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Brasilien, Abfassen mit der Regierungs-Kreditkarte: Neuer Skandal um Abzweigung öffentlicher Gelder

Minister und hohe Parteifunktionäre bereichern sich mit „Cartao Corporativo”

Die Lula-Regierung wird von einem neuen Skandal um die Abzweigung öffentlicher Gelder heimgesucht “ ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß hat bereits die Arbeit aufgenommen. Regierungsmitglieder und sogar hohe Funktionäre der Arbeiterpartei von Staatschef Lula hatten eine spezielle staatliche Kreditkarte immer skrupelloser zur persönlichen Bereicherung sowie für andere illegale Ausgaben benutzt. Skandale dieser Art stürzten bereits acht Lula-Minister.

 Die Kreditkarte namens Cartao corporativo war von der Lula-Regierung an über siebentausend Mitglieder und Angestellte der Regierung vergeben worden und sollte theoretisch nur für kleinere, sporadische Ausgaben in dringenden Fällen benutzt werden. Doch schon nach kurzer Zeit gingen viele Kartenbesitzer dazu über, mittels Cartao corporativo den persönlichen Lebensstandard auf Kosten des Steuerzahlers kräftig anzuheben. Am skrupellosesten war dabei Matilde Ribeiro, Ministerin für die Förderung der Rassengleichheit. Ob Ferienausgaben oder Käufe im Duty-Free-Shop  – Matilde Ribeiro beglich Rechnungen nicht aus ihrem auskömmlichen Ministergehalt, sondern zückte lieber den Cartao corporativo. Das kam schließlich heraus und angesichts der enormen öffentlichen Kritik  wurde sie für Präsident Lula untragbar, mußte vor die Presse:„Ich bekenne mich zu meinen administrativen Verfehlungen bei der Nutzung der Regierungs-Kreditkarte. Angesichts der Fakten, die noch überprüft werden “ und der entsprechenden Konsequenzen für die Regierung, beantrage ich meine Entlassung.”Sportminister Orlando Silva zahlte rasch umgerechnet über 12000 Euro an die Staatskasse zurück und durfte auf seinem Posten bleiben. Erste Ermittlungen und Recherchen der Medien brachten indessen zutage, daß auch die Kreditkarten für Präsident Lula und dessen zahlreiche Angehörigen nicht immer streng nach Vorschrift verwendet wurden. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit, zum Schutze vor Terroranschlägen, so argumentiert Lula, dürfe der parlamentarische Untersuchungsausschuß gegen ihn und seine Familie nicht ermitteln: ”Man muß einfach etwas Vorsicht walten lassen “ damit ein Präsident nicht etwa bei der Morgengymnastik attackiert wird. Man darf nicht offenlegen, wo er einen Wagen gemietet hat und wo seine Body-Guards wohnen. Andernfalls erleichtert man jenen, die Böses im Schilde führen, das Handwerk. Der Untersuchungsausschuß wird die Regierungsarbeit nicht stören, Brasilien muß weiter voranschreiten!”Im Untersuchungsausschuß stellen Kongreßmitglieder seiner Arbeiterpartei die Mehrheit “ und dem Vernehmen nach wurde bereits mit den großen Oppositionsparteien ausgehandelt, die Ermittlungen zu begrenzen. Der Abgeordnete Fernando Gabeira “ zu Diktaturzeiten Stadtguerilleiro und danach im Westberliner Exil –  von den Grünen, die keinen Sitz im Ausschuß erhielten, äußert entsprechende Bedenken: ”Wir sind gegen Abmachungen, die lediglich Dinge verschleiern sollen. Die Ermittlungen dürfen nicht eingeengt werden. Wir sind dagegen, die Ausgaben des Präsidenten und seiner Familie wegen angeblicher Sicherheitsgründe nicht zu untersuchen. Der Präsident sagt, in Brasilien gebe es völlige Transparenz bei Staatsausgaben “ doch wir wissen, daß dies nicht stimmt. Lulas Argument, daß die Terroristen die Zahl seiner Body-Guards erfahren könnten, unterschätzt ja wohl die Terroristen gewaltig.”Fabio Konder Comparato, einer der renommiertesten Rechtsexperten Brasiliens, nennt den Kreditkarten-Skandal erschreckend. „Hier haben wir es mit widerrechtlicher Aneignung von Gütern zu tun, die nicht dem Staat, sondern dem Volke gehören. Präsident Lula ist allen anderen Staatsangestellten gleichgestellt , ist kein Monarch “ und darf daher Ausgaben seiner Angehörigen nicht aus öffentlichen Geldern begleichen. Alles muß offengelegt werden.”Zahlreiche Schatzmeister und andere Parteifunktionäre von Lulas Arbeiterpartei erhielten ebenfalls jene Kreditkarten und ließen sich damit Millionensummen bar auszahlen, über deren Verwendung nichts bekannt ist. Vor dem Hintergrund des laufenden Gerichtsprozesses um Regierungskorruption, Stimmen-und Parteienkauf wird daher von Opposition und Medien der Verdacht geäußert, daß der Cartao corporativo sogar der Bestechung von Politikern diente. –„O mensalao existiu””Der neue Generalsekretär von Lulas Arbeiterpartei PT, der Kongreßabgeordnete Josè Eduardo Cardozo hatte in einem Interview des Nachrichtemagazins „Veja” im Februar 2008 eingestanden, daß einer der bizarrsten Korruptionsskandale in der brasilianischen Geschichte namens „Mensalao” keineswegs eine Erfindung, Übertreibung der Opposition war. Cardozo sagte, es habe in der Tat illegale Zahlungen an verbündete Politiker gegeben. Die Zahlungen seien unbezweifelbar unrechtmäßig gewesen. „Wir können diesen Fakt vor der Gesellschaft nicht verstecken und müssen alle bestrafen, die diese Taten begingen, müssen aus den Fehlern lernen.”Der katholische Menschenrechtsaktivist Chico Whitaker, Träger des Alternativen Nobelpreises, war Abgeordneter der Arbeiterpartei. Wegen der Korruptionsskandale trat er vor rund zwei Jahren aus und wirft der Partei vor, Regierungsmacht vorrangig aus Bereicherungsgründen angestrebt zu haben.”Das Motto ist “ jetzt sind wir dran, solange es geht. Wir verteilen unsere Leute auf möglichst viele Posten “ um abzufassen. Dies habe ich oft in der Arbeiterpartei gehört. Grauenhaft, wenn man genau dasselbe will wie die Vorgänger!”

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 28. Februar 2008 um 13:33 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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