Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

„WIRTSCHAFT AM BODEN. Panik an Brasiliens Börsen – Firmen ergreifen die Flucht“ Finanzen 100. Noch unlängst Lob und Hudel über „Boomland, Wirtschaftswunder“ Brasilien. Bundesaußenminister Guido Westerwelle: “Brasilien ist das Kraftzentrum Südamerikas geworden und zu einer Gestaltungsmacht mit globalem Anspruch herangewachsen”.

http://www.hart-brasilientexte.de/2015/04/23/brasiliens-wirtschaftsskandale-der-stark-angeschlagene-oelkonzern-petrobras-deutscher-wirtschaftsmainstream-wegen-jahrelanger-falschberichterstattung-in-der-bredouille-leser-erinnern-sich-sehr-gu/

2012: “Wenn die Europäer von jemandem lernen können, wie man mit Krisen umgeht und sie überwinden kann, dann von diesem Mann.” Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung über Lula.

http://www.hart-brasilientexte.de/2015/04/23/der-absturz-des-staatlich-kontrollierten-brasilianischen-oelkonzern-petrobras-vom-gesteuerten-deutschen-mainstream-jahrelang-als-superunternehmen-geruehmt/

Wie in neueren deutschen Büchern über Brasilien steht, habe sich dort ein „Wirtschaftswunder“ ereignet – ganz im Unterschied zu dem in Krise getauchten Europa. 

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Sao Paulo 2015 – Krise und verelendeter Abfallsammler.

”Brasilien ist mit seiner Lebendigkeit, Kreativität und kulturellen Vielfalt ein ungemein inspirierender Partner, der gleichzeitig durch Exzellenz in Wirtschaft und Wissenschaft besticht.” Außenminister Guido Westerwelle, FDP 2013

Deutscher Bundespräsident Walter Scheel, FDP: “Die Toleranz ist das Grundprinzip der brasilianischen Rassendemokratie. Konflikte friedlich zu lösen, ist alte Tradition in ihrem Land.” Scheel zeichnete den Folterdiktator Ernesto Geisel während der Militärdiktatur mit dem Großkreuz zum Bundesverdienstorden der Sonderklasse aus.

“Von allen linken Präsidenten hat Lula, der als am wenigsten links eingeschätzt wird, die größten Erfolge.” Gregor Gysi, Linkspartei, Deutschland, 2010.

“Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Klimaschutz – das sind für den deutschen Außenminister anscheinend Fremdworte.” Mirjam Gehrke, Deutsche Welle zur Reise von Guido Westerwelle(FDP) nach Lateinamerika.

Mit Brasiliens Präsident Lula kommt am Donnerstag kein Bittsteller nach Berlin: Der größte Staat Südamerikas ist längst begehrtes Investionsland geworden – und Merkel umwirbt das Oberhaupt im Namen der deutschen Wirtschaft.

Deutscher Bundespräsident Joachim Gauck 2013 in Brasilien:  http://www.hart-brasilientexte.de/2013/05/17/brasilien-historischer-besuch-des-deutschen-bundesprasidenten-joachim-gauck-im-tropenland-trotz-gravierender-menschenrechtslage-folter-todesschwadronen-gefangnis-horror-sklavenarbeit-etc-b/

“Gauck: Von Brasilien lernen”

Brasilien – Daten, Statistiken:http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/

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Wirtschaftswoche 2013: “Die Regierung von Dilma Rousseff trimmt das Land auf Wachstumskurs”.

“Warum Deutschland und Brasilien wie geschaffen füreinander sind: Nicht nur, weil sich unsere Mentalitäten und Wirtschaftsstrukturen ideal ergänzen. Uns verbinden auch gemeinsame Interessen angesicht der globalen Veränderungen…Dieses Land, Brasilien, erfindet sich gegenwärtig neu, versichert sich seiner neuen Größe und Potenz…Brasilien forciert die Industrialisierung und baut seine Infrastruktur aus…Die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Rio sollen Brasiliens wirtschaftliche Potenz demonstrieren…Ein wichtiger Anfang ist mit der Befriedung der meisten Favelas gemacht. Die Drogenbanden wurden vertrieben…In wenigen Jahren könnte Brasilien Deutschland überholen, was die Menge der produzierten Industriegüter betrifft(Roland Tichy in WiWo)…” WiWo 2013

Neuer Super-Konzern verblüfft mit Rekord-Anleihe” Bild-Zeitung

“Ölmacht, Selbstversorger”: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/01/09/brasilien-olmacht-selbstversorger-weniger-produktion-geringere-investitionen-hohere-benzin-und-ethanolimporte-petrobras-vom-3-auf-den-5-platz-der-grosten-olkonzerne-zuruckgefallen/

