Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Konstantin Wecker und die Geldfußball-WM 2014 in Brasilien.

Liebe Freunde,
unsere Bundeskanzlerin fährt nach Brasilien zur WM.
Man wolle „mit Gewerkschaften und anderen Vertretern der Protestbewegung ins Gespräch kommen“, sagte Herr Oppermann von der SPD.
Nichts dagegen zu sagen, wenn man aus diesem Grund nach Brasilien reisen würde. Muss Herr Oppermann aber dazu ins Stadion und Flagge zeigen für eine WM, die ein korrupter Fussballverband mit einer teilweise korrupten Regierung in einem Land ausrichtet, in dem mittlerweile ein Großteil der Bevölkerung skandiert: »Não vai ter Copa«- »Es wird keine WM geben«? Die WM 2014 sei lediglich für eine reiche Elite, große Teile der Bevölkerung blieben hingegen ausgesperrt, schreibt der brasilianische Kolumnist Martins. »Die einst für die Massen mit Steuergeldern erbauten Stadien werden nun dank WM und FIFA eben diesen Massen wieder entrissen. Das ist pervers.« Die junge Welt schreibt heute: „Ausgeschlossen sind auch viele der armen Favelabewohner, die das Gros von Rio de Janeiros Fußballfans stellen. Als »WM-Vorbereitung« hatte Gouverneur Sergio Cabral bereits 2007 mit der brutalen Säuberungs- und »Befriedungspolitik« in strategisch und touristisch interessanten Favelas begonnen. Laut offizieller Statistik tötete die Militärpolizei bei ihren »Befriedungseinsätzen« in jenem Jahr 1330 Menschen. 2009 waren es 1049 getötete Favela-Bewohner. Nach offiziellen Angaben ist diese Zahl zwar 2013 auf 416 zurückgegangen, doch zeichnet sich für das WM-Jahr 2014 wieder ein Anstieg ab.“ Die Urbevölkerung Brasiliens wurde bei Demonstrationen mit Schlagstock und Tränengas aus einem besetzten Gebäude geprügelt, und der Weltfußballverband kann fünf Jahre lang FIFA Produkte importieren und in Brasilien verkaufen sowie ausländische Arbeitskräfte anstellen, ohne dass diese Steuern im Land zahlen müssen. Und wenn die FIFA aus Brasilien verschwindet, wird sie mindestens eine Milliarde Euro Gewinn gemacht haben, heisst es. Auch wenn ich nicht fussballverrückt bin – mir gefällt dieser Sport, so wie so viele andere Sportarten auch. (Ausgeschlossen Autorennen, auch wenn ich jetzt dafür wahrscheinlich wieder einen shitstorm ernte) Aber warum muss die vorwiegend arme Bevölkerung eines so liebenswert fussbalverliebten Landes bluten, damit eine Elite sich wieder mal kräftig bereichern kann? Man muss der FIFa das Handwerk legen, ihre Machenschaften sind unerträglich geworden. Und man muss sich mit der armen Bevölkerung Brasiliens solidarisch erklären. Und das macht man meiner Meinung nach nicht, indem man sich in ihren – von den Bürgern gestohlenem Geld – gebauten Stadien an der Seite unserer Kanzlerin zeigt. Jakob Augstein schreibt zu Recht:“Heute missbraucht der neoliberale Kapitalismus die Begeisterung der Fans. Korruption, Umweltzerstörung, Unterdrückung. Jeder Fernsehzuschauer macht sich mitschuldig, wenn ganze Wohnviertel dem Erdboden gleichgemacht werden, um Platz für neue Stadien zu schaffen, wenn Arbeiter wie Sklaven gehalten werden, wenn Protest niedergeknüppelt und Aktivisten verhaftet werden.“ Wenn uns in den nächsten Wochen überall wieder die Deutschlandflaggen um die Ohren fliegen, sollte man das vielleicht bedenken.

