Mentalitätsreflexionen von Austregesilo de Athayde: “Halb Kind, halb Teufel…”
http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/weinende-engel-am-amazonas
Laut der neuen Studie der Getulio-Vargas-Stiftung ist es laut acht von zehn Brasilianern leicht, Gesetze und Normen zu verletzen und zu mißachten, haben von 2013 bis 2014 nahezu alle Arten von Verstößen zugenommen, vom Ladendiebstahl bis zum Bestechen von Staatsdienern, Autofahren in betrunkenem Zustand. Die Existenz teils drastisch formulierter Gesetze hat in der Praxis derartiges massenhaftes Fehlverhalten nicht gebremst, wie die Studie – und die Alltagsrealität Brasiliens zeigen. Dokumente, Fragebögen etc. zu fälschen, um unrechtmäßig persönliche Vorteile zu erreichen, ist weithin üblich, heißt es. Zu konstatieren sei eine „kulturelle und soziale Durchlässigkeit“. So sei zwar beispielsweise verboten, Nachbarn durch laute Musik und anderen Lärm zu stören – doch allein von 2013 bis 1014 wurde wahrgenommen, daß dieses Verbot deutlich häufiger mißachtet wird, ebenso das Abwerfen von Müll an dafür verbotenen Orten, sogar das Bestechen von Polizisten oder anderen Staatsangestellten, der Ladendiebstahl, das Rauchverbot. Motto: Wenn es der andere macht, mache ich es auch. Nötig seien Änderungen der Kultur.
Als Beispiel wird u.a. eine 23-jährige Reisebüromitarbeiterin genannt, die in betrunkenem Zustand, zudem ohne Fahrerlaubnis einen Unfall verursachte. „Man macht das einmal, zweimal, dreimal. Da einem ja nichts passiert, nimmt man die Sache entspannt.“
Zwar wurden die Gesetze wegen Trunkenheit am Steuer verschärft – dennoch gaben immerhin 17 % der Befragten zu, weiter alkoholisiert zu fahren, sich dann aber vorzusehen, um nicht erwischt zu werden – also Schleichwege etc. zu fahren, stark befahrene Straßen zu meiden. Indessen geben nahezu alle zu, daß Fahren unter Alkoholeinfluß falsch ist.
Während der WM 2014 sagten zahlreiche Brasilianer, Fouls, Tricksen, die u.a. Neymar bescheinigte Schauspielerei(playacting), das Vortäuschen von scheinbar durch den Spielgegner begangenen Fouls sei normal, Teil der Fußball-Normalität.
Rücksicht in Wohngebäuden auf Mitbewohner, Nachbarn zu nehmen, ist in Brasilien weithin unüblich. Daher kommt es regelmäßig zu Extremreaktionen, wobei beispielsweise ein jahrelang durch Rocklärm des Nachbarn psychisch Gestörter schließlich diesen Nachbarn bzw. alle Bewohner des Nachbarappartements oder Nachbarhauses erschießt.
Laut Studie vertrauen nur 32 % der Brasilianer in die Justiz – und glauben 57%, daß es nur wenige Motive gebe, sich an die Gesetze zu halten. Da Morde nur zu einem geringen Teil aufgeklärt würden, spiele bei potentiellen Mördern die Angst vor Strafe keine Rolle, hieß es in Analysen.
Natürlich regnete es in den Landesmedien auch ironische Kommentare zu der Studie:“Wer sind diese 32 %, die in die Justiz vertrauen? Könnten das nicht Leute sein, die just von der Straflosigkeit profitierten?
Dialog auf einem Obst-und Gemüsemarkt von Sao Paulo 2014:
Deutscher:“Das Kilo Weintrauben kostet laut Preisschild heute 8 Real?“
Verkäufer:“Nein, es kostet 18 Real, ich habe dummerweise die Eins vor der Acht des Preisschilds vergessen.“
Deutscher will weitergehen – Verkäufer:“Na gut, nur Ihnen zuliebe, sagen wir 10 Real für das Kilo.“ (Immer noch grauenhaft überteuert)
Üblich ist, beim Abwiegen zu betrügen, völlig überhöhte Kilozahlen anzugeben – selbst in Supermärkten sind Waagen manipuliert.
„Kultur der Unehrlichkeit“: http://www.hart-brasilientexte.de/2011/07/21/brasiliens-schriftsteller-joao-ubaldo-ribeiro-zur-lage-im-landunehrlichkeit-ist-kultur-acho-que-e-uma-questao-cultural-nos-somos-desse-jeito-mesmo-ladravazes-por-formacao-e-tradicao/
“In einer Kultur wie der unseren, in der die Scheinheiligkeit mit Sicherheit die herrschende Moral ist, deklariert man nie die wahren Absichten.” O Estado de Sao Paulo
Wie es zu der neuen Mentalitätsstudie erläuternd heißt, werde die allgemeine Wahrnehmung der Mißachtung von Gesetzen begleitet von einer Krise der Legitimität der Institutionen. Das Vertrauen in Regierung, politische Parteien, Polizei und Justiz sei niedrig.
