Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

„Prof. Sinn deckt Medienlüge auf“(Bereits am 17.12.2014 veröffentlicht!). Reaktionen auf Klarstellungen von Ifo-Chef Sinn in der FAZ zur „falsch interpretierten“ Bertelsmann-Migrations-Studie 2014. Deutsche Medien arbeiten inzwischen mit nahezu allen Mitteln…

Ifo-Chef Sinn

„Migration ist ein Verlustgeschäft“ (FAZ)

http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/oliver-janich/prof-sinn-deckt-medienluege-auf-jeder-einwanderer-kostet-79-1-euro.html

Vergewaltigungskultur in Entwicklungsländern. Neues Gesetz über Indianerverbrechen: http://www.hart-brasilientexte.de/2015/10/09/brasilien-2015-spektakulaeres-politisch-unkorrektes-gesetz-gegen-indianer-verbrechen-von-abgeordnetenhaus-in-brasilia-erlassen-buerger-staatliche-institutionen-und-ngo-muessen-indio-verbrechen-anz/

“Es gibt Trends und Moden in der Berichterstattung, die so übermächtig sind, daß es vollkommen egal ist, was wirklich passiert ist.” Dagobert Lindlau im Deutschlandfunk über Wege zur desinformierten, leichter manipulierbaren Gesellschaft.

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/29/pegida-2014-und-manipulationstricks-wie-eine-bertelsmann-studie-von-medien-und-politikern-vollig-falsch-interpretiert-wurde/

“Wer nicht täuschen kann, soll nicht Politiker werden.” Konrad Adenauer, zitiert nach Weimarer Taschenbuchverlag.

Zu den Kuriositäten im Deutschland von heute zählt, daß immer noch manche Bürger meinen, was Politiker öffentlich sagen und verbreiten lassen, sei identisch mit dem, was sie tatsächlich denken und vorhaben. Dies gilt auch besonders für die Migrationspolitik. 

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/16/dresdner-christen-grusen-die-pegida-kirchenfunktionare-mussen-auf-der-seite-derer-mitrennen-die-sie-bezahlen/

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Ausriß.

Reaktionen auf Gauck-Weihnachtsansprache 2014: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/24/reaktionen-auf-weihnachtsansprache-von-joachim-gauck-2014-was-in-der-ansprache-alles-fehlt/

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München 2014. Was Pegida-Gegner ganz toll, kulturbereichernd und weltoffen finden, in Übereinstimmung mit ihren Wertvorstellungen über Frauenrechte.  

Judenhasser feiern Attentate. Islam und Nazismus – zumeist verschwiegen, besonders von rechtsextremen Politschauspielern: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/11/19/judenhasser-feiern-attentat-auf-synagoge-in-jerusalem-2014-politisch-korrekter-deutscher-mainstream-verschweigt-das-stets-auch-in-deutschland-derartige-attentate-gros-gefeiert-werden-autoritaten-e/

Deutschlands starke Neue Rechte solidarisiert sich mit Gewalt-Gesellschaftsmodellen, hochprofitablem Menschenhandel, Judenhassern,  Ehrenmördern, Vergewaltigern, sexistischen Frauenhassern, Brutalo-Machos, organisiertem Verbrechen, Drogendealern, Parallelgesellschaften etc. in Deutschland – besonders bemerkenswert ist die hingenommene brutale Unterdrückung ausländischer Frauen bestimmter Herkunftsländer in Deutschland. 

Gezielte Gewalt-und Terror-Förderung: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/16/gewalt-und-terrorforderung-in-deutschland-was-den-zustandigen-autoritaten-bereits-gelangwir-beobachten-eine-rasant-wachsende-zahl-an-salafisten-prasident-des-bundesamtes-fur-verfassungsschutz/

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 Sao Paulo. “Die Wahrheit ist, daß du jeden Tag lügst.”

Medienkritische Website “Propagandaschau” kürt Maulhuren des Jahres: Kleber(1), Atai(2), Jauch(3), Will(4), Lielischkies(5). **

tags: 

http://propagandaschau.wordpress.com/2014/12/28/maulhure-des-jahres-2014-wahlergebnis-und-laudatio/

“Die Maulhure 2014 ist…

Kleber Maulhure 2014
Claus-Detlev Walter Kleber

Mit 4.686 bei insgesamt 44.221 abgegebenen Stimmen konnte der ZDF-Mann die nicht minder begabten Realitäts- und Wahrheitsfälscher, Lügner und HetzerGolineh Atai (3279 Stimmen) und Günther Jauch (2694 Stimmen) von der ARD auf die Ränge verweisen.

Maulhure_2014_ErgebnisBerufslügner Udo Lielischkies schaffte nur einen enttäuschenden fünften Platz. Ein klares Zeichen dafür, dass auch viele nicht regelmäßige Leser der Propagandaschau an der Abstimmung teilgenommen haben. Das Gesamtergebnis als Download.”

Ausriß

Peter Scholl-Latour 2014: “Und da spielen die USA verrückt im Moment. Die führen den Kalten Krieg fort.” “Es war Putin, der mit der Annexion der Krim das Völkerrecht gebrochen hat.” (Tagesspiegel-Einwand.) “Die Amerikaner müssen vom Völkerrecht reden! Wer Leute mit Drohnen ermorden lässt! Die sind selber in genügend Länder einmarschiert. Und im Irak haben sie uns total angeschmiert. Putin hat hundertmal Recht auf die Krim. Die Menschen dort sind prorussisch.” (Tagesspiegel-Interview)

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/05/05/ukraine-2014-die-manipulations-und-propagandamethoden-deutscher-medien-und-westlicher-politiker-deutsche-medienkonsumenten-weisen-auf-gangige-methoden-der-letzten-monate/

http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/19/ukrainekrieg-2014-die-falle-von-ilowajsk-ein-typischer-tv-streifen-von-udo-lielischkies-gut-geeignet-fur-den-medienkundeunterricht-an-deutschen-schulen-was-fehlt-welche-ideologie-wird-transpo/

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/19/ukrainekrieg-2014-ilowajsk-wie-das-hamburger-wochenblatt-die-zeit-berichtet-was-alles-fehlt-die-macht-der-oligarchen-tagesschau/

http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/22/gezielte-einschleusung-von-mitgliedern-des-global-vernetzten-organisierten-verbrechens-nach-deutschland-autoritaten-und-polizei-geben-sich-vor-der-offentlichkeit-naiv-und-uberrascht-tun-so-als-wus/

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Ausriß. Warum das deutsche Fernsehen gleich an erster Stelle das Falsch-Interview als angeblich authentisch brachte…

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/22/falscher-pegida-demonstrant-faz-die-methoden-des-heutigen-mainstreams-manchmal-nur-manchmal-kommts-halt-raus/

Mißlich für Ostdeutsche – nach 1990 verloren sie die auf ihrem Territorium befindlichen tonangebenden Medien, darunter Zeitungen  – diese wurden fast durchweg an westdeutsche Medienkonzerne verkauft und berichten vorhersehbar entsprechend – gemäß dem Tendenzschutz-Prinzip.

Die bedenkliche Rolle des sog. “Tendenzschutzes” – vielen Medienkonsumenten garnicht bekannt:

Tendenzschutz und journalistische Freiheit in Deutschland, laut Wikipedia: Tendenzschutz in deutschen Medien: Wikipedia zu üblichen sehr starken Beschränkungen journalistischer Freiheit:  …Unter Tendenzschutz wird verstanden, dass dem Verleger eines Mediums (z. B. einer Zeitung) ausdrücklich das Recht gewährt wird, die politische Meinung der jeweiligen Publikation festzulegen. Seine Macht erstreckt sich also nicht nur auf wirtschaftliche Entscheidungen (etwa zur Betriebsorganisation), sondern auch, wegen der besonderen Rolle derMassenmedien, auf politische Entscheidungen, die andere Unternehmen nicht treffen können, da sie nicht selbst publizieren.

Tendenzschutz bedeutet also konkret, dass der Verleger berechtigt ist, die politische Richtung der ihm gehörenden Medien zu bestimmen und seine Redakteure und freie Journalisten zu verpflichten, in einer bestimmten Art und einem bestimmten Stil Texte, Bilder und Filme in einer bestimmten politischen Sichtweise zu produzieren. Ein Recht von Redakteuren, journalistisch und inhaltlich vom Verleger unabhängig zu sein, besteht nicht…

Bestes Beispiel ist die Sächsische Zeitung in Dresden, die vom westdeutschen Bertelsmann-Konzern kontrolliert wird: Das Dresdner Druck- & Verlagshaus GmbH & Co KG (DD+V-Mediengruppe), in dem die Sächsische Zeitung erscheint, ist zu 60 Prozent im Besitz derBertelsmann-Tochter Gruner + Jahr, 40 Prozent der Anteile gehören der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft, einem Medienbeteiligungsunternehmen der SPD.  Wikipedia

Auch die Freie Presse in Chemnitz ist kein ostdeutsches Medium – und berichtet entsprechend:   ”Sie ging ohne Ausschreibung für umgerechnet 100 Millionen Euro an die Medien-Union GmbH mit Sitz in Ludwigshafen, welche auch die Tageszeitung Die Rheinpfalz publiziert.”

Thüringer Allgemeine:

Sie ist Teil der zur Funke Mediengruppe, ehemals WAZ-Mediengruppe, gehörenden Zeitungsgruppe Thüringen (gemeinsam mit Ostthüringer Zeitung und Thüringische Landeszeitung) und zählt zu den auflagenstärksten Regionalzeitungen in Deutschland…Die Funke Mediengruppe mit Sitz in Essen ist ein Medienkonzern mit Beteiligungen an Zeitungen, Anzeigenblättern, Zeitschriften und elektronischen Medien in Deutschland, Österreich, Kroatien und Ungarn…Wikipedia

Volksstimme Magdeburg:  ”Die Volksstimme erscheint seitdem bei der Magdeburger Verlags- und Druckhaus GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der für ihre Programm- und Yellowpress-Blätter bekanntenBauer Verlagsgruppe Hamburg, der heutigen Bauer Media Group.” Wikipedia

Berliner Zeitung:  …Die Verlagsgruppe Holtzbrinck verkaufte daher im Herbst 2005 den Berliner Verlag für geschätzte 150 bis 180 Millionen Euro an die BV Deutsche Zeitungsholding. Die Übernahmepläne waren nach deren Bekanntgabe innerhalb des Verlages auf starke Kritik gestoßen, weil befürchtet wurde, dass zu hohe Renditeerwartungen des britischen Medienmanagers David Montgomery die journalistische Qualität der Zeitung beeinträchtigen könnten. Ebenfalls wurde kritisiert, dass Chefredakteur Josef Depenbrock gleichzeitig als Geschäftsführer fungierte. Mit dem Verkauf des Berliner Verlages war erstmals ein deutsches Zeitungshaus in den Besitz eines ausländischen Finanzinvestors gelangt…

Schweriner Volkszeitung: ”…Der Burda-Verlag, in dem Zeitschriften wie BunteFocus und Freundin erscheinen, kaufte 1991 von der Treuhandanstalt neben dem Rostocker Blatt Norddeutsche Neueste Nachrichten dieSchweriner Volkszeitung. Im Jahre 2005 wurde das Blatt vom Burda-Konzern an den Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z) veräußert und ist heute, wie der sh:z, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der medien holding:nord GmbH mit Sitz in Flensburg.[3].. Wikipedia

Ostsee-Zeitung:  …Die Ostsee-Zeitung ist ein Tochterunternehmen der Lübecker Nachrichten. Seit 31. Dezember 2009 wird das Unternehmen direkt als 100-prozentiges Tochterunternehmen der Verlagsgesellschaft Madsack in dessen Unternehmensbilanz geführt… Wikipedia

Tendenzschutz der beschriebenen Art gilt für nahezu alle anderen existierenden Medien auf dem Gebiet Ostdeutschlands – entsprechend sind Qualität und niedriger Grad wiedergespiegelter Realität.

Was in Tendenzschutz-Medien noch alles an heiklen Themen fehlt: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/14/brasiliens-folterdiktatur-abschlusbericht-der-wahrheitskommission-2014-auffalliges-schweigen-deutschsprachiger-medien-zum-thema-foltertechnologie-folterinstrukteure-aus-der-bundesrepublik-deutschla/

 http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/24/ukraine-2014-warum-hochrangige-deutsche-politiker-eines-der-korruptesten-lander-der-erde-stark-unterstutzen/

http://www.hart-brasilientexte.de/2008/05/19/es-gibt-trends-und-moden-in-der-berichterstattung-die-so-ubermachtig-sind-das-es-vollkommen-egal-ist-was-wirklich-passiert-ist-dagobert-lindlau-im-deutschlandfunk-uber-wege-zur-desinformierten/

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Volksempfänger-Journalismus heute.

Kuba und Manipulationstricks: http://www.hart-brasilientexte.de/2014/12/27/usa-and-cuba-break-the-ice-frei-betto-brasiliens-wichtigster-katholischer-befreiungstheologe-kuba-und-aktuelle-manipulationstricks-im-deutschen-mainstream-was-alles-in-kuba-artikeln-fehlt/

Herzlich willkommen!

10. Januar 2011 von Thomas Hartung

Als Dozent informiere ich Sie auf meiner Webpräsenz über meine Aktivitäten rings um die hochschulische Ausbildung angehender Medienmacher.

Als Mensch lasse ich Sie gern an meinen freizeitlichen Aktivitäten teilhaben, zu denen nicht zuletzt Kochen gehört ;-)

Als Bildungsbürger kommentiere/rezensiere ich außerdem vielerlei kulturelle Phänomene – vom Roman über den Musikergeburtstag bis zum Regisseurstod.

Und als (Ex-)Journalist blogge ich daneben unregelmäßig Betrachtungen zu Interessantem und Wissenswertem nicht nur aus der Welt der Medien.

Warum gerade Betrachtungen?

Ich empfinde dieses Genre – eine Meinungsdarstellungsform übrigens – als eins der zeitgemäßen schlechthin.

Eine Betrachtung soll durch Beschreibungen und Schilderungen, Vergleiche und Annäherungen bis hin zur Analyse einem Ereignis, einer Situation, einem Gegenstand oder auch einem (gesellschafts-) politischen Problem Individualität verleihen: Recherche darf in gewissem Maße substitutiert werden durch Subjektivität.

Die Betrachtung ist durchaus mit derselben eines Kunstwerks in einer Ausstellung vergleichbar: man wählt zunächst die Gesamtschau und wechselt dann zu einzelnen Aspekten.

Dabei ist dem Genre eigen, dass die Prioritäten dieser Aspekte oft im Vagen bleiben: aus der Betrachtung erwächst ein Gedanke, der das formale Ziel darstellt.

Der Gegenstand darf dabei Randerscheinung eines größeren Zusammenhangs bleiben: “die Bedeutung des Unbeachteten birgt den Kern ihrer Aussage” (Degen 2004).

Viel Spass beim Lesen – und natürlich beim Kommentieren!

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Was wollen die PEGIDA-Anhänger, wer sind die, wie ticken die?

17. Dezember 2014 von Thomas Hartung

Dass auch ich überzeugter PEGIDA-Gänger bin, ist allgemein bekannt. Leider nur einigen, dass ich letzten Montag von einem französischen TV-Team interviewt und vor allem einem Team der „Deutschen Welle“ begleitet wurde, das eine Reportage drehen wollte, die bis heute nicht gesendet wurde – vielleicht waren meine Aussagen zu lang und zu differenziert. Daher diese Annäherung als objektivierte Selbstvergewisserung, ohne den Anspruch, für alle Demonstranten zu sprechen. Es sind für mich im Wesentlichen 3 Problemkreise, die hier zu einer Melange verschmelzen: ein glaubenskritischer, ein juristisch-medialer und ein sozioökonomisch-psychologischer.

* * *

Der glaubenskritische: unter Glauben versteht man teleologisch zunächst eine Wahrscheinlichkeitsvermutung: ein Sachverhalt kann hypothetisch wahr sein. Das bedeutet: Glauben unterscheidet sich einerseits strikt von Wissen als wahre und gerechtfertigte Meinung. „Glauben“ unterscheidet sich andererseits vom religiösen Glauben, der stets auf der Volition beruht, an bestimmte Inhalte „zu glauben“ (z. B. die Existenz Gottes), hier wird oft die indogermanische Wurzel „leubho“ herangezogen für „begehren“, „preisen”, „schätzen”, „loben“. Die Konfession (lat. „Geständnis“, „Bekenntnis“) bezeichnet die Zugehörigkeit zu einer Religions- im Sinne von Glaubensgemeinschaft.

Sachsens Bevölkerung nun ist zu 75 % konfessionslos, in Dresden liegt die Zahl noch höher. Ob areligiös, Heide, Agnostiker… sei dahingestellt, ich verorte mich bei den altgriechischen “Unwissenden”. Aber diese Bevölkerung hat abendländisches Wissen, vor allem Geschichtswissen: befreit man bspw. die DDR-Lehrpläne von ihrem ideologischen Ballast, bleiben erstaunlich konservative Traditionslinien übrig. Und diese Bevölkerung ist erst recht mit christlich-abendländischen Werten wie Toleranz und Nächstenliebe sowie konfessionellen Traditionen wie Weihnachten, Ostern usw. sozialisiert (ja, die wurden auch in der DDR gelebt); von der Rolle der Kirchen 1989 ganz zu schweigen.

Der Islam nun ist nicht nur eine Religion, deren Werte unseren konträr gegenüberstehen (Rolle der Frau, Rolle der Gewalt, Dschihad, Scharia usw.), sondern darüberhinaus auch noch Ideologie im Sinne von Staatsdoktrin: es gibt derzeit 42 islamische Länder, keins davon ist eine Demokratie. Der Islam kennt keine Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt, der Islam ist mit Deutschland nicht kompatibel, er gehört nicht hierher, nur weil das ein Bundespräsident im Anfall kognitiver Büberei mal sagte. Ralph Giordano hatte das in seinen 10 Thesenzur Integrationsdebatte schon 2010 prominent betont:

“Solange nicht offen gesprochen wird über islamische Sitten, Gebräuche und Traditionen, die mit Demokratie, Menschenrechten, Meinungsfreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und Pluralismus nicht vereinbar sind – so lange hat Thilo Sarrazin Recht.”

Diesen Islam lehnen inzwischen 52 % der Deutschen laut “Stern“, 58 % laut BILD, ja 95% laut t-online ab. Wohin aber doktrinäre Ideologie führt – IS, Salafismus, Boko Haram, Al Kaida, Taliban usw. – erleben wir nicht nur medial, sondern, zumal durch Missionierung wie eben im Bonner Stellvertreterkonflikt, auch bei uns.

Die Welt berichtete „Islamisten töten im November 5042 Menschen“, sie verüben 66 Prozent aller Bluttaten. Was diese Woche in Sydney, vor allem aber in Peschawar im Namen des Islam geschah, muss man nicht mehr diskutieren. In Sydney nahmein Attentäter 50 Menschen als Geiseln – er hatte rund 15.000 Facebook-Fans. Das sind etwa so viele Menschen, wie Schand-Bürger (frei nach unserem Bundesjustizminister) auf der Straße waren.

Dann wahlweise von einem “verwirrten Einzeltäter” oder davon zu sprechen, für die Verfehlungen weniger (es waren neun Taliban) “keine Religion in Sippenhaft” zu nehmen, zeugt von einer, wie ich sie nenne, „minderheitlich-statistischen“ Weltsicht: dann kann man sich sämtliche Abstraktionen, Gesetze und Ordnungen sparen, da nichts mehr irgendeinen systemischen Charakter aufweisen, sondern alles vom konkreten Einzelfall abhängen soll. Lieber Niklas, rotiere sanft.

Trauer in Peschawar. Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-dem-anschlag-auf-schule-in-peschawar-der-11-september-pakistans/11134514.html

Trauer in Peschawar. Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-dem-anschlag-auf-schule-in-peschawar-der-11-september-pakistans/11134514.html

Bei alldem muss noch mitgedacht werden, dass die Polizei inzwischen vor „tickenden Zeitbomben“ warnt: die Gefahr islamistischer Anschläge sei laut WELTso hoch wie selten zuvor, Polizei und Verfassungsschutz seien überfordert mit der wachsenden Zahl der Dschihadisten. Gegen diese primäre Befürchtung zu protestieren, dass es hierzulande Gewalttäter, ja gar wie in England und Australien kopfabschneidende Gewalttäter geben könnte, ist nicht nur nach meinem Dafürhalten völlig normal und kein Diskussionsgegenstand, sondern diese Woche bspw. auch nach dem von Heiner Geißler:

„Die Menschen demonstrieren nicht gegen den Islam, sondern gegen den Missbrauch des Islam zur Begründung von unmenschlichen Verbrechen.” Er nannte die „Furcht vor dem Islam in seinen exzessiven Erscheinungsformen durchaus berechtigt“. Wenn Menschen geköpft, Tausende verfolgt und wegen ihrer Religion getötet würden, sei das „kein Popanz“, wie von Justizminister Heiko Maas (SPD) dargestellt. „In Deutschland führen Salafisten und Islamisten das große Wort und propagieren die Scharia. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sogenannte Hassprediger in den Moscheen unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit die Menschen aufhetzen können“.

Überhaupt: „Angst“. Sie begleitet sekundär das Denken, richtig, ist aber eine Primäremotion, die unsere Wahrnehmung mehrdimensional beeinflusst. Wenn nun der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter,fordert „Die Angst muss weg“, verkennt er einerseits die menschliche Natur. Konrad Adam konterte:

„Ob man sich sicher fühlt oder nicht, entscheidet nicht der Blick in die Statistik. Das glauben nur Politiker, die von der Wirklichkeit keine Ahnung haben.“

Andererseits, und das ist viel schlimmer, belegt diese Forderung erneut meine These, dass uns der politmediale Apparat nicht mehr nur vorschreiben will, was, wie und worüber wir denken sollen, sondern auch, wie wir wahrzunehmen haben. Aber – wie schonmal geschrieben – entzieht sich Wahrnehmung größtenteils dem bewussten Zugriff, und das ist auch gut so. Denn ist Angst nicht evolutionär wichtig, weil sie vor unüberlegten Handlungen schützt?

Emotionsraum. Quelle: http://tschroeder.eu/weblog/?page_id=2

Emotionsraum. Quelle: http://tschroeder.eu/weblog/?page_id=2

Angst – hier um Ressourcen und die Natur – hat eine Partei in den 80ern groß gemacht: die Grünen, die diese Ängste artikuliert und politisch verwertet haben. So übertrieben sie vielleicht waren (Waldsterben, Weltkrieg, Nuklearkatastrophe) – sie hatten entscheidenden Einfluss auf die politische Kultur der BRD.

