Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

„Ich sehe keinen Linksruck.“ Der deutsche Unternehmer und DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun im „Handelsblatt“ über Lateinamerika 2008. Brasilien – „sozialdemokratische Politik der Mitte“.

Braun vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brasilien:“Unter Präsident Lula und seinem Vorgänger Cardoso hat sich Brasilien mit einer sozialdemokratischen Politik der Mitte  auf den richtigen Weg gemacht. …Wir sollten unsere Chancen in Lateinamerika stärker nutzen, sonst orientiert sich Lateinamerika noch mehr an Nordamerika.“

Laut Braun ist die deutsche Industrie im Großraum von Sao Paulo mit etwa 1200 Firmen vertreten.

Hintergrund:

Konzernchef Emilio Odebrecht:„Lula hat nichts von einem Linken an sich – war nie ein Linker”

DIE ZEIT und der Tod des Mitherausgebers Helmut Schmidt/SPD 2015 – was alles in den Nachrufen fehlt:http://www.hart-brasilientexte.de/2015/11/12/die-zeit-und-der-tod-des-mitherausgebers-helmut-schmidtspd-2015-was-alles-in-den-zeit-nachrufen-fehlt/

Brasilien-Wahlzirkus 2018: Wahlgewinner Jair Bolsonaro – Mann der Machteliten wie Lula, Haddad. Die neoliberalen Seilschaften der westlichen Welt…Bolsonaro und die Kubanerin Yoani Sanchez. Deutschsprachige Mainstream-Berichte über das größte katholische Land der Erde weiter abenteuerlich-grotesk – Deutschland-Bezug von Bolsonaro komplett unterschlagen. USA-Hinterhof Brasilien – strategischer Partner der Merkel-GroKo – enge Kapitalverflechtungen seit der Militärdiktatur. “Konvergenz der Ziele, Übereinstimmung der Werte, gleiche Grundkonzeptionen über die Gesellschaft” – SPD-Idol Helmut Schmidt über das brasilianische Folterregime:http://www.hart-brasilientexte.de/2018/10/08/brasilien-wahlzirkus-2018-bolsonaro-46-haddad-29/

