Unabhängige Bauernstimme/Schattenblick
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22. Juni 2012
Gemeinsam für die Königin
Ein Züchtertreffen [1] zeigt: Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kehren
Leguminosen zurück auf den Acker
von Claudia Schievelbein
Es geht um nichts Geringeres als die Wiederbelebung einer Kulturartengruppe.
Einst als die Königin des Ackerbaus verehrt, fristet die Leguminose derzeit
ein Nischendasein und wird allenfalls noch im ökologischen Landbau hofiert.
Entsprechend hat sich auch ihr Hofstab, Berater, Wissenschaftler und
Züchter, anderem zugewandt. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz
oder wie es Olaf Sass, zuständig für das Körnerleguminosenprogramm der
Norddeutschen Pflanzenzucht KG (NPZ), formuliert: „Die Züchtung ist eine
Schlüsseltechnologie, aber wir können die Züchtungsarbeit nur wiederbeleben,
wenn auch die Anbaubereitschaft und damit die Bereitschaft der Landwirte,
Lizenzen zu zahlen, wieder ansteigt.“ Bauern und Bäuerinnen müssen aber
schon seit Jahrzehnten mit einer immer geringer werdenden Sortenvielfalt und
wenig züchterischem Fortschritt im Bereich der Leguminosen zurechtkommen.
Die NPZ ist da noch eine rühmliche Ausnahme. Seit sie 2006 ein
Erbsenzuchtprogramm von einem damit aufhörenden Unternehmen gekauft hat,
züchtet sie in Kooperation mit dem französischen Unternehmen RAGT mit Erbsen
und Ackerbohnen die zwei zentralen Körnerleguminosen neben der Lupine. Es
geht dabei um Ertrags- und Proteinsteigerungen, Ertragssicherung und
Standfestigkeit und vor allem geht es um den Erhalt der Kulturen. In
Deutschland werden auf unter 1 Prozent der Ackerfläche Körnerleguminosen
angebaut. Zwar gibt es andere Länder in Europa, Frankreich, Großbritannien,
in denen noch mehr der einzigartigen Stickstoffsammler wachsen, dem stehen
jährliche Kosten von 500.000 bis 600.000 Euro im Jahr gegenüber, die zum
Erhalt eines vollwertigen Zuchtprogramms für eine Kultur notwendig sind.
Welcher Wert?
Der schnelle betriebswirtschaftliche Blick hat Bauern und Bäuerinnen in den
vergangenen Jahren immer mehr Abstand nehmen lassen vom Leguminosenanbau.
Aber „in Schleswig-Holstein ist es ein offenes Geheimnis, dass viele
Probleme auf dem Acker mit dem engen Rapsanbau zusammenhängen“, sagt der
norddeutsche Züchter Sass und hofft darauf, dass endlich die
fruchtfolgeverbessernde Wirkung der Leguminosen wieder ins Blickfeld rückt.
Eine einmalige Fähigkeit, die bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen fast immer
unter den Tisch fällt, allein schon deshalb, weil sie variiert und schwer in
Euro und Cent zu fassen ist. Außerdem passt es nicht in das statische
betriebswirtschaftliche Rechnungssystem, das zumeist nur
Einzeldeckungsbeiträge pro Kultur kennt.
Flexibilität vom Amt
Die Statik eines Systems macht auch Ulf Feuerstein, allerdings an einer ganz
anderen Stelle, zu schaffen. Der Pflanzenzüchter der Deutschen
Saatenveredelung AG (SSV) ist mit der Züchtung von feinsamigen Leguminosen,
also den klassischen Feldfutterpflanzen, befasst. Rotklee, Weißklee und
Luzerne wird noch in nennenswertem Umfang bearbeitet, alles andere wie
Inkarnat-, Horn- oder Alexandrinerklee ist von seiner Bedeutung her marginal
und am ehesten noch in Gemengen. Sowieso werden die meisten feinsamigen
Leguminosen in der Praxis nicht in Reinkultur angebaut, das Bundessortenamt
(BSA) kennt aber in seiner Wertprüfung nur die Abtestung in Reinsaat, auch
wenn in der Beschreibung der Wertprüfung eine Anlage von praxisüblichen
Bedingungen verlangt wird. Feuerstein wünscht sich hier mehr Flexibilität
vom Amt, schließlich sind allein die Kosten von einem Drittel der
Gesamtkosten für das Zuchtprogramm, die eine Anmeldung zur Wertprüfung
kostet, schon Hürde genug. „Wir sind nah dran an der Wildnis“, sagt
Feuerstein, der selbst überall in der Welt Populationen von Klee und Luzerne
gesammelt hat, um sie zu vermehren und zu selektieren. Blausäuregehalt und
Phosphataneignungsvermögen werden züchterisch verfolgt ebenso der Gehalt an
Tanninen, die besonders in Hornklee und Esparsette enthalten sind und den
Methanausstoß der Kühe vermindern sollen. Diese Leguminosen sind also sogar
im doppelten Sinne Klimaschützer.
