Von DR. VIKTOR HEESE | Weißrussland fällt der „Brüsseler Wertegemeinschaft“ eher sporadisch auf, wie zuletzt wegen der Corona-Verweigerung vor den Präsidentschaftswahlen. Obgleich Lukaschenko kein lupenreiner Demokrat ist, passt dem Wertewächter EU vieles nicht in diesem fernen Ostland. Auffallend wird Minsk aber weder Korruption noch wirtschaftliche Misere vorgeworfen und der soziale Frieden wird ganz verschwiegen. Freiheit hin, russische Bedrohung her, zu massiv wird sich jedoch nicht eingemischt, wohl wegen der sensiblen Lage an der Ostfront der Migrationsrouten.
Kein ökonomisches Armenhaus trotz EU-Isolierung, China auf dem Vormarsch
Statistiken zeigen, dass Weißrusslands Einwohnerzahl (zehn Millionen) höher und die Volkswirtschaft etwa gleich groß ist, wie die der baltischen Staaten zusammengenommen. Das BIP pro Kopf von knapp 20 Tausend USD (2018 Platz 70. weltweit) übersteigt das der Ukraine (9.200 USD) um das Doppelte. Qualifiziertes Ausbildungsniveau, gute Fachkräfte, intakte Infrastruktur und gutes wirtschaftliches Sentiment (Doing Buissness Index Platz 37) – ein Platz besser als die Schweiz – zeichnen ebenfalls ein Positivbild.
Wenn Weißrussland nicht zu den aufstrebenden Emerging Markets zählt, so liegt das an der Isolierung des Landes, dem Misstrauen internationaler Investoren, auftretender Wachstumsgrenzen und zu viel Staatskapitalismus.
Es gibt einen neuen Hoffnungsschimmer. Seit einigen Jahren hat sich China stark engagiert. Die Anwesenheit der Asiaten merkt man bereits an den Schildern am Minsker Flughafen. Peking hat Belarus in das Konzept der Neuen Seidenstraße schon fest eingeplant – Russland hat nichts dagegen. Ob die „Beglückten“ auf Augenhöhe mit den roten Kapitalisten agieren, bleibt offen.
Was erwarten Weißrussen ökonomisch von der EU?
Gibt es „Chancen“ auf eine EU-Öffnung? Von Brüssel erwartet Weißrussland neben Zoll- und Arbeitsmarktöffnung auch ein investives Engagement. Theoretisch wäre die Region aufgrund ihrer geostrategischen Lage (Transitland für russische Pipelines?), den niedrigeren Lohnstückkosten als in östlichen EU-Beitrittsländern (Visegrad), der führenden Position der Digitalisierung für Werksstätten europäischer Großkonzerns gut geeignet.
Das sind heute noch Traumwünsche, die die kriselnde EU nicht erfüllen kann und will. Schon mit der Ukraine kommt man nicht weiter.
Würde die PiS in Polen nicht mehr an der Macht sein….
Auch wäre ein Flüchtlingspakt mit der EU von gleicher Dringlichkeit wie mit der Türkei., wenn erste Nachrichten über die Stürmung der polnischen Grenze nach dem Vorbild von Ceuta (Spanien) und Kroatien Schlagzeilen machen sollten.
Solange die PiS in Polen regiert, – gerade hat Duda die Präsidentschaftswahlen gewonnen – können wir im Westen ruhig schlaffen. Käme 2023 aber eine neue EU-hörige Regierung an die Macht, würden schnell Scharen von Migranten aus Zentralasien – wie einst 2002-2003 aus Tschetschenen – sich auf den Weg nach Deutschland machen. Die Route in den Goldenen Westen führt über Russland, Weißrussland und Polen und lässt sich aktivieren, wenn die Transitländer es zulassen.
Es ist schwer vorstellbar, dass Deutschland und die EU noch neue Migranten braucht. Ob Polen auf den Schengen-Gästen sitzen bliebe, weil Deutschland sie nicht hereinließe?
Muslimische Tschetschenen machen in Deutschland als Diebesbanden Schlagzeilen, Medien sprechen aber von „russischen Banden“. Auf der weißrussischen Seite gibt es schon hunderte Migranten, die mit allen Mitteln den Einlass nach Polen erzwingen wollen. Die Sperrung dieser Ost-Routen wäre nicht „billiger“ zu haben – das weiß Brüssel.
Auch der heimliche Wunsch, das Ostland vom „großen Bruder“ Russland zu emanzipieren, das der größte Handelspartner, Energiegarant und militärischer Verbündeter ist, fruchtet nicht. Weißrussland ist für viele das Russland im Kleinformat. Wegen der Sprache, höheren Sicherheit und niedrigerem Preisniveau übersiedeln immer mehr russische Pensionäre in die einstige Vorzeigerepublik des zusammengebrochenen Sowjetreiches („Nostalgierentner“).
Fazit:
Das Thema Weißrussland besitzt für unsere Medien kein „Entwicklungspotential“. Die Ereignisse werden schnell in Vergessenheit geraten. Minsk wird sein politisches System nicht freiwillig öffnen, nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität. Ob die Demonstranten westliche Verhältnisse oder nur „liberalere russlandähnliche“ wollen – auch das bleibt unklar. Dennoch muss das Land auf der Beobachtungsliste stehen bleiben. PI
Per Google-Suche hat man rasch heraus, welche deutschen Medien diese Fakten offenkundig wegen Zensurvorschriften unterschlagen.
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