Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien, Lulas Minister: Bereits acht durch Skandale gestürzt – Matilde Ribeiro erwies der Sache der Schwarzen einen schlechten Dienst. Fall Benedita da Silva.

Matilde Ribeiro hatte ihr Amt als Ministerin für die Förderung der Rassengleichheit mit den üblichen Versprechungen begonnen, nutzte gemäß ersten Ermittlungen den Posten  indessen im Vergleich zu anderen Regierungsmitgliedern am kräftigsten für die Anhebung des persönlichen Lebensstandards auf Kosten der Steuerzahler. Im Januar wurde Matilde Ribeiro angesichts der enormen öffentlichen Kritik für Lula unhaltbar und mußte den Rücktritt erklären. Vor der Presse räumte sie zwar Verfehlungen bei der Nutzung einer speziellen Regierungs-Kreditkarte namens Cartao Corporativo ein, zeigte indessen keinerlei Reue. Ob Ferien-Ausgaben oder Käufe im Duty-Free-Shop – Matilde Ribeiro beglich Rechnungen nicht aus ihrem auskömmlichen Ministergehalt, sondern zückte lieber den Cartao Corporativo. Weitere Minister und hohe Regierungsangestellte entgingen nur knapp wegen ähnlicher Praktiken der Entlassung – ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß soll jetzt das ganze Ausmaß des neuesten Regierungsskandals aufdecken. Noch unklar ist, ob auch gegen die zahlreichen Lula-Angehörigen, wie von Rechtsexperten und Medien gefordert, ebenfalls ermittelt werden darf.

Skandale stürzten bereits acht Lula-Minister – Sozialministerin Benedita da Silva machte im Januar 2004 den Anfang. Sie gehört ebenso wie Umweltministerin Marina Silva zu einer Wunderheilersekte und hatte sich einen Sekten-Termin in Buenos Aires aus der Staatskasse, vom Steuerzahler finanzieren lassen. Kurioserweise versuchten Gruppierungen aus Lulas Arbeiterpartei jetzt ausgerechnet Benedita da Silva, die auch wegen ihrer Politik  als Vizegouverneurin Rio de Janeiros einen sehr schlechten Ruf hat, zur Nachfolgerin von Matilde Ribeiro zu machen.

Matilde Ribeiro hatte 2007 durch Äußerungen zum Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen in dem Tropenland einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Denn nach ihrer Ansicht ist es keineswegs Rassismus, wenn sich Schwarze gegen  Weiße auflehnen, gegen Weiße vorgehen. Rassismus von Schwarzen gegen Weiße sei natürlich, sagte sie gegenüber der BBC London.

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/28/abfassen-mit-der-regierungs-kreditkarte-neuer-skandal-um-abzweigung-offentlicher-gelder/

In einem Land mit der nach Nigeria zweitgrößten dunkelhäutigen Bevölkerung des Erdballs haben solche Worte Brisanz, zumal Ministerin Matilde Ribeiro selbst eine Schwarze ist. Großbritannien hatte den Sklavenhandel bereits 1807, vor genau zweihundert Jahren verboten “ in Brasilien wurde die Sklaverei auch auf Druck Londons erst 1888 offiziell abgeschafft. Die BBC wollte deshalb von Ministerin Ribeiro wissen, wie in dem Tropenland heute Sklavennachfahren und Weiße miteinander umgehen, ob es gar Rassismus von Schwarzen gegen Weiße gebe. Solcher Rassismus sei natürlich, antwortete die Ministerin, und machte weitere überraschende Klarstellungen. ”Wenn ein Schwarzer sich gegen einen Weißen auflehnt, gegen einen Weißen vorgeht, ist das kein Rassismus. Diese Reaktion eines Schwarzen, der nicht mit einem Weißen zusammenleben will oder Weiße nicht mag, halte ich für natürlich “ wenngleich ich zu solchen Reaktionen nicht anstachele. Wer immer nur geschlagen, gezüchtigt wurde, ist schließlich nicht verpflichtet, jenen zu mögen, der ihn mißhandelt hat.” Zahlreiche Bürgerrechtler, Politiker sowie Sozialwissenschaftler der führenden Universitäten Brasiliens wollen die Äußerungen der Ministerin nicht hinnehmen. Die allermeisten werfen ihr Anstiftung zum Rassenhaß vor, verlangen die sofortige Absetzung. Oscar Vieira leitet eine Menschenrechtsorganisation und ist gleichzeitig Professor für Verfassungsrecht an der renommierten Getulio-Vargas-Stiftung in Sao Paulo. Für Vieira ist auch juristisch unhaltbar, daß nach Auffassung der Ministerin ein Schwarzer keineswegs rassistisch handelt, wenn er einem Weißen Rechte und Freiheiten nimmt. ”Hier haben wir es ganz eindeutig mit einem Akt des Rassismus zu tun. Jemand hat Vorurteile gegen einen anderen “ und daraus wird eine diskriminierende Aktion, der andere wird nicht mehr respektiert. Es wird verhindert, daß er seine Menschenrechte wahrnimmt. Die Rassenfrage wird zum Hauptelement der Diskriminierung “ das können wir nicht tolerieren. Wenn ein Schwarzer die Rechte eines Weißen just wegen dessen Rasse verletzt, ist dies genauso ein Gesetzesverstoß wie im umgekehrten Falle.” Für den Rechtsprofessor sind die Positionen der Ministerin beklagenswert, außerordentlich problematisch: ”Sie ist eine Autorität der Regierung und soll in unserer Gesellschaft die Rassengleichheit, den Respekt vor den universalen Menschenrechten fördern. Und gleichzeitig mithelfen, rassische Vorurteile abzubauen. Doch stattdessen bewirkt die Ministerin mit solchen Äußerungen genau das Gegenteil, fördert keineswegs die Rassenintegration.” Andere Experten sehen gefährliche Vereinfachungen, Verallgemeinerungen und erinnern daran, daß schwarze Afrikaner, schwarze Brasilianer aktiv am Sklavenhandel, an der Sklaverei teilnahmen. Viele Ex-Sklaven, die sich freikaufen konnten, gingen auf die Menschenmärkte Rio de Janeiros oder Bahias, kauften sich dort Afrikaner, wurden somit zu Sklavenhaltern. Einer der größten Sklavenimporteure Brasiliens war den Angaben zufolge ein Schwarzer. Geschichtsprofessor Manolo Florentino von der Bundesuniversität in Rio zählt in Rassismusfragen zu den renommiertesten Experten Brasiliens. Für ihn verhielt sich die Ministerin rassistisch und müßte vor Gericht gestellt werden. Denn Rassismus sei in Brasilien als Verbrechen definiert und werde mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Die Kongreßabgeordnete Andrea Zito aus Rio argumentiert genauso und hat bei der Bundesjustiz bereits Anzeige gegen die Ministerin gestellt.

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 15. Februar 2008 um 19:10 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

«  –  »

Keine Kommentare »

Noch keine Kommentare

Einen Kommentar hinterlassen

    NEU: Fotoserie Gesichter Brasiliens

    Fotostrecken Wasserfälle Iguacu und Karneval 2008

    23' K23

interessante Links

Seiten

Ressorts

Suchen


RSS-Feeds

Verwaltung

 

© Klaus Hart – Powered by WordPress – Design: Vlad (aka Perun)