In Europa, besonders Deutschland, sind die Kriterien für „links” und „rechts” heute deutlich anders als beispielsweise in Brasilien, werden Personen, Organisationen als links bzw. rechts eingestuft, die im Tropenland konträr definiert würden. Dies gilt mindestens seit den achtziger und neunziger Jahren auch für den heutigen Staatspräsidenten Lula. Der Chef der Unternehmensgruppe Odebrecht, Emilio Odebrecht, hat jetzt in einem langen Zeitungsinterview deutlich gemacht, weshalb Lula zum Wunschkandidaten der brasilianischen Geld-und Politikereliten wurde. Odebrecht sagte, er kenne Lula seit 1992.
Lula selbst hatte regelmäßig klargestellt, daß er sein ganzes Leben lang nicht als Linker, Linksgerichteter klassifiziert werden wollte. Zuletzt hatte Lula im Dezember 2006 in Sao Paulo vor Bankiers und anderen Unternehmern erneut für entsprechende Klarstellungen gesorgt. Wer sich mit über sechzig Jahren immer noch zur Linken rechne, sei nicht ganz bei Troste. „Wenn sie jemanden kennen, der alt ist und zur Linken zählt, heißt das eben, daß er Probleme hat”. Im Kontext der Rede waren mentale Probleme gemeint. Die Geldleute reagierten zufrieden und mit großer Heiterkeit, oder wie manche Zeitungen vermeldeten, lachten sich kaputt. „Wenn man die Sechzig erreicht, kommt man ins Alter des Gleichgewichts, ist man weder das eine noch das andere. Wer mehr rechts war, ist dann mehr in der Mitte “ und wer mehr links war, wird sozialdemokratisch, also weniger links.” Bankiersliebling Lula illustrierte das am persönlichen Beispiel, bezog sich auf den Kongreßpolitiker Delfim Netto, der zur Zeit des grausamen 21-jährigen Diktaturregimes der auch mit Pinochet eng kooperierenden Foltergeneräle wichtige Ministerposten, darunter das Amt des Finanzministers, bekleidete. „Heute bin ich ein Freund von Delfim Netto. Zwanzig Jahre lang habe ich Delfim kritisiert “ doch jetzt ist er mein Freund und ich bin seiner.” Das Publikum aus der Geldelite quittierte dies erneut mit Heiterkeitsausbrüchen.
Daß Lula tatsächlich nie der Linken angehörte, haben Politikwissenschaftler, aber auch Menschenrechtsaktivisten, die ihn aus seiner Zeit als Gewerkschaftschef gut kannten, immer wieder bekräftigt.
Die Lula-Äußerungen wurden von linken Persönlichkeiten Brasiliens zumeist mit Spott kommentiert. Soziologieprofessor Chico de Oliveira, 73, aus Sao Paulo nannte Lula ein Chamäleon “ intellektuell, politisch und ideologisch schwach. Er passe sich jedem Ambiente an, um zu überleben.
Helio Bicudo, aus Lulas Arbeiterpartei ausgetretener katholischer Menschenrechtsaktivist:”Mit 84 stehe ich heute mehr links als mit 60.”
Poet Ferreira Gullar:”Lula geht es nur um die Macht “ je nach Publikum redet er jedwedes Zeug.”
Senator Cristovam Buarque, von Lula gefeuerter Bildungsminister :”Die Klarstellung Lulas festigt meine Position, daß diese Regierung rechts steht.”
Waldemar Rossi aus Sao Paulo, Führer der katholischen Arbeiterseelsorge aus Sao Paulo, hatte einst mit Lula Streiks organisiert und stets betont:”Lula war nie ein Linker. All dies erklärt seine teilweise Bewunderung für Adolf Hitler.” Bereits als Gewerkschaftsführer hatte Lula zur Diktaturzeit in einem Interview wörtlich gesagt, nie dementiert oder berichtigt:”Hitler irrte zwar, hatte aber etwas, das ich an einem Manne bewundere “ dieses Feuer, sich einzubringen, um etwas zu erreichen¦Was ich bewundere, ist die Veranlagung, Bereitschaft, die Kraft, die Hingabe.”
Auch angesichts dieses berühmten Lula-Satzes lassen sich klare Rückschlüsse auf die politischen Positionen jener ziehen, die ihn als links, progressiv definieren.
Das nicht-linke politische Spektrum befindet sich gemäß den Analysen renommierter Sozialwissenschaftler gerade in Brasilien, dem Testlaboratorium des Neoliberalismus, in einer besonders komfortablen Situation. Die angesehene Universitätsprofessorin Anita Prestes, Tochter der von den Nazis in Bernburg vergasten Jüdin Olga Benario, betont stets, in Brasilien gebe es weder linke Parteien noch Organisationen, lediglich linke Einzelpersönlichkeiten. Exakt genauso sieht es Claudio Abramo, Exekutivdirektor der Anti-Korruptions-NGO
„Transparencia Brasil”: „Hier gibt es keine linke Organisation “ soetwas ist hier nicht verwurzelt. Und ein gesellschaftliches Segment, das eine linke Partei tragen könnte, existiert auch nicht. Wir sind ein deutlich unterentwickeltes Land.”

