Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Ahmadinedschad kommt nicht 2009 – Erleichterung in Brasilia und Washington. „Ah, Ahmadinedschad nao vem – Alá é grande!!!“(Zeitungskarikatur mit Lula auf Gebetsteppich).

Die überraschende Absage bzw. Verschiebung des Ahmadinedschad-Besuchs hat für Erleichterung bis nach Washington gesorgt – die USA-Regierung fürchtete wegen der Visite um die guten Beziehungen zu Brasilia. Dort waren für Mittwoch heftige Zusammenstöße zwischen Anhängern Ahmadinedschads und dessen Gegnern zu erwarten – die jüdische Gemeinde, aber auch Menschenrechtsorganisationen und Kirchen hatten Kundgebungen geplant Bürgerrechtler Brasiliens wollten zudem die Proteste nutzen, um auf Menschenrechtsverletzungen im Tropenland hinzuweisen, darunter auf Folter sowie auf die an Homosexuellen verübten Morde, bei denen Brasilien weltweit an der Spitze steht. Da der Besuch von Ahmadinedschad abgesagt wurde – und nicht von Brasilia - ist gemäß brasilianischen Kommentatoren mit politischem Schaden für die Lula-Regierung zu rechnen.

Der offizielle Brasilienbesuch des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad am 6.Mai hatte in dem Tropenland bereits im Vorfeld zu zahlreichen öffentlichen Protesten geführt. Nach Ahmadinedschads umstrittener Rede auf der Anti-Rassismus-Konferenz in Genf wurde die Lula-Regierung von der jüdischen Gemeinde, Menschenrechtsaktivisten, außenpolitischen Experten sowie den Medien noch heftiger kritisiert “ und bemühte sich daher um Schadensbegrenzung.

Brasilia verteidigt die Einladung mit dem Argument, der Iran sei ein wichtiger Wirtschaftspartner und ein solcher Besuch daher sehr nützlich. Doch die jüdische Gemeinde Brasiliens, die größte in Lateinamerika, lässt dies nicht gelten. Boris Ber, der Präsident der Israelitischen Föderation in Sao Paulo stellt klar: ”Nichts rechtfertigt eine solche Annäherung zwischen der brasilianischen Regierung und Ahmadinedschad, der den Holocaust bestreitet. Die gesamte demokratische Welt kennt heute diesen Mann und weiß um die Atomprojekte, all die Menschenrechtsverletzungen im Iran. Religiöse Minderheiten wie die Bahá ´i werden verfolgt, Gläubige verhaftet und sogar ermordet. Deshalb sind keineswegs nur die Juden der ganzen Welt besorgt, wenn sich jetzt Brasilien und der Iran politisch weiter annähern. Das demokratische Brasilien gilt heute als wichtiges Land, hat eine starke Wirtschaft, will einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Welche Wirkung, welches Echo in der Welt wird daher der Besuch von Ahmadinedschad haben? Mit Sicherheit schadet er Brasilien, kann unsere Beziehungen zu befreundeten Staaten beeinträchtigen.”

Für Boris Ber war absehbar, dass Irans Präsident aus der Visite politisches Kapital schlagen wird -nicht zuletzt in der islamischen Welt. Doch er wird auch jenen radikalislamischen Kräften der starken und einflussreichen arabischen Gemeinde Brasiliens den Rücken stärken, die Ahmadinedschad in Brasilia mit einer großen Kundgebung empfangen wollte. Brasilianische Juden und die Antisemitismusexperten beobachten, wie gerade die Hamas immer aggressiver auftritt, ganz offen zur Zerstörung und Vernichtung Israels aufruft.

Gerade in Parteien und Organisationen des linken Spektrums sowie unter der studentischen Jugend Brasiliens findet die Hamas immer mehr Unterstützung. Erst unlängst zeigten sich selbst die israelische Regierung und das Simon-Wiesenthal-Zentrum schockiert, weil Brasilia und auch Lulas Arbeiterpartei(PT) erstmals Tel Aviv Staatsterrorismus vorwarfen und die israelischen Militäraktionen in Gaza mit dem Vorgehen der Hitler-Wehrmacht verglichen. Auf einer Kundgebung mit starker Hamas-Beteiligung in Sao Paulo sagte Valter Pomar, PT-Sekretär für internationale Beziehungen und zudem einer der führenden Parteiintellektuellen: „Israel betreibt Ausrottungspraktiken wie der Nazismus “ da wird ein ganzes Volk liquidiert. Wir stehen hinter der palästinensischen Sache.“ Auch Irans Präsident argumentiert auf dieser Linie. Boris Ber von der Israelitischen Föderation bemerkt keineswegs nur in Brasilien zunehmenden Judenhass: ”Unglücklicherweise ist der Antisemitismus mit aller Macht wieder da und wächst stark an. Gewöhnlich tarnt er sich als Antizionismus, als Hass auf Israel. Wir haben alles getan, damit der Nahostkonflikt nicht nach Brasilien importiert wird. Doch jetzt bringt ausgerechnet Ahmadinedschad diesen Konflikt hierher “ und macht unsere ganze Arbeit zunichte. Die Warnungen des früheren brasilianischen Außenministers Luiz Felipe Lampreia sind daher von größtem Wert.”

