und schafften vor Ort ein Machtungleichgewicht. Dies insbesondere dadurch, daß sich die Industrien über die lokale Bevölkerung hinwegsetzten und die multinationalen Unternehmen über ihre weltweiten Aktivitäten nicht ausreichend Rechenschaft ablegten.
Zwar würden die regierungsunabhängigen Organisationen mittlerweile von Regierungen und der Wirtschaft tatsächlich mehr konsultiert, doch ihre Vorschläge und Projektideen dann oft nicht im geringsten berücksichtigt. Globale Entscheidungen, wie beispielsweise die durch die Welthandelsorganisation (WHO) getroffenen, führten in die falsche Richtung: Den Lebens-, Konsum-, und Produktionsstil des Nordens zu globalisieren sei ökologisch nicht tragbar. Pervers sei deshalb, von den Ländern des Südens zu verlangen, ihn zu kopieren – letztlich nur mit dem Zweck, dem Norden neue Absatzmärkte zu verschaffen. Den Regierungen fehle es schließlich am politischen Willen und Interesse, das ökologisch Notwendige zu tun.
Als Beweis letzterer These diente zuletzt eine Äußerung des bei den Regierungen der Ersten Welt hochangesehenen brasilianischen Staatschefs Fernando Henrique Cardoso: Vor den über 500 KonferenzteilnehmerInnen erklärte er, man sei durch Satellitenaufnahmen über Abholzung und Brandrodung in Amazonien detailliert informiert. Indessen sehe sich die brasilianische Regierung einfach nicht in der Lage, diese zu stoppen. Der Umweltaktivist Vieira bemerkte dazu nur, diese Äußerung werde Cardoso noch „teuer zu stehen kommen“.
Denn nicht nur Brasiliens NGOs halten Cardosos Argument für unsinnig, wonach in den Amazonasregionen der Staat fast nicht präsent sei und die Kontrollinstanzen unfähig seien, den Gesetzen Achtung zu verschaffen. Vielmehr sind in den betreffenden Teilstaaten politische Bündnispartner des Staatschefs am Ruder, die Interessen von Großgrundbesitzern und Holzfirmen vertreten. An Streitkräften, Polizei und Justiz, Umweltschutzbehörden sowie an Finanzmitteln fehlt es nicht. Brasilien ist schließlich die zehntgrößte Wirtschaftsnation und das Land gilt bei Investoren als großer Wachstumsmarkt – deutsche multinationale Unternehmen erbringen etwa 15 Prozent der gesamten Industrieproduktion.

Draußen das Terrorregime

Im noblen Sheraton-Hotel machte sich die Konferenz im Umweltkontext auch für die Menschenrechte stark. Nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte seien untrennbar miteinander verbunden. Draußen, in den angrenzenden Slums, wurden sie unterdessen auf barbarische Weise verletzt: Todesschwadrone und das organisierte Verbrechen hielten ihr Terrorregime aufrecht. An jedem Konferenztag berichteten die Zeitungen darüber – zum Teil mit Großfotos über Geköpfte und lebendig Verbrannte.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 02. Februar 2011 um 19:37 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Naturschutz, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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