Die Angst bei der Wahrnehmung der Islamisierung ist eine ebenso leicht zu erklärende Projektionsfläche. Durch die Barbarei vor allem der IS (die ohne „den Westen“ wohl nie entstanden wäre, und bei der man fragen sollte, woher sie Geld und Waffen bekommen – aber das führt hier zu weit) muss man niemandem mehr erklären, was mit Islamismus gemeint ist. Die Frage „Das wollt ihr hier?“ ist dann nur mit „Nein“ zu beantworten.

Terror in London. Quelle: http://www.pi-news.net/wp/uploads/2013/05/londonterror.jpg

Enthauptung in London, 22.5.2013. Quelle: http://www.pi-news.net/wp/uploads/2013/05/londonterror.jpg

Im Heft 13/2007 bereits kritisierte der Spiegel die stille Islamisierung Deutschlands, die zudem sogar nach Kirchenmeinung „voll im Gange“ sei. Sie werde sichtbar an der wachsenden Zahl von Muslimen, von ihnen geprägten Wohnvierteln und einer zunehmenden Zahl repräsentativer Moscheen im orientalischen Stil: 3211 Moscheen gibt’s inzwischen, knapp 30 weitere sind in Bau oder Planung. Zum Vergleich: die Zahl jüdischer Synagogen beträgt 154, die Zahl orthodoxer Kirchen 96. Außerdem werde immer mehr Rücksicht genommen auf die muslimische Lebensweise, etwa beim Essen in öffentlichen Einrichtungen, auf Gebetszeiten am Arbeitsplatz bis hin zur Einrichtung von Gräberfeldern.

Ein Kommentator empört sich:

„Immer mehr Schlachtbetriebe schlachten halal und das Schächten ist hier erlaubt. In den Kindergärten dürfen aus Rücksicht auf muslimische Kinder keine Krippenspiele mehr aufgeführt werden und christliche Symbole werden aus den Schaufenstern verbannt. Aus Rücksicht auf die Muslime gibt es sogar Weihnachtsmärkte ohne Alkoholausschank. Die Liste ist noch beliebig fortzusetzen… Muss der Bürger das alles stillschweigend hinnehmen? Ist er bereits soweit entmündigt? Soll er in Angst verharren und abwarten, was sich die Politiker noch alles für ihn ausdenken?“

In einem anderen Kommentar heißt es

„Wir haben Angst im Alltag, das fängt in der Schule an, wo deutsche Kinder von Zuwandererkindern als “Schweinefresser” gehänselt werden, deutsche Mädchen in Diskotheken fast nur von Südländern belästigt werden und Erwachsene aufpassen müssen, niemanden “respektlos” anzuschauen, um keine körperlichen Übergriffe von “gekränkten Einwanderern” zu erleiden.“

Apropos Schule: neben der zur Asylbewerberunterkunft umgebauten Turnhalle in Großröhrsdorf tauchten Handzettel von Lehrern auf, die die Eltern im Vorfeld aufforderten, dafür Sorge zu tragen, dass nach Ankunft der (tunesischen) Asylbewerber die Schüler lange Kleidung anlegen, langes Haar nicht offen tragen und möglichst keine Haut zeigen sollten. Die möglicherweise zur Religionsgemeinschaft des Islam gehörende Gruppierung sollte quasi nicht mit den hier traditionellen Lebensgewohnheiten behelligt werden. Minderheitenanpassung als Selbstverständlichkeit, kulturelle Selbstaufgabe als Schulprogramm, und die wird Heinz Buschkowsky nicht müde zu geißeln:

Wir müssen klar und deutlich sagen: Das ist etwas, das uns nicht gefällt. Wir dürfen nicht einfach nur zusehen, wenn vor unseren Schulen allmorgendlich Flugblätter verteilt werden, mit denen junge Mädchen unter Druck gesetzt werden, die in Jeans oder mit Make-up zur Schule kommen: Warum trägst du Lidschatten, Schwester? Weißt du, dass das Sünde ist?

Da passt ins Bild, dass der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh anregt, einen Staatsvertrag mit islamischen Verbänden zu prüfen, und sich Migrantenverbände in Nordrhein-Westfalen seit einem Jahr wünschen, dass es an jedem Gymnasium möglich ist, Türkisch zu wählen. Da passt aber nicht mehr ganz so gut ins Bild, dass sich aus der Türkei eingewanderte Väter Gedanken um die Entwicklungschancen ihrer Söhne in der neuen Heimat machen, da der Sprössling zwar einen Kindergartenplatz erhalten hatte, sich aber in einer Gruppe mit babylonischem Sprachgewirr wiederfand: 90 Prozent der Kinder in dem Hort kamen aus Ausländerfamilien. „Wie soll mein Sohn hier denn Deutsch lernen?“, fragte sich der besorgte Vater. Dazu wiederum passt, dass es inzwischen Kindergärten mit 47 Kindern gibt, die alle aus Familien mit einem Migrationshintergrund stammen.

Islamisierung kann man eben nicht an einer reinen Prozentzahl von Muslimen festmachen, sondern daran, wie sich diese Muslime in Deutschland bewegen, an der Tatsache, dass diese religiöse Minderheit Privilegien einfordert wie keine andere Religionsgemeinschaft, sich aber gleichzeitig den gesellschaftlichen Normen und Regeln zu entziehen versucht. H. Buschkowsky gewohnt drastisch:

Wenn etwa eine Klasse mit drei muslimischen Mädchen eine Klassenreise macht, dann muss mittlerweile eine Person mitfahren, um sie auf der Reise muslimisch zu betreuen. Nun haben wir ja bei uns Klassen mit 95 Prozent Muslimen und vielleicht drei katholische Mädchen. Käme jemand auf die Idee, ein Pastor müsse mitfahren, um die drei Mädchen unterwegs katholisch zu betreuen?

Wer aber ein fremdes Haus  betritt, hat sich ohne Wenn und Aber den Gepflogenheiten anzupassen, die in diesem Haus gelten. Das überhaupt erwähnen zu müssen, empfinden viele Demonstranten als Zumutung. Bei meinen Reisen in islamische (und andere) Länder habe ich mich ebenso den dortigen Gepflogenheiten angepasst, einerlei, ob das mehrmals die Türkei und Ägypten oder je einmal die Malediven, Tunesien, Marokko, Dubai oder Malaysia betraf – die Masjid Negara Moschee in Kuching beschuht in kurzen Hosen zu besichtigen wäre mir nie in den Sinn gekommen. Gangsta-Rapper Aykut Anhan alias „Haftbefehl“ meint:

„Man muss hier nicht kriminell werden, weil man keine Chance hat. Die Gastfreundschaft, die du hier erfährst, erfährst du nirgendwo auf der Welt. Wenn sich ein Deutscher in der Türkei benehmen würde, wie die Türken sich hier in Kreuzberg benehmen – die würden den wahrscheinlich niederstechen.“ (SPIEGEL vom 8.12.2014)

Prozentzahlen jedoch haben es sowieso in sich. Nach Landtagsangaben lag die Zahl der Ausländer in Sachsen, die aus den Ländern Türkei, Irak, Syrien, Pakistan, Tunesien, Afghanistan und Iran stammen, im Jahr 2013 bei über 12.000 Menschen. Diese sind sicherlich nicht allesamt Muslime, mehrheitlich aber wohl schon. Abgesehen davon erfasst diese Tabelle wohl wirklich nur Ausländer und nicht Deutsche mit Migrationshintergrund in Sachsen, unter denen sich noch zahlreiche weitere Muslime befinden dürften. Laut „Statistisches Jahrbuch Sachsen 2014“ hatte 2013 der Freistaat 4.046.385 Einwohner, Leipzig 531.562 Einwohner. Der Anteil der Muslime läge laut Pegida-Faktencheck bei Spiegel Online vom 12.12.14 bei 0,1 % der Bevölkerung Sachsens. D.h. es lebten danach ca. 4.050 Muslime in Sachsen. Was stimmt hier nicht?

Und: laut Angabe der Stadt Leipzig vom Mai 2014 leben in der Messestadt „schätzungsweise 9.000 bis 10.000“ Einwohner mit muslimischem Hintergrund, d.h. es leben alleine ca. 222 bis 247 % der Muslime Sachsens in Leipzig! Was für ein mathematisches Kunststück! Es sind eben auch diese und viele andere mediale “Kunststücke”, um es euphemistisch zu sagen, die zur Unglaubwürdigkeit der Politik beitragen und die ich hier bereits untersucht hatte. Das jüngste Beispiel bietet jene gewiss unabsichtlich komplett falsch verstandene und falsch zitierteBertelsmannstudie, deren Schlagzeile fast durchgängig „Zuwanderung entlastet deutschen Sozialstaat“ oder ähnlich lautete. Schlage ich diese Studie aber auf S. 3 auf, lese ich verdutzt:

„Stellt man alle allgemeinen Staatsausgaben, etwa für Verteidigung oder Straßenbau, mit in Rechnung, schlägt für jeden lebenden Ausländer ein langfristiges Staatsdefizit von 79 100 Euro, für jeden lebenden Deutschen von 3100 Euro zu Buche. Wegen dieses Defizits weist das Staatsbudget, wenn nicht gehandelt wird, langfristig eine Tragfa?higkeitslu?cke von fast 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf.“

Die sekundäre Befürchtung also positivierte Sachsens Ex-Ausländerbeauftragter Martin Gillo mit seiner Einteilung nach Herkunfts- und Zukunftsdeutschen: je nach Schätzung wird es in Deutschland in 50 bis 200 Jahren mehr Muslime als Deutsche geben. Interessanterweise ist dieser Text (wie auch die zugehörige Veranstaltung) aus dem Internet fast komplett getilgt: er findet sich weder auf Gillos privater Seite noch ist er als Landtagsdokument im *.docx-Format zu öffnen; aber als html-Version steht er noch bereit (von den vielen Netz-Sammlern mal abgesehen).

Zukunftsmatinee. Quelle: http://www.landtag.sachsen.de/de/integration_migration/aktuelles_presse/pressemitteilungen/6844_8218.aspx

Zukunftsmatinee. Quelle: http://www.landtag.sachsen.de/de/integration_migration/aktuelles_presse/pressemitteilungen/6844_8218.aspx

Eine Zukunft als “Herkunftsdeutscher” abzulehnen und diese Ablehnung öffentlich zu bekunden ist ebenfalls völlig legitim: es gibt nichts, was von Menschen verursacht wurde, das nicht wieder durch Menschen verändert werden kann. Die Islamisierung muss daher auch als Kehrseite der Schwäche der traditionellen Gesellschaft angesehen werden:

„Materialismus und Egoismus haben zur Kinderarmut und zum Schrumpfen der altdeutschen Gesellschaft geführt.“

Damit dürfte auch klar sein, dass die Islamisierung wie auch die zunehmende Zuwanderung aus dem Ausland lediglich als Katalysator eines bereits seit längerem zu beobachtenden gesellschaftlichen Zersetzungsprozesses zu verstehen sind. Eines Zersetzungsprozesses, der seine ursächlichen Wurzeln nicht im Islam oder der Einwanderung hat! Die eigentlichen Ursachen sind unser Fiskalsystem und in letzter Zeit auch die Zersplitterung der Kräfte unseres Landes bei der Lösung von EU-Problemen.

Es ist offenbar ein (ideologisches?) Merkmal dieser Gesellschaft, nichts mehr aktiv zu verfolgen und also nur noch zu re-agieren. „Ossis“ aber agieren: sie antizipieren Entwicklungen wie im Ruhrgebiet mit teilweise 35% oder wie in Berlin-Neukölln mit über 40 % Migrantenanteil und sagen „Nein, das wollen wir nicht“. PEGIDA fungiert hier als jene „Prophylaxe mit den Füßen“, die medial mit Worten schon lange betrieben wird – auch wenn sich die Medien an ihre eigenen Texte offenbar nicht mehr erinnern wollen/können.

Collage deutsche Zeitschriften. Quelle: https://www.facebook.com/KenFM.de/photos/a.402486811582.184264.352426141582/10152457643226583/?type=1

Überhaupt: Prophylaxe. Auch wenn diese Anmerkung nicht unbedingt in diesen Kontext passt: der nachgeradezu den Begriff „Deutungswut“ herausfordernden Ratlosigkeit vieler Journalisten vor allem aus den gebrauchten Ländern sei gesagt: hier gibt es tatsächlich noch Sinn für Doppeldeutiges, Hintergründiges, genannt Ironie. Niemand hat bis jetzt thematisiert, ob das für manche martialisch anmutende Akronym nicht vielleicht auch als Seitenhieb auf die Akronymisierungswut deutscher Politik gedacht ist. Über bengo = „Beratungsstelle für private Träger in der Entwicklungszusammenarbeit“, Bufdi = „Bundesfreiwilligendienstleistender” oder BUKO = „Bundeskongress Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen“ mokiert sich ja auch niemand.

* * *

Der juristisch-mediale Problemkreis weist mehrere Facetten auf.

Zum ersten die unsäglich erbärmliche Skandalisierung von Lutz Bachmann als “Straftäter”: dass Ausgrenzung immer Solidarisierung bewirkt, ist für viele offenbar ebenso neu wie Bachmanns Hinweis auf die praktizierte Einwanderungspolitik in Südafrika. Die folgende unvollständige Liste zeigt, welche durchaus namhafteren Politiker von deutschen Gerichten warum verurteilt wurden:

  • Otto Graf Lambsdorf (FDP) – Steuerhinterziehung
  • Hans-Christian Ströbele (GRÜNE) – Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (RAF)
  • Reinhard Klimmt (SPD): Beihilfe zur Untreue
  • Corinna Werwigk-Hertneck (FDP): Verrat von Dienstgeheimnissen
  • Kai Schürholt (CDU): Titelmissbrauch
  • Klaus Landowsky (CDU): Untreue
  • Matthias Wissmann (CDU): steuerrechtswidrige Wahlkampffinanzierung
  • Otto Wiesheu (CDU): fahrlässige Tötung
  • Thomas Pietzsch (CDU): Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften
  • Harry Fuß (SPD): Beihilfe zur Untreue
  • Norbert Rüther (SPD): Abgeordnetenbestechung und Beihilfe zur Bestechlichkeit…

Lutz Bachmann. Quelle: http://p5.focus.de/img/incoming/crop4332887/6322711364-w1200-h627-o-q75-p5/lutz-bachmann.jpg

Lutz Bachmann. Quelle: http://p5.focus.de/img/incoming/crop4332887/6322711364-w1200-h627-o-q75-p5/lutz-bachmann.jpg

Die zweite Facette ist die politische Art des Umgangs mit Willensbekundungen. Als im September der Zentralrat der Juden in Deutschland – unterstützt von allen Parteien im Bundestag, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, den Kirchen, dem Deutschen Fußballbund und der Bild-Zeitung – zu einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor unter dem Motto „Steh auf! Nie wieder Judenhass!“ aufrief, kamen bei bestem Wetter an einem Sonnabend im Herzen der Hauptstadt gerade mal 5.000 Menschen, Touristen inklusive. Und das, obwohl sogar die Kanzlerin und der Bundespräsident als Redner auftraten:

Schon allein vor diesem Hintergrund sind die -zigtausend Demonstranten, die sich jeden Montag selbst bei Regen und Kälte in Dresden einfinden, ein nicht zu ignorierender Denkzettel für Politik und Medien. Möglicherweise wären auch mehr Teilnehmer zu der Demonstration des Zentralrats nach Berlin gekommen, wenn klar benannt worden wäre, von wem der Judenhass in Deutschland überwiegend ausgeht. Von moslemischen Einwanderern nämlich, und nicht von Deutschen. Doch das war nicht der Fall, denn das hätte eben bedeutet, einzugestehen, dass mit der Einwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland etwas nicht in Ordnung ist. Genau darauf macht nun Pegida aufmerksam.

Dazu passt leider, dass die gegenwärtigen Anti-Aufrufe der Systemparteien, der Gewerkschaften, der Kirchen, dutzender linker Vereine, der Oberbürgerbürgermeisterin und vor allem des Rektors der TU Dresden gemeinsam mit lokalen Medien weniger Gegendemonstranten als Demonstranten mobilisieren konnten:

“…Hans Müller-Steinhagen, dessen Stimme erhebliches Gewicht besitzt – immerhin ist die Hochschule ja der größte Arbeitgeber von „Elbflorenz“. Er bezeichnete die Aktionen der Pegida als „falsch und gefährlich“ und verkündete dann am 4. Dezember unter klarer Verletzung des politischen Neutralitätsgebotes: „Als Rektor der TU Dresden distanziere ich mich im Namen meiner Universität von diesen Veranstaltungen und rufe alle Mitarbeiter und Studierenden auf, nicht an den von Pegida organisierten Demonstrationen teilzunehmen.“ Dem folgte die Aufforderung an sämtliche Angehörige der Einrichtung, sich der von der Hochschule organisierten Gegendemonstration „Open Your Mind – Stop Racism!“ anzuschließen. Dabei kamen dann aber trotz der Behauptung, dass die Universität „geschlossen“ hinter ihrer Leitung stehe, nur 3000 Personen – bei immerhin 37000 Studenten und 8000 Beschäftigten!”

Ganz zu schweigen davon, dass in die Gegendemo offenbar Steuergelder gepumpt wurden (eine Anfrage unserer Landtagsfraktion dazu läuft), die für Lehrer, Polizisten und Schulbauten sinnvoller eingesetzt wären. Und: durch den Verfassungsschutz selbst wurde bei den Demos eine Woche früher festgestellt: 25 bekannte rechtsextreme Personen bei PEGIDA – 200 linksextreme Personen bei den Gegendemonstranten. Über die war bis heute nirgends etwas zu lesen.

Linke Drohungen. Quelle: http://www.bild.de/regional/dresden/asyl/antifa-geht-auf-pegida-teilnehmerin-los-38921568.bild.html

Linke Drohungen aus dem Netz. Quelle: http://www.bild.de/regional/dresden/asyl/antifa-geht-auf-pegida-teilnehmerin-los-38921568.bild.html

Wenn sich nun plötzlich Montag für Montag inzwischen 15.000 Menschen trotz winterlicher Kälte aufmachen zu demonstrieren, ohne dass eine bestehende Organisation diesen erheblichen Meinungsblock zuvor kanalisiert hat, beweist das, dass die Zivilgesellschaft mindestens beim Thema Zuwanderung nicht funktioniert. Das ist nicht nur für die dort Engagierten eine Blamage, sondern wegen der finanziellen Zuwendungen an diese Vereine auch eine wirtschaftliche Bedrohung. Apropos Bedrohung: die Qualität dieser Bedrohungslagen ist rational kaum noch zu fassen…

“Es wird die Plötzlichkeit betont, mit der Pegida völlig überraschend aus dem Nichts auftauchte, ganz so als müssten in einer Demokratie erst die Medien und Parteien gefragt werden, bevor sich Menschen zusammenschließen dürfen. Hier scheint ein ungeschriebenes Gesetz der demokratischen Kontrolle verletzt worden zu sein.”

Alliierte rufen. Quelle: privat.

Linker Journalist ruft nach Alliierten. Quelle: privat.

Die dritte Facette nun ist die wesentliche: Pegida und AfD fordern nicht mehr als die Anwendung bestehender Gesetze. Wir haben nun mal keine klare Trennung zwischen Asyl- und Einwanderungsrecht, das wird wie ein rechtsfreier Raum wahrgenommen, in dem sich auch Wirtschaftsflüchtlinge leicht und problemlos einnisten können. Gerade kam eine von deutschen Unternehmern entwickelte Handy-App auf den Markt, mit der für 7,99 Euro Rumänen und Bulgaren einen kompletten Hartz-IV-Antrag in ihrer Landessprache ausfüllen können, Französisch und Türkisch sollen folgen. Allein 2012 kamen aus unterschiedlichsten Gründen 966 000 Ausländer nach Deutschland.

Aber erst wenn die Politik glaubhaft die juristisch drei verschiedenen Ausländerherkünfte unterscheidet, kann sie Probleme auch lösen: 1. Ausländer aus EU?Ländern. 2. Asylbewerber aus der ganzen Welt (ohne EU). 3. Zuwanderer aus der ganzen Welt, ohne Asylgrund (ohne EU). Erst wenn sie es schafft, diese Sachverhalte zu differenzieren und dem Bürger auch zu erklären, erst dann hat sie das Prädikat „ehrlich“ verdient! Aber die Politik wirft alles in einen Topf, rührt um, und was entsteht, riecht und schmeckt so ungenießbar, dass beim Bürger außer Kopfschütteln, manchmal gar Ekel, nichts anderes bleibt!

Jeder Ausländer aus der EU kann einwandern, wie er will: Personenfreizügigkeit heißt das Zauberwort. Wenn morgen ganz Rumänien hier einwandert, kann niemand etwas dagegen unternehmen, weil die entsprechenden Verträge (Maastricht, Nizza, Lissabon) lange unterschrieben sind. Egal, wie viele aus EU-Ländern kommen, egal wie qualifiziert sie sind, all das spielt keine Rolle – die Politik hat es verschwiegen, als die Systemparteien diesen Verträgen zugestimmt haben. Verhindert werden kann das nur durch eine Grundgesetzänderung! Wir können aber weder Rumänien geschweige das über Italien an Dublin III vorbei gereiste Afrika retten, indem wir Rumänien oder ganz Afrika nach Deutschland holen! Inwieweit allerdings Deutschland dadurch “gerettet” werden soll, ist wenigstens nach diesem Statement des Dresdner Politikwissenschaftlers Werner Patzelt durchaus diskutabel:

“Hinter dem Plädoyer für die multikulturelle Gesellschaft lag ja relativ oft auch folgendes Argument: Der Deutsche an sich neigt zum Faschismus. Wenn wir die deutsche Kultur aufbrechen, weltweit öffnen, liberal machen, sozusagen das Deutsche in Deutschland durch die Aufnahme weiterer Kulturen verdünnen, dann machen wir dieses Land nazisicher.”

Dazu kommt die nicht vorhandene Abschiebepraxis. 145 000 Asyl-Anträge sind abgelehnt, die Abgelehnten aber nach wie vor in Deutschland. Von den 127.023 Asylanträgen des letzten Jahres (fast zwei Drittel mehr als im Vorjahr) wurden gerade 13,5 Prozent anerkannt (und 11,4 Prozent geduldet), andererseits lockt die geringe Zahl an Abgeschobenen weitere Flüchtlinge förmlich an. Wären alle Nichtbewilligten und kriminell Aufgefallenen konsequent abgeschoben worden, hätten wir genug Platz, und das Problem für wirkliche Kriegsflüchtlinge stellte sich gar nicht.

