Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Ana Olga Freitas, Tänzerin des Samba de Roda. Sängerin, Näherin in einer Textilfabrik. Gesichter Brasiliens.

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Samba tanzen in dem Tropenland Millionen, aber die Stilart Samba de Roda nur um die tausend in Cachoeira und Umgebung, die man auch „Recôncavo Baiano” nennt. Das malerische, wenngleich ärmliche Kolonialstädtchen liegt in Bahia am Rio Paraguaçu “ und dort lebt die Sklavennachfahrin Ana Olga Freitas. Auf einmal steht sie mit ihrer als „genial” geltenden Mutter, der Komponistin und Texterin Dona Dalva, sozusagen im Rampenlicht “ denn die UNESCO in Paris hat 2005 just den Samba de Roda der Cachoeira-Region zum schützenswerten nichtmateriellen Weltkulturerbe erklärt.

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Jahrhundertelang war das Städtchen ein wichtiger Handelshafen für Zucker, Tabak, Diamanten und für Sklaven der verschiedensten Ethnien. Rio de Janeiro wurde auch durch den Samba Carioca weltbekannt “ der jedoch in Wahrheit aus dem über tausend Kilometer entfernten Cachoeira stammt, dort seine Wurzeln hat. Und jener im Kreis getanzte Samba de Roda, auf den sich Ana Olga Freitas so virtuos versteht, ist ebenfalls im „Recôncavo Baiano” entstanden. Sie und ihre Musiker, Mittänzer sind alles keine Profis, sondern Autodidakten, einfache und sehr arme Leute, Straßenkehrer und Bauarbeiter darunter. Daß der Samba de Roda nicht ausstarb, als Cachoeira von wirtschaftlichem Niedergang, Verfall und Dekadenz heimgesucht wurde, hat kurioserweise mit der Zigarrenfabrik des aus Westfalen eingewanderten August Suerdieck zu tun.

„Ich bin Ana Olga aus der Stadt Cachoeira in Bahia. Bei unserem Samba de Roda tanzen Frauen in der typischen weißen Bahia-Tracht im Kreise, schwingen ihren Körper elegant hin und her, steppen mit den Füßen “ so läuft das bei uns im Recôncavo. Die Männer machen die Musik mit Gitarren und Tambourins “ aber in einem bestimmten Moment treten sie auch in den Kreis und tanzen mit. Doch die Frauen tanzen besser, die haben das einfach besser drauf, also diesen ganz besonderen, einmaligen Hüftschwung der Frauen. Das ist nun mal so, nicht? Meine Mutter hat mit vielen Frauen in der Zigarrenfabrik gearbeitet “ und eines Tages kam ihr die Idee, laßt uns doch einen Samba spielen. Und da hat sie mit diesen Holzbrettchen, die man beim Zigarrenmachen braucht, den Rhythmus geschlagen. Sie haben also Zigarren gedreht und dabei eigene Sambas gesungen. Aber als der Aufseher kam und das hören könnte, haben die Frauen abgebrochen “ aus Angst, der würde sie alle entlassen. Nur war es genau umgekehrt, dem hat das gefallen, der ließ sie weiter Samba spielen. Und bei den Festen in Cachoeira sind die Zigarrenarbeiterinnen dann immer auf die Straßen gegangen und haben ihre Sambas getanzt. Die Leute mochten das. Bis dahin gab es noch nicht den Samba de Roda mit Frauen in Bahia-Tracht “ den hat meine Mutter geschaffen, entwickelt, die Gruppe Samba de Roda Suerdieck gegründet. Mit diesen Zigarrenhölzchen aus der Fabrik den Takt zu schlagen, gehört auch zu unserem Stil. Wegen uns haben andere ebenfalls solche Gruppen gegründet, uns nachgeahmt. Meine Großmutter war vom afrikanischen Stamme der Nago, ihr hat meine Mutter diesen Samba „Maria Tereza” gewidmet. Die Zigarrenfabrik ist inzwischen zu. Ich bin Näherin in einer Textilfabrik, wo ich leider keinen Samba singen kann. Da ist es so anders als in der Fabrik meiner Mutter.  Der  Samba ist unser Leben, ist in unserem Blut. Wir sind eine große Familie und wohnen alle nahe beieinander. Meine drei Kinder, meine Schwestern, alle meine Verwandten machen beim Samba de Roda mit. Wir tanzen viel Samba, denn der Bahianer feiert gerne. Wir hoffen, daß uns auch mal Deutschland einlädt “ das wäre was, zu den Deutschen unsere Fröhlichkeit zu bringen. Ave Maria, da hätten wir bestimmt großen Erfolg. Denn Samba ist einfach ein Rhythmus, der niemandem zuviel wird, der nicht auf die Nerven geht. Meine Mutter bittet uns immer, laßt den Samba nicht sterben, und wir lassen das auch nicht zu. Was ist an den Leuten von Bahia so besonders? Ich glaube, unsere Lebenslust ist ansteckender als die von den Leuten in Sao Paulo oder anderswo. Daß wir jetzt Weltkulturerbe geworden sind, macht uns unheimlich glücklich. Dabei hat das mit dem Samba doch nur als Spielerei, als Freizeitvergnügen angefangen. Wir danken Gott, daß Â das mit dem Weltkulturerbe so gekommen ist. Jetzt können wir unsere Fröhlichkeit in die ganze Welt hinaustragen.“

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 09. Oktober 2009 um 04:22 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Kultur abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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