Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Franziskaner Johannes Bahlmann – neuer Bischof in Obidos, Amazonien. Gesichter Brasiliens.

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Auf nach Obidos – im Hafen von Manaus liegen immer „Gaiolas“ bereit.

„Amazonien braucht eine Kultur des Lebens!“(2009)

Franziskaner Johannes Bahlmann aus NRW neuer Bischof in Óbidos am Rio Amazonas

„Da wollte ich schon aus Abenteuerlust immer hin!“

Im nordrhein-westfälischen Visbek bei Vechta ist er aufgewachsen, arbeitet auf dem Bauernhof, liebt das Landleben. Als Franziskaner dann große Veränderungen: Bahlmann wird Ordensoberer von Rio de Janeiro und  der Megacity Sao Paulo – zählt zu den intelligentesten, kritischsten Köpfen der lateinamerikanischen Wirtschaftsmetropole mit ihren über zwanzig Millionen Einwohnern. Heere von Obdachlosen, über 2000 Slums, Stadtkrieg, Todesschwadronen, unsägliche Kontraste zwischen Arm und Reich – und zahlreiche Franziskaner-Projekte immer an den Brennpunkten, bei den gesellschaftlich Ausgeschlossenen. Jetzt auf einmal Superlative ganz anderer Art: Bahlmann macht einen Sprung von über 3500 Kilometern bis in die grade mal 46000 Einwohner zählende Stadt Óbidos direkt am Rio Amazonas, führt künftig eine Urwald-Prälatur mehr als halb so groß wie Deutschland. Ab sofort nennt er sich „Dom Frei Bernardo“ – beim Blick von der Kirche auf den Riesenfluß richtet er gleich eine Einladung an engagierte, unkonventionelle Christen: „Kommt nach Óbidos, besucht mich hier, laßt uns gemeinsam Amazonien schützen, die Schöpfung bewahren!“ Ein Gespräch mit dem Bischof:

 

Als mäßig informierter Mitteleuropäer, den Kopf voller Amazonienklischees, könnte man sagen, der Bahlmann hats gut getroffen, raus aus dem abgasverseuchten Betonmeer Sao Paulos, rein in üppige, paradiesische Urwald-Natur?

 

Da ist was dran. Doch Amazonien heißt auch rechtsfreier Raum, mit einer Kultur des Todes. Als ich mich als ganz junger Franziskaner für Brasilien entschied, schwang Abenteuerlust mit, wollte ich was ganz Neues machen, sah ich mich als Missionar schon im Boot auf einem Urwaldfluß. Wenn ich meine von Mitstreitermangel geplagten Franziskanerbrüder Amazoniens besuchte, baten die mich dazubleiben, die Arbeit im Süden aufzugeben. Jetzt nehme ich alle Erfahrungen, alle Projekte in den Norden mit, wo ich vom Gefühl her immer schon hinwollte.

 

Amazonasbischof Erwin Kräutler aus Österreich ist jetzt beinahe ihr „Nachbar“ – er hat Attentate überstanden, wird derzeit wegen Morddrohungen rund um die Uhr von Polizei bewacht, protestiert gegen grauenhafte Sklavenarbeit, Terror gegen Indianer und Landlose, skrupellose Naturvernichtung. Nur in vier Prozent der Mordfälle Ihrer Region wird überhaupt ermittelt…

 

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Erwin Kräutler, brauche seine Erfahrungen. Was ist heute in Amazonien wichtig? Wir müssen eine Kultur des Lebens schaffen, die Kultur des Todes darf nicht weiter gefördert werden. Denn manchmal scheint es, als gewinne sie die Oberhand. Die katholische Kirche muß sich deshalb noch viel mehr engagieren, kann noch viel mehr tun. Mir geht es um soziale Strukturen, um Politik und Ökonomie – doch ganz oben auf der Werteskala steht der Mensch Amazoniens. Auch als Bischof will ich wie ein Franziskanermissionar als Seelsorger auf die Menschen zugehen, will sie ganz individuell wahrnehmen. Das zählt ja überall auf der Welt zu den großen Herausforderungen unserer Kirche. Und angesichts der immensen Dimensionen meiner Prälatur werde ich wie Bischof Kräutler die meiste Zeit unterwegs sein, Gemeinden, Siedlungen, Indiodörfer aufsuchen. Ja, ich will bei der Seelsorge neue Akzente setzen.