Abschiebung in der BRD. http://img.welt.de/img/deutschland/crop133533150/0559402986-ci16x9-w780/DWO-IP-Asyl-Abschiebung-js-Aufm.jpg

Abschiebung in der BRD. http://img.welt.de/img/deutschland/crop133533150/0559402986-ci16x9-w780/DWO-IP-Asyl-Abschiebung-js-Aufm.jpg

Stichwort Kriminalität: selbst Merkel beklagte eine hohe Zahl von Migranten-Straftaten, schwört auf einen Aktionsplan, um Sicherheit zu garantieren, und fordert null Toleranz bei Gewalt. Knapp 80 Prozent der 520 Intensivtäter in der Hauptstadt haben einen Migrationshintergrund. „Die meisten von ihnen – 43 Prozent – sind arabischer Herkunft, 32 Prozent stammen aus der Türkei“, sagte der Berliner Oberstaatsanwalt Rudolf Hausmann.

In Sachsen wurden knapp 2000 Straftaten durch 5800 Asylbewerber begangen – das entspricht, ohne Mehrfachtäter herausgerechnet zu haben, einer Quote von 34 %; d.h. jeder dritte Asylbewerber wurde straffällig. Und dann stellt sich ein SPD-Justizminister hin und erklärt uns einerseits zur Schande für Deutschland und andererseits, dass es kein Grundrecht auf Innere Sicherheit gibt. Wozu braucht man dann überhaupt einen Staat? Wenn Bürger  stattdessen erleben, dass afrikanische Drogendealer ungestört ihre illegale Ware unters Volk bringen können, während bei ihnen schon harmlose Verstöße wie Falschparken rigoros geahndet werden, müssen sie zu dem Schluss kommen: der Staat braucht uns als Melkkuh, ist aber zu keiner Gegenleistung bereit. Abgesehen davon, dass man von Flüchtlingen Dankbarkeit und nicht Besetzung, Erpressung oder schlimmere Verhaltensweisen erwarten kann.

In diesem juristischen Umfeld erlebte Dresden eine verspätete salamitaktische Kommunikation, die zudem die finanziellen Probleme kleinredet. Aber man lädt sich weder als Stadt noch als Staat Gäste ein, wenn man kein Geld für sie hat. Insoweit man gezwungen ist, die Kosten der Gastfreundschaft zu delegieren, würde es sich zumindest gehören, die Kostenträger vorher zu fragen!

Es ist es eben keine Vereinfachung, wenn nicht zwischen Asyl und Zuwanderung, und keine Pauschalisierung, wenn nicht zwischen verschiedenen Zuwanderergruppen unterschieden wird! Oder wenn PEGIDA eine menschenfeindliche Gesinnung vorgeworfen wird – aber gleichzeitig Gegendemonstranten „Nieder mit dem Volk!“ skandieren und gewählte Repräsentanten die eigene Bürgerschaft beleidigen und behaupten, Dresden ohne Asylbewerber wäre „finstere Provinz“? Diese Debatte verkennt, dass es nie um Dresdens Internationalität oder Weltoffenheit ging – hier werden einfach die unterschiedlichen Herkünfte und Intentionen vermengt! Schon Sachsens Ex-Bundespräsidentschaftskandidat Steffen Heitmann beklagte 1993 (!!!)

„eine intellektuelle Debattenlage, die nicht unbedingt dem Empfinden der Mehrheit der Bürger entspricht, die man aber nicht unbestraft verlassen kann. Und dazu gehört das Thema Ausländer“.

Einwanderung hat per se als alternativlose „Bereicherung“ zu gelten, einerlei ob als Asylbewerber oder Zuwanderer. Bei solcherart Klima wundert mich nicht, dass eine Hamburger Linken-Politikerin wie Kerstin Artus deutsche Kinderbücher ohne Ausländerfiguren schon als rassistisch verurteilt.
Aber selbst noch 2010 hat CDU-Vize V. Bouffier bestritten, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, und eindringlich dazu aufgerufen, dem Fachkräftemangel nicht mit Zuwanderung zu begegnen, sondern zunächst diejenigen, die in Deutschland leben, zu qualifizieren (die Forderung erheben inzwischen wir als AfD). „Ich warne davor, den Fehler zu wiederholen, den wir in den 50er-Jahren mit den Gastarbeitern gemacht haben“, sagte er. „Fachkräfte kommen nicht allein, sondern bringen ihre Familien mit. Und viele wollen bleiben.“ Werner Patzelt meinte:

“Viele Deutsche machen sich tatsächlich Sorgen darüber, wie es mit unserer Gesellschaft weitergehen soll, wenn wir zwar ein Einwanderungsland sind, aber weder eine klare Einwanderungspolitik haben noch eine Integrationspolitik haben, die über die Aufforderung an die Bürger hinausgeht, nett zu sein und Flüchtlinge willkommen zu heißen.“

Flüchtlingspolitik ist aber mehr als eine Willkommenstorte zu backen, eine – nach linksgrüner Vision – multikulturelle Einwanderungsgesellschaft ist kein immerwährendes Straßenfest! Henryk M. Broder brachte das Problem auf den Punkt:

Die Menschen da draußen im Lande sind freilich nicht dumm. Sie mögen noch nie einen Film von Steven Soderbergh gesehen oder ein Buch von Richard David Precht gelesen haben, aber sie haben ein Gespür für das Falsche, Pathetische, Verlogene. Sie ahnen, dass irgendetwas nicht stimmt, wenn ihnen immer wieder gesagt wird, es gebe keine “Armutseinwanderung”, sie aber gleichzeitig jeden Tag hören und lesen, dass die Gemeinden mit dem nicht vorhandenen Problem nicht fertig werden.

Noch 2004 hatte Edmund Stoiber gefordert, die Einwanderer zu mehr Integration zu zwingen sowie die christliche Prägung des Landes zu verteidigen, und sich für einen selbstverständlichen Patriotismus als unverzichtbar für die Zukunft Deutschlands ausgesprochen. Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte: „Wir müssen darauf bestehen, dass unserer Integrationsbereitschaft ein Integrationswille bei denen entspricht, die zu uns kommen.“ All das ist heute nicht nur vergessen, sondern ins Gegenteil gekippt.

Vor produktiven Immigranten, die sich mit Deutschland identifizieren und seine Werte teilen, hat doch niemand Angst – warum auch? Ich gehe ebenso gern in die türkische Fladenbrotbäckerei wie in das libanesische Restaurant oder den vietnamesischen Supermarkt – gerade Vietnamesen (man denke an die “Boat People“) gehören, dem Konfuzianismus sei Dank, zu den bestintegrierten Ausländern. Die Akzeptanz der Einwanderer hängt laut Norbert Bolz daran, dass die Immigration nicht als Invasion erscheint.

Der Eindruck der Invasion entsteht am leichtesten bei Wirtschaftsflüchtlingen und beim Nachzug von Großfamilien. Multikulturalismus hieß bisher nur: Abschaffung der Qualitätskriterien bei der Einwanderung. Seither gibt es ein humanitaristisches Tabu über der einfachen Frage: Können wir die Leute, die zu uns wollen, brauchen? Früher hat man selbstverständlich nach Leistungsfähigkeit und Job-Qualifikation gefragt. Heute gelten solche Fragen als unmenschlich.

Aber die forcierte Zuwanderung wird in Deutschland einzig von den oberen Zehntausend gefordert, die von deren Folgen gar nicht oder nur am Rande betroffen sind:

Sie konkurrieren nicht um Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich. Sie haben kein Problem, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Sie schicken ihre Kinder auch nicht auf Grundschulen, in denen die Zahl der Ausländerkinder überwiegt. Die deutschen Wirtschaftseliten exportieren Arbeitsplätze, weil in anderen Ländern die Löhne niedriger sind, und befürworten eine Zuwanderung, um das deutsche Lohnniveau zu drücken. (Oskar Lafontaine: Politik für Alle, Berlin 2005:243 f.)

Man denke an die Berichte Dresdner Medien bspw. über Ex-Studenten aus Spanien, die hier Backwarenverkäufer lernen. Damit wird, ohne deutsche Bewerber zu qualifizieren, die Intelligenz fremder Länder zu Gunsten des eigenen ausgezehrt – und dann wirft man der AfD Nationalismus vor! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Hier stimmen einfach die Relationen nicht mehr, und um diese Wertigkeiten wieder herzustellen, protestiere ich bei Pegida.

* * *

Der dritte Problemkreis ist der komplizierteste: Dresdner sind Ossis (als Thüringer darf ich das sagen), und Ossis haben zunächst ein sehr feines Gespür für Gerechtigkeit, nicht zuletzt aufgrund der auch außerschulisch oft zitierten DDR-Forderung “keinen zurücklassen”. Was aber erleben die Dresdner gerade? Ob es statistisch „richtig“ ist, dass „Deutschland ein sehr reiches Land“ ist, sei dahingestellt. Aber solche Statistiken sagen nichts über die konkrete lokale und individuelle Verteilung dieses „Reichtums“ aus, sondern belegen bestenfalls die Zahlenhörigkeit einer Elite, die alles quantifizieren und damit marktfähig machen will!

Wir bauen für 400.000 Euro Fledermausbrücken, weil uns die Sorge um diese Tiere um den Schlaf zu bringen scheint, und wir schreddern in Windwahnparks gleichzeitig hunderttausende Tiere ohne jedes Mitgefühl. Wir opfern hunderte Milliarden Euro für eine Energiewende, die Millionen Arbeitsplätze kosten kann. Wir glauben an 60 Geschlechter, investieren Millionen in die Umrüstung von Ampelmännchen auf Ampelfrauchen, werfen ein Vermögen zum Fenster heraus für eine Voodoo-Genderforschung, die nichts weiter als ein in sich geschlossenes Illusionssystem bedient. Man kann lange nach den Ursachen suchen und wird am Ende doch bei enthemmtem Fanatismus ankommen, einer Kraft, die stets das Gute will und nur das Böse schafft.

Eine der „guten Kräfte“ ist Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD), dieerklärte „Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, zusammenzustehen und gerade den Schwächeren unsere Solidarität auszusprechen“. Nicht nur, dass aus Toleranz jetzt erneut Solidarität wird, die uns in der DDR schon mal befohlen war – das dahinterliegende Demokratieverständnis hatte Broder als gewollt statischen, finalen Zustand kritisiert:

„So viel Paternalismus war lange nicht mehr. Nicht nur, dass immer mehr Projekte für “alternativlos” erklärt werden – der Euro, die Energiewende, das Klima –, die Politiker wetteifern miteinander, “die Menschen dort abzuholen, wo sie sind”, als wären diese Invaliden oder Rekonvaleszenten, die nicht aus eigener Kraft gehen können oder zu blöd sind, eine Fahrkarte an einem Automaten zu ziehen. Wenn sich aber diese Menschen von allein auf den Weg machen und demonstrieren, dann sind es “Angstbürger”, “Nationalisten”, “Rassisten” und “Nazis in Nadelstreifen”.

Nein, hier stimmt etwas Grundsätzliches nicht.

Wie stehts denn mit Solidarität, wenn (laut DGB-Angaben) mehr als jeder dritte Arbeitnehmer unter 35 nicht über einen Monatslohn von 1500 Euro brutto hinauskommt, jeder siebte nicht über 800 Euro, und im Gegenzug Flüchtlingsfamilien ein Rundum-Sorglos-Unterbringungspaket idealerweise noch im Sternehotel ohne eigenes Zutun erhalten – und vielleicht auch noch mehr Geld, als sie je mit Arbeit in ihrem Land verdienen können, wie Serbiens Regierungschef Ivica Da?i? kritisierte?

Da?i?-Kritik. Quelle: Netzfund

Da?i?-Kritik. Quelle: Netzfund

Wie stehts denn mit Solidarität, wenn 19 % aller Sachsen unterhalb der Armutsgrenze leben?

Wie stehts denn mit Solidarität, wenn in Sachsen 96.731 Kinder finanziell benachteiligt und von Armut bedroht sind – das ist jedes fünfte Kind!

Wie stehts denn mit Solidarität, wenn in Sachsen neben 8 % Arbeitslosen auch 109.000 Aufstocker (Anteil an der Gesamtzahl der erwerbstätigen Leistungsberechtigten: 35,1 Prozent) sowie knapp 50 000 Zeitarbeiter registriert sind, aber der Arbeitsmarkt weiter aus dem Ausland geflutet wird? Mehr als ein Drittel der Arbeitslosen in Deutschland aber hat ausländische Wurzeln (Tendenz stark steigend), drei Viertel davon erhalten Hartz IV! Mehr als 60.000 Bulgaren und Rumänen leben mittlerweile in Deutschland von Hartz IV – bei steigender Tendenz. Das sind 60% mehr als vor einem Jahr. 36?960 Libanesen leben in Deutschland, 90 Prozent von ihnen beziehen Hartz IV. Es gibt auf der ganzen Welt kein Land, in dem die Wirtschaft die Arbeiter mit sittenwidrigen Löhnen abspeist und zugleich nach mehr Arbeitern ruft. S. Tillich wirbt mit „Niedriglohn als Standortvorteil“ und faselt zugleich etwas von „Respekt“ und einer „Kultur des Miteinanders“? Wo ist sie denn, diese Kultur? Gilt sie nicht für alle?

Statistik ausländischer Arbeitsloser. Quelle: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistische-Analysen/Analytikreports/Zentrale-Analytikreports/Monatliche-Analytikreports/Generische-Publikationen/Analyse-Arbeitsmarkt-Auslaender/Analyse-Arbeitsmarkt-Auslaender-201411.pdf

Statistik ausländischer Arbeitsloser. Quelle: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistische-Analysen/Analytikreports/Zentrale-Analytikreports/Monatliche-Analytikreports/Generische-Publikationen/Analyse-Arbeitsmarkt-Auslaender/Analyse-Arbeitsmarkt-Auslaender-201411.pdf

Andererseits ist jeder 6. Ostdeutsche immer noch – 2014 – überqualifiziert und unterbezahlt. Ein Grund dafür sei, dass nach der Wiedervereinigung viele Stellen für gut ausgebildete Arbeitnehmer weggefallen seien. Zudem besäßen ältere Ostdeutsche häufig Kenntnisse, die sie zu DDR-Zeiten erworben hätten, inzwischen aber nicht mehr gefragt seien. Das hat etwas mit einer Entwertung der Kenntnisse, der Biographien zu tun, deren Druck irgendwann unerträglich wird.

Ende Juli gab es 2,2 Millionen als Arbeit suchend gemeldete Hartz-IV-Empfänger, die in den vergangenen zwei Jahren länger als 21 Monate auf Stütze angewiesen waren. Von ihnen hatten fast 210 000 einen höheren Bildungsabschluss, darunter knapp 66 000 einen Studienabschluss. Aber ein Kaufmann wie Ralf Jäger kann mit nicht abgeschlossenem Studium und SPD-Parteibuch Innenminister werden und etwas von “Neonazis in Nadelstreifen” herbei halluzinieren. Wenn nun noch ein sächsischer Industriekaufmann ohne Studienabschluss mit FDP-Parteibuch erst nach einer gepfefferten Pressemitteilung zugibt, dass er zwar Fraktionsvorsitzender, aber “nicht Minister kann”, wenn ein ungelernter sächsischer Hilfsarbeiter mit Abitur und FDP-Parteibuch Staatssekretär in Berlin wird, muss doch jeder DDR-Bürger mit ehrlich erworbenem Lehr- oder gar Hochschulabschluss, der sich wirklich einbringen, das Land verändern will,  an die Decke gehen! „…so richtig wollen sie uns nicht an ihrem Tisch Platz nehmen lassen…“ empörte sich schon 2011 Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker.

In einer Rezension (Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin 95/2008:173–178) hat das Klaus Mylius nur für Sachsens Wissenschaftslandschaft grob skizziert (es gibt weitere Publikationen, doch auch das würde hier zu weit führen); aber die Mechanismen waren überall dieselben. Wer in der DDR Verantwortung erhielt, musste dieser Verantwortung zunächstfachlich gewachsen sein (dass es leider auch andere Gründe gab, lag an der Natur der DDR, nicht an der der Verantwortung). Nach der Wende aber wurden aus Stasi-, SED-, anderen ideologischen oder auch ganz einfach persönlichen Gründen genau diese erst-, meinethalben auch zweit- und drittklassigen Persönlichkeiten durch viert-, fünft- und sechstklassige unbelastete Emporkömmlinge ersetzt, die – so sie links der Elbe aufwuchsen – die hiesigen Zustände wenn überhaupt meist nur mediengeprägt kannten. Selbst MDR-Intendant Udo Reiter fand für sein Haus drastische Worte:

Da ist zum Teil richtiges Gesindel rübergekommen! Leute, die drüben nichts geworden waren – und die dann hier die Menschen beschissen haben, nach Strich und Faden. Ich habe mich oft geschämt für das Pack.

Daneben sterben jene langsam weg, deren Fachwissen heute schmerzlich vermisstwird:

“… es gab auch ein großes Wissen über staatliche Planung, das uns heute nützen kann. Zum Beispiel bei der Bewältigung so großer Probleme wie der Energiewende. Uns geht dieses Wissen gerade verloren… Kurz nach dem Mauerfall gab es noch Artikel in Wirtschaftsmagazinen, in denen stand, wie fähig und gut ausgebildet die DDR-Wirtschaftskapitäne waren. Doch der Mainstream der Meinungen hat sich verändert.”

Mylius schreibt unter anderem mit Blick auf Ex-Wissenschaftsminister Hans-Joachim Meyer von Diskriminierung, vulgärer Rache und dem Willen zur Demütigung – Meyer war übrigens
a) vor der Wende Stellvertreter des Direktors für Erziehung und Ausbildung an der Sektion Anglistik/Amerikanistik der Humboldt-Universität zu Berlin, Reisekader und Dolmetscher des vorletzten DDR-Hochschulministers (SED),
b) nach seinem Ministeramt bis 2009 Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken: soviel zu seiner christlich-abendländischen Prägung.
Zu den finstersten Erscheinungen seiner „Wissenschaftsabwicklung“ gehörte die in Sachsen aufgestellte und bundesweit verschickte Schwarze Liste mit Namen unerwünschter Hochschullehrer. Nicht zuletzt aufgrund dieser Liste wurden in Sachsen 81,9 Prozent aller Hochschullehrer bis zum 1. Juli 1993 entlassen, verbunden mit einem Wiedereinstellungsverbot für 884 Wissenschaftler. Aber welcher viert-, fünft- und sechstklassige Verantwortungsträger zumal außerhalb der Wissenschaft besitzt schon die Reife, einen Erst-, Zweit- oder wenigstens Drittklassigen neben sich zu dulden?

Es ist genau diese Verstetigung, ja Potenzierung von Inkompetenz, die in Sachsen allenthalben – nicht nur bei der Dresdner Asylpolitik – zutage tritt und die zudem kaum zur Übernahme irgendeiner persönlichen Verantwortung führt: die ebenso hochbezahlten wie unfähigen Manager der SachsenLB bieten mit ihren Milliardendefiziten das beste Beispiel. Irgendwann ist die kritische Masse erreicht, brechen die Empörung über diese überbezahlte Inkompetenz, gepaart mit der Erinnerung an solche Demütigungen auf und verschaffen sich Raum. Insofern ist die medial mehrmals erwähnte Kluft “oben – unten” eine sehr reale.

Und weiter: wie stehts denn mit Solidarität, wenn in Sachsen fast 2 300 (die Zahl wird – warum eigentlich – seit 2008 nicht mehr erhoben) Obdachlose registriert sind?

Wie stehts denn mit Solidarität, wenn in Bautzen wegen Flüchtlingszuzugs Mietern im Gewerbegebiet gekündigt wird, wenn in Klotzsche Anwohner wegen Flüchtlingsnähe massive Wertverluste ihrer Anwesen hinnehmen müssen, wenn in Pappritz Hotelangestellte wegen Flüchtlingsumnutzung ihren Job verlieren? Zumal sich neben dem Ortsbeirat auch 600 von 2000 Pappritzern per Unterschriftenaktion gegen das Heim aussprachen? Das kann man alles einfach so übergehen? Und: von welcher erbärmlichen Doppelmoral zeugt es, wenn sich derMischpokenhetzerBonusmeilenbetrüger und Korruptionsverdächtige Cem Özdemir über den „Lärm“ aus der kurdischen Moschee in seinem Haus ärgert und gemeinsam mit der Eigentümergemeinschaft die Kurden aus dem Wohnhausklagt?

Und: wie stehts denn mit Solidarität, wenn nach den Wunschutopien der Grünen  in die gesetzliche Krankenversicherung auch Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, andererseits bundesweit 137 000 vor allem Kleinselbständige und Freiberufler sich keine Beiträge leisten können? Es gibt auf der ganzen Welt kein einziges Land, in dem die Regierung bei den Alten und Kranken spart, während sie für Ausländer unbegrenzte Mittel zur Verfügung stellt. Wieso, fragt sich der Bürger, bekommen die die gleichen (und teilweise höheren) Sozialleistungen wie Menschen, die hier 30 Jahre und mehr gearbeitet und reichlich Steuern eingezahlt haben?

„Dass Spiegel- oder tagesschau-Redakteure nicht verstehen können, dass ein 61jähriger, der 40 Jahre gearbeitet hat, verbittert ist ob einer Hartz-IV-ähnlichen Rente und diese Stellungnahme als Indiz für die »wirre Welt« der Pegida-Demonstranten heranzieht, zeigt mehr als alles andere die beträchtliche Entfernung dieser Journalisten von der sogenannten Bevölkerung.“

Hinzu kommt, dass es seit über 50 Jahren ein Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei gibt, das die kompletten daheim gebliebenen Familien incl. Eltern und mehrerer Ehefrauen und Kinder ohne Zuzahlung mitversorgt. Sie sind also deutlich gegenüber deutschen Familien bevorzugt, während ihr eigenes Erspartes dank der Eurorettungspolitik stetig an Wert verliert. Ist das kein Grund, auf die Straße zu gehen?

Und bei alldem bleibt noch unberücksichtigt, dass allein in Dresden -zig Projekte vor allem aus dem Bereich des Baubürgermeisters wegen Geldmangels gestrichen wurden, bspw. sind für die Sanierung der Fetscherstraße nur noch 2 statt 4,8 Millionen Euro geplant. Der Ausbau des Elberadweges oder die Sanierung des Blauen Wunders müssen ebenso erwähnt werden wie die gestrichene Sanierung des Gymnasiums Cotta und die Streichung von 4 Millionen Euro für den Bau neuer Spielplätze in der Geburtenhauptstadt Deutschlands.

