Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien: Neue Straßenproteste der seit über zwei Monaten streikenden Lehrer von Rio de Janeiro. Universitätsstudenten von Sao Paulo blockieren City-Avenidas bei Protesten. Blutige Gefangenenrebellion mit vielen Toten in Sao Luis. Wegen fehlender Trinkwasserversorgung Busse in Sao Paulo in Brand gesteckt. Frankfurter Buchmesse 2013.

http://oglobo.globo.com/rio/sepe-mantem-greve-diz-que-defende-black-blocs-de-acoes-violentas-da-policia-10309537

Unterdessen ist das Polizeiaufgebot selbst bei kleinen Demonstrationen in Städten wie Sao Paulo so gewaltig, daß dies immer mehr Brasilianer vom Protestieren abhält. Nicht selten sind Demonstranten von einem Mehrfachen an Polizeibeamten umzingelt.

http://g1.globo.com/rio-de-janeiro/noticia/2013/10/apos-reuniao-com-beltrame-ministra-evita-protesto-de-professores-no-rio.html

protestefuckfifa.jpg

„Fuck FIFA“. Sao Paulo, Avenida Paulista, MASP.   http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/27/brasilien-systemkritikerproteste-2013-wo-ist-lula-schweigen-des-ex-prasidenten-zur-protestwelle-fallt-auf-erstmals-proteste-vor-seinem-wohnhaus-viel-lob-aus-mitteleuropa-fur-lulas-politik-an/

Im deutschsprachigen Mainstream wird indessen derzeit behauptet, die Protestbewegung sei abgeflaut, die Luft sei raus. Daß es landesweit tagtäglich zahllose dezentrale Straßenproteste gibt, bleibt unerwähnt. In Mega-Städten wie Sao Paulo reiht sich an manchen Tagen von frühmorgens bis in die Nacht eine Protestaktion an die andere. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/08/brasiliens-systemkritikerproteste-2013-wieder-kundgebungen-der-streikenden-lehrer-von-rio-de-janeiro-citystrasen-besetzt/

Katholiken massiv bei Straßenprotesten

„Machtarroganz der Regierenden unerträglich“/ staatliche Einschüchterungsstrategien

Tief über den Köpfen der Gläubigen vor Sao Paulos Kathedrale hat die Militärpolizei einen Beobachtungshubschrauber postiert – wer da auf der Kundgebung nach dem von Kardinal Odilo Scherer zelebrierten Protestgottesdienst vom Lautsprecherwagen aus Forderungen erhebt, welche Führer der katholischen Sozialpastoralen, Menschenrechtsorganisationen, Oppositionsgruppen mit Demonstranten, gar Journalisten sprechen – alles wird registriert, offenbar fotografiert und  gefilmt, mitgeschnitten. Der Lärm des Helikopters ist barbarisch, weitere kreisen über der City, unten stehen zudem reichlich Militärpolizisten – es bedarf einiger Zivilcourage, auf dermaßen „begleiteten“ katholischen Protestaktionen auszuharren. Die staatlichen Einschüchterungsstrategien wirken – seit dem 13. Juni, als  Massenproteste ausbrachen, wagen sich landesweit deutlich weniger Unzufriedene auf die Straßen.Keine einfache Situation für katholische Bischöfe, Padres und engagierte Laien, deren klare Worte gerade jetzt den verunsicherten Gläubigen besonders willkommen, wichtig  sind. „Es gibt in Brasilien noch soviel Armut und Elend, gesellschaftlichen Ausschluß, soziale Ungerechtigkeit, Korruption“, betont Kardinal Scherer. „Strukturelle Gewalt organisiert sich immer mehr als eine Parallelmacht – die innerhalb des Staates existiert und die Gesellschaft unterdrückt.“

Solche kirchlichen Analysen lassen aufhorchen –  die katholische Jugendpastoral, noch begeistert vom Weltjugendtreffen mit Papst Franziskus in Rio de Janeiro, verkündet ebenfalls überall dort, wo junge Brasilianer protestieren,  eine klare Botschaft. „“Wir kämpfen gegen dieses System, wollen eine freie Gesellschaft, des Respekts und der Menschenwürde“, ruft Stefania Carvalho, Sprecherin der Jugendpastoral in der Erzdiözese Sao Paulo, den Demonstranten zu. Wer die Proteste aus der Nähe beobachtet, mit Führern der Manifestationen spricht, macht interessante Erfahrungen: Denn laut tonangebenden brasilianischen Massenmedien, aber auch staatlichen Stellen, haben inzwischen anarchistische, faschistoide, gewalttätige Gruppierungen, darunter der sogenannte schwarze Block, „Black Bloc“, das Zepter in der Hand, kontrollieren die Demonstrationen, halten friedliche Protestierer  massiv davon ab, in so großer Zahl wie noch unlängst im Juni auf die Straßen zu gehen.