 

Sie sind als zähe und durchsetzungsfähig bekannt – welche Idee spukt Ihnen jetzt am meisten im Kopfe herum – taugen gar manche Sao-Paulo-Projekte für Amazonien?

 

Eine Idee hat mit meiner Einladung an engagierte Christen zu tun, mich in Óbidos zu besuchen: Ich möchte dort ein internationales Franziskanerkloster gründen, das auch allen Laien offen stehen soll, die im Geiste des Heiligen Franziskus leben und arbeiten möchten. Dieses Kloster soll auch ein Studienzentrum werden, wo Lösungsvorschläge für Amazonien entstehen. Angesichts der dramatischen Situation müssen wir Gegen-Interessen, einen Gegenpol schaffen. Denn die Berufung Amazoniens ist Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie. Wir müssen diese grüne Lunge der Welt schützen – oder sägen sprichwörtlich den Ast ab, auf dem wir sitzen. Soviele Klischeevorstellungen über Brasilien, über Amazonien sind in Europa noch so lebendig, selbst in den deutschen Kirchen! Jeder, der neu nach Óbidus kommt, wird es halten müssen, wie ich jetzt: Erst einmal als einfacher Franziskaner, in aller Bescheidenheit von den Menschen dort lernen, sich umsehen, den Blick auf das Dortige schärfen. Zehn Jahre habe ich gebraucht, um mich in dieser Weise in Brasilien einzugewöhnen – und erst dann auch Entscheidungen treffen zu können. Brasilien ist das Land mit der höchsten Lepradichte – in Sao Paulo habe ich die Lepraprojekte koordiniert, werde jetzt auch in Amazonien gegen diese mittelalterliche Krankheit weiterkämpfen. Auch in Amazonien herrscht Misere – ich finde mich bei der gleichen Schicht wieder, die sozial ausgeschlossen ist, mit schier unbeschreiblichen Alltagsproblemen kämpft.

 

Amazonien ist wegen der Rauschgiftproduktion, der vielen internationalen Drogenrouten berüchtigt – Kokain und Crack werden auch in den angrenzenden Staaten erzeugt und konsumiert. In Sao Paulo hatten Sie das Drogenelend direkt vor dem Franziskanerkloster – toleriert von den Autoritäten, zerstören sich Kinder gleich zu Hunderten das Gehirn, den Körper mit Crack. Vor Ihrem Bischofssitz schippern nicht nur deutsche Kreuzfahrtschiffe, sondern auch Drogenkuriere vorbei…

 

Der Drogen-Horror läßt mich auch in Amazonien nicht los. Was man tun kann – und muß, habe ich sozusagen von der Pike auf gelernt, beim Paderborner Franziskanerpriester Hans Stapel, in all seinen Sozialwerken. Ich war in Guaratinguetá nahe Sao Paulo bei der Gründung seiner ersten „Fazenda der Hoffnung“ für Drogensüchtige dabei – habe die ersten vier Jugendlichen, die aus der Droge rauswollten, mitbetreut. Tagsüber mit den Vieren Gemüse angebaut, abends dann Gespräche, Gedankenaustausch über das Wort Gottes. Hans Stapel und ich hätten nie zu träumen gewagt, daß die „Fazendas der Hoffnung“ geradezu einen Boom erleben, es weltweit schon sechzig gibt, drei sogar in Deutschland. Diese unschätzbaren Erfahrungen in der Drogen-Rehabilitation wende ich jetzt auch in meiner Urwald-Prälatur an.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1421022/

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1201698/

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1124312/

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/919048/

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/879

http://www.hart-brasilientexte.de/2009/12/25/franziskaner-sao-paulos-verteilen-weihnachten-nahrungsmittel-an-tausende-von-armen-und-verelendeten/

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 07. November 2009 um 02:35 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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