Wer aus Flüchtlingsfreundlichkeit Bürgerfeindlichkeit werden lässt, hat den Bogen überspannt – Lutz Bachmann hat das  in den drastischen Satz gekleidet, dass „aus Volksvertretern Volksverräter“ würden. Da soll es von Rassismus, Intoleranz etc. zeugen, zuerst Verbesserungen für sich als Bürger dieses Landes zu erlangen und sein Unverständnis zu artikulieren, wenn andere per se besser dastehen? So lange es auch nur einem Dresdner Bürger schlechter geht als jedem Zuzügler aus dem Ausland, so lange hat sich die Dresdner Politik um Dresdner Bürger zu bemühen! Diese Selbstverständlichkeit überhaupt einfordern zu müssen grenzt für die Demonstranten an Schizophrenie!

Im Lichte dieser Ungerechtigkeitsliste dürfte klar geworden sein, dass jegliche staatliche Leistungen an fremde Menschen als falsch verwendetes Volksvermögen erscheinen – von der dranhängenden Sozialindustrie ganz zu schweigen. Indem man also dagegen protestiert, wird man als Ratte, Schande, ja in Goebbels’scher Manier als Mischpoke bezeichnet. Politiker, die vom Steuerzahler bezahlt werden, beschimpfen ihren Arbeitgeber – das kann auch nur in Deutschland passieren.

Der Machtblock ist  auf fast alles gefasst, nur nicht auf das unerwartete Aufbegehren des Souveräns. Selten zuvor ist so deutlich erkennbar geworden, dass sich auch in einer Demokratie eine abgehobene Nomenklatura bilden kann, die es nicht hinnehmen will, wenn sie selbst und ihre Vorstellung gesellschaftlicher Ordnung völlig demokratisch in Frage gestellt werden.

Pegida und EU-Parlament. Quelle: https://www.facebook.com/afdberlin?pnref=lhc

Unterschiedliche „Arbeitsweisen“: Pegida und EU-Parlament. Quelle: https://www.facebook.com/afdberlin?pnref=lhc

Ich maße mir nicht an, über die Ost-West-Verteilung der Demonstranten zu spekulieren, aber das gute alte Paretoprinzip „80 (Ost) – 20 (West)“ sollte auch hier aussagefähig sein. Und vielleicht nähern wir uns damit dem eigentlichen emotionalen Kern der Proteste eben dieses „Volks“.

Für immer mehr Menschen verfestigt sich der Eindruck, dass wir etwas bekommen haben, was wir 1989/90 so nicht wollten. Die versprochene „süße Pille Einheit” sollte Demokratie und Freiheit in jedwedem Sinne bringen, blühende Landschaften und ein System, in dem es „keinem schlechter, aber vielen besser“ gehen sollte. Das Gegenteil ist eingetreten: es geht nur wenigen besser, aber vielen immerschlechter. Wenn sich jedoch eine anfangs süße Arznei als bittere Pille entpuppt, deren Risiken und Nebenwirkungen die Heilkräfte aufheben, ja ins Gegenteil kehren, muss man über eine neue Medikation, ja vielleicht gar eine ganz neue Therapie nachdenken: “Dass der Osten zusammengebrochen ist, bedeutet doch nicht, dass der Westen Recht hat” sprach mir in einem Interview zur Leipziger Buchmesse 1993 Elke Heidenreich ins Mikrofon. Zumal wenn sich Freiheit als Meinungsfreiheit nach 24 Jahren – wie im Sommer erlebt – gegen einen selbst richtet.

Der soziale Erfahrungsschatz der Wendemonate, diese Größe und Kraft, diese Idee nicht nur einer „Machbarkeit von Zukunft“, sondern auch dieses Gefühl einer jenseits allen Systems gelegenen, fast absoluten Freiheit – das ist es, was die Bürger der Neuen Länder im Erlebnis zweier Systeme mit Stärken und Schwächen unbequem sein lässt. Was genau diese Fragen provoziert, die sonst niemand stellt. Was dieses Querulantentum hervorbringt, das sich oft aus Ohnmacht speist. Was das aufstört, was S. Žižek im begrifflichen Raster von „formaler“ Freiheit als „ungestörte soziale und ideologische Balance der Demokratie“ bezeichnete und dieser Balance einen Spiegel vorhält. Was mit – wie westdeutsche Unternehmer bis heute neidvoll konstatieren – „Chaoskompetenz“ dazu drängt, Probleme zu lösen, statt mit ihnen nur diskursiv, ja ritualisiert umzugehen. Weil da irgendwo, diesseits gängigen Freiheitsverständnisses, noch etwas anderes ist.

Etwas, das die Luhmannschen „selbsterzeugten Unbestimmtheiten des Systems“ schon fast verzweifelt zu bestimmen sucht. Ja etwas, das trotz seiner Vagheit einfach nur des Wiederfindens zu harren scheint: das beginnt bei der Bildungspolitik, setzt sich fort über die Sozialpolitik und endet nicht bei der Gesundheitspolitik – der Tenor lautet “Merkt ihr nicht, das wir von dort, wo ihr hoffentlich hinwollt, schon lange wieder herkommen”? Wer dann spürt, dass “dort” gar nicht hingewollt wird, ja dass ein “dort” oder “da” oder “ganz woanders” gar nicht mehr existiert, mutiert vom Veränderungs- zum Wutbürger.

Dieses Gefühl ist nicht nur latent. Latent in einem Maße, das manche Politikwissenschaftler mit dem „fremden Blick“ wie etwa den Kanadier Laurence McFalls sogar zu der Annahme verleitete, dass die Ostdeutschen offenbar der Wende und damit des Verlusts der DDR bedurften, um endlich zu einer vollwertigen DDR-Identität zu finden. Nein, dieses Gefühl verstärkt sich sogar. Gerade heute. Und gerade deshalb kann es niemand absprechen oder gar unterdrücken. Am allerwenigsten die Politik. Einerlei, wie rot, schwarz, bunt (oder grau) die auch immer sein mag.

Und ebendieses Gefühl ist es, das spätestens jetzt nach Entäußerung drängt: man kann ebenso wie kein biologisches auch kein soziales Entwicklungsstadium überspringen. Das Gefühl sagt: unsere alte Identität ist seit dem Beitritt, diesem „Coitus interruptus“ (Daniela Dahn, “Westwärts und nicht vergessen”, Reinbek 1996:23) vor 25 Jahren zerbrochen, die immer noch unfertige neue aber scheint aufgrund ungeregelten fremden Zuzugs schon wieder zerbrochen zu werden: hier lautet der Tenor “Fremd im eigenen Land”, W. Thierse sprach von “Entheimatung”. Aber das hat sich lange angedeutet – wer es nicht sah, wollte es nicht sehen. Christoph Dieckmann hat den psychologischen Mechanismus schon 1998 (!)analysiert:

Bar aller Psychologie schien der Westen zu glauben, der DDR-Anschluss nach Artikel 23 des Grundgesetzes habe nicht nur das Verfahren der Vereinigung geregelt, sondern auch ihr Wesen. Die Ostdeutschen wollten die Einheit, also würde Einheit werden. Sie hatten ihre Eigenstaatlichkeit beendet, also war da nichts Eigenes. Sie wünschten parlamentarische Demokratie, also würden sie Demokraten sein… Aber wer heiratet, vermählt sich nicht mit der eigenen Geschichte, sondern mit einer fremden. Das gilt für Aschenputtel und Prinz.

Im “Deutschen Wertemonitor” von 2009 mit 3000 Probanden stimmten fast 50 Prozent der Befragten dem Satz zu: „Den DDR-Bürgern ist das westliche System, ohne sie zu fragen, aufgezwungen worden.“ Mit der politischen Ordnung in Deutschland waren zwei Drittel zufrieden, im Osten war die Mehrheit mit 53 Prozent knapp. Fehlende Bürgernähe der Parteien und zu geringe direkte Bürgerbeteiligung werden als Gründe genannt. Im Osten sind auch 51 Prozent mit dem Rechtsstaat unzufrieden. Zu viele Gesetze, mangelhafter Schutz gegen Verbrechen und die Forderung nach härteren Strafen werden hier als Gründe genannt. Mit der Gerechtigkeit in der Gesellschaft sind die Menschen im Osten mehrheitlich unzufrieden, Hauptkritikpunkte sind die Belastung zukünftiger Generationen durch den Sozialstaat (von 88 Prozent genannt), das Steuersystem (85 Prozent) sowie fehlende Bildungschancen für alle (69 Prozent). Die soziale Marktwirtschaft wird von gerade noch 50 Prozent der Befragten im Osten begrüßt. Die Einkommensverteilung wird als Kritikpunkt (83 Prozent) am häufigsten genannt.

Nochmals: diese hälftige Unentschiedenheit war bereits vor 5 Jahren existent. Sie beweist zunächst, dass die “Mehrheitsgesellschaft”, die “Konsensdemokratie” schon längst nicht mehr ist. Sie beweist aber auch das Drama, ja Dilemma des Beitritts von unerhörten 16 Millionen zu 65 Millionen, deren Lautheit bis heute wirkt. Die FAZ textet prompt:

“Aus „Pegida“ spricht das abgrundtiefe Misstrauen von Außenseitern gegenüber der traditionellen, bürgerlichen Öffentlichkeit, in der sich aus einer Fülle von Perspektiven „die“ öffentliche Meinung bildet.”

Die “beleidigte Entschlossenheit”, die die ZEIT jetzt konstatiert, ist ergo nichts weiter als die Entschlossenheit, die nicht erfolgte oberflächliche Einheit nun zu Ende zu bringen als Wiederaneignung von Entwendetem. Es ist die vielleicht sogar trotzige Entschlossenheit, im eigenen Land endlich anzukommen und gegen die Missstände anzugehen, die ich zu diesen 7 verallgemeinern will:

  • die immer umfassendere soziale Polarisierung, die u.a. zu immer weniger Bildung und zunehmender gesellschaftlicher Verrohung führt.
  • die Verluste an sozialer Sicherheit,
  • die berechtigten, menschlichen Ängste vor Status- und Vermögensschwund,
  • die zunehmende Konkurrenz zwischen Menschen (etwa am Arbeitsmarkt), die zu Hass, Abgrenzungen und „Treten nach unten“ führt,
  • der politische Einheitsbrei aller (großen neoliberalen) Parteien mit Ausnahme „Linke“ und „AfD“, die genau deswegen dämonisiert werden (wobei sich das für die Linken nach Thüringen bereits erledigt zu haben scheint),
  • die “Entheimatung” durch unkontrollierten Zuzug von außen, wobei die Religionszugehörigkeit vieler Zuzügler Anlass zu ernster Sorge gibt,
  • die Arroganz und der Machtdünkel der herrschenden, klüngelnden Funktionselite gegenüber den sozialen Bedürfnissen und politischen Wünschen der Bevölkerungsmehrheit.

Außer der AfD aber hat bislang niemand irgendeine “Entschlossenheit” gezeigt, weshalb wir bis zu den Wahlen als Projektionsraum (ich antwortete in den Wahlkampf-Interviews  gern „virtuelle Nikolaikirche“) wahrgenommen wurden. Da aber im parlamentarischen Alltag sowohl in Europa wie auch in den drei Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg konkrete, vor allem spürbare Veränderungen auf sich warten lassen, der Druck aber immer weiter zunimmt, braucht es nun jenes Ventil namens PEGIDA. Die Flüchtlingspolitik war nur der Anlass, der Auslöser; die Ursachen gehen, wie hier und auch in vielen anderen meiner Beiträge etwa zum deutschen Bildungsdesaster gezeigt, viel tiefer. Hoffentlich werden sie gründlich gewürdigt. Und hoffentlich singen kommenden Montag 20 000 Menschen auf dem Dresdner Theaterplatz mit mir Weihnachtslieder.

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Lölke, üb‘ dich in Logik!

25. November 2014 von Thomas Hartung

Da stellt einer im ach so staatsfernen Rundfunk die richtigen Fragen, beantwortet sie aber nicht (wie auch) und übt sich stattdessen in dem, was sowohl Politik als auch Flüchtlinge gerade ebenso machen: Forderungen stellen. In diesem Fall die, dass die „Ossis“ (!) den Zuwanderern gegenüber gefälligst tolerant zu sein hätten. Weil: als DDR-Flüchtlinge haben die Ossis „ja auch auf die Solidarität der Stärkeren gehofft“. Mit Verlaub: geht’s noch?

Dass Toleranz und Solidarität zwei grundverschiedene Dinge sind – geschenkt.

„Wer Solidarität organisiert, kann im Gegenzug praktisch alles verlangen. Sie ist als Instrument immer Propaganda im Mantel der Fürsorge. Sie ist nie selbstlos, denn sonst wäre sie tatsächlich Philanthropie und Wohltätigkeit. Mit ihr werden immer moralische Schulden aufgebaut, die politisch nutzbar gemacht werden sollen.“

Dass damit alle Flüchtlinge in einen Topf geworfen und also auch Wirtschaftsflüchtlinge verteidigt werden – geschenkt. Dass selbst wir damit als einstige „Wirtschaftsflüchtlinge“ herabgewürdigt werden, denen es damals nicht um ein neues Deutschland, sondern nur darum gegangen sei, Bananen zu bekommen, und denen es heute nur darum ginge, die Bananen zu behalten – auch geschenkt.

Dass damit normalisiert wird, dass für ein neues Asylbewerberheim wie jetzt in Bautzen 15 Unternehmen ihre Gewerberäume gekündigt werden, Wohngegenden insgesamt unattraktiv werden… und dass das alles per Salamitaktik und viel zu spät kommuniziert wird – ebenfalls geschenkt.

Aber dass damit die anderen Worte, Traditionen und Wertvorstellungen der Flüchtlinge anderer Völker und anderer Kontinente mit den gemeinsamen Worten, Traditionen und Wertvorstellungen in einen Topf geworfen werden, die uns als Ost- und Westdeutsche in einem geteilten Land desselben Kontinents einen – das nun ist nicht mehr geschenkt.

Denn darum geht es der PEGIDA. Wir haben unsere Werte, die wir niemandem aufzwingen wollen, aber selbst gern behalten möchten und von denen wir erwarten, dass sie von unseren Gästen akzeptiert werden – ebenso wie wir im Ausland die Werte der anderen zu akzeptieren haben. Dass die christliche Kirche zur Zeit der Kreuzzüge, die aber rund 800 Jahre zurückliegen, eben das andernorts versuchte, rechtfertigt nicht, dass das der Islam heute in Europa ebenso versuchen darf. Insofern haben wir es hier mit einer völlig anderen Dimension von Flucht zu tun, die nur der nicht erkennen kann, dessen politisches und historisches Hintergrundwissen, nun ja, ausbaufähig ist.

In Ihrer Argumentation bleibt dagegen ausgeblendet, dass in der DDR zuletzt(1990) knapp 60 000 Vietnamesen arbeiteten, studierten, lebten, mehr als 40 000 Polen, über 15 000 Mosambikaner, fast 10 000 Kubaner… weit über 100 000 Ausländer also, mit denen die gut 16 Millionen „Ossis“ in der übergroßen Mehrheit blendend klarkamen. „Abkapselung“ definiere ich anders.

Ebenso bliebt in Ihrer Argumentation ausgeblendet, dass von den 127.023 Asylanträgen des letzten Jahres (fast zwei Drittel mehr als im Vorjahr) gerade 13,5 Prozent anerkannt (und 11,4 Prozent geduldet) wurden, andererseits die geringe Zahl an Abgeschobenen weitere Flüchtlinge förmlich anlockt – die jetzt im jahrelangen Duldungsfall sogar ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten sollen. Ganz zu schweigen davon, dass Deutschland europaweit sowieso schon die Hauptlast schultern muss (da redet niemand mehr von Dublin).

Aufnahmen 2014. Quelle: http://img.welt.de/img/deutschland/crop133304307/5169407530-ci16x9-w780/DWO-IP-Asylanten-bn-Aufm.jpg

Aufnahmen 2014. Quelle: http://img.welt.de/img/deutschland/crop133304307/5169407530-ci16x9-w780/DWO-IP-Asylanten-bn-Aufm.jpg

Erst recht zu schweigen davon, dass es in der Regel junge Männer sind (werden Frauen nicht verfolgt?) oder Männer, die dann ein Geschrei um ihre verbliebenen Familien erheben, die sie offensichtlich im Stich gelassen haben?

Ebenso bleibt in Ihrer Argumentation ausgeblendet, dass in Sachsen im letzten Jahr 1.972 Straftaten durch 5800 Asylbewerber (0,18 % der sächsischen Bevölkerung) begangen wurden. Das entspricht (ohne Mehrfachtäter) einer Quote von 34 %; d.h. jeder dritte Asylbewerber wurde straffällig. Von den ca. 100.000 Ausländern in Sachsen (Bevölkerungsanteil 2,5 %) wurden 15 689 Straftaten begangen, das sind ca. 15% aller Straftaten.

Ebenso bliebt in Ihrer Argumentation ausgeblendet, dass einerseits Flüchtlinge vielerorts ihre Unterkünfte kritisieren (es gebe kein Internet, nur schwaches Mobilfunknetz, keine Ärzte oder Apotheke, keinen Supermarkt und kaum Busse in benachbarte Städte und Gemeinden – da will ich mir gar nicht vorstellen, wie es die ortsansässigen Deutschen so lange dort ausgehalten haben), ja dagegen (wie in Berlin sogar gewaltsam: Oranienplatz, Grünenzentrale, Fernsehturm…) demonstrieren und andererseits die Willkommenskultur bereits so weit gediehen ist, Burkinis in Schwimmhallen zuzulassen sowie männerfreie Badezeiten für Muslima einzuführen. Das nenne ich Diskriminierung Einheimischer.

Das eigentlich Erbärmliche dieser Orwell‘schen Propaganda aber ist die Perfidie, mit der hier von „den Ossis“ als insulär-gemeinschaftlicher Haufen gefaselt wird, der weder etwas anzuziehen noch Fernseher oder Autos hatte und also alles, was nach 25 Jahren Einheit geschieht, nur im Modus grenzenloser Akzeptanz und Dankbarkeit hinzunehmen habe.

Können Sie den Ossis in die Augen schauen, Herr Lölke, die teilweise jahrzehntelang arbeiteten, in das Sozialsystem einzahlten und dennoch ihre karge Rente aufstocken müssen – und die jetzt erleben, dass es Fremden ohne deren Dazutun besser geht?

Können Sie den Ossis in die Augen schauen, Herr Lölke, die als Arbeitslose, unterbezahlte Zeitarbeiter oder trotz zweier Jobs kaum über die Runden kommen – und die jetzt erleben, dass es Fremden ohne deren Dazutun besser geht?

Beispielrechnung. Quelle: http://www.netzplanet.net/4-500-euro-monatlich-hartz-iv-problemlos-moeglich

Beispielrechnung. Quelle: http://www.netzplanet.net/4-500-euro-monatlich-hartz-iv-problemlos-moeglich

Laut DGB kommt mehr als jeder dritte Arbeitnehmer unter 35 Jahren nicht über einen Monatslohn von 1500 Euro brutto hinaus, jeder siebte verdient sogar nur bis zu 800 Euro brutto!

Können Sie den Ossis in die Augen schauen, Herr Lölke, die unter schwierigen Verhältnissen Geld und Herzblut in ein Haus oder einen Garten investierten – und die jetzt erleben, dass es/er allein durch die Anwesenheit von Fremden massiv an Wert verliert?

Können Sie den Ossis in die Augen schauen, Herr Lölke, die als Obdachlose auf der Straße hausen, als Student in Zelten oder als Schüler in Containerschulen – und die jetzt erleben, dass Fremde in Zwei-, Drei-, ja Viersternehotels einziehen?

Würde es allen Menschen in (Ost-)Deutschland gut gehen, Herr Lölke, würde es dieses Thema gar nicht geben! Was Sie – mit vielen anderen politischen und medialen Einflüsterern – versuchen, ist nicht nur, uns das Denken vorzuschreiben, sondern inzwischen schon zu verordnen, was und wie wir wahrzunehmen haben. Das aber – glücklicherweise – entzieht sich dem bewussten Zugriff; es ist kein Reflex (der nämlich ist bereits eine Reaktion), sondern ein Perzept.

Die SPD hat übrigens heute gemeint

„Wenn die Kommunen wegen der Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber kein Geld mehr für Museen und Freibäder hätten, könnte die Zustimmung in der Bevölkerung für die Aufnahme von weiteren Asylbewerbern kippen… und dies Wähler der Rechten in die Hände spielen.“

Scheinheiliger geht‘s nimmer: eine Regierungspartei interessiert mitnichten Flüchtlinge oder von Flüchtlingspolitik Betroffene, sondern höchstens, wie sie per Milliardenforderung ihre Angst vor dem Verlust weiterer Wählerstimmen kaschieren kann.

Ebenso wie zu Ihrem Pamphlet fallen mir dazu nur drei Adjektive ein: lächerlich, armselig, erbärmlich.

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Halbe Ladung Wahrheit

10. November 2014 von Thomas Hartung

Sehr geehrter Herr Pörksen,

in einer „Widerrede aus gegebenem Anlass“ widmeten Sie sich in der ZEIT 44/2014 (und zeitversetzt im Internet) unter dem – von Iljoma Mangolds Rezension zu Akif Pirinçci – plagiierten Titel „Volle Ladung Hass“ dem Phänomen der Medienverdrossenheit. Sie konstatierten eine milieuunabhängige Bewegung des „bösen Blicks“ auf Journalisten wie Medien gleichermaßen. Diese Bewegung sei „weltanschaulich pluralistisch“, „nicht eindeutig rechts oder links“ und formuliere „großformatige Verfalls- und Verwahrlosungsthesen“. Thesen, die Sie für falsch halten „und in ihrer Wucht gefährlich, weil sie das Vertrauen in den Journalismus untergraben und den bösen Blick seltsam starr werden lassen.“

Diese Widerrede hat mich zu einer ebensolchen in Form eines “Offenen Briefes” herausgefordert, entlang geschrieben an Ihren Basisvokabeln „Grenzüberschreitungen“, „Systempresse“, „Gewalt des Publikums“, „Schicksal der Skandalisierung“ und „Vertrauen“; gleichwohl diese natürlich kaum strikt zu trennen sind.

Ich teile diesen Brief zunächst auf meiner Homepage und gebe ihn zugleich der Redaktion der ZEIT zur Kenntnis; eine weitere digitale Distribution behalte ich mir vor.

+ + +

Grenzüberschreitungen und Verfehlungen sind für Sie „Medien- und Fälschungsaffären, die Boulevardisierung der Berichterstattung, der Negativismus der Nachrichten, der Einfluss von PR-Agenturen und Lobbyorganisationen“. Diese Aufzählung ist natürlich unvollständig: Recherchemängel, semantische Unsinnigkeiten, stilistische Schnitzer, publizistische Entgleisungen, ethische Fragwürdigkeiten, Text-Bild-Schwächen, ja Bildfehler, unvollständige Berichterstattung sowie orthographische, grammatische und grafische Peinlichkeiten sind mindestens zu ergänzen. Ich will diese Kategorien keiner Systematik unterziehen (obwohl sich mehrere anböten, etwa thematische und formale), sondern lediglich durch folgende wahllose Beispiele aus meinen Lehrveranstaltungen illustrieren.

