Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien, Fortaleza: 15 Kugeln für einen 17-Jährigen 2013. Wie das organisierte Verbrechen Kinder rekrutiert, der Staat zusieht.

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Mit 13, 14 noch auf einer Familienfeier, ein richtig netter Junge – gleich danach angeworben, steile Verbrecherkarriere, gefürchtet, mehrfach bei Gefechten verwundet, 2013  jäher Tod durch Hinterhalt-Attacke eines rivalisierenden Favela-Banditenkommandos der Millionenstadt – 15 tödliche Schüsse aus nur etwa einem Meter Abstand.  Analphabet, so gut wie nie zur Schule gegangen, der Staat kam seiner Kontrollpflicht nicht nach. Viele mochten den Jungbanditen – veranstaltete er immerhin mit Drogengeldern für das ganze Viertel Feste mit Bier, Schnaps, Grillfleisch gratis. Der Mutter sagte er: Lieber ein paar Jahre, bis zum vorhersehbaren Tod,  ordentlich leben, reichlich Geld haben, auf den Putz hauen, als wie du mit einem armseligen, schlechtestbezahlten Hausangestelltenjob dahinzuvegetieren.“

Nach dem Tod des Jugendlichen erschoß sein Banditenkommando die Tage darauf gleich mindestens zwei jugendliche Gegner. Wieviele er umbrachte, ist nicht bekannt. Seine Großmutter schildert die Zustände an der Favela-Peripherie von Fortaleza 2013: „In einigen Slums unweit meines Häuschens ist es wie Krieg, den ganzen Tag über und nachts erst recht fallen Schüsse. Die letzten Tage haben die Banditenkommandos wieder eine ganze Serie von jungen Leuten abgeknallt, die ihre Drogenschulden nicht beglichen hatten.“  Nur zu oft wollen sich Familien nicht eingestehen, daß ihre Heranwachsenden teils extrem brutale Verbrecher, Killer geworden sind, mit entsprechend niedriger Lebenserwartung. 

Selbst in den City-Bereichen von Sao Paulo gehört zur Normalität, daß u.a. in und an Musik-Schuppen vor allem an den Wochenenden Menschen erschossen bzw. erstochen werden.  

Mitteleuropäische Medien vermeiden längst offenbar bewußt aus nachvollziehbaren Gründen, die brasilianische Gewaltkultur-Gesellschaft real abzubilden, zu beschreiben. 

Gewalt und Verbrechen machen in Brasilien massiv psychisch krank:  http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/11/brasiliens-heer-der-geistesgestorten/

Deutsche katholische ADVENIAT:  Die organisierte Kriminalität ist in Brasilien zu einem „Staat“ im Staate geworden und hat in den Peripheriegebieten zahlreicher Städte die De-facto-Herrschaft übernommen. Daran ändern auch punktuelle Aktionen von Polizei und Militär nichts, die angesichts der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaften und der Olympischen Spiele eher wie der Versuch einer Imagepflege wirken.

Kindersoldaten des organisierten Verbrechens:

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/22/brasiliens-kindersoldaten-junge-kinder-mit-waffen-die-einfach-anderre-kinder-erschossen-haben-die-sie-gerade-mal-schief-angeschaut-habenlesermail/

bosshartmpikinder.JPGZeitungsausriß NZZ, Rio de Janeiro.

“Bewaffnete Kinder waren zu Monatsanfang bei einer Banditenaktion im Slum Cavaleiro da Esperanca dabei, als fünfzig Bewohner, vor allem Frauen, zwecks Erniedrigung und Einschüchterung gezwungen wurden, völlig nackt durch den Slum zu marschieren.”(Hintergrundtext)

BRASILIEN

Gauck: Von Brasilien lernen

Brasilien bewegt den Bundespräsidenten: Während seines Besuchs zeigte sich Joachim Gauck beeindruckt von der Aufbruchstimmung im Land. Deutschland könne von dem Mut zu Veränderungen lernen. Regierungssender Deutsche Welle 2013

Gauck sieht Kolumbien und Brasilien “auf gutem Wege”/Deutschlandradio Kultur

“Moderne Scheiterhaufen aus Autoreifen”:

-http://www.deutschlandradiokultur.de/moderne-scheiterhaufen-aus-autoreifen.1013.de.html?dram:article_id=167263

 

Katholischer Bischof Angelico Sandalo Bernardino in Sao Paulo 2011: “Brasiliens durchlebt derzeit eine enorme politische Krise. Brasilien ist zwar theoretisch eine Republik, doch die republikanischen Prinzipien werden mißachtet. In der Verfassung von 1988 heißt es, alle Brasilianer hätten die gleichen Rechte. Doch in Wahrheit ist dies eine Lüge. Es reicht aus, in die Slums zu gehen. Wir müssen uns von der Diktatur der wirtschaftlichen Macht befreien – und von einer politischen Macht, die sich der wirtschaftlichen Macht unterwirft.”

