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Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

„USA tanken bereits Amazonas-Ethanol“ – Umweltjournalist Norbert Suchanek aus Rio de Janeiro

 Der Amazonas werde von der Ethanolindustrie nicht angetastet! So die an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichteten jüngsten Verlautbarungen der brasilianischen Regierung. Der Bundesumweltminister gab sich vergangene Woche damit zufrieden  – ohne selbst genau hinzusehen. Denn tatsächlich breitet sich die Ethanolbranche längst auch in der Amazonasregion aus.

Und seit vergangenem Jahr tanken die USA bereits Amazonas-Ethanol. September 2007 exportierte der brasilianische Bundesstaat Maranháo seine ersten 4,5 Millionen Liter Ethanol in die USA. (Maranháo gehört zwar „politisch” zu Nordostbrasilien, doch geographisch ist ein Großteil des Bundesstaates Amazonasregion.) Bislang hat Maranháo „erst” 41.500 Hektar unter Zuckerrohr. Doch das ist erst der Anfang. Gouverneur José Reinaldo Tavares will seinen geographisch zur Amazonasregion gehörenden Bundesstaat zu einem der wichtigsten Ethanolexporteure Brasiliens entwickeln und lockt internationales Kapital mit saftigen Steuervergünstigungen von bis zu 75 Prozent. Der Gouverneur rechnet mit 45 neuen Zuckerrohrethanolfabriken, die zusammen jährlich vier bis sieben Milliarden Liter Ethanol produzieren sollen “ 35 mal mehr als die voraussichtliche Ethanolproduktion in diesem Jahr. Basis der Kalkulation sind Studien des nationalen Agrartreibstoffzentrums „Pólo Nacional de Biocombustíveis in Sáo Paulo ( angesiedelt an der Escola Superior de Agricultura Luiz de Queiroz da Universidade de Sáo Paulo), wonach Maranháo – abzüglich der Naturschutzgebiete – über 1,16 Millionen Hektar für den Zuckerrohranbau besonders geeignete Böden verfüge. Laut jüngsten Äußerungen des Gouverneurs betrage die angestrebte Zuckerrohranbaufläche allerdings fast das doppelte, über 2 Millionen Hektar. Das Ethanolgeschäft von Maranháo bestimmen bislang internationale und vor allem US-amerikanische Anleger und Konzerne. So lässt der US-Investor TG Agroindustrial zusammen mit der brasilianischen Gruppe Costa Pinto seit 2006 im Distrikt Aldeias Altas jährlich 2.000 Hektar Zuckerrohrplantagen mit einer angestrebten Gesamtfläche von 25.000 Hektar anlegen. Costa Pinto produzierte bereits während des Pro-Alkohol-Programms der brasilianischen Militärdiktatur in Aldeias Altas Ethanol, gab aber zu Anfang der 1990er die Produktion auf, als die folgende demokratische Regierung die Ethanolsubventionen strich.  Während die Agrarsprit-Investmentfonds den Anlegern riesige Gewinne versprechen und der Gouverneur Maranháos den Agrosprit auf seiner Website in den rosigsten Farben anpreist, ist die brasilianische Landpastorale der katholischen Kirche (CPT) extrem besorgt. Denn der Zuckerrohrboom geschieht ihren Erkenntnissen nach auf dem Rücken der „kleinen” Leute, vor allem in Aldeias Altas, dem „Ethanol-Claim” von TG Agroindustrial / Costa Pinto. Die Ethanolbosse, die noch in diesem Jahr 22 Millionen Liter Ethanol in die USA exportieren werden, terrorisierten die Kleinbauern in der Region und hätten bereits zu Anfang ihrer Zuckerrohrexpansion Dutzende von Kleinbauernfamilien vertrieben. Von der TG Agroindustrial / Costa Pinto bezahlte und bewaffnete Schlägertrupps drohten den Familien und zerstörten deren Siedlungen, beklagt der CPT-Bericht der Diözese Caxias von Maranháo Oktober 2006. Allein aus der Siedlung Pitombeira vertrieben die Schlägertrupps der Ethanolinvestoren 45 Familien.  Und ein aktuelles Schreiben von CPT, Indianermissionsrat (CIMI) und Caritas in Maranháo beklagt, dass derzeit 73 Familien von Vertreibung durch die Zuckerrohrexpansion TG Agroindustrial / Costa Pinto in den Distrikten Aldeias Altas e Caxias bedroht sind. Deren auf Bewässerung angewiesene Zuckerrohrplantagen seien außerdem ein gravierendes Umweltverbrechen für die Region. Die Staubecken der Plantagen trockneten die Zuflüsse des Rio Itapecuru aus, zerstörten die Babaçu-Waldflächen und grüben den Kleinbauernfamilien das Wasser ab. Nichtsdestoweniger ist seit kurzem auch der US-amerikanische Investment Fund ”Comanche Clean Energy auf Einkaufstour in Maranháo. Rund 300 Millionen Dollar will der in New York registrierte Fund dort in den Bau einer Ethanol- sowie einer Biodieselfabrik investieren. Ex-Präsident Bill Clinton unterstützt die US-Investitionen in Brasilien. Für ihn sei brasilianisches Ethanol „im Bezug auf Umweltschutz und Produktionskosten ein Schritt nach vorn.“  Norbert Suchanek 

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 15. Mai 2008 um 18:59 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Naturschutz, Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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