Hannover. Bis spätestens zum frühen Nachmittag würden alle Polizisten im Einsatz sein, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Zur genauen Anzahl oder den Einsatzorten wollte die Behörde aber aus taktischen Gründen keine Aussagen machen. Bereits am Montag hatte Polizeipräsident Volker Kluwe angekündigt, dass wegen der besonderen Sicherheitslage nach den Terroranschlägen in Paris „sehr, sehr viele Polizisten“ im Einsatz wären. Im gesamten Stadtgebiet und in der Region Hannover sollen sie mit Maschinenpistolen bewaffnet auf Streife gehen.
Wenige Stunden vor Beginn des Länderspielspiels hat der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert vor Panikmache gewarnt. „Nach derzeitigen Erkenntnissen liegen uns keine Hinweise vor, dass wir in irgendeiner Form nicht von einem normalen, ruhigen Länderspiel ausgehen können“, sagte Große Lefert in Hannover.
Der DFB als Veranstalter stehe in engem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden. „Das ist schon eine große Herausforderung für alle Beteiligten“, gestand der Sicherheitsbeauftragte des Verbandes. „Panikmache ist sicherlich völlig fehl am Platze. Nichtsdestotrotz sind wir natürlich besonders wachsam“, sagte Große Lefert vor der Partie, zu der sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere Minister angesagt haben.
Am Abend treten in Hannover die deutsche Fußball-Nationalmannschaft und die Niederlande in einem Testspiel gegeneinander an. Nachdem es am vergangenen Freitag in Paris am Rande des dortigen Länderspiels des DFB-Teams gegen Frankreich zu mehreren Anschlägen gekommen war, bei denen mindestens 129 unschuldige Menschen getötet wurden, steht das Spiel in Hannover unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen.
Neue Presse/Hannover:
DFB-Appell vor Länderspiel: Bloß keine Panikmache
HANNOVER. Im Courtyard Hotel am Maschsee berichtete Große Lefert noch einmal die letzten Erkenntnisse zum Thema Sicherheit vor dem Lämnderspiel (20.35 Uhr, HDI-Arena), das im Schatten der Terrorattentate in Paris steht. „Wir sind im engen Kontakt mit der Polizei“, sagte der DFB-Sicherheitschef. „Nach derzeitigen Erkenntnissen liegen uns keine Hinweise vor, die darauf hinweisen, dass es nicht ein normales, ruhiges Länderspiel wird.“
Große Lefert erklärte: „Die Sicherheit steht an erster Stelle.“ Aber er warnte vor zu viel Angst während des Spiels: „Panikmache ist fehl am Platz.“ Er rät dem Publikum, „wachsam zu sein“ und „bei Gerüchten keine Panik“ zu verbreiten.
Bei den Sicherheitsvorkehrungen rund um das Stadion wich Große Lefert aus. Es werde „alles getan, was notwendig ist“. das heißt, Besucher sollten rechtzeitig zum Spiel am Stadion sein. Die Kontrollen könnten länger dauern. „Jeder Zuschauer soll den Eindruck bekommen, dass es sicher ist.“ Aber auch er sagte: „Eine 100-prozentige Siucherheit kann es nicht geben.“
Über 30 000 Zuschauer werden erwartet. Es gibt an den 96-Fanshops ab 17.30 Uhr noch Karten.
TERRORISMUS
Zweites deutsches Opfer in Paris stammte aus Niedersachsen
MDR:
Ein Sieg unbekannter Terroristen – nichts Anderes war die Absage in Hannover, meintFrank Aischmann. Dabei war die Partie im Vorfeld mit großer Rhetorik zum Symbol hochstilisiert worden. Doch dem hätten dann eben auch solche Taten folgen müssen.