Der Unterschied zwischen der katholischen Kirche Brasiliens und den Staats-und Regierungskirchen Deutschlands ist sehr groß.

Die Rio-Äußerung 2010 von Bundesaußenminister Guido Westerwelle(FDP), die wegen der grauenhaften Menschenrechtslage in Brasilien besonders aufhorchen ließ:”Erneut lobte Westerwelle in seiner Rede Brasilien als wichtigen “strategischen Partner” Deutschlands. Die Interessen reichten weit über Wirtschaftsinteressen hinaus. “Wir wissen, dass wir im Geiste sehr eng verbunden sind.” (Tagesspiegel) Außenminister Westerwelle traf diese Bewertung vor dem Hintergrund sehr genauer Kenntnis der gravierenden, von Staat und Regierung/Staats-und Regierungsangestellten begangenen Menschenrechtsverletzungen in Brasilien. Dies läßt wichtige Rückschlüsse auf aktuelle Politikziele in Deutschland zu. 

http://www.hart-brasilientexte.de/2011/12/30/brasilien-weiter-land-mit-weltweit-hochster-mord-zahl-stellen-landesmedien-zum-jahresende-heraus-regierungsprojekt-fur-mord-reduzierung-gestoppt-hies-es/

 Porno-und Gewaltvideos in Deutschland – und Brasilien

Anleitung zu sadistischen Verbrechen

 