Merkel und Menschenrechtslage:

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/06/16/deutsche-bundeskanzlerin-angela-merkel-reist-zur-wm-2014-nach-brasilien-trotz-gravierender-menschenrechtslage-bei-treffen-mit-staatschefin-dilma-rousseff-in-brasilia-waren-schwere-menschenrechtsve/

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/05/19/fusball-wm-2014-und-strenge-berichterstattungsvorschriften-deutscher-medien-selbst-in-kommentaren-halt-sich-der-deutsche-mainstream-bisher-offenbar-strikt-an-das-vorschriftendiktat/

“Heute haben wir eine Zivildiktatur”.

 Bischof Erwin Kräutler im Interview mit dem brasilianischen Nachrichtenmagazin “Epoca”, Juni 2012:

“Lula und Dilma Rousseff werden als Zerstörer Amazoniens in die Geschichte eingehen…Ich habe Lula zweimal getroffen…Jene Leute, die früher mit uns kämpften, auf unserer Seite waren, die selbe Sache verteidigten, verteidigen jetzt das Gegenteil…2009 war ein sehr freundschaftliches Treffen mit Lula – ich hoffte noch, er ließe sich überzeugen. Und schrieb sogar: Gottseidank, Lula hat verstanden…Doch es war Theater, politisches Spiel. Er hielt damals meinen Arm und sagte: Dom Erwin, wir werden dieses Projekt niemandem aufzwingen. Du kannst auf mich zählen…Ich dachte, gut – der Präsident würde nicht so reden, wenn es nicht die Wahrheit wäre… Nein, Lula würde mir nicht ins Gesicht lügen…In diesem Moment glaubte ich wirklich an den Dialog…”

Epoca-Frage: “Sie hatten tatsächlich an Lulas Dialog-Versprechen geglaubt?”

Kräutler:”Ich glaubte daran…Aber es gab nie einen Dialog…Was Lula da machte, war nur Show, um dem Bischof gefällig zu sein…Nach meinen Informationen sind 61 Wasserkraftwerke in Brasilien geplant, die meisten in Amazonien…Hier hat sich der Widerstand gegen Belo Monte mit der Arbeiterpartei identifiziert…Bis dann Lula sein Präsidentenamt antrat. Als wir entdeckten, daß Lula seine Position geändert hatte, sind wir aus allen Wolken gefallen. Mein Gott, wie ist das möglich? Und die Leute der Arbeiterpartei hier wechselten auch die Seite…Das alles war Verrat, ein gewaltiger Schlag. Es ist sehr hart, von Leuten verraten zu werden, denen du die Hand gereicht hattest. Man hatte mich gefragt, Bischof, wen werden sie wählen? Ich sagte, ich stimme für Lula…Später sagte dann das Volk: Jetzt schluckt der Bischof…Jetzt sagen sie: Der Bischof war sogar für diese Leute von der Arbeiterpartei. Und jetzt muß ich Kröten schlucken…Lula hat Amazonien nie verstanden…Und am Ende seiner Amtszeit fiel er ins Delirium, berauschte sich an Ziffern, Statistiken…Heute haben wir eine Zivildiktatur…Wenn die Regierung sich verfassungswidrig verhält, leben wir erneut in einer Diktatur…Ich mag eine Frau als Präsidentin, aber ich dachte, als Frau wäre sie sensibler gegenüber unserer Lage…Man kann soviel protestieren wie man will. Sie verhindert jeglichen Dialog schon im Ansatz.  Belo Monte ist kein Thema für eine Diskussion. Sie ist sehr hart, unnachgiebig, akzeptiert keine abweichende Meinung…Die Geschichte Amazoniens, Brasiliens und der Erde wird bald Lula und Dilma sehr genau als skrupellose Zerstörerverurteilen – als Verursacher von Einwirkungen, die unumkehrbar das Klima des Planeten veränderten…”

Brasilien – Daten, Statistiken:  http://www.hart-brasilientexte.de/2011/09/20/brasilien-daten-statistiken-bewertungen-rankings/

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 17. Juni 2014 um 14:44 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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