Statt Soja
Den großen Bogen der positiven Leistungen der heimischen Eiweißträger
schlägt Josef Groß von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern. Dort
läuft mit Landesmitteln ein Projekt, das die Zielsetzung hat, die
Sojaimporte nach Bayern zu verringern. Verschiedene Aspekte sorgen speziell
in Bayern dafür, dass die politische Interessenslage so etwas unterstützt.
Zum einen landet in Bayern – anders als im Rest der Republik – aufgrund der
traditionell milchlastigen Landwirtschaftsstrukturen die Hälfte des
Importsoja in den Trögen von Kühen. In der Rinderfütterung ist es aber aus
tierphysiologischen Gründen weitaus leichter durch einheimische Eiweißträger
oder – noch besser – durch eine höhere Grundfutterleistung zu ersetzen bzw.
zu minimieren als bei Schweinen und Geflügel. Zum anderen hat der Widerstand
gegen die Gentechnik in Bayern inzwischen Einfluss auf die Landespolitik
gewonnen, so dass auch der Aspekt, dass Importsoja meist Gensoja ist, für
die Motivation des Projekts eine Rolle spielt. Verschiedene Bausteine in
Forschung und Beratung ergänzen sich zu einem Maßnahmenpaket, in dem auch
die Ausdehnung und Optimierung des Anbaus heimischer Leguminosen
festgeschrieben ist. Ein Ackerbohnenzüchtungsprojekt ist hier angesiedelt,
aber auch die Untersuchung und Förderung des heimischen Sojaanbaus. Zwar
sind 3.000 Hektar Soja gering im Vergleich von 104. Mio. Hektar weltweit,
aber sie setzen Zeichen auch gegen Urwaldzerstörung und
Kleinbauernunterdrückung in Südamerika. „Soja soll die Palette bereichern
und die Landwirte sind leichter davon zu begeistern, das mal zu probieren,
als davon, Bohnen und Erbsen anzubauen“, sagt Josef Groß, verschweigt aber
auch nicht, dass es im Projekt schon zu „Irritationen führe“ wenn
Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) zur Einkaufstour für
gentechnikfreies Soja nach Brasilien fahre. Und der Bauernverband habe auch
einen kritischen Blick auf das Ganze, fürchte er sich doch davor, dass eine
ganze Branche, die Schweinehalter, die bislang kaum nach Alternativen
suchten, dadurch in Misskredit gebracht würden. Es gehe darum, neue
Wertschöpfungsketten aufzubauen, so Groß, gebe es einen Markt für eine nicht
so intensive Schweineproduktion, käme man mit einer anderen Fütterung
zurecht.
Selber machen
Wertschöpfung ist auch das Stichwort für Uwe Brede (siehe auch Bauernstimme
3/12), der über eine bäuerliche Genossenschaft eine Erhaltungszüchtung für
Ackerbohnen etabliert [2]. Er geht von dem Gedanken aus, dass langfristig
der ökologische Landbau auch eine eigene ökologische Pflanzenzüchtung
braucht, unter anderem weil seiner Ansicht nach das Anpassungsvermögen der
Pflanzen an die Umwelt im ökologischen Landbau nicht gegeben ist, wenn sie
aus konventionellen Herkünften stammen. Brede ist ein Macher, der versucht,
über innovative Ansätze zu neuen Perspektiven zu kommen. Er schält
Ackerbohnen, die dann noch besser als Hühnerfutter einsetzbar sind und würde
gerne mit den gemahlenen Schalen wieder Ackerbohnensaatgut beizen, um die
besonders in der Schale enthaltenen Schutzstoffe wie zum Beispiel Tannine
gegen Krankheiten auch an die weniger widerstandsfähige Sorte zu bekommen.
Gemeinsam
Reichen all die guten Ansätze, um den Leguminosen wieder auf den Acker zu
verhelfen? In den Diskussionen wurde schnell deutlich: Es geht nur
gemeinsam. Züchter, Bauern, aber auch die Politik müssen an einem Strang
ziehen. Da darf es auf der politischen Ebene nicht bei wortreichen
Absichtsbekundungen bleiben, sondern es müssen Fakten geschaffen werden.
Leguminosen müssen ihren Eingang in die EU-Agrarpolitik finden als
verbindliches Fruchtfolgeglied. Forschung, Ausbildung und Beratung müssen
sich (wieder) mehr mit der Königin des Ackers auseinandersetzen, damit ihre
Bedeutung endlich richtig eingeschätzt wird und sich Bauern und Bäuerinnen
wieder an den Anbau wagen. Und schließlich muss die Gesellschaft ihren
Beitrag leisten, indem sie bereit ist, mehr Geld für den Erhalt und nicht
die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen auszugeben. [LANDWIRTSCHAFT/1521]
Quelle: Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 – Mai 2012, S. 13. Herausgeber:
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – Bauernblatt e.V.,
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm, Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21,
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de, Internet: www.bauernstimme.de .
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich). Einzelausgabe: 3,30 Euro.
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich (verbilligt auf Antrag 28,40 Euro
jährlich)
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