So war Anfang Mai gefälschtes Filmmaterial in die ARD-„Tagesschau“ gelangt, um einen Hubschrauberabschuss bei Slowjansk in der Ostukraine zu bebildern. Die Sequenz aus einem Youtube-Video aus dem Jahre 2013 zeigte in Wirklichkeit einen Abschuss in Syrien. Nur wenige Tage später hat die ARD jenen „Tagesthemen“-Beitrag über den Ukraine-Konflikt zurückgezogen, für den sich Moderator Thomas Roth „on Air” entschuldigte. Nichtsdestotrotz hat dann Anfang August der WDR im Internet den Ukraine-Konflikt mit einem alten Foto aus dem Kaukasus-Krieg 2008 bebildert und das alte Motiv auch noch ins Fernsehen gebracht.

Screenshot. Quelle: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CCEQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.tagesspiegel.de%2Fmedien%2Fukraine-konflikt-im-wdr-neuer-aerger-um-altes-panzer-bild%2F10651538.html&ei=EHFMVNbTMIW8ygPM54G4BA&usg=AFQjCNHFfWWq01QtXNQFsEVIBx6D-ELgbw&bvm=bv.77880786,d.bGQ&cad=rjt

Screenshot. Quelle: http://www.tagesspiegel.de%2Fmedien%2Fukraine-konflikt-im-wdr-neuer-aerger-um-altes-panzer-bild%2F10651538.html

Screenshot. Quelle: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CCEQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.tagesspiegel.de%2Fmedien%2Fukraine-konflikt-im-wdr-neuer-aerger-um-altes-panzer-bild%2F10651538.html

Screenshot. Quelle: http://www.tagesspiegel.de%2Fmedien%2Fukraine-konflikt-im-wdr-neuer-aerger-um-altes-panzer-bild%2F10651538.html

Auch der ARD-Programmbeirat hatte festgestellt, dass Beiträge zum Ukraine-Konflikt „einseitig, lückenhaft und voreingenommen“ seien. Beiträge von Sendern übrigens, für die zu zahlen jeder gezwungen ist, einerlei, ob er sie bestellt hat und/oder nutzen will. Grafikfälschungen lassen sich ebenso nachweisen, bspw. im ZDF, wie die unverhältnismäßigen Balkenlängen der Diagramme zwischen 4 und 8,5 bzw. 9 sowie zwischen 1,4 und 4 zeigen.

Screenshot ZDF. Quelle: zdf.de

Screenshot ZDF. Quelle: zdf.de

Screenshot. Quelle: zdf.de

Screenshot. Quelle: zdf.de

Negativismus ist bspw. in der Psychiatrie eine sich vor allem in krankhaft-misstrauischer Verweigerungshaltung manifestierende Persönlichkeitsstörung, ein anthropologisches Konzept oder auch eine Perspektive des Kritischen Rationalismus (aus dieser heraus kann sie auch medienfunktional intendiert sein); also weit mehr als nur ein Nachrichtenwert (vgl. bspw. Rentsch 2000, Bohrer 2002, Lengauer 2007). Als solcher festmachen lässt er sich an Ereignismerkmalen wie Konflikt und Kontroverse, Schaden, Gewalt und Aggression, wie sie typisch sind für Kriege und politische Auseinandersetzungen, Krisen und Skandale, deviantes Verhalten und Kriminalität, Unfälle und Naturkatastrophen. Ob das evolutionär bedingt sei,diskutierte u.a. Bretschneider:

Wenn man in der Steinzeit auf die Jagd ging, war die Warnung „Achtung, Säbelzahntiger!“ wichtiger als die Meldung „Alles ist ruhig“.

Daraus folgt mindestens dreierlei. Zuerst: negative Nachrichten werden als glaubwürdiger und wichtiger wahrgenommen, da sie auch eine Indikatorfunktion für die Gesellschaft ausüben: sie können auf Krisen, Gefährdungen und Bedrohungen hinweisen und rechtzeitige Gegenmaßnahmen ermöglichen; sind also nicht per se von Übel.

An zwei: Negativismus bedient insofern das Bedürfnis nach Sensation, Erregung, Dramatik, hat also einen Stimulationswert, der das natürliche Unterhaltungs-/ Zerstreuungsbedürfnis des Menschen befriedigt. Solcherart Themen steigern damit den Behaltenswert.

An drei: bei einer – entsprechend unglaubwürdiger und langweiliger empfundenen – Positivmeldung wird sofort nach dem Urheber und seinen eventuellen Interessen gefragt, wie ebenfalls Bretschneider (ebd.) auf den Punkt bringt:

“Wenn die CDU mitteilt, dass es dem Land gut geht, werden SPD-Anhänger das erst einmal für wenig glaubwürdig halten. Anders herum gilt genau dasselbe.“

Das alles ist an sich (noch) kein Problem. Zum Problem wird die manipulatorisch intendierte Melange dieser drei Aspekte unter publizistischer Perspektive, die Winfried Schulz bereits 2001 treffend so charakterisierte:

„Negative Ereignisse lassen sich relativ leicht inszenieren und manipulieren, indem man Protest organisiert, Konflikte provoziert, gewaltsame Aktionen unternimmt. Und man kann auch Ereignisse, denen negative Elemente fehlen, durch geringe Zutaten so aufladen und “medialisieren”, dass sie die an Negativismus orientierte Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. Schon ein polemischer Seitenhieb, eine Kritik am politischen Gegner, in ein Statement gegenüber der Presse eingeflochten, genügt, um dem Statement einen negativen Aspekt zu geben und seinen Nachrichtenwert zu erhöhen.“

Das erste Beispiel hierzu illustriert die „Leichtigkeit der Organisation“. Am 22. September 2006 hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine Kundgebung vor dem Reichstag veranstaltet. Dabei hatten Männer Garderobenstangen getragen, an denen 4500 Arztkittel hingen, um die Abwanderung von jungen Ärzten ins Ausland anzuprangern. Inzwischen steht fest (vgl. hierhierhierhier und hier), dass knapp 170 Teilnehmer Studenten und Arbeitslose waren, die bei Arbeitsvermittlern als Demonstranten gemietet wurden. Die Demo, die es damals in sämtliche Medien geschafft hatte, sucht man online heute fast vergebens.

Das zweite illustriert die „Leichtigkeit negativer Informationsgewichtung“. Unter der Schlagzeile “AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke in Dresden – Störer zu Boden gestoßen“ berichten die DNN am 10. Mai 2014 in 358 Worten vom Wahlkampfauftritt des AfD-Vorsitzenden. Der Leadsatz lautet: „Bei der Kundgebung der Alternative für Deutschland (AfD) mit Spitzenkandidat Bernd Lucke in Dresden haben Gegendemonstranten die Versammlung mit Lärm versucht zu stören.“ Zum Vergleich: als Angela Merkel in Grimma auftrat, lautete die inhaltsorientierte Schlagzeile der LVZ : “Bundeskanzlerin Merkel in Grimma: Keine Militäreinsätze im Irak”, der Leadsatz “Deutschland wird nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Soldaten zu Militäreinsätzen in den Irak schicken.” Dass rund 50 friedliche AfD-Gegendemonstranten mit Bernd Lucke und Sachsens Landeschefin Frauke Petry vor Ort waren, blieb unerwähnt.

Zurück zur DNN: die ersten beiden von vier Absätzen befassen sich nur mit den 15 Randalierern sowie den Einzelheiten des „Störens“, wobei das Alter der Störer, die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten etc. prominent erwähnt sind. Erst im 3. Absatz erfährt der Leser in gerade 105 überdies distanzierenden Worten über einige Inhalte (genauer: drei Themen) der knapp einstündigen Rede sowie der halbstündigen Fragerunde des Publikums, und erst am Ende dieses Absatzes erfährt er auch, dass „rund 350 Zuhörer“ anwesend waren. Der letzte Absatz widmet sich der Pressemitteilung der Dresdner Grünen-Sprecherin, in der sie – als eine der 15 Randaliererinnen! – mitteilt, „Strafanzeige wegen Körperverletzung“ gestellt zu haben.

Um es nochmals ganz deutlich zu machen: 105 Worte über die Inhalte eines anderthalbstündigen Wahlkampfauftritts des Bundeschefs einer neuen Partei vor 350 Zuhörern, 253 dagegen über 15 Störer dieses Auftritts.Unter diesen 253 Worten finden sich u.a. folgende Verben (die in der Grundschule als “Tu-Wörter” gelernt werden), die Tätigkeiten/Aktivitäten ausdrücken, mit denen also das “Tun” der AfD in Verbindung gebracht wird: stören, angehen, stoßen, abdrängen, unterbrechen, eingreifen, trennen, protestieren, entreißen, wegwerfen, verletzen, beleidigen, ermitteln.

Das dritte, aktuellste illustriert die „Leichtigkeit negativer Dämonisierung“. Der Bericht über die „PEGIDA“-Demonstration (Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes) der „Morgenpost“ sollte laut Titel folgende Fragen beantworten: „Was wollen die? Wer sind die? Droht Gefahr?“ Dass von einer Demonstration ein Gefahrenpotential herzuleiten sei, mag bei entsprechenden Teilnehmerzahlen noch angehen – auch wenn die DNN bezeichnenderweise das Gegenteil texten: „Erneute Pegida-Demo in Dresden: die 0,2 Prozent-Bewegung“ (gemeint sind 0,2 % der Dresdner Bevölkerung – dass da auch Nicht-Dresdner dabei sein könnten, wurde offenbar gar nicht bedacht). Was aber mit „Gefahr“ gemeint war, wurde dann rasch klar mit Antworten auf Fragen wie „Was ist mit den Vorwürfen, die Gruppe sei „Rechts“?“ oder gar „Was sagt der Verfassungsschutz?“ Schon allein diese Frage aufzuwerfen unterstellt Verbotenes, Gefahr, Gesetzlosigkeit.

Screenshot Dresdner Morgenpost 04.11.2014. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10201771851896430&set=a.1913758422077.78120.1785425805&type=1&theater

Screenshot Dresdner Morgenpost 04.11.2014. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10201771851896430&set=a.1913758422077.78120.1785425805&type=1&theater

So lautet die Antwort auf die erste Frage, in die ein Zitat des Initiators einfloss:

„Auf den Demos wurden auch gewaltbereite Fußballfans und rechte Extremisten gesichtet, die ähnliches Gedankengut wie am 13. Februar verbreiten. „Wir distanzieren uns von allen radikalen Gruppierungen“, so Bachmann. Sie seien aber offen für alle. Jeder könne sich friedlich beteiligen.“

Ein Beleg der Behauptung, um welche gewaltbereiten Fans oder rechte Extremisten es sich denn handele, wurde weder im Bild noch im Text erbracht. Das Verfassungsschutz-Zitat lautet „Die Organisation ist bislang nicht extremistisch in Erscheinung getreten“, so Sprecher Falk Kämpf“. Die Polizei muss so zitiert werden: „Polizeisprecher Thomas Geithner: “Insgesamt blieb es friedlich. Keine Zwischenfälle!“ Fazit: damit hat sich die Gefahr in das aufgelöst, was die Berichterstattung über sie nicht hervorruft: Wohlgefallen.

Boulevardisierungstendenzen (für Jarchow 2008 gar “Schweinejournalismus”) sind inzwischen gut untersucht (u.a. Hoffmann 2000, Dulinski 2003, Schütz 2003, Hülk/Schuhen 2012, Pfetsch/Greyer/Trebbe 2013, Vögele 2013), wir sehen am Beispiel der BILD-Berichterstattung zum Ottawa-Attentat sowie zum Island-Vulkanausbruch, wie die journalistischen Techniken Personalisierung, Emotionalisierung sowie Visualisierung exemplarisch genutzt und dabei die primären Funktionen Sensationismus und Negativismus umgesetzt werden können, ohne dass wesentliche Erkenntnisgewinne zu erzielen sind. Ähnliches trifft auf die konsonante Berichterstattung der Dresdner Tageszeitungen über die Pannen beim Aufstellen der Weihnachtsfichte 2014 zu (gestalterische und sprachliche Elemente wie inflationär genutzte Wortspiele spare ich aus).

Screenshot. Quelle: Bild.de

Screenshot. Quelle: Bild.de

Bild-Titel. Quelle: privat

Bild-Titel. Quelle: privat

Weihnachtstitel DD. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=383929471760774&set=a.218755768278146.1073741825.100004311729219&type=1&theater

Weihnachtsbaumtitel DD. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=383929471760774&set=a.218755768278146.1073741825.100004311729219&type=1&theater

Auch der Einfluss von PR-Agenturen und Lobbyorganisationen kann nicht zuletzt durch die Archive der Presserats-Entscheidungen sowie der Sendungen des TV-Formats “Zapp” (NDR) als gut dokumentiert gelten (wenn auch mit Ausnahme des Radios nicht unbedingt wissenschaftlich befriedigend aufbereitet, vgl. Volpers 2007):

“Pharmakonzerne produzieren Filmbeiträge, die im Fernsehen laufen. Automobilkonzerne verstecken ihre Werbung in redaktionellen Beiträgen. Tatort-Kommissare werben für Hustenbonbons. Arbeitgeberverbände platzieren ihre Botschafter in Talkshows.”

Ich erinnere an den von Volker Lilienthal nach langen juristischen Händeln aufgedeckten „Marienhof“-Skandal, in den u.a. ein Reisebüro verwickelt war; den dank LobbyControl zutage beförderten DB-Skandal (u.a. BILD, SPON u.a.) oder die ominösen Geschäfte mit Schleichwerbung, die Sebastian Heiser enthüllte. Unberücksichtigt bleibt noch das “Polit-” oder “Propaganda-Placement” einzelner politischer Organisationen, bspw. Ursula von der Leyens Elterngeldkampagne im Privatradio oder öffentlich-rechtliche TV-Kooperationen bspw. mit der Bundesanstalt für Arbeit. Es ist leider unbestreitbarer Fakt, dass potente Lobbygruppen immer mehr in Richtung PR aufrüsten, während in den Medien überall Redaktionen verkleinert werden: hier ist eine neue Konvergenztheorie zur Konstruktion von Medienöffentlichkeit nötig. Wolfgang Michal prophezeite:

Der Journalist der Zukunft wird so im weitesten Sinne dem Öffentlichen Dienst angehören und als Vermittler von Informationen um größtmögliche Neutralität, Ausgewogenheit und Distanz bemüht sein. Oder er wird im Sinne der ihn beauftragenden ‚Gemeinde’ ganz bestimmte Ziele verfolgen und eine neue Form des Partei- und PR-Journalismus etablieren.

Screenshots. Quelle: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/204704/Mehr-Marienhof-wagen und privat

Screenshots „Marienhof“. Quelle: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/204704/Mehr-Marienhof-wagen und privat

Recherchemängel: gut und ausführlich dokumentiert ist der Hoax „Bund Deutscher Juristen fordert Aussagen unter ‘leichter Folter’“. An den 11. Vornamen des Plagiatsfreiherrn können Sie sich sicher auch noch erinnern. Ein aktuelles und sicher extremes Beispiel aus der “Tagesschau” kommentierte Hans Heckel jetzt in der PAZ:

“Die Sendung hatte behauptet, in der Ostukraine würden „OSZE-Beobachter“ von „prorussischen Separatisten“ festgehalten, was ein Skandal gewesen wäre. Allerdings handelte es sich bei den Leuten gar nicht um OSZE-Beobachter, sondern um eine undurchsichtige Gruppe westlicher Militärs, denen die Ostukrainer wohl mit einer gewissen Berechtigung skeptisch gegenüberstanden. Bis auf die PAZ und einige wenige andere Medien wollte den Deutschen diese Faktum aber kaum jemand verraten, auch die „Tagesschau“ nicht. Die Behauptung, Putins Spießgesellen hielten unschuldige Vertreter der „europäischen Staatengemeinschaft“ fest, passte einfach besser ins gewünschte Gesamtbild. Gniffke rechtfertigte die „Tagesschau“- Enten später damit, dass „OSZE-Beobachter“ doch im Einklang mit der Wortwahl „von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen“ gestanden habe. Die „FAZ“ nannte das jetzt „eine der traurigst möglichen Rechtfertigungen“. Gniffke hat zugegeben, dass man einfach woanders abgeschrieben hatte.

BILD-Titel. Quelle: http://www.bildblog.de/5704/wie-ich-freiherr-von-guttenberg-zu-wilhelm-machte/

BILD-Titel. Quelle: http://www.bildblog.de/5704/wie-ich-freiherr-von-guttenberg-zu-wilhelm-machte/

Semantische Unsinnigkeiten liefern bspw. die „Nordwest Zeitung” mit einem unsensiblen Tweet, die „Rhein-Zeitung” mit undurchdachter Blattstruktur (“journalistische Komposition”, vgl. Vicari 2014) oder die „Landeszeitung Lüneburg“ mit gelinde geschrieben misslungenem Annoncenmanagement.

Screenshot NWZ-Tweet. Quelle. privat

Screenshot NWZ-Tweet. Quelle. privat

Screenshot “Rhein-Zeitung”. Quelle: privat

Screenshot „Landeszeitung Lüneburg“. Quelle: privat

Als stilistische Schnitzer mögen dieser Schüleraufsatz der „Rheinischen Post Online“ (die “Erwachsenenversion” gibts hier) sowie zwei Texte der “Sächsischen Zeitung” herhalten (sie “Bericht”, “Bildunterschrift” oder “Sportreportage” zu nennen verbietet sich); die Festplatte meines Hochschul-Laptops ist gefüllt mit solcherart Sottisen.

Screenshot RPO. Quelle: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/7566/doofe-schreiben-fuer-doofe/

Screenshot RPO. Quelle: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/7566/doofe-schreiben-fuer-doofe/

Screenshot „SZ“ 09.10.2014. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=4651058289713&set=a.1158145769083.18709.1690941490&type=3&theater

Screenshot SZ Online. Quelle: privat

Screenshot SZ Online 12.08.2011. Quelle: privat

Bei den publizistischen Entgleisungen verweise ich auf die Begründung der Petition„Raus mit Markus Lanz aus meinem Rundfunkbeitrag!“ (nach seiner Sendung mit Sahra Wagenknecht), die binnen weniger Tage über 200 000 (!) Unterschriften erhielt: „Ein Moderator, der nicht fähig ist, ohne Entgleisungen zu moderieren, den Offenheit und der Umgang mit abweichenden Meinungen offenbar überfordern, der Fragen stellt und die Antworten nicht hören will und der seine eigene Meinung stets über die seiner Gäste stellt, sollte nicht vom Beitragszahler alimentiert werden.“ Georg Dietz schrieb im SPIEGEL unter der Überschrift “Der Pesthauch des Konformismus”, die wir uns mal merken, von der

“Wut auf einen Sender und auf ein System, das einen wesentlichen Teil seiner Zuschauer seit Jahren mit Verachtung straft und diese Verachtung nun in Form einer zornigen Online-Petition zurück bekommt.”

Eine Entgleisung ist ebenfalls die Äußerung von ZEIT-Herausgeber Josef Joffe, der meinte, eine Online-Petition gegen einen öffentlich-rechtlichen Moderator sei das heutige Pendant zum „Kauft nicht beim Juden!“ der Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren.

Und zu diesen Entgleisungen gehören erst recht die aktuellen Ausfälle vieler Medien gegen GdL-Chef Claus Weselsky. So befragt die Dresdner MoPo unter der Überschrift „Er ist ein Diktator“ die Exfrau von Weselsky, um seine angebliche Charakterveränderung durch Geld und Macht darzustellen. „Unterster ekelhaftester Gossenjournalismus“ war noch einer der netteren Kommentare. Und die Aufforderung, dem “Bahnsinnigen” unter Angabe seiner Privatnummer oder der Abbildung seines Wohnhauses in teilweise beleidigenden Worten die “Meinung zu geigen”, verletzt die Privatsphäre des Gewerkschafters, der prompt die Polizei einschaltete.

Collage Titelseitenauswahl 05.11.14. Quelle: meedia.de

Collage Titelseitenauswahl 05.11.14. Quelle: meedia.de

Bei den ethischen Fragwürdigkeiten denke ich vor allem an die gut dotiertenNebenjobs von Claus Kleber, Petra Gerster, Michael Antwerpes etc. Ich denke jedoch auch an die vielen Ranking-Schummeleien, beginnend beim ZDF mit „Deutschlands Beste“ (aber auch WDR, HR, RBB…). Und ich denke natürlich an die vielen Scripted-Reality-Formate (Fake-Dokus: „Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden“) sowie ihre manchmal teilidentischen “produzierten Proleten”, die mit der „Sachsen-WG“ der BILD auch Einzug ins gedruckte Medium hielten.

Screenshots RTL. Quelle: privat.

Screenshots RTL. Quelle: privat.

Alexander Kisslers verbale Vernichtung dieser Formate darf hier nicht fehlen (Hervorhebung von mir):

„Menschen ohne schauspielerisches Talent, aber mit Geltungsdrang und Geldsorgen sagen in erfundenen Szenen geflunkerte Sätze auf.Das Derbe soll das Echte verbürgen… Die Aushöhlung von Wahrhaftigkeit wird nicht folgenlos bleiben. Wer sich um die Demokratie sorgt, muss die Realität vor dem Fernsehen schützen.“

Text-Bild-Schwächen – da gibt es drei: die Text-Bild-Schere, die den Inhalt konterkariert (Bild zeigt A, Text sagt B oder M oder R…),die Text-Bild-Kollision, die den Inhalt reziprokisiert, Anfang und Ende, Ursache und Wirkung etc. verwechselt (Bild zeigt A, Text sagt Z oder umgekehrt) sowie die Text-Bild-Verklebung, die den Inhalt nur illustriert / beschreibt im Sinne einer Dopplung, Wiederholung, Redundanz (Bild zeigt A, Text sagt AAA). Ein Krokodil abzubilden, wo laut Text eigentlich das Opossum „Heidi“ hin gehört, zieht den Inhalt ebenso ins – hoffentlich unbeabsichtigt? – Lächerliche wie die Darstellung eines noch oder schon wieder verlassenen Schlagzeugs vor bzw. nach einem Konzert. Und dass der SPIEGEL inzwischen meint, seinen Lesern erklären zu müssen, dass sich Oliver Bierhoff auf dem Schnappschuss gerade sein Jackett überzieht, lässt ebenso Rückschlüsse auf das Rezipientenbild der Redaktion zu wie auch auf deren eigenes publizistisches Niveau.

