Rassismus in Brasilien: Nur 2,2 Prozent Dunkelhäutige an den Universitäten/Streit um Quotenregelung
Über einhundertzehn Jahre nach Abschaffung der Sklaverei unternimmt das größte lateinamerikanische Land erste Schritte, um der dunkelhäutigen Bevölkerungsmehrheit konkrete Aufstiegschancen zu geben. Als erster Teilstaat reservierte Rio de Janeiro jetzt auf Beschluß des Parlaments Schwarzen und Mischlingen vierzig Prozent der Studienplätze an seinen zwei öffentlichen Universitäten. Dort sind derzeit rund 25000 Studenten eingeschrieben. Obwohl die offizielle brasilianische Delegation auf der jüngsten Anti-Rassismus-Konferenz der UNO von Durban derartige Quotenregelungen vorgeschlagen hatte, ist indessen fraglich, ob andere Teilstaaten und vor allem die Bundesregierung in Brasilia nachziehen. Schwarzenorganisationen und die katholische Kirche kritisieren seit langem heftig, daß an den Universitäten lediglich etwa 2,2 Prozent Dunkelhäutige studieren, in manchen Fachrichtungen, wie etwa Medizin, häufig sogar nur 0,2 Prozent. Bildungsminister Paulo Renato versprach jetzt, bereits im kommenden Jahr Gratis-Vorbereitungskurse für die Aufnahmeprüfungen einzurichten. Er bezog sich dabei ausdrücklich auf das Beispiel des Franziskaners David Raimundo dos Santos, der solche Kurse 1993 erstmals in einer von Elendsvierteln gezeichneten Vorstadt Rio de Janeiros erfolgreich gestartet hatte. Heute gibt es davon landesweit über eintausend, die bereits an die 15000 jungen Leuten den Zugang zu den Universitäten ermöglichten. Der Franziskanerbruder befürwortet indessen ausdrücklich Aufnahmequoten – zudem sollten Vorbereitungskurse für die deutlich diskriminierten Dunkelhäutigen innerhalb der Bundesuniversitäten eingerichtet werden. Anders seien rasche Fortschritte nicht zu erzielen. Während Angehörige der fast durchweg weißen brasilianischen Mittel-und Oberschicht ihre Kinder ausnahmslos auf Privatschulen schicken, bleiben den Unterprivilegierten nur die sehr schlecht ausgestatteten öffentlichen Schulen, mit häufig erschreckend niedrigem Niveau. Entsprechend schlechter sind die Chancen von Dunkelhäutigen, die studieren wollen. Laut Frei David werden an den öffentlichen Schulen Rio de Janeiros verschiedene Fächer de facto gar nicht gelehrt, erhalten die Schüler rein fiktive Noten. Nach Ansicht von progressiven Kongreßabgeordneten ist die Bevölkerungsmehrheit auch in anderen Sektoren der Gesellschaft absurd unterrepräsentiert. Gefordert wird deshalb auch eine Quote von 25 Prozent in den Medien, 20 Prozent im öffentlichen Dienst, 30 Prozent bei den Funktionsträgern der Parteien – sowie 40 Prozent in Darstellungen der Werbung.
« Campos de Jordao – Gesichter Brasiliens. – Brasilien, RECIFRAN – Sao Paulo. Die Franziskaner. »
Noch keine Kommentare
Die Kommentarfunktion ist zur Zeit leider deaktiviert.