Von Frank Aischmann, MDR, ARD-Hauptstadtstudio
Das Spiel von Hannover hätte stattfinden müssen. Die Absage war ein Sieg uns unbekannter Terroristen. Deren Ziel: Angst in die Bevölkerung zu tragen, Zweifel, Unsicherheit, Misstrauen. Dieses Gift wirkt, wenn der deutsche Staat ein Fußballstadion, ein Länderspiel im Herzen des Landes nicht mehr schützen kann.
Und dann? Der Koffer in der S-Bahn – vielleicht doch eine Bombe? Den demnächst geplanten Weihnachtsmarktbesuch – lieber doch absagen, weil ideales Anschlagsziel irrer Selbstmordattentäter? Die Flüchtlinge aus Syrien – wirklich Opfer oder stecken unter ihnen potentielle Terroristen?
Als Zeichen gegen Paranoia hätte das Spiel von Hannover stattfinden müssen. Als Zeichen dafür, dass wir unser freies Leben auch nach den schrecklichen Anschlägen von Paris weiterführen. Selbstbestimmt.
Das logische Gegenargument: Wollen wir für ein reines Symbol 40.000 Fußballfans im Stadion zu Versuchskaninchen unerkannter Bombengefahren machen? Kein Fußballspiel ist es wert, Terroropfer zu werden. Im Zweifel für die Sicherheit. Die Absage eine bittere, aber richtige Entscheidung.
Entschlossene Taten nach entschlossenen Worten
Dennoch hätte das Spiel von Hannover stattfinden müssen. Denn am Sonntag, keine zwei Tage nach der feigen Terrorserie von Paris, fiel der DFB-Entschluss: Trotz alledem – wir spielen. Deutschland-Holland wurde stilisiert zum Symbol für Freiheit und Demokratie. Mit Kanzlerin Angela Merkel im Stadion. “Wir weichen vor dem Terror nicht zurück”, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
All der entschlossenen Rhetorik hätten noch am Sonntag entschlossene Taten folgen müssen, die Gefährdungslage war schließlich bekannt. Die Sicherheitsbehörden dieses Landes hätten umgehend umschalten müssen. Um das Spiel von Hannover unter allen Umständen zu ermöglichen
Was ich meine? 700 Kilometer südlich von Hannover liegt Schloss Elmau. Dort wurde Anfang Juni für geschätzt über 300 Millionen Euro ein Hochsicherheits-G7-Gipfel organisiert. Mit 20.000 Polizisten, einer Kontrollzone, mit gesperrten Straßen und Bahngleisen, mit einer Flugverbotszone. Vor dem Hannover-Spiel hätten alle verfügbaren Spürhunde, alle freien Metalldetektoren zum Stadion geordert werden müssen für dieses Fußballspiel, das von der Politik als Antwort Deutschlands auf eine konkrete Kriegserklärung der Terroristen verkauft wurde.
Selbstverständlich: Jede wehrhafte Demokratie hat ihre Grenzen und Deutschland ist kein Polizeistaat. Ein einziger im Großraum Hannover versteckter Terrorist mit Panzerfaust oder Lenkrakete – und natürlich hätte selbst das wichtigste Spiel besser abgesagt werden müssen.
Notwendig ist: ein klares Bild der Gefahren
Aber eine freiheitliche Gesellschaft muss sich ein wirklich informiertes Bild von Gefahren und Gefahrenabwehr machen können. Was um alles in der Welt sollte dieser in sich unlogische Satz des Bundesinnenministers? Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern, also werde er sie nicht geben? Was sollte diese Dämonisierung eines unbekannten Gegners, warum diese freiwillige weitere Verunsicherung der eigenen Bevölkerung?
Um einen Vertrauensvorschuss für die Entscheidung der Spielabsage hat de Maizière gebeten. Den soll er haben. Aber jeder Vorschuss muss zurückgezahlt werden. Der Terrorismus hat nicht allein den Staat, er hat die gesamte Gesellschaft im Visier. Und darum möchte ich den Vorschuss bald zurück. Und erfahren, warum genau das so wichtige Spiel von Hannover abgesagt werden musste.