Screenshot SZ Online. Quelle: privat

Screenshot Text-Bild-Schere SZ Online. Quelle: privat

Screenshot DNN Online. Quelle: privat

Screenshot Text-Bild-Kollision DNN Online. Quelle: privat

Screenshot SPON mobil. Quelle: privat

Screenshot Text-Bild-Verklebung SPON mobil. Quelle: privat

Bildfehler häufen sich in allen Medien. Als das MDR-Regionalmagazin “Sachsenspiegel” einen Beitrag zu Zwickau mit Sequenzen von Meißen bebildert, fühlte sich der Chef des FSV Zwickau, Gerhard Neef, zur der Aussageherausgefordert, man müsse als Fußballfan „Angst kriegen, dass der MDR ein Spiel des FSV ankündigt und Dynamo zeigt.“ Wenn die „Leipziger Volkszeitung“ einen nackten Mann mit dem Symbolbild einer Nacktschnecke visualisiert, ist das schwer in passende Worte zu kleiden. Wenn ARD und ZDF an ein und demselben Abend dieselbe Bewegtbild-Sequenz nutzen, um sowohl den „Kampf um Homs/Syrien“ als auch „Taliban-Anschläge in Kabul/Afghanistan“ zu thematisieren, ist das kein Armutszeugnis mehr, sondern ein Systemfehler.

Screenshot MDR. Quelle: privat

Screenshot MDR 18.02.2013. Quelle: privat

Screenshot LVZ Online. Quelle: privat

Screenshot LVZ Online. Quelle: privat

Screenshots ARD/ZDF. Quelle: http://www.bildblog.de/38145/wie-eine-explosion-der-anderen/

Screenshots ARD/ZDF. Quelle: http://www.bildblog.de/38145/wie-eine-explosion-der-anderen/

Unvollständige Berichterstattung: hier geht es vor allem um die Faktenauswahl, die dem Medienrezipienten gewährt, manchmal auch zugemutet werden muss, damit er sich ein möglichst umfassendes Bild von den berichteten Ereignissen, Geschichten und Situationen machen kann. Wer einerseits Wichtiges resp. Unpassendes verschweigt und damit unterschlägt, andererseits Unwichtiges, Abseitiges, aber Passendes priorisiert, handelt persuasiv, manipulativ; denn:

„Jede Absicht, durch Vorenthalten von Informationen Gutes bewirken oder Böses bekämpfen zu wollen, kann zum Vehikel von Ideologien werden, die einem freien öffentlichen Diskurs nicht standhalten würden.“ (Horst Pöttker)

Das journalistische Credo dazu stammt von Hajo Friedrichs; bis heute werden Journalisten tatsächlich dafür geehrt, dass sie diesem Credo in ihrer Karriere – nach Ansicht einer Jury – mustergültig folgten:

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“

Das umfassende theoretische Modell dazu hat Kepplinger in Form seiner „Instrumentellen Aktualisierung“ vorgelegt (vgl. 1989:199 ff.). Ein gravierender Fall war im August der „Offene Brief an CDU-Abgeordnete“ von Ex-Thyssen-Vorstandschef Dieter Spethmann anlässlich des Ukraine-Konflikts, den die FAZverschwieg. Tage später blies auch „BILD“ Sachsen in das Ukraine-Horn. Die Aussage „Bis zu 10 Prozent der sächsischen Ernte landete in Russland. Doch im Sommer verhängte Putin wegen des Ukraine-Konfliktes einen Einfuhrstopp!“ in einem Bericht darüber, dass die sächsischen Obstbauern auf ihren Äpfeln sitzen bleiben, ist faktisch nicht falsch. Es fehlt aber der entscheidende Verständnishinweis, dass Putin die Sanktionen gegen die EU erst nach denen der EU gegen Russland verhängte!

Schon Anfang September allerdings hatten der SPIEGEL, die Tagesschau, derTagesspiegelN 24, die FAZ und viele andere (nicht nur Leit-) Medien mit der Aktion “Äpfel gegen Putin” bereits vorgeschrieben. Der Verdacht liegt nahe, dass Konrad Adams Verdikt den Sachverhalt punktgenau wiedergibt:

“Parteilichkeit wird längst nicht mehr als Vorwurf betrachtet. Im Gegenteil sind viele Journalisten stolz darauf, Partei zu sein; sie nennen es nur anders, … sprechen statt von Parteilichkeit vom Einsatz für die gute Sache. Fragt man sie, was an der guten Sache denn so gut sei, woran man sie erkennt und wer das definiert, erfährt man nicht viel mehr als das, was in der Zeitung steht. Damit schließt sich der Kreis: Der Journalist wird zum Parteiarbeiter und lebt von der Wiederholung dessen, was er selbst in die Welt gesetzt hat.”

Als drittes wahlloses, aber mir wichtiges Beispiel sei der Dortmunder Emeritus HorstPöttker erwähnt, der vor ziemlich genau einem Jahr – interessanterweise in derZEIT ebenso wie Sie – forderte, den Pressekodex zu ändern: Journalisten sollten die Herkunft von Straftätern erwähnen dürfen, selbst wenn die Erwähnung „Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte“ (herangetastet an das Thema hatte er sich bereits in der „Publizistik“, Heft 3, September 2002, 47. Jahrgang, S. 265 ff. „Wann dürfen Journalisten Türken Türken nennen?“). Der Schluss ist naheliegend: erfülle eine Mitteilung die im Diskriminierungsverbot formulierten Kriterien, soll sie auch dann unveröffentlicht bleiben, wenn sie stimmt. Pöttker begründete seine Forderung vor allem damit, dass „das starre Formulierungsverbot Journalisten vom Nachdenken über mögliche Problemursachen, die mit der Gruppenzugehörigkeit eines Täters zu tun haben könnten“, entlaste. Und weiter:

„Wer möchte, dass Journalisten verantwortlich handeln, sollte ihnen die Freiheit zu eigenem Abwägen zugestehen, denn sonst können sie Verantwortung weder empfinden noch wahrnehmen. Hinzu kommt, dass die Richtlinie das Publikum für dümmer hält, als es ist…“

Ein Nachdenken, das nicht nur ich gerade angesichts aktueller Kriminalitätsstatistiken für dringend geboten halte: selbst Deniz Yücel monierte in der „taz“, das Verschweigen von Migrantengewalt bei der Berichterstattung habe sich

„zu einem Verschleierungsinstrument verselbstständigt; zu einer Ansammlung von ,Du-darfst-nicht‘-Sätzen, die die Glaubwürdigkeit von Medien erschüttern, aber jede Erkenntnis verhindern. Antirassismus auf Knigge-Niveau.“

Allein im „taz“-Sitz Berlin hat 2012 die Polizei 1.049 Rohheits-Delikte registriert. 32 Prozent der Tatverdächtigen waren ausländische Staatsbürger (ohne Illegale), weitere 41,5 Prozent deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Macht zusammen 73,5 Prozent – bei einem Anteil von 43,1 Prozent an allen jugendlichen Einwohnern.

Und allein im Berliner Bezirk Neukölln haben laut SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky von 200 Intensivtätern 90 Prozent einen Migrationshintergrund. Die jungen arabischstämmigen Männer würden die größten Probleme bereiten: „Sie machen neun Prozent der Bevölkerung aus, aber jeder zweite Intensivtäter trägt einen arabischen Namen“, lässt er sich im „Focus“ zitieren.

Auf Pöttkers Betrachtung folgten nur wenige Aufregungen, u.a. von StefanNiggemeier („Der falsche Kampf gegen die vermeintliche Selbstzensur“) und CananTopcu („Lieber politisch korrekt als politisch falsch“), dafür aber Diskussionen en masse: nach dem 569. Kommentar auf Topcu kapitulierte die ZEIT-Redaktion und schloss die Kommentarfunktion. Das lässt nicht nur auf ein Diskursbedürfnis, sondern vor allem darauf schließen, dass diese Forderung aus bestimmten Gründen einen bestimmten Nerv eines bestimmten Publikums getroffen hat, das sich von der kodexkonformen Berichterstattung offenbar für dumm verkauft sah. Das hat nichts mit dem Bedienen von Vorurteilen zu tun, sondern dem Einordnen von Einzelheiten in die individuellen Denksysteme mündiger Bürger.

Orthographische, grammatische und grafische Peinlichkeiten erkläre ich in meinen Vorlesungen seit Jahren zu Grundübeln des modernen deutschen Journalismus – die wenigen Beispiele mögen genügen; ich verweise erneut auf meine wohlgefüllte Festplatte. Hinzu kommen Online-Patzer, hier häufen sich Verlinkungen oft nach Art von “IntelliTXT“, die jedem ethisch empfindenden Menschen die Haare zu Berge stehen lassen: in der Meldung, dass zu Ermittlungszwecken einer Baby-Auktion bei ebay die Computer beschlagnahmt wurden, beim Schlagwort “Computer” auf einen PC-Onlineshop zu verlinken, ist mehr als skandalös.

Technische Patzer im Fernsehen müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls genannt werden: was allein in öffentlich-rechtlichen Morgenmagazinen an falschen Inserts, falschen Tonspuren, falschen Grafiken, falschen Kameraschalten und Regiefehlern in einer Woche zu erleben ist, stellt die Leidensfähigkeit derer, die von Berufs wegen Sendungen verfolgen, die sie vor anderthalb Jahrzehnten selbst ähnlich produzierten, auf eine harte Probe. Ob diese Fehler Schludrigkeit, Überforderung oder schlichter Unkenntnis bspw. wegen Ausbildungsdefiziten geschuldet sind, soll und muss hier nicht diskutiert werden.

Screenshot unbearbeitete Bildunterschrift. Quelle: privat

Screenshot unredigierte Bildunterschrift. Quelle: privat

Screenshot SZ Online. Quelle: privat

Screenshot dpa bei gmx.de. Quelle: privat

Screenshot BILD. Quelle: privat

Screenshot BILD. Quelle: privat

Screenshot Baby-Auktion. Quelle: privat

Screenshot Baby-Auktion. Quelle: privat

Screenshot-Collage „Har(t)z“ bei ARD/ZDF. Quelle: privat

Erstes Zwischenfazit: in unseren Medien, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen zumal, häufen sich gattungsübergreifend bestimmte Auffälligkeiten, die Anlass zu ernster Sorge geben, ob diese Medien die ihnen innewohnenden Aufgaben noch wahrnehmen (wollen), wie sie das tun und welche Publikumsperspektive diesem Tun oder Lassen zugrunde liegt. Auffälligkeiten, für die ich (noch) keine statistische Repräsentativität beanspruchen kann, wohl aber Evidenz – das muss uns gleich nochmal interessieren. Dass Sie, Herr Pörksen, die Chuzpe haben, von „all denangeblichen oder tatsächlichen Grenzüberschreitungen und Verfehlungen“ zu schreiben und beide Modi ebenso unkommentiert wie undifferenziert in einer Wanne zu baden, fällt da ebenso auf wie sie zum leicht versnobten Tenor Ihres Textes passt.

+ + +

Um den – mit Vorliebe von der NPD genutzten – Begriff der Systempresse als dem systemkonformen Teil der Meinungswirtschaft zu diskutieren, muss man zunächst Einigkeit über den Systembegriff erzielen. Ich verstehe Sie so, dass Sie im Rekurs auf Luhmann das Gesellschaftssystem meinen, das als wichtigste Subsysteme Wirtschaft, Politik, Religion, Recht, Wissenschaft und Medien beinhaltet. Als binäre Codes von Politik und Medien werden gemeinhin „Macht/keine Macht“ bzw. „Information/Nichtinformation“ angesehen. Unter Systempresse müssten dann alle (reichweitenstarken und/oder Leit-) Medien subsummiert werden (zuletzt u.a. Müller/Ligensa/Gendolla 2009, Krüger 2013), die ebenso machtkonform wie -stabilisierend über Art, Auswahl, Umfang, Anordnung und Gestaltung von Information und deren mehr oder weniger öffentliche Distribution entscheiden: ein Prozess, den wir als Agenda Setting kennen (u.a. Bonfadelli 2004, Eichhorn 2005). Sein Kerngedanke ist, dass Massenmedien auch beeinflussen, was der Rezipient denken soll, aber eher bestimmen, worüber er nachzudenken habe, d.h. die „Bilder im Kopf“ in Form einer „Tagesordnungs“- oder auch „Aufdringlichkeits-“Funktion verantworten.

Nun liegt auf der Hand, dass moderne, arbeitsteilige Gesellschaften, um Probleme verarbeiten und sich selbst regulieren zu können, die Öffentlichkeit brauchen als

„Sphäre ungehinderter, unbeschränkter Kommunikation, die darauf zielt, die mit der hochgradigen funktionalen Differenzierung und sozialen Parzellierung verbundene Borniertheit des Erfahrungs-, Wissens- und Interessenshorizonts ihrer Subjekte aufzuheben, indem sie die voneinander getrennten Erfahrungen, Erkenntnisse und Interessen allgemein bekannt macht und zueinander vermittelt.“ (Pöttker 2002:170, Hervorhebung von mir)

Man kann über Pöttkers heimeligen Borniertheitsbegriff streiten (und ihn manchmal durch “Arroganz der Macht” substituieren), nicht streiten kann man darüber, dass eine Systempresse an ungehinderter, unbeschränkter Kommunikation nicht interessiert sein kann, da diese das Machtmonopol in Frage stellt. Daraus folgen ambivalente Zusammenhänge für verschiedene publizistische Strukturen.

Für das ideale journalistische Ethos etwa ergibt sich aus dem zentralen Standard “Wahrheit” beispielsweise die „Pflicht zur grundsätzlichen Distanz von der Herrschaftselite einschließlich der politischen Opposition, deren Auseinandersetzungen nicht Wahrheit, sondern Macht zum Gegenstand haben.“ (ebd.) Dabei setzt sich Wahrheit aus einer Reihe von Einzelqualitäten wie Richtigkeit, Vollständigkeit oder Wahrhaftigkeit zusammen (ebd.).

Aber bereits die Wahrhaftigkeit scheint ein mindestens dehnbarer Begriff zu sein. Unter der Schlagzeile „Nationalstolz U21: ‚Was soll die Schlaaand-Euphorie?‘“ publizierte SPON eine Umfrage mit folgendem Teaser „Sie fieberten mit, feuerten an und freuten sich, als die DFB-Elf in Brasilien Weltmeister wurde. Aber sind sie jetzt stolz, Deutsche zu sein? Zehn junge Fans U21 erzählen von ihren Schland-Gefühlen.“ Mag sein, dass es die negative Konsonanz zum Zusammenhang “Sportstolz – Nationalstolz” war, die in mir zuerst Unbehagen und dann Misstrauen weckte: nach einer Blitzrecherche entpuppten sich sechs der zehn jugendlichen Erzähler als (Ex-)Schülerzeitungsredakteure, die vom „Spiegel“ in den letzten Jahren beim verlagseigenen Schülerzeitungspreis ausgezeichnet wurden, eine weitere wird als Freie der Ostthüringer Zeitung geführt. Da bleibt bei sieben von zehn Stimmen doch ein G’schmäckle.

Wahrheit aber – oder was dafür gehalten wird – scheint zum einen zunehmend unerwünscht, da unverkäuflich. Ergo spricht DJV-Chef Michael Konken von der Schere im Kopf der Journalisten, die sich darin ausdrückt, die Beiträge so zu schreiben, dass „kein Schaden“ entsteht. Es entsteht so aber ein weichgespülter Journalismus, der die Potenzen der Pressefreiheit brach liegen lässt:

Die alten Verleger hätten ihre Redakteure geschützt, heutzutage jedoch stehen kalt kalkulierende Geschäftsführer an der Spitze vieler deutscher Zeitungsverlage, denen das Betriebsergebnis wichtiger ist als das journalistische Produkt.

Zum anderen muss Wahrheit zunehmend als interessensgeprägt gelten:

„Da der Arm der politischen Klasse lang ist und weit reicht, kann diese bei ihrem – bewussten oder unbewussten – Bestreben, an den Vorstellungen festzuhalten, die das System (und damit die politische Klasse selbst) legitimieren, normalerweise auf überwältigende Unterstützung rechnen. Die politische Klasse wird getragen von einem vieltausendstimmigen Chor derer, die ihr durch die schon erfolgte oder noch erhoffte Vergabe von Ämtern und Würden verpflichtet sind. Sie suchen die Lücke zwischen Norm und Wirklichkeit nicht etwa durch Verbesserungen der Wirklichkeit zu schließen, sondern dadurch, dass sie die Norm lax interpretieren oder die Wirklichkeit vernebeln.“ (von Arnim 2001).

Wie Journalisten in diesem Chor mitsingen, beweisen nicht zuletzt diverse personelle Rochaden, bspw. die von Ulrich Wilhelm, der 2011 Intendant des Bayerischen Rundfunks wurde, nachdem er zwischen 2005 und 2010 Chef des Bundespresseamts und Regierungssprecher der Bundesregierung für das Kabinett Merkel I und Merkel II war; natürlich auch die von ZDF-Nachrichtenmann Steffen Seibert, der Wilhelms Nachfolger als Regierungssprecher wurde; und erst recht dieAblösung des Chefredakteurs der „Wirtschaftswoche“, Roland Tichy, durch die im politischen System aufgestiegene Miriam Meckel, die u.a. Staatssekretärin für Medien und Regierungssprecherin in Nordrhein-Westfalen unter SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement und zuletzt Professorin war. Ein Journalist mit volkswirtschaftlichem Hintergrund, ein unbequemer Mahner der herrschenden Politik, ausgewechselt durch eine stromlienienförmige Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin.

Welche publizistischen Blüten manche Stimme dieses Chores treiben kann, zeigt die “Neue Osnabrücker Zeitung”.

Screenshot NOZ online. Quelle: privat

Screenshot NOZ online. Quelle: privat

Ob dieser Chor auch darum ab und an schief singt, weil die SPD mit Medienbeteiligungen an über 70 Zeitungen die öffentliche Meinung für eigene Zwecke zu beeinflussen sucht, sei dahingestellt. Wie groß und wirkmächtig aber dieser Chor tatsächlich ist, wurde spätestens am 8. Oktober 2008 klar, als die Bundeskanzlerin die bedeutenden Chefredakteure der (Leit-)Medien eingeladenhatte – zur Zeit des Ausbruchs der großen Finanzkrise:

„Man findet keinen ausführlichen Bericht über dieses Treffen, der veröffentlicht worden wäre und überhaupt nur wenige Erwähnungen in den Archiven, nur hin und wieder einen Nebensatz, eine knappe Bemerkung. An einer Stelle liest man in dürren Worten, worum es an diesem Abend im Kanzleramt ging: Merkel bat die Journalisten, zurückhaltend über die Krise zu berichten und keine Panik zu schüren.”

Berliner Journalisten berichteten erst am 02.02.2009 (!) über dieses Geheimtreffen, das mich schwer an eine Inkarnation Honecker’schen Gebarenserinnert. Augstein weiter (Hervorhebung von mir):

„Sie haben sich daran gehalten, die Chefredakteure. Noch im Februar 2009, vier Monate später, wunderte sich die taz über die Medien: “Sie halten die Bürger bei Laune, auf dass diese stillhalten. Wie viel Geld bereits in die Banken gepumpt wurde, wie viele Milliarden Bürgschaftszusagen vergeben wurden (und wie viele Hartz-IV-Monats„löhne“ das sind), das steht auch nicht in der Zeitung.” (ebd.)

Sein Kommentar anlässlich eines weiteren Merkel-Termins lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:

„Merkel hat zu den Journalisten geredet, als seien sie Mitarbeiter einer Abteilung im Kanzleramt. Und wenn man es sich recht überlegt, kommt man zu dem Schluss: Ja, so sehen sich mehr und mehr Journalisten auch selbst. Und wenn das so weitergeht, dann braucht man in der Tat keine Journalisten mehr…“ (ebd.)

Wer je nach Lebenssituation Gefahr läuft, zu verwahrlosen und unterschiedliche Formen der Hilfe zu benötigen, kann in Formen des betreuten Wohnens unterstützt werden: alte, psychisch kranke bzw. seelisch, geistig und/oder körperlich behinderte Menschen, Obdachlose oder Jugendliche, die dann durch Sozialarbeiter bzw. Psychologen, Erzieher, Therapeuten oder Pflegekräfte (Sozialbeistand) betreut werden. Was ich – und viele andere mit mir – in unserer aktuellen Medienberichterstattung wahrnehmen, ist die Pervertierung dieses Prinzips. Es heißt „Betreutes Denken“.

Wir werden von Politik und Medien behandelt wie kranke, behinderte, entmündigte Menschen, denen die vorgeblich Gesunden beistehen und ihre Agenda aufoktroyieren wollen… und sich dann irritiert bis wütend wundern, dass viele dieses penetrierende Setting nicht mehr klaglos hinnehmen. Demokratie ist auch das Recht, Macht anzuzweifeln.

Drittletzter Coup der (inzwischen neuen) Merkel-Regierung: Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bestätigte Ende Juni, dass die Zeitungsbranche als teilweisen Ausgleich für die Mehrkosten durch den gesetzlichen Mindestlohn ab 2015 einen Rabatt bei den Sozialbeiträgen für Zeitungsboten bekommen soll. Gegenwert: 225 Mio. Euro. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ lautet das geläufige Sprichwort dazu. Vorletzter Coup: Das Geschacher der Länder um die Verteilung der Plätze im Fernsehrat des ZDF führt dazu, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Staatsferne nicht umgesetzt werden. Und der letzte Coup passt auch ins Bild: Die Deutsche Welle, der im Kulturministerium angesiedelte Auslandssender, soll die Zusammenarbeit mit ARD, ZDF und Deutschlandradio noch weiter ausbauen und erhält zehn Millionen Euro mehr im Jahr. Erst vor wenigen Tagen hatte Intendant Peter Limbourg erklärt, der Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin künftig stärker Paroli zu bieten.

Inzwischen ist die staatliche Alimentierung dessen, was staatlicherseits “Journalismus” genannt wird, auch auf Länderebene angekommen. Im sächsischenKoalitionsvertrag zwischen SPD und CDU lesen wir nicht nur, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen “unverzichtbaren Beitrag zum publizistischen Wettbewerb” und “zu einer inhaltlichen Vielfalt” leiste, wie sie “allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann”. Nein, darin findet sich tatsächlich der Satz:

“Gemeinsam mit der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien trägt der Freistaat durch finanzielle Förderung und Unterstützung zum Erhalt des Lokalfernsehens bei.”