Dies entspricht indessen nicht den Tatsachen: Seit nunmehr 19 Jahren sind die landesweiten Protestzüge des von der katholischen Kirche alljährlich zum September-Nationalfeiertag organisierten „Aufschreis der Ausgeschlossenen“ absolut friedlich und gewaltfrei, Mitglieder des „Black Bloc“ beispielsweise lassen sich dort nicht sehen. Zentrale Massendemonstrationen sind selten geworden – doch vergeht indessen kein Tag, an dem nicht junge Katholiken zu Hunderten, gar Tausenden  überall in den Großstädten  jeweils an vielen Stellen, ihre Forderungen verkünden.

 „Es gibt etwas Neues, die junge Generation Brasiliens ändert ihre Haltung“, sagt Waldemar Rossi, Führer der bischöflichen Arbeiterseelsorge Sao Paulos. „Wir von der Kirche haben diese Jugend seit vielen Jahren auf die gravierenden Probleme hingewiesen – jetzt rebelliert sie überraschend heftig, greift unsere Forderungen auf, stellt sich gegen die Machtarroganz der Regierenden, die das Volk unterdrücken wollen.“

Menschenrechtsaktivist Chico Whitaker, der das Weltsozialforum mitgründete, zur  “Brasilianischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden” der Bischofskonferenz CNBB zählt, freut sich ebenfalls, daß bei den Straßenprotesten nunmehr jahrzehntelange Forderungen der Kirche übernommen  werden. „Das Bildungs-und Gesundheitswesen funktioniert nicht, soziale Ungleichheit und Einkommenskonzentration sind weiter gravierend“, erläutert er in Sao Paulos Kathedrale. Er warnt vor Fehleinschätzungen:“Die meisten Brasilianer haben noch nicht die Courage, auf die Straße zu gehen – der größte Teil kämpft ja ums tägliche Überleben! Das kann sich in Deutschland schwerlich jemand vorstellen.“

Fotoserie – Systemkritikerproteste 2013:  http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/22/brasilien-systemkritikerproteste-2013-eh-dilma-vai-tomando-cu-skandiert-das-menschenmeer-der-avenida-paulista-in-sao-paulo-am-tag-nach-der-tv-ansprache-von-prasidentin-dilma-rousseff/

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag/2160765/

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Ausriß.

“Eine Fußball-WM wird es nicht geben!” Sprechchöre in Rio de Janeiro “Weg mit Cabral, weg mit Paes!”(Gouverneur und Bürgermeister)

Frankfurter Buchmesse 2013 – brasilianische Autoren erklären sich solidarisch mit streikenden Lehrern:  http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/09/frankfurter-buchmesse-2013-luiz-ruffato-klagte-brasilien-an-scheinheilig-ignorant-rassistisch-homosexuellenfeindlich-gewalttatig-und-feige-zu-sein-erhielt-starken-beifall-qualitatszeitung/

http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/09/brasilien-gravierende-menschenrechtslage-uno-experte-paulo-sergio-pinheiro-polizei-foltert-nach-wie-vor-problem-bei-buchmesseeroffnung-in-frankfurt-2013-ausgeklammert/

Slumkinder in Sao Paulo:  http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/28/favelakinder-in-sao-paulo-gesichter-brasiliens/

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http://www.hart-brasilientexte.de/2011/11/27/zdf-adveniat-gottesdienst-in-favela-cachoeirinha-von-sao-paulo-2011-brasiliens-kontraste-fotoserie/

http://www.hart-brasilientexte.de/2013/06/22/brasilien-proteste-2013-tv-ansprache-von-prasidentin-dilma-rousseff-kein-wort-zu-brutalen-polizeieinsatzen-darunter-der-auslosernacht-vom-13-juni-2013-wird-von-kritisiert/

Ermordeter Deutscher in Bahia:  http://www.hart-brasilientexte.de/2013/10/07/brasilien-wo-man-den-2012-in-bahia-ermordeten-deutschen-touristen-steffen-neubert-in-einem-nummerngrab-beerdigte-friedhof-neben-einem-gewaltgepragten-elendsviertel-von-ilheus-wo-neubert-liegt/

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 09. Oktober 2013 um 22:57 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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