Falschprognosen für Brasilien – sehr begehrt in Deutschlands Medien, sehr gut bezahlt.http://www.hart-brasilientexte.de/2012/01/06/wirtschaftliche-falschprognosen-fur-2011-alles-lacht-uber-die-analytiker-und-ihre-hochbezahlten-verstarker-in-den-wirtschaftsmedien/

Gekaufte Examensarbeiten in Brasilien

Unfähige Absolventen sind Sand im Getriebe des Landes

Die dunkelhäutige Helena Rossi aus Sao Paulo hatte sich das Studium an der Privatuni regelrecht vom Munde abgespart, war schließlich aus der Unterschicht und saß dann im Kurs unter lauter Weißen aus der Mittelklasse. Die lachten sie jedesmal aus, weil sie Examensarbeiten jeder Art, und auch die Diplomarbeit selber schrieb. Denn die Mittelschichtler machten sich die Mühe nicht, beauftragten  die Büros der landesweit operierenden Betrugsindustrie, solche Arbeiten anzufertigen. Und waren sicher, daß der jeweilige Professor womöglich den Betrug bemerken, aber nicht aufmucken würde. Nach dem Abschluß der Privatuni landeten alle weißen Kollegen dank guter Beziehungen in ordentlichen Jobs, nicht selten gar im Staatsdienst, Helena Rossi mußte sich schon dank ihrer Hautfarbe mit einem minderbezahlten Posten begnügen. Und sich damit abfinden, daß weiße Absolventen dieser Art auf der Karriereleiter immer wieder an ihr vorbeizogen. Letztlich fatal für die zehntgrößte Wirtschaftsnation, die von vielen hausgemachten Problemen tief gezeichnet ist.

–Ethisch-moralische Krise—

Brasilien ist nicht nur das größte Land Lateinamerikas, sondern gemäß neuesten Studien auch das korrupteste – in der Öffentlichkeit, in den Medien wird die tiefe ethisch-moralische Krise alle Tage heftig beklagt. Sie hat indessen auch die Universitäten und Hochschulen heimgesucht. Ein Großteil der Studenten fertigt akademische Arbeiten, sogar Dissertationen, nicht selbst an, sondern kauft sie skrupellos bei einer regelrechten Industrie, der „Industria de Trabalhos Academicos“, die sich auf dieses profitable Produkt spezialisiert hat.  Die öffentlichen Universitäten kämpfen gegen die Plage an, die Privatunis drücken gewöhnlich beide Augen zu. Bildungsexperten sehen in gekauften, erschlichenen Abschlüssen eine Gefahr für die Entwicklung der Nation. Unternehmen, Institutionen, die Arbeitskräfte suchen, müssen notgedrungen in aufwendigen, teuren Prüfungsverfahren die Spreu vom Weizen trennen, da man Höchstnoten, scheinbar ausgezeichneten Abschlüssen nicht trauen kann.

Das Problem ist sehr heikel und betrifft sogar Brasiliens größte und angesehenste Bundesuniversität in der Megacity Sao Paulo. Der zuständige Ethikrat lehnt gegenüber dem ausländischen Journalisten dazu Interviews ab. Professor Ruy Braga von der philosophischen Fakultät gibt indessen bereitwillig Auskunft: “Ein heißes Eisen, ohne Zweifel – und wir haben es in der Tat mit einer regelrechten Industrie zu tun, zu der Profis aller Fachgebiete gehören. Diese Industrie, dieser Markt boomt und ist Teil unserer ökonomischen, politischen und moralischen Krise. Das Problem wird immer explosiver. Die Branche bietet ihre Dienste im Internet an oder hängt sogar Werbeanzeigen direkt in den Universitäten aus. Ich ertappte mal einen Studenten, der Texte als eigene ausgab, die von der Betreuerin meiner Doktorarbeit stammten. Ein Student kann nicht eine exzellente Arbeit vorlegen, wenn er nicht in den entsprechenden Kursen war.“

–An Privatunis wird am meisten betrogen—

In Brasilien besuchen nur dreißig Prozent der Studenten öffentliche Universitäten und Hochschulen, doch siebzig Prozent studieren an privaten – vor etwa zehn Jahren war das Verhältnis noch genau umgekehrt. Über vier Millionen sind derzeit immatrikuliert. Es dominiert Massenbetrieb.