Damit wird Berichterstattung erkauft, das ist Medienkonvergenz in Reinkultur. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss dadurch überflüssig werden, andernfalls würde der Bürger doppelt bezahlen. Er würde zum einen per Zwangsabgabe direkt diese Sender alimentieren – und die Sächsische Landesmedienanstalt über die zugewiesenen zwei Prozent der Zwangsabgabe sowie indirekt eben die Staatsregierung über die Steuern der Bürger auch noch die (kleinen) privaten Sender, von weiteren öffentlich-rechtlichen Geschenken gar nicht zu reden. Unter anderem Klaus Meier hatte solch ein alternativ-meritorisches Modell bereits 2012 ins Spiel gebracht, als er erklärte:

“…dass Journalismus nicht zu 100 Prozent marktfähig ist, sondern dass wir über Stiftungsmodelle, vielleicht auch über staatliche Beteiligungen nachdenken müssen.”

Zum weiteren stellen Geheimnis, Fremdheit oder Andersheit Hindernisse für eine grenzenlose Kommunikation dar, wie Byung-Chul Han erkannte:

„So werden sie im Namen der Transparenz abgebaut. Vom Dispositiv der Transparenz geht ein Konformismuszwang aus. Zur Logik der Transparenz gehört es, dass sie ein weitgehendes Einvernehmen erwirkt. Eine totale Konformität ist die Folge.“

Zudeick erweiterte in einer Rezension Ihren Begriff der Gleichschaltung, der Konformität ja beinhaltet, etwas unfein zu „freiwilliger Selbstgleichschaltung“. Die hat bspw. Gabor Steingart mittels eines Schlagzeilenvergleichs einiger Leitmedien zum Ukraine-Konflikt im Handelsblatt prägnant auf den Punkt gebracht (Hervorhebung von mir):

„Der „Tagesspiegel“: „Genug gesprochen!“ Die „FAZ“: „Stärke zeigen“. Die „Süddeutsche Zeitung“: „Jetzt oder nie“. Der „Spiegel“ ruft zum „Ende der Feigheit“ auf: „Putins Gespinst aus Lügen, Propaganda und Täuschung ist aufgeflogen. Die Trümmer von MH 17 sind auch die Trümmer der Diplomatie.“ Westliche Politik und deutsche Medien sind eins.

Auch Willi Wimmer hat sich vor wenigen Wochen so zitieren lassen:

Als ich 1985 Verteidigungspolitischer Sprecher wurde, hat mich ein leitender Mitarbeiter der Pressestelle der CDU/CSU ausdrücklich gewarnt vor einem Netzwerk der NATO in der deutschen Presse. Wenn es heute irgend etwas zu kommentieren gibt im Zusammenhang mit Entwicklungen innerhalb der Russischen Föderation, werden dafür in unseren Medien immer amerikanische Institutionen mit Sitz in Moskau herangezogen. Sie hören keine Stimme aus Moskau, die russisch ist.

Dass diese Behauptungen nicht weit hergeholt sind, bewies ausgerechnet eine Satiresendung ausgerechnet eines öffentlich-rechtlichen Senders: die Zeit-Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner erwirkten eine Einstweilige Verfügunggegen einen Beitrag der ZDF-Sendung „Die Anstalt“. Darin hatten die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner Verbindungen deutscher (Leitmedien-) Journalisten zu transatlantischen Lobbyverbänden kritisiert. Auch Kleinert hatte jüngst unter Verweis auf Krüger 2013 und Ulfkotte 2014 bestätigt, dass der als CIA-nah geltenden “Atlantik-Brücke”, gegründet als „Gesellschaft ehemaliger Besatzungsfunktionäre im Nachkriegsdeutschland“, zahlreiche Spitzenjournalisten angehören:

“…unter anderem die künftige Leiterin des Berliner ARD-Studios, Tina Hassel, der Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Kai Diekmann, Claus Kleber (ZDF), Stefan Kornelius („Süddeutsche Zeitung“), Klaus-Dieter Frankenberger („FAZ“) usw. Allein in den Jahren 2006 bis 2012 werden in den Jahresberichten 88 Journalisten erwähnt.”

USA-Verbindungen deutscher Leitmedien. Quelle: http://spiegeldich.net/wp-content/uploads/2014/08/Leitmedien4.jpg

USA-Verbindungen deutscher Leitmedien. Quelle: http://spiegeldich.net/wp-content/uploads/2014/08/Leitmedien4.jpg

Das Monströse dieser freiwilligen Selbstgleichschaltung im Dienst der Macht ließ sich bereits an der Berichterstattung zur Bundestagswahl 2013 beobachten. Fast jedes deutsche Medium übte sich im Zusammenhang mit Angela Merkel in Schlagworten wie “Wahlerfolg“, “Wahlsieg” (wahlweise verknüpft mit “triumphal“, “historisch“, “fulminant“, “klar“, “groß“, “deutlich” oder “Riesen-“) oder gar “Triumph“. Den wenigsten wie etwa dem Cicero fiel auf, dass das Gegenteil der Fall war: dass die CDU zwar die stärkste Fraktion stellte, dass es aber dennoch seit dem 22.9.2013 wieder eine linke Mehrheit im Bundestag gab und der ach so siegreichen Angela Merkel mit 311 zu 320 Abgeordneten 10 Stimmen zur dritten Kanzlerschaft fehlten. Noam Chomsky warf den Medien schon zu internetlosen Zeiten vor, ihr Geschäftsmodell laute „manufactoring consent“.

Zwischen Professionalität und Moral gibt es immer sowohl Kongruenzen als auch Diskrepanzen. Aber die Professionalität einer fragwürdigen, weil ideologisch intendierten Moral unterzuordnen, führt den Journalismus in eine Sackgasse.

Screenshot Spiegel-Kommentar FB. Quelle: privat

Screenshot Spiegel-Kommentar FB. Quelle: privat

In der Zusammenschau – zweites Zwischenfazit – muss man zu dem Schluss kommen: ja, wir haben eine Systempresse. Eine Presse, die nicht nur ihre Systemdistanz verloren hat, sondern sich – wie die Banken – inzwischen selbst als systemrelevant definiert und / oder von der Politik so definiert wird; unabhängig aller ethisch-moralischen Skrupel und/oder publizistischen Wahrhaftigheiten. Konrad Adam hat das sehr gallig auf den Punkt gebracht (Hervorhebung von mir):

Distanzlosigkeit „rein als solche“, sagt Max Weber, sei eine der Todsünden des Politikers und eine jener Qualitäten, deren Züchtung den intellektuellen Nachwuchs zur politischen Unfähigkeitverurteilen werde. Diese Sünde wird nicht nur von Politikern begangen, sondern auch von all den Journalisten, die ihnen aus der Hand fressen.

Dass sich viele Bürger, zumal als “Regierte”, in diesem System nicht mehr wiederfinden und eigene Wahrheiten suchen, dass diese eigenen, zum Teil jahrzehntelang aufgebauten, realitätsbestätigten und gültigen Wahrheiten nicht mehr greifen (sollen) und zu politischer Verhandlungsmasse werden, dass aus dieser Verhandlungsmasse bisherige Gewissheiten herausgelöst werden und zu wandelbaren Vagheiten mutieren… all das ist einzupreisen, wenn es um das von Ihnen heraufbeschworene „Bild des Niedergangs und der Verwahrlosung“ geht.

„Wer Zuwanderung für unser dicht besiedeltes Land fordert, gefährdet den inneren Frieden.“ hieß es bspw. im CDU-Wahlprogramm von 1998 (S. 17) – heute rufen CDU-Politiker dazu auf, Zuwanderungswillige bei sich zu Hause aufzunehmen, und werden dabei medial gut unterstützt (bspw. hierhier und hier). Dass kein Medium thematisiert, warum das niemand für die Obdachlosen fordert, deren Zahl jedes Jahr zweistellig steigt und inzwischen die 300 000 erreicht hat, ist ebenso bezeichnend wie die Tatsache, dass in denselben Medien jeder sofort als ausländerfeindlich und damit „rechts“ diffamiert wird, dem die Sorge um die eigenen Mitbürger wichtiger ist als die um Fremde: “Wir lassen uns auch nicht einreden, dass man ausländerfeindlich ist, nur weil man sich für ein geordnetes Zuwanderungsrecht einsetzt”, ärgerte sich Bernd Lucke.

Das führt zu der absurden Situation, dass Anwohner, wenn sie, um ihre Ängste vor dem Maß an Zuwanderung zu artikulieren, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, inzwischen Plakate vor sich hertragen, auf denen zu lesen ist: „Für Presse und Schmierfinken: wir sind keine Nazis.“

Ottendorf-Okrilla: Erneute Demo gegen Asylbewerberheim. Quelle: http://www.blaulicht-paparazzo.de/ottendorf-okrilla-erneute-demo-gegen-asylbewerberheim/

Ottendorf-Okrilla: Erneute Demo gegen Asylbewerberheim. Quelle: http://www.blaulicht-paparazzo.de/ottendorf-okrilla-erneute-demo-gegen-asylbewerberheim/

Dresden-Klotzsche, Bürgerdemo 10.11.14. Quelle: https://www.facebook.com/636833049762948/photos/a.636836113095975.1073741827.636833049762948/637982559647997/?type=1&theater

Dresden-Klotzsche, Bürgerdemo 10.11.14. Quelle: https://www.facebook.com/636833049762948/photos/a.636836113095975.1073741827.636833049762948/637982559647997/?type=1&theater

Ein vorauseilendes Dementi auf eine wie selbstverständlich antizipierte Unterstellung: so vergiftet ist inzwischen das öffentliche Klima bei manchen Themen in manchen Gegenden. Hier schließt sich der Bogen zum “Pesthauch des Konformismus”. Die Absurdität erfährt dann noch eine schizophren-groteske Steigerungsvariante, wenn selbst die denkbetreuenden Medien Opfer ihrer eigenen Denkverbote (oder neuen Wahrheiten, je nach Perspektive) werden. Das ZDF-Morgenmagazin entschuldigte sich ebenso vorauseilend für “den entstandenen Eindruck”, dass das olivgrüne Hemd seines Moderators “auf dem Bildschirm tatsächlich braun wirkte”. „Die journalistische Selbstzensur verkauft sich heute bevorzugt als demokratische Gesinnung“, erklärte Michael Klonovsky solches Gebaren. Was das ZDF mit dem “braunen Eindruck” meinte, blieb offen (eine Entschuldigung setzt Schuld voraus – wer hat hier welche Schuld auf sich geladen?). Welchen Eindruck allerdings das Publikum hatte, ist in der Tendenz den ersten beiden Kommentaren zu entnehmen.

Screenshot Montage ZDF/Facebook. Quelle: privat

Screenshot Montage ZDF/Facebook. Quelle: privat

Diesem dystopischen Bild also, das „von Auflösung und von Zerstörung“ erzählt, wie Sie durchaus melodramatisch anmerken, eignet etwas wagnerianisches, was Angela Merkel ja so fern nicht ist:

„Und vielleicht zieht sie auch Parallelen zur wahren Machtpolitik. Wagner lehrt: Götter, die sich in Verträgen und Lügen verstricken, richten die Welt zugrunde.“

Das Adjektiv „alternativlos“ hat nicht nur etwas (Melo)Dramatisches, sondern etwas ausgesprochen Totalitäres. Seine pseudoreligiöse Allgewalt bezieht es aus dem Bewusstsein, dass es immer Alternativen gab und gibt, diese aber verschwiegen, ja gar nicht gedacht werden sollen und dürfen. Das ist Götzendienst. Solcherart Despotismen, Absolutismen, ja Tyrannismen führen „Macht“ einem Höhepunkt und damit ihrem Ende zu.

+ + +

In Bezug auf die Publikumsgewalt haben Sie zunächst formal Recht mit der Aussage: „Niemand ist heute mehr zur Rolle des Leserbriefschreibers verdammt, der auf die Gnade des unredigierten Abdrucks hoffen muss.“ Wenn sich aber zu vielfachen Erfahrungen nicht gewährter Gnade auch noch solche der politischen Ohnmacht als dem Betreuten Denken unterworfener mündiger Bürger gesellen, können zwei Dinge geschehen. Zum einen wird die nicht gewährte Gnade mit unterstellt nicht genehmem politischem Denken verknüpft und den Medien in der Hoffnung vorgeworfen, dass die Verknüpfung eine falsche Annahme sei. Manchmal stellen sich Erfolgserlebnisse ein.

Screenshot Leserbrief SZ Online. Quelle: privat

Screenshot Leserbrief SZ Online. Quelle: privat

Zum anderen bricht sich die Ohnmacht in neuen Medien Bahn: in sozialen Netzwerken, ja eigenen Blogs/Watchblogs und Internetpräsenzen. Konrad Adam hat dabei gerade die Printmedien im Blick, die – um es besser zu machen – sich daran erinnern sollten,

… daß Leser unterrichtet statt bevormundet, daß sie belehrt, aber nicht erzogen werden wollen; geschurigelt schon gar nicht. Sie mögen es nicht, wenn man ihnen nur deshalb aufs Maul schaut, um es ihnen gründlich zu stopfen. Kommt man ihnen so, dann wandern sie dorthin ab, wo sie den Mund noch auftun können.

Dieses Bahnbrechen wider einem missionarischen Berufsverständnis, “das geprägt ist von einer volkspädagogischen Haltung, die ihr Glaubensgebäude als allein selig machend ansieht und all jene ruinieren will, die nicht ihrem Glauben folgen”, dieses Auftun wirkt auf Sie bereits wie „eine fünfte Gewalt in Gestalt des Publikums…, eine Gewalt, die sich selbst massiv öffentlich artikulieren und eine eigene Agenda durchsetzen kann“. Hier sollte sich zunächst die Frage stellen, warum Sie letztere offenbar für gefährlich halten. Diese „andere Agenda“ bringt nämlich genau jene basisdemokratischen Elemente vor allem von Kritik (wieder) zur Geltung, die der „vierten Gewalt“ nicht mehr eignen und die man laut Weischenberg inzwischen „mit der Lupe“ suchen müsse:

„Im gesamten Journalismus wird zunehmend mehr die Kritikerrolle zur Disposition gestellt. Die Krise des Journalismus […] erweist sich vor allem als Krise seiner Kritikfunktion; sie wird obsolet, wenn die Distanz fehlt und die Relevanz sowieso.“ (Weischenberg 2006:18)

Bezahlte Journalisten seien, um ihre immer knappere Arbeit zu behalten, wegen der Einschaltquoten und der Werbeabhängigkeit tendenziell am Mainstream orientiert. Unabhängiger Fach- und Bürgerjournalismus sei investigativer (ebd.). Bürger als bessere Journalisten – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Screenshot Grüne-Kritik. Quelle: privat

Screenshot Grüne-Kritik. Quelle: privat

Hier sollte sich also vor allem die Frage stellen – und ich finde keinen plausiblen Grund, wieso Sie die nicht auch gestellt haben – warum die Agenda der Medien und die des Publikums so massiv divergieren. Als primäre Ursache identifiziere ich, dass die von den (Leit-)Medien an Ereignisse, Themen und Personen angelegten Nachrichtenwerte (vgl. zuletzt bspw. Ruhrmann/Göbbel 2007, Fretwurst 2008, Uhlemann 2011, Ruhrmann 2013) und/oder die vermeintlich danach selektierten und journalistisch dargebotenen Inhalte nicht mehr den Präferenzen des Publikums sowie dessen epistemologischen, informationellen, politischen…, aber auch professionellen und ästhetischen Werten entsprechen.

Der „Tagesspiegel“ bspw. etablierte einen Jugendblog, auf dem 15 – 19jährige die Frage „Was bewegt die junge Generation?“ beantworten (sollen). Neben Veranstaltungstipps und Rezensionen, unauffällig platzierten Links zu Beiträgen des Muttermediums sowie Mehrfach-Verlinkungen finden sich Themen wie:

  • Das Paradies der Individualisten: Wir sind alle hirnlose Phonies (2 Kommentare)
  • Selbstversuch Trampen: Kostenlos von Berlin nach Leipzig? (0 Kommentare)
  • Interview mit dem Meister: Wie baut man den perfekten Papierflieger? (0 Kommentare)
  • Dan Bilzerian: Wenn sich Frauen mit Kuchen einreiben (1 Kommentar)
  • MC Fitti in Berlin: Fun ist ein Stahlbad (0 Kommentare)

Die „Nachwuchsjournalisten“ konterkarieren mit derart relevanten Texten ihre eigenmotivierende Aussage „Orientierungslosigkeit ist nämlich nichts Schlechtes“ und beweisen die Gültigkeit des Satzes von Meike Winnemuth: “Je weniger wir das Große kapieren, desto fanatischer widmen wir uns dem Kleinen” – als Nachwuchs übrigens jenes Mediums, das sich laut Eigenwerbung als „Leitmedium der Hauptstadt“ versteht und immerhin Redakteure wie Harald Martenstein unter Vertrag hat.

Die Gründe für diese Divergenz sind vielschichtig und kaum vollständig zu erörtern. Ich beschränke mich auf zwei: auf einen themen- und einen redaktions/ redakteursorientierten, den ich im letzten Punkt „Vertrauen“ verhandle. Ein publikumsorientierter (wen wollen heutige Medien eigentlich womit erreichen und warum) ist mitzudenken und wird implizit durch den Text mit beantwortet.

Zunächst – themenorientiert – erkannte u.a. Ruprecht Polenz einen weitverbreiteten Sachverhalt, den ich “Verwechslung von quantitativer Relevanz und qualitativer Evidenz” nenne (Hervorhebung von mir):

„…ein Hang zur Dramatisierung. Kleinigkeiten werden hysterisch aufgebauscht, Menschen medial (vor)verurteilt. Zudem kommt es immer häufiger vor, dass die Überschrift nicht zum Inhalt des Textes passt… Diese Art der Irreführung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Menschen bekommen häufig den Eindruck, das Neue, das Außergewöhnliche, sei eher die Regel… Damit besteht zumindest die Gefahr, dass sie ein schräges Bild der Wirklichkeit bekommen. Die Medien haben indes die Verantwortung, in ihren Berichten immer wieder zu erklären: Was ist Regel, was ist Ausnahme.

Drei wahllose Beispiele der letzten sieben Tage. I) Die NWZ berichtet unter der Schlagzeile „Russisches Militär fliegt ungewöhnliche Manöver über Europa“ darüber, dass Langstreckenbomber und Kampfjets im internationalem Luftraum über der Nord- und Ostsee, dem Schwarzen Meer und dem Atlantik geflogen seien. Mit dem Bericht, der sich identisch in vielen Zeitungsangeboten findet, darunter auch in Sachsen, wird der Eindruck eines berichtenswerten, unterschwellig bedrohlichen Ereignisses erweckt. Erst nach quälenden 463 Wörtern wird im letzten von neun Absätzen aufgeklärt:

„Die Deutsche Flugsicherung betonte, diese Flüge seien „völlig legal“ gewesen. Die Bomber und Kampfjets hätten sich in internationalem Luftraum bewegt, sagte DFS-Sprecher Axel Raab in einem Interview mit dpa-audio. Die Russen seien auch nicht verpflichtet, ihre Transponder einzuschalten oder einen Flugplan mitzuteilen.“

II) Die Geschäftsbelastung deutscher Gerichte und Staatsanwaltschaften für den Bereich freiwillige Gerichtsbarkeit weist für den Zeitraum 1995 bis 2013 etwa 15 000 Verfahren nach dem Transsexuellengesetz (TSG, Verfahren zur Namens- und Personenstandsänderung) aus. Damit wird klar, dass Transsexuelle allein in Deutschland bei einer Einwohnerzahl von 80 Millionen Menschen eine Randgruppe bilden. Unter dem Teaser „Ein ganzer Mann“ – Wenn das Leben richtig scheint und sich trotzdem so falsch anfühlt, ist man dann verrückt? Lange dachte Gloria genau das. Bis sie begriff, dass sie eigentlich Egon ist.“ widmete der „Stern“ 45/2014 von insgesamt 146 Seiten allein neun (5 Textseiten + 4 Fotoseiten) dieser Geschichte eines Italieners (!) – zum Vergleich: das Gespräch mit Innenminister Thomas de Maiziere über deutsche Dschihadisten und die Gefahr von IS erhielt 3 Textseiten, eine Geschichte über die 43 verschwundenen mexikanischen Studenten immerhin 6.

III) Die Leipziger Volkszeitung berichtet unter der Schlagzeile „Wagenplätze in Leipzig – Juliane Nagel schlägt runden Tisch für alle Beteiligten vor“ vom entsprechenden Vorschlag einer linken Landtagsabgeordneten. Deren Credo „Eine wachsende Stadt muss sich auch auf einen größeren Bedarf an Flächen und Räumen für alternative Lebensformen einstellen“ – es geht um bislang zwei solcher Flächen. Damit entsteht der Eindruck, dass es völlig normal sei, „die Interessen der Grundstückseigentümer als auch das Bedürfnis nach solchen Plätzen“ in Einklang zu bringen – obwohl nirgends dieses Bedürfnis als Bedarf qualifiziert wird. In den 27 Kommentaren finden sich neben Kritik an der Einseitigkeit des Berichts und der (nicht)zitierten betroffenen Anwohner und Eigentümer sowie der falschen lokalen Einordnung des Fotos auch die Sätze:

„…an dem runden Tisch, an dem derjenige Forderungen stellen kann, dem das Eigentum eines anderen de facto kostenlos zur Verfügung gestellt wird, möchte ich nicht sitzen. Fehlt eigentlich nur noch, dass Enteignungen ins Spiel gebracht werden, um alternative Lebensformen zu ermöglichen…“

Diese Verwechslung nun zeitigt zwei Entwicklungen: eine medienbezogene interne und eine publikumsbezogene externe. Die interne ist – in Verbindung mit dem eben erwähnten weichgespülten Journalismus und Weischenbergs Mainstream-Orientierung – eine auffällige Themenarmut, die zu mehr als nur jener Themengleichheit führt, die man inhaltsanalytisch etwa bei Titelseitenvergleichen nachweisen kann: eine Folge der erwähnten “freiwilligen Selbstgleichschaltung”.

Screenshot FOCUS/SPIEGEL-Titel. Quelle: privat

Screenshot FOCUS/SPIEGEL-Titel. Quelle: privat

Sie führt dazu, dass ein Thema von Medien derselben Gattung quasiidentisch aufbereitet wird (intramediale Einfalt). Sie führt je nach Eigentümerstruktur dazu, dass ein Thema identisch in vielen Publikaten auftaucht (monopolistische Einfalt). Sie führt je nach Redaktionsstruktur dazu, dass ein Thema mehrfach im selben Publikat auftaucht (monothematische Einfalt). Diese betrifft zunehmend auch die Selbstreferentialität der vor allem öffentlich-rechtlichen Programme: es vergeht kaum ein Tag, da in den Morgenmagazinen nicht die Themen abendlicher Sendungen vorgewärmt werden.