Lampreia hatte Lula öffentlich geraten, die Visite abzusagen, weil es sich beim iranischen Präsidenten um einen der „gefährlichsten Akteure der internationalen Szenerie” handele. Ahmadinedschad praktiziere Rassendiskriminierung, religiöse Verfolgung, agiere aggressiv. „Wie will Lula der Weltgemeinschaft die Präsenz eines Mannes in Brasilien plausibel machen, der Werte und Maßnahmen verkündet, die unseren völlig entgegengesetzt sind?”, fragte Ex-Außenminister Lampreia “ und sagt ebenfalls politischen Schaden für Brasilien voraus. Roberto Abdenur, früherer Botschafter Brasiliens in Deutschland sowie ehemaliger Exekutivsekretär des brasilianischen Außenministeriums, nannte die Einladung an Ahmadinedschad auch wegen Teherans zweifelhaftem Atomprogramm einen „schweren Fehler”. Brasilia müsse ernsthaft, objektiv und pragmatisch auftreten “ dürfe in Bezug auf den Nahostkonflikt seine Glaubwürdigkeit nicht untergraben. Jüngste Erklärungen zu den Militäraktionen Israels zeigten jedoch die fehlende Neutralität Brasilias.

Wie durchsickerte, bestehen in der Lula-Regierung, besonders im Außenministerium, gegensätzliche Auffassungen über den Besuch. So zitierten die Medien einen Diplomaten, der angeregt habe, zum Iran die gleiche Art von Beziehungen zu pflegen wie die USA zu China: „Starke wirtschaftliche Zusammenarbeit und politische Distanz”. Pressekommentatoren empfehlen Lula, so wie die argentinische Regierung zu handeln, die jeglichen direkten Kontakt mit Ahmadinedschad ablehne, weil dieser islamische Terroristen schütze und nicht ausliefere. Die Generalstaatsanwaltschaft Argentiniens hatte 2006 Anklage in Abwesenheit gegen sechs ranghohe iranische Regierungsvertreter erhoben “ wegen Beteiligung am Attentat von 1994 auf das jüdische Kulturzentrum in Buenos Aires. Damals waren 85 Menschen getötet und 300 weitere verletzt worden.

Die islamische Gemeinde Brasiliens indessen war wegen des Ahmadinedschad-Besuchs in Feierlaune. Ein Sprecher der iranischen Botschaft in Brasilia wies letzte Woche auf „viele Gemeinsamkeiten” mit Brasilien. „Deshalb sollen mit dieser Visite die bilateralen Beziehungen noch enger gestaltet werden. Dass sich beide Länder weiter annähern, ist sehr positiv “ und das sollte man gebührend feiern.” Der iranische Präsident reise mit einer großen Wirtschaftsdelegation an, weil zahlreiche Kooperationsvereinbarungen geplant seien. Als Schwerpunkte wurden der Industrie- und Technologiesektor, die Erz-, Öl- und Gasförderung, Flugzeugbau, Energieerzeugung und finanztechnische Abkommen genannt. Gespräche über Atomenergie seien nicht vorgesehen, wenngleich der Iran angesichts zahlreicher brasilianischer Atomkraftwerksprojekte sowie einer funktionierenden Urananreicherungsanlage entsprechend starke Interessen hegen dürfte. Bislang exportiert Brasilien in den Iran vor allem Agrarprodukte wie Fleisch, Maschinen und Textilien, sind dort inzwischen Firmen unter anderem der Baubranche tätig. Laut Botschaftsangaben sollen neue Kooperationsabkommen dazu dienen, den enormen Handelsbilanzüberschuss Brasiliens zu verringern.

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/05/04/ahmadinedschad-am-mittwoch-bei-lula-juden-kirchen-menschenrechtsorganisationen-homosexuelle-feministinnen23-ngo-protestieren-in-brasilia-fur-einen-antisemitischen-fuhrer-darf-man-keinen-rote/

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 05. Mai 2009 um 17:38 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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