Killerspiele, Pornovideos sind unschädlich für die Psyche – behaupteten jahrzehntelang die Hersteller und ihre Marketingstrategen beinahe unwidersprochen in den deutschen Medien. Jedermann mit gesundem Menschenverstand griff sich an den Kopf. Am Monitor sich als Massenmörder, Massenvergewaltiger austoben, in Videos den sexuellen Mißbrauch von Mädchen und Frauen gleich serienweise erleben – das soll ohne Folgen auf die Persönlichkeitsentwicklung sein? „Die Gewaltbereitschaft ist mit dem Gewaltmedienkonsum in erschreckender Weise angestiegen“, sagt jetzt der renommierte Tübinger Psychologe Günter Huber, hat das Verhalten von 12-und 14-jährigen Hauptschülern intensiv untersucht. Wie die Lehrerverbände beklagen, sind Porno-und Gewaltvideos inzwischen an den deutschen Schulen allgegenwärtig. Hubers Zweijahres-Studie zeigt: Solche perversen Produkte der „Kulturindustrie“ formen den menschlichen Charakter negativ, und nicht nur von Kindern und Jugendlichen. Denn laut Huber bekommen viele „Kids“ derartige Gewaltmedien just von den Vätern, älteren Geschwistern. Die 14-jährigen Video-und Game-Nutzer, so der Psychologe über seine Studie, sind wegen Aggression und Übergriffen stärker aufgefallen. Hass-und Rachegefühle konnten ebenso festgestellt werden wie „eine Art von Allmachtsphantasie“. „Aber wenn wir feststellen, daß 12-Jährige keineswegs nur in Einzelfällen täglich fünf Stunden und mehr mit Gewalt vorm Bildschirm beschäftigt sind, dann müssen wir fragen, in welcher Welt diese Jugendlichen aufwachsen. Für mich sind diese Beobachtungen erschreckend.“ Für den Lehrerverband könnten extreme Sexualitätsdarstellungen die Entwicklung einer gesunden Einstellung zur Sexualität dauerhaft schädigen. Warum die Politik bisher nicht eingriff, die Dinge einfach laufen ließ, ist mehr als unverständlich. Schließlich sind in Staaten wie Brasilien, 24-mal größer als Deutschland, die Auswirkungen von Porno-und Gewaltvideos sowie Killerspielen bereits seit den achtziger Jahren allgemein bekannt.  Nehmen wir den zwölfjährigen Paulo Torres in der Megacity Sao Paulo: An den Wochenenden konsumiert er von morgens bis weit nach Mitternacht ein Gewaltvideo nach dem anderen. Zudem hat er Riesenspaß daran, per Killerspiel Tausende von Menschen sadistisch zu foltern und zu ermorden. Paulos Bruder Antonio, 14, bevorzugt bereits Gewaltpornos – und Videogames, bei denen man beliebig viele Mädchen und Frauen jeden Alters quälen, vergewaltigen und töten kann. Die Mutter der beiden schaut lieber gar nicht hin: „Was soll man machen – es sind halt Machos – und die mögen eben sowas.“ Eingreifen, verbieten – darauf käme sie nicht, ebensowenig der Vater.  Die Mittelschichtskids Paulo und Antonio besorgen sich das Zeug spottbillig nahe der City-Kathedrale und der Präfektur – Raubkopien selbst der perversesten Videos oder Games verkaufen die Scharen der Straßenhändler bereits ab umgerechnet 40 Cent. Gemäß einer neuen Umfrage sitzen allen Ernstes 100 Prozent(!) der Mittel-und Oberschichtskinder lieber vor dem Fernseher, sehen Videos,  anstatt zu spielen – bei den unteren Schichten liegt die Rate bei 97 Prozent. In den über 2000 Slums von Sao Paulo gehören Gewaltpornos seit langem zum Massenkonsum von Halb-und Vollanalphabeten. Kein Geheimnis, daß auch in den Ghettos von Rio de Janeiro die hochbewaffneten Banditenkommandos bereits seit den achtziger Jahren begeisterte Fans solcher Videos und Killerspiele sind, das dort Gezeigte, Praktizierte als Anregung nutzen und an wehrlosen Slumbewohnern ausprobieren. Und längst selber Gewaltpornos drehen, das Vergewaltigen von Slum-Mädchen, und sogar das Zerstückeln von Menschen filmen. Im diesjährigen Berlinale-Gewinner „Tropa de Elite“ des brasilianischen Regisseurs José Padilha wird gezeigt, wie Banditen einen jungen Mann auf einem Scheiterhaufen aus Autoreifen lebendig verbrennen – für ungezählte junge Brasilianer war die Szene überhaupt nicht schockierend, soetwas hatte man schließlich bereits aus der Nähe gesehen. Längst ist der Export von Porno-und Gewaltvideos für brasilianische Unternehmer ein Bombengeschäft. Wie das Nachrichtenmagazin „Carta Capital“ unter Berufung auf Interpol berichtet, stieg das Tropenland zum weltweit viertgrößten Lieferanten pornographischer Materialien auf, die unter anderem das Vergewaltigen achtjähriger Mädchen durch erwachsene Männer zeigen. Für die zuständigen Autoritäten ganz offensichtlich kein Grund zum Eingreifen – die katholische Kirche dagegen verurteilt diese Zustände bereits seit den neunziger Jahren außerordentlich scharf. Renommierte Sozialwissenschaftler und Therapeuten wie Jurandir Freire Costa konstatierten „ethisch-moralische Schizophrenie“ in Brasilien, während der damalige Primas von Brasilien, Kardinal Lucas Moreira Neves, „Anstiftung zur Gewalt, Verblödung ganzer Bevölkerungsschichten, Vermischung von Gewalt und Pornographie“ erkannte. 2008 warnt die angesehene Psychologin und Kolumnistin Rosely Sayao in Sao Paulo:“Wir leben in einer Kultur der Gewalt – diese Tatsache schadet tiefgreifend der Bildung unserer Kinder.“ Gewalt in jeder Form sei so banal geworden, daß sie häufig nicht einmal mehr bemerkt werde. Schüsse und Messerstechereien in Schulen, brutale Attacken auf Lehrerinnen – längst beinahe normal. Gewaltpornos scheinen der Alltagserfahrung entlehnt, sind keineswegs nur absurde Fiktion. Die brasilianische Kirche betont den klaren Zusammenhang zwischen zunehmender Gewaltvideo-Verbreitung und deutlich wachsender Rate von Vergewaltigungen und sexueller Belästigung. Daß inhaftierte Sexualverbrecher fast durchweg gerne Hardcore-Pornos sahen, ist längst auch aus internationalen Studien bekannt. Nicht zufällig, so Rio de Janeiros Kardinal Eugenio Sales, hat zudem die Zahl der zehn-bis vierzehnjährigen Mütter in Brasilien geradezu sprunghaft zugenommen – vor allem in den stark gewaltgeprägten Slums. „Wir verzeichnen eine Zerstörung ethisch-moralischer Werte, die vor Jahrzehnten noch völlig undenkbar gewesen wäre.“ Brasiliens Mordrate ist mehr als dreißigfach höher als in Deutschland.

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 21. April 2013 um 01:56 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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