“Der Anteil der Studenten, die betrügen, sich Arbeiten anfertigen lassen, ist erschreckend hoch – am höchsten an den Privatunis. Dort sind es mit Sicherheit über fünfzig Prozent aller Studierenden. Die Professoren müßten das verhindern. Doch sie sind nachsichtig – und wissen, daß das falsch ist. Doch würden sie eingreifen, den Betrug stoppen, machten sie sich unbeliebt, würden die Studenten deren Entlassung durchsetzen. Die Professoren, Dozenten haben nur Zeitverträge, sind in ein perverses System eingebunden, von der Akzeptanz durch die Studenten abhängig. Die Studenten haben ja bezahlt, wollen rasch ihre Abschlüsse. Und die Privatunis sind nur an Gewinn, nicht an Qualität interessiert. Das Bildungsministerium kommt seiner Kontrollfunktion nicht nach. Alles sehr schlecht für die Qualifikation der brasilianischen Arbeitskräfte, für die akademische Ausbildung. Sie ist ein Gigant auf tönernen Füßen. Dieses System ist nicht in der Lage, das Profil der Arbeitskräfte Brasiliens radikal zu verbessern – wie es nötig wäre. “

Professor Braga und andere Dozenten der Bundesuniversität bekämpfen den Betrug: Mehr schriftliche Prüfungen, begrenzte, vorgegebene Bibliographien,  Verwarnung der Studenten. Werbeanzeigen der Betrugsindustrie werden systematisch entfernt.  “An der philosophischen Fakultät ist das Problem jetzt viel geringer – wir Lehrkräfte haben inzwischen mehr Erfahrung, sehen eher Indizien. Andererseits haben wir viel mehr Studenten als früher. Das erschwert es, jeden Verdachtsfall minutiös zu prüfen.“

Danilo Frei und Eduardo Moreto studieren an der Bundesuniversität, wissen, wie es läuft: “Am meisten wird an den Fakultäten für Wirtschaft, Administration und Rechtswissenschaften betrogen. Viel weniger bei den Philosophen, denn die Profs dort merken es einfach. Einmal kam heraus, daß eine Dissertation nichts weiter als die Übersetzung einer Doktorarbeit aus Spanien war. Logisch, daß sich von der Uni-Leitung niemand zu dem Problem äußern will, weil es für die Institution demoralisierend ist. Alles wissens, aber niemand sagt es offen.“

–Konfessionelle Unis passen auf—

Brasiliens angesehene katholische Universitäten, aber auch andere konfessionelle, zählen zwar zu den Privatunis, arbeiten indessen laut Statut lediglich kostendeckend. Sie setzen auf Qualität und haben deshalb sogar Untersuchungskommissionen gegen studentischen Betrug installiert. An der Katholischen Uni(PUC) von Sao Paulo zählt Professorin Anna Cintra zum Direktorium und wurde notgedrungen zur Detektivin. “Natürlich fahnde ich auch per Google im Internet, entdecke kopierte Abschnitte, kopierte Arbeiten. Noch unlängst kamen Sonderbusse mit Studenten von Hochschulen des Hinterlandes, die in unserer Bibliothek massenhaft Abschlußarbeiten ausliehen, sofort kopierten und dann unter eigenem Namen einreichten. Wir – und auch die Bundesuniversität – geben deshalb solche Arbeiten nicht mehr heraus. Unsere eigenen Studenten begleiten wir intensiv und spüren daher, wenn etwas nicht stimmt. Ich sagte schon einer Studentin auf den Kopf zu: Das hast du nicht geschrieben! Sie gab es zu. Glücklicherweise sind solche Fälle bei uns nicht häufig. Ich bin für strenges Vorgehen gegen solche Studenten, denn solcher Betrug ist gravierend. Es handelt sich um Erwachsene, die wissen, was sie tun. Lassen wir derartiges zu, schaffen wir einen gefährlichen Präzedenzfall in einem so schwierigen Land wie Brasilien. Anzeigen der Betrugsindustrie sah ich hier in der PUC noch nie. “

Auch Professorin Cintra sieht das Hauptproblem bei den gewinnorientierten Privatuniversitäten, deren Zahl ständig wächst. „Intellektuelles Kapital interessiert die nicht, nur Geld!“Unqualifizierte Absolventen, die sich ihre Abschlüsse kauften, nennt sie gar eine „große Gefahr für die Entwicklung der Nation“.

Das ist im Alltag Brasiliens längst überall zu spüren. Völlig inkompetente, dazu unethische und verantwortunglose Figuren besetzen nur zu oft wichtige Posten, schaden der Effizienz und dem Ruf ihrer Institution, ihres Unternehmens entsprechend, werden indessen, anders als zumeist in Deutschland üblich, nicht entfernt bzw. gemäß ihrer tatsächlichen Qualifikation eingesetzt.

Entsprechende politische Verantwortung für die gesamte Situation sieht PUC- Professorin Cintra bei der jetzigen Regierung. „Die ist ein Horror, eine Tristeza.“

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 24. April 2015 um 14:02 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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