Der brasilianische Befreiungstheologe und Bestsellerautor Frei Betto hatte Staatschef Lulas Äußerung scharf kritisiert, wonach jene, die sich als Ältere noch zur Linken zählten, nicht ganz bei Troste seien. Der Dominikaner-Ordensbruder verurteilte zugleich Lulas enge Zusammenarbeit mit dem rechtskonservativen Ex-Minister der 21-jährigen Militärdiktatur, Delfim Netto. Wie Frei Betto in Sao Paulo betonte, habe sich die sozialdemokratische Option des Staatschefs in dessen erster vierjähriger Amtsperiode bereits in einer neoliberalen Wirtschaftspolitik gezeigt.
Nur zehn Milliarden der Landeswährung Real seien in das Anti-Hunger-Programm ”Bolsa Familia geflossen, jedoch hundert Milliarden Real an die Gläubiger der öffentlichen Schulden. Dies habe die versprochene und erträumte selbsttragende Entwicklung des Landes verhindert. Lulas Argumentation entspreche der von US-Präsident Bush und vielen Rechten:Wer noch vom Ende der sozialen Ungleichheit oder von der Möglichkeit einer anderen Welt träumt, muß verrückt sein.
Frei Betto wandte sich scharf gegen Lulas Freundschaft mit dem Ex-Diktaturminister Delfim Netto. ”Delfim übte niemals Selbstkritik wegen seiner Mitschuld am Diktaturregime, das verhaftete, folterte, mordete, verbannte und hunderte von Menschen verschwinden ließ. Vielmehr habe Netto sein Verhalten sogar gerechtfertigt. Der Befreiungstheologe nannte es besorgniserregend, wenn Lula die Freundschaft mit Netto als ”Signal menschlicher Evolution betrachte.
Zuvor hatte Waldemar Rossi, der zu den Führern der katholischen Arbeiterseelsorge zählt, in Sao Paulo betont, daß Lula nie der Linken angehörte. ”Mit seiner Äußerung, wonach jemand, der als Älterer immer noch links stehe, nicht ganz bei Troste sei, wollte sich Lula schlichtweg den Unternehmern anbiedern. Und zeigte wieder einmal, wer er wirklich ist. Lula gleicht einem Chamäleon – paßt sich an – entsprechend seinen persönlichen Interessen. Lula gehörte nie zur Linken, war stets ein Konservativer, wollte einfach persönlich Karriere machen. Man schaue sich nur an, welche Privilegien er jetzt sich und den Seinen verschafft hat – einfach absurd. Nur ein Idiot sieht und begreift dies alles nicht. Lula wußte geschickt die Naivität der Linken auszunutzen, die ihn zu einem revolutionären Führer machen wollten. Er ergriff die Chance, stieg auf – und verpaßte danach sowohl der brasilianischen Linken als auch den brasilianischen Sozialbewegungen, ob Landlose oder Studenten, einen Tritt in den Hintern. Von denen will er nur Wahlstimmen – aber sie sollen ihm keine Problem machen. Die Welt, die er für sich erträumt, ist die eines Reichen, eines Privilegierten. Seine Vision ist die des Kapitals. Lula war stets für das kapitalistische System, von Anfang an. Er hat eine strikt kapitalistische Sicht der Dinge, biederte sich stets jenen an, die die wirtschaftliche Macht haben.
Aber in Europa definieren doch viele Lula als Linken? ”Die haben einfach nichts begriffen, sind realitätsfremd. Nie hat das Kapital in Brasilien solche Gewinne gemacht wie unter Lula. Realitätsfremde Universitätslinke, jene, die nur von der Theorie her kommen, hielten in Brasilien Lula für einen Linken – nicht aber die Arbeiter an der Basis, die machten sich keine Illusionen. Rossi hatte beim Papstbesuch von 1980, zur Diktaturzeit, in einem Fußballstadion Sao Paulos als Vertreter der Arbeiter zu Johannes Paul dem Zweiten gesprochen, sich mit ihm getroffen.

Ex-Metallarbeiter Rossi äußerte sich auch zu Darstellungen, wonach der Ex-Gewerkschaftsführer Lula zur Diktaturzeit geradezu legendäre Streiks geleitet und damit die Foltergeneräle herausgefordert habe. ”Lula war nie für Streiks – diese wurden nur deshalb organisiert, weil die Basis sie verlangte. Und nur, weil die Arbeiter es verlangten, vertrat Lula bestimmte politische Positionen. Nach der Diktaturzeit hat Lula große, historisch wichtige Streiks, darunter der Ölarbeiter und Lehrer, öffentlich verurteilt.”