Das brasilianische Gesellschaftsmodell wird in den letzten Jahren von mitteleuropäischen Politikern, darunter aus Deutschland, ausdrücklich gelobt – Hinweis auf neoliberalen Wertewandel.
Auf dem UNO-Index für menschliche Entwicklung rangiert Deutschland auf Platz 5, Brasilien auf Platz 85.
Die Studie der Getulio-Vargas-Stiftung weist auf hausgemachte, keineswegs nur in Drittweltländern wie in Brasilien existierende Probleme, die ernste Entwicklungshindernisse sind.
Wegen der scharfen Zensurvorschriften politischer Korrektheit darf in Ländern wie Deutschland heute bestenfalls in Ausnahmefällen über Mentalitätsstudien nach Art der jüngsten brasilianischen berichtet werden, ist wegen der Steuerung aktueller Politik nahezu Vorschrift, derartige wichtige soziokulturelle und anthropologische Faktoren anderer Länder und Kulturen auszublenden.
„Raub und Skrupellosigkeit“: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/09/21/brasilien-mentalitat-raub-und-skrupellosigkeit-sind-in-unserer-kultur-verwurzelt-verspaten-die-verbesserung-unserer-ranking-position-fur-menschliche-entwicklung-qualitatszeitung-o-globo-in-eine/
Kauf von Studienabschlüssen – eine Industrie: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/21/gekaufte-examensarbeiten-in-brasilien-unfahige-absolventen-sind-sand-im-getriebe-des-landes/
Mentalität und Verhältnis zur Wahrheit: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/11/17/brasilien-mentalitat-das-verhaltnis-zur-luge-marcelo-rubens-paiva-politisch-unkorrekt-in-o-estado-de-sao-paulo/
Während der WM 2014 werden allein in Rio de Janeiro u.a. ein dreijähriger und ein achtjähriger Junge bei Slum-Gefechten erschossen – anders als im Falle von ermordeten Heranwachsenden in Israel findet dies in in-und ausländischen Medien keinerlei Interesse.
tags: brasilien-verkehrssituation 2013
http://exame.abril.com.br/brasil/noticias/estas-sao-as-20-estradas-que-mais-matam-no-brasil
Militärpolizisten schauen nahe der Avenida Paulista von Sao Paulo tatenlos zu, wie Fußgänger massenhaft bei roter Ampel über die Kreuzung laufen – entsprechend hoch ist in Brasilien die Zahl von Fußgängern, die von Autofahrern unabsichtlich getötet werden.
57 % der brasilianischen Piloten bereits bei Inlandsflügen eingeschlafen, 70 % auf internationalen Flügen, laut Studie: http://g1.globo.com/concursos-e-emprego/noticia/2014/07/57-dos-pilotos-ja-cochilaram-bordo-sem-querer-aponta-pesquisa.html
Brasilien – Testlabor des Neoliberalismus: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/06/24/brasilien-testlabor-des-neoliberalismus-und-die-neoliberalen-wertvorstellungen-von-deutschen-autoritaten-eliteangehorigen-viel-uberschwengliches-lob-fur-die-zustande-im-tropenland-angesichts-beme/
„Brasilien ohne Sensibilität“: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/12/01/brasil-sem-sensibiliade-brasilien-ohne-sensibilitat-atlantikstrand-bei-sao-paulo-2013/
Brasilien und Mentalität 2014: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/07/07/wm-2014-spiel-brasilien-deutschland-zahlreiche-brasilianer-wollen-das-deutschland-gewinnt-bekunden-dies-per-leserkommentar-twitter-etc-vou-torcer-contra-pelos-milhoes-de-injusticados-nesse-pai/
. Der Masse der Paulistanos, kommentieren betroffene Brasilianer, sei schlichtweg egal, wie die fast durchweg durch Autoabgase verursachte Giftluft die eigene Gesundheit schädige.
Zerstörte, verdreckte Strände, veröltes Atlantikwasser: http://www.hart-brasilientexte.de/2013/12/01/brasil-sem-sensibiliade-brasilien-ohne-sensibilitat-atlantikstrand-bei-sao-paulo-2013/
“Brasilien ohne Sensibilität”.
Mentalitätsreflexionen von Austregesilo de Athayde: „Halb Kind, halb Teufel…“
« USA und übliche Bündnispartnerkontrolle 2014 – großes Medienecho in Brasilien. Kuriose Alibi-Erklärungen deutscher Autoritäten zu Altbekanntem. – Brasilien und China, völlig unterschiedliche Vorgehensweisen und Sensibilitäten deutscher Politiker. “ Unmissverständlich sagte Merkel dem Gastgeber, dass aus deutscher Sicht eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung mit Fortschritten bei den Menschenrechten und in der Zivilgesellschaft einhergehen müsse.“ FAZ zum Merkel-China-Besuch 2014. Keine Erwähnung der heiklen Menschenrechtsprobleme bei Brasilienbesuch 2014. »
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