Staatschef Lula lobt erneut Folterdiktatoren – nach dem deutschstämmigen General Geisel diesmal General Mèdici. Öffentliche Kritik an Lulas hoher ”Verfolgten-Rente – ”Pensao imoral. **

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Brasiliens Presse hat herausgestellt, daß Staatspräsident Lula erneut berüchtigte Diktaturpräsidenten aus der Zeit des brasilianischen Militärregimes (1964-1985) gewürdigt hat. Anläßlich des 35. Gründungstags des brasilianischen Instituts für Agrarforschung(EMBRAPA) hob Lula hervor, daß General Emilio Garrastazu Médici die entsprechende Urkunde unterzeichnet habe. Unter Médici sei nicht nur EMBRAPA, sondern auch Brasiliens größtes Wasserkraftwerk von Itaipú geschaffen worden. „Mit Stolz sagen die Leute manchmal: Lula verteidigt die Regierung Geisel. Wir können doch Menschen nicht ewig nur wegen ein oder zwei Gesten beurteilen, statt für deren Gesamtwerk.”

Über Médici bemerkte Lula lediglich, daß die Brasilianer während dessen Amtszeit den kritischsten Moment in der Landesgeschichte erlebten. In der Diktaturzeit hatte Lula 1979 auch seine Sicht zu Adolf Hitler klargegestellt:”Hitler irrte zwar, hatte aber etwas, das ich an einem Manne bewundere “ dieses Feuer, sich einzubringen, um etwas zu erreichen¦Was ich bewundere, ist die Veranlagung, Bereitschaft, die Kraft, die Hingabe.”

Die Zeitung „O Globo“ kritisierte  Lulas Nutzung des Slogans der Medici-Regierungszeit „Ninguem segura este pais“.

Brasiliens Presse veröffentlicht regelmäßig ganze Sammlungen von Lula-Zitaten, die für bemerkenswert gehalten werden. Dazu zählen auch als machistisch definierte Sätze. In einer Rede in Pelotas hatte er nach dem Amtsantritt von 2003 über seine Frau Marisa Leticia erklärt:Sie wurde gleich am ersten Tag der Ehe schwanger, denn ein richtiger Pernabucaner versagt dabei nicht.

Wegen des neuerlichen Lobs von Generalspräsidenten der Militärdiktatur stellte Brasiliens Presse die Frage, ob Lula dann nicht eigentlich auf seine hohe ”Verfolgten-Rente verzichten sollte. Gemäß den Zeitungsangaben erhält Lula seit seinem 51. Lebensjahr eine Rente für Verfolgte der Militärdiktatur in Höhe von umgerechnet über 1500 Euro monatlich. Brasiliens Mindestlohn liegt derzeit bei umgerechnet rund 170 Euro. Im Rahmen des Anti-Hungerprogramms können verarmte, verelendete Familien, die meist kinderreich sind, maximal umgerechnet monatlich rund 45 Euro erhalten. Festangestellte Arbeiter in Brasiliens Privatindustrie bekommen einen durchschnittlichen Bruttolohn von umgerechnet etwa 400 Euro. Der Ex-Gewerkschaftsführer erhalte indessen, wie es heißt,  zu seinen sonstigen Einkünften  noch jene ”Verfolgtenrente von umgerechnet über 1500 Euro.  Sie sei ihm zugesprochen worden, weil er zur Diktaturzeit ein Gewerkschaftsmandat verloren und 1980 insgesamt 51 Tage im Gefängnis gesessen habe. Es handele sich um eine ”Pensao imoral, eine unmoralische Pension –  Lula zähle seit langem zu den wohlhabenden Brasilianern.

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 06. Mai 2008 um 21:52 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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