Am 03.11. lautete das Servicethema im ARD-MoMa 5.30 Uhr bis 09.00 Uhr “Das richtige Fleckenmittel” mit Yvonne Willicks, Hauswirtschaftsmeisterin. Um 20.15 Uhr gab es dann den „Haushalts-Check mit Yvonne Willicks“, der sich zur besten Sendezeit damit befasste, wie hygienisch sauber in deutschen Haushalten wirklich gewaschen wird, daneben mit optimalen Fleckweg-Tipps, der richtigen Pflege der Waschmaschine und den ökologischen Folgen unseres täglichen Wäschewaschens.

Und sie führt sogar dazu, dass unterschiedliche Medien derselben Gattung zum selben Thema voneinander abschreiben. Man kann das durchaus als mediale „Warholisierung“ bezeichnen:

„Je öfter man dasselbe sieht, desto mehr verschwindet die Bedeutung, und desto besser und leerer fühlt man sich.“ (Andy Warhol, 1964)

Montage Themenidentität H. Klum. Quelle: privat

Montage Themenidentität H. Klum. Quelle: privat

Themenidentität. Quelle: privat

Montage Themenidentität Rhein-Zeitung. Quelle: privat

Nordseezeitung 18.12.2010, S. 9, 22, 41. Quelle: privat

Montage Themenidentität Nordseezeitung 18.12.2010, S. 9, 22, 41. Quelle: privat

Montage Selbstreferentialität ARD. Quelle: privat

Montage Selbstreferentialität ARD 03.11.2014. Quelle: privat

Textidentität SZ-DNN. Quelle: http://www.flurfunk-dresden.de/2014/10/17/ohne-viele-worte-nicht-akzeptabel/

Montage Textidentität SZ-DNN. Einzelquellen: http://www.flurfunk-dresden.de/2014/10/17/ohne-viele-worte-nicht-akzeptabel/

Die externe Entwicklung wiederum lässt sich unter zwei Perspektiven gliedern: einer laienhaften und einer professionellen. Die laienhafte des Netzes (die natürlich auch von Profis angewendet werden kann) hat Bettina Röhl so zusammengefasst:

Die artifiziellen Vernazifizierungen, die fatalerweise in Mode geraten sind, die Hochrechnungen von einem Wort oder einem Satz oder einer FB-Bekanntschaft oder einem zufälligen Vorbeiradeln hier oder dort auf den Menschen als Ganzes, sind ein unmenschliches und teuflisches Spiel. Diejenigen, die solcherlei, auf die Vernichtung meist wahllos ausgesuchter Menschen zielende Qualifikationen benutzen, praktizieren genau das, was sie zu bekämpfen vorgeben, nämlich Ausgrenzung und vom Spielfeld jagen.

Die Gründe mögen vielfältig sein: Beanspruchen eines Wahrheitsmonopols, Durchsetzungswille der eigenen Meinung, Angst vor Ablehnung/Ausgrenzung, Verabsolutierung der eigenen Subjektivität, Spott und Häme ob eines Fauxpas, virtuelle Abenteuerlust aus realer Langeweile, Frustabbau aus verletzter Eitelkeit, Aggressionsverschiebung vom Mächtigen gegen den Schwachen… Gerade letztere hat Inflation angesichts effizienzgetriebener Biographien, Paul Verhaeghe erklärtedas u.a. so:

Permanente Evaluationen … führen zu einem Verlust von Autonomie und einer steigenden Abhängigkeit von externen Normen, die sich darüber hinaus ständig ändern. Dies führt zu dem, was der SoziologieRichard Sennett als „Infantilisierung der Angestellten“ bezeichnet hat. Erwachsene Menschen zeigen kindliche Gefühlsausbrüche; Nichtigkeiten erwecken Neid und Eifersucht. Sie greifen zu Notlügen und Betrug, freuen sich über den Misserfolg anderer und kultivieren kleinliche Rachegefühle. Das alles sind die Folgen eines Systems, das die Menschen systematisch daran hindert, selbständig zu denken und … nicht wie erwachsene Menschen behandelt.

Ein weiterer Grund ist natürlich der klassische Protest (vgl. zuletzt Bernold / Henaine 2011, Reißmann/Stöcker 2012, Schröder 2012, Sonntag/Baringhorst 2013, Balint/ Dingeldein 2014, Voss 2014). Protest dagegen, dass die eigene Meinung ungewürdigt bleibt oder, wenn sie wenigstens zu interessieren scheint, in ebenso unwissenschaftlicher wie hochnäsiger und daneben manipulativer Weise erhoben wird.

Screenshot Spiegel-Umfrage. Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gauck-darf-npd-mitglieder-spinner-nennen-a-974368.html

Screenshot Spiegel-Umfrage. Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gauck-darf-npd-mitglieder-spinner-nennen-a-974368.html

Oder dass die erhobene eigene Meinung redaktionell ungewürdigt bleibt, wie bspw. bei t-online: das Contentportal, das im August 300.979.557 Visits zählte,berichtete am 6. August über eine FORSA-Umfrage des „Stern“, wonach eine knappe Mehrheit der Deutschen (52%) den Islam nicht als Teil Deutschlands sähe. Integriert war eine eigene Umfrage, deren Ergebnis (bei 19 257 Beteiligten) 95,1 % (!!!) betrug – aus “knapp” wurde plötzlich “absolut”. Bis auf den technischen Hinweis „Diese Nutzerumfrage ist nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Online-Umfragen sind einem hohen technischen Missbrauchsrisiko ausgesetzt, die Ergebnisse dieser Umfrage könnten eventuell von Dritten manipuliert worden sein.“ erfolgte keinerlei redaktionelle Bezugnahme.

Screenshot TO-Umfrage. Quelle: http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/umfragen/id_70536422/knappe-mehrheit-der-deutschen-sieht-islam-nicht-als-teil-deutschlands.html

Screenshot TO-Umfrage. Quelle: http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/umfragen/id_70536422/knappe-mehrheit-der-deutschen-sieht-islam-nicht-als-teil-deutschlands.html,30.10.2014

Zu dieser widersprüchlichen Wahrnehmung treten gelernte Äußerungen wie die von Ex-Bundespräsident Christian Wulff oder Kanzlerin Angela Merkel, wonach der Islam zu Deutschland gehöre. Der Rezipient sieht sich also mit gleich mehreren Inkonsistenzen konfrontiert, aus denen unter bestimmten subjektiven Prädispositionen kognitive Dissonanzen erwachsen können; dazu am Ende mehr.

Oder dass die eigene Meinung per nicht zugelassener, vorzeitig geschlossener und/oder von vornherein themenreglementierter Kommentarfunktion formal zensiert wird – und bisweilen sogar inhaltlich.

Meinungsvorgabe beim Kommentieren. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=839065112823203&set=gm.1575020966050995&type=1

Meinungsvorgabe beim Kommentieren. Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=839065112823203&set=gm.1575020966050995&type=1

Oder dass sie spätestens im Publikationsfall manipuliert wird, wie hier “Silly“-Gitarrist Uwe Hassbecker auf Facebook beklagt.

Screenshot FB-Eintrag. Quelle: privat

Screenshot FB-Eintrag. Quelle: privat

Drittes Zwischenfazit: Angesichts massiver Themendivergenz und ebenso massiver Protesthaltungen wünschen Sie sich einen „Mittelweg… der sich nicht opportunistisch einem vermeintlichen Publikumswillen und der Diktatur der Klickzahlen beugt oder aber selbst in die Abwertungsspirale einsteigt und jede kritische Regung pauschal als Shitstorm gekaufter Trolle oder dumpfes Gröhlen eines digitalen Mobs verunglimpft.“ Also weisen Sie einem „Qualitätsjournalismus“ die Aufgabe zu, „auf die Ad-hoc-Attacken, die Einsprüche und die Ideen der Leser und Zuschauer dialogisch und im Sinne einer kritischen Partnerschaft zu reagieren.“ Das Problem scheint hier in der ungelösen Willensdivergenz zu liegen:den Publikumswillen gibt es sicher nicht, den systemischen Medienwillen dagegen schon. Ich erinnere gern an eine Kernaussage aus Brechts „Radiotheorie“, die Hans Magnus Enzensberger, Friedrich Kittler oder Norbert Bolz emanzipatorisch ebenfalls aufgriffen, womit wir erstmals beim Konzept der Gegenöffentlichkeit angelangt wären:

„Ein Mann, der was zu sagen hat und keine Zuhörer findet, ist schlimm daran. Noch schlimmer sind Zuhörer daran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat.“

+ + +

Das „neue Genre der journalismuskritischen Abrechnungsliteratur“, wie Sie es nennen, sei nun eine wütende Reaktion über diesen „real existierenden Journalismus“, der Menschen verbinde, „die so unterschiedlich sind und die gewiss keinen entspannten Abend miteinander verbringen könnten“. Gemeint sind einerseits „Entsetzensschreie über die Erfahrung der Mediengewalt am eigenen Leibe“ (Wulff/Wulff, Sarrazin, Gaschke) als andererseits auch Empörungen über den „Niedergang der Qualitätsmedien und der von ihnen produzierten ‚Scheiße‘“ (Ulfkotte), womit wir bei der professionellen Perspektive der externen Entwicklung wären.

Hier sind zwei Aspekte hervorzuheben: ein methodisch-formaler und ein emotionaler. Den formalen nenne ich „Induktionsaversion“; eine Aversion, die zunächst eigentlich in einem “Top-Down – Bottom-Up”-Diskurs geklärt werden müsste. Ihnen missfällt, dass das Unbehagen „sich stets am konkreten Beispiel [entzündet], das mit großer Entschiedenheit zum allgemeinen Schicksal umgedeutet wird. Eigene Erfahrungen in der Politik, ein individuelles Skandalisierungserlebnis – stets führt der Weg des Denkens vom Einzelfall zum grundsätzlichen Urteil…“ Dabei meinen Sie sowohl die o.g. Autoren aus auch Personen der Berichterstattung wie „Karl-Theodor zu Guttenberg, Günter Grass (Israel-Gedicht), Thilo Sarrazin, Peer Steinbrück“.

Dieses Missfallen kann ich, zumal mit Plechanows Ansichten zur Dialektik von Wesen und Erscheinung sozialisiert, nicht nachvollziehen – im Gegenteil. Für John Stuart Mill als ein Hauptvertreter empirisch orientierten Denkens ist

„die Induktion […] diejenige Verstandesoperation, durch welche wir schließen, dass dasjenige, was für einen besonderen Fall oder besondere Fälle wahr ist, auch in allen Fällen wahr sein wird, welche jenem in irgend einer nachweisbaren Beziehung ähnlich sind.“ (Mill 1980:160)

Der entscheidende Punkt ist, welche Relevanz den besonderen Fällen unter quantitativer (Stichprobengröße/Repräsentativität) und qualitativer (Evidenz) Perspektive zukommt; wann also aufgrund einer “nachweisbaren Beziehung” tatsächlich ein Syllogismus, ja eine All-Aussage statthaft ist. Und hier muss sehr fein zwischen der Relevanz der (Medien)Machthabenden und der der Ohnmächtigen differenziert werden.

Meine erste These dazu lautet: wenn die (Medien)Machthabenden aus besonderen Fällen auf allgemeine Befunde schließen, ist das legitim und richtig. Wenn das die Ohnmächtigen tun, unstatthaft und falsch. Die AfD Sachsen hatte unter ihren damals über 600 Mitgliedern ca. 15 der islamkritischen Partei „Die Freiheit“, d.h. 2,5 %. Dieser Prozentsatz wurde medial mindestens als „Problem“, ja als Gefahr „rechter Unterwanderung“ hochgeschrieben. Derselbe Mechanismus war bei der oben erwähnten Lucke-Berichterstattung der DNN feststellbar: 15 Störer sind danach relevanter als 350 potentielle Wähler und die ihnen vermittelten Inhalte.

Wenn Sachsens AfD-Vorsitzende Frauke Petry Ende Juni 2014 vom Bildungskollapsin Sachsen spricht, weil der Versand zehntausender Elternbescheide zum Gymnasialbesuch gestoppt, 4000 zusätzliche Schüler in der Bildungsplanung nicht berücksichtigt und, da mindestens 500 Lehrer fehlen, in Landschulen schon die Einführung zweizügigen Unterrichts angekündigt wurde, werden weder der Begriff akzeptiert geschweige die Argumente.

Meine zweite, schwerwiegendere These dazu lautet: wie evident bestimmte Einzelfälle sind, liegt im Ermessen der (Medien)Machthabenden. So schrieb Susanne Kailitz in der ZEIT in einem Stück über den Widerstand gegen einen Moscheebau in Leipzig:

„57 Prozent der Ostdeutschen fühlen sich durch den Islam bedroht, so war es gerade im Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung zu lesen. Für diese Mehrheit muss ein Weg gefunden werden, wie sie sich mit einer Moschee vor der Haustür arrangieren kann.“

Das bedeutet: die Minderheit der (Medien)Machthabenden darf ganz selbstverständlich den Mehrheitswillen ignorieren und sich anmaßen zu bestimmen, was die Mehrheit zu tun, zu lassen, zu akzeptieren und, wie wir eben sahen, auch zu denken hat. Demokratie definiere ich anders.

Und nicht nur ich – bspw. für Alexander Dugin (zu dem als Person man durchaus geteilter Meinung sein kann) ist diese Anmaßung inzwischen gar kennzeichnend für Westeuropa:

„Im liberalen postmodernistischen Westen aber wird Demokratie heute als Herrschaft der Minderheit verstanden. Weil diese Mehrheit verdächtigt wird, sie neige freiwillig zum Populismus, zu Sozialismus oder Faschismus. Deswegen ist es die Aufgabe der regierenden Minderheiten, gegen die Mehrheit zu kämpfen. Eine abartige Logik.“ (vgl. SPIEGEL 29/2014)

Ganz anders verhielten sich die Medien dagegen, als Bernd Lucke den Begriff „Entartung“ von Max Nordau (1892) nutzte: das hatten davor bspw. bereits Franz Joseph Strauß (Süddeutsche Zeitung, 15.07.1983), Hans Zehetmair (SPIEGEL, 16.03.1987). Helmut Schmidt (Frankfurter Rundschau, 12.09.1992) und am 15. Juni 2011 Wolfgang Schäuble getan, ohne dass es einem Journalisten ein- geschweige denn auffiel. Bei einem ungeliebten Konkurrenten dagegen – Quod licet Iovi, non licet bovi – wurde sofort die rechte, ja braune Keule herausgeholt (etwa hierhierhierhier oder hier). Wenn nun ein so Verunglimpfter vorrechnet, dass unter Wolfgang Schäuble bislang 2 Billionen Euro Schulden, 6 Billionen Euro Bürgschaften u. 700 Milliarden offene Target 2-Posten aufgelaufen sind, wird das ignoriert und stattdessen dem Finanzminister solide Finanzpolitik attestiert.

Zum Vergleich: als Katrin Müller-Hohenstein im Juni 2010 in der Halbzeitpause des WM-Spiels Australien gegen Deutschland im Zusammenhang mit Kloses Tor von einem „inneren Reichsparteitag“ für den zuletzt häufig gescholtenen Torschützen sprach, beeilte sich Vorzeigeblogger Stefan Niggemeier, dieses Statement zu liefern: „Für mich ist das eine alltägliche Redewendung, um einen besonderen Triumph zu beschreiben, ein Gefühl von Schadenfreude oder die Genugtuung, es allen gezeigt zu haben“. Ich will mir nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn Bernd Lucke oder gar ein einfaches AfD-Mitglied an den Wahlabenden dieses Jahres von einem „inneren Reichsparteitag“ schwadroniert hätte. Harald Schmidt war es 1992 übrigens noch ohne Empörung möglich, die Stimmung bei „Verstehen Sie Spaß?“ mit der Atmosphäre im „Reichssportpalast“ zu vergleichen.

Nur am Rande soll hier noch die Dissonanz notiert sein, dass auch die Evidenz nach nicht mehr vollständig nachvollziehbaren Kriterien interpretiert und bewertet wird. Andernfalls ist kaum erklärbar, dass derselbe quantifizierbare Sachverhalt gegensätzliche Interpretationen erfährt.

Screenshot zweier Berliner Zeitungen. Quelle: privat.

Screenshot zweier Berliner Zeitungen. Quelle: privat.

Der zweite, emotionale Aspekt berührt den Umgang der Medien mit Personen. Und hier lässt die Tatsache, dass „eigene Erfahrungen in der Politik“ oder „individuelle Skandalisierungserlebnisse“ nach Artikulation drängen, auf einen Paradigmenwechsel schließen: der Semantik von „Mediengewalt“ ist eine weitere, verbale Bedeutungsnuance hinzuzufügen. Denn offenbar können diese Erlebnisse als so gravierend empfunden werden, dass sie subjektiv nicht (mehr) bewältigt werden (wollen). Medien berichten nicht mehr über Schicksale, sie machen sie. Sie, Herr Pörksen, nennen es Kampagnen, ich Mediendarwinismus.

Obwohl ich jetzt als befangen gelten mag, dürfte mein Rücktritt als AfD-Landesvize ein illustratives Beispiel dafür sein, dass es den meisten Medien nicht um Wahrheit, sondern um die Aufgeregtheit geht, um die täglich neue Sau, die durchs Dorf getrieben werden muss, wie Heinrich Oberreuter schon vor Jahren anmerkte. Er begründete das mit dem Zwang zur „Inszenierung“, deren dramaturgische Notwendigkeiten – Spannung, Verkürzung, Simplifizierung – zu ungeheurem Themenverschleiß, zu kontinuitätsverschlingender Kurzatmigkeit und zur problemverschleiernden Suggestion rascher Lösungen führe.

Ich wurde im fast wahrsten Wortsinn „zur Sau gemacht“, da ich über einen Artikelüber einen zunächst zweimal sitzengebliebenen, danach hochschulisch qualifizierten Lehrer mit Trisomie 21 aus dem EU-Staat Spanien erschrak und ihn sarkastisch kommentierte. Denn im ebenfalls EU-Staat Deutschland haben wir einerseits zwar Trisomie 21-Gymnasiasten, die aber nochmal keinen Hauptschulabschluss schaffen, und andererseits geistig nicht behinderte Abiturienten, die zu 28 % ihr Studium abbrechen. Wenn nun ein individuell hochgeförderter Hochschulabsolvent mit geistiger Behinderung unter der Überschrift „Auch ich kann es schaffen“ als erstrebenswertes Ideal dargestellt wird, das jeder unabhängig von allen natürlichen Voraussetzungen und Unterschieden erreichen könne, so er sich nur anstrenge, dann ist das für mich eine klassische Verwechslung von Ausnahme und Regel. Solcherart Simplifizierung von natürlicher Vielfalt und Euphemisierung von geistiger Behinderung halte ich für das Niveau eines nicht nur im Sinkflug, sondern im Absturz befindlichen Bildungssystems für gelinde geschrieben unmöglich. Und nicht nur ich, auch der – dem Vertreten von AfD-Positionen sicher völlig unverdächtige – SPD-Bildungsminister Mecklenburg-Vorpommerns, Mathias Brodkorb äußerte sich schon zwei Jahre vorher ebenso (2012:18):

„Wie soll es funktionieren, wenn alle Kinder in ihrer Unterschiedlichkeit demselben Lernstoff folgen? Die einfache Antwort lautet: Das ist unmöglich. Die Anhänger einer radikalen Inklusion verabschieden sich daher ganz klar von zentralen Bildungsstandards. Die Standards sollen nicht zentral vorgegeben werden und im Grundsatz für alle gelten, sondern es soll umgekehrt Schule ausgehend von jedem einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin her gedacht werden: Nicht die behinderten Kinder müssen für das System fit gemacht werden, sondern umgekehrt das System für das behinderte Kind.“

In der Facebook-Diskussion vertrat ich also meine Meinung: gegen die Nivellierung von Bildungsstandards, gegen geistig behinderte Lehrer in unserem Regelschulsystem und gegen Inklusion geistig Behinderter (von anderen Behinderten war keine Rede) sowie für die Beibehaltung unseres Förderschulsystems. Aber: diese abstrahierte Ambivalenz und ihre Folgen für unsere Bildung, vor allem die Folgen für den „Inklusionskitsch“, den auch andere Pädagogen geißeln, spielte gar keine Rolle mehr. Nach dem entsprechenden Spin der – nicht nur dafür ausgiebig abgestraften – FDP ging es einzig und allein um das konkrete Schicksal jenes Spaniers, den ich damit, so die Interpretation, beleidigt hätte, sowie darum, dass sich alle anderen deutschen Behinderten dadurch auch beleidigt fühlen könnten – obwohl ich weder den Spanier noch sonst einen Behinderten konkret ansprach und erst recht von niemandem wegen Beleidigung (immerhin ein justitiables “Ehrdelikt”) angezeigt wurde. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach brachte den der political correctnesszuzuschlagenden Mechanismus im SPIEGEL trefflich auf den Punkt (Hervorhebung von mir):

Die Intelligenz eines Wissenschaftlers zum Beispiel ist in der Politik oft nicht nur wertlos, sie schadet sogar. Wissenschaftliche Intelligenz bedeutet, dass man abstrahiert. In der Politik zählt jedoch das Konkrete. Wissenschaftler lieben Details und lange Vorträge, Politik braucht eine extreme Zuspitzung durch Bilder, plakative Sätze oder eine Story. Wissenschaftler glauben, dass sich am Ende immer das bessere Argument durchsetzt. Das ist aber eher die Ausnahme. Man muss sein Argument auch darauf überprüfen, ob es verhetzbar ist, ob es absichtlich missverstanden werden kann.

Ebenso, wie man ausländerfeindlich ist, weil man sich für ein geordnetes Zuwanderungsmodell einsetzt, ist man also behindertenfeindlich, weil man das Förderschulsystem bewahren und das Bildungsniveau der Schülermehrheit vor der Nivellierung durch eine Minderheit schützen will. Auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Mit derselben Logik ist man dann feminophob, weil man Quoten und gegenderte Sprache ablehnt, oder homophob, weil man die Gleichstellung der „Homoehe“ nicht befürwortet. Da brauchte es wirklich erst einen Dieter Nuhr, dem ein solcher Satz abgenommen wird:

„Ich habe kein Verständnis dafür, dass die bei uns lange erkämpfte Meinungsfreiheit nicht mehr ernst genommen wird, wenn sich jemand beleidigt zeigt.“

Kein Nachsinnen über die Möglichkeit eines geistig behinderten Lehrers in Sachsens Schulsystem, kein Abwägen der Autorität eines solchen Lehrers bei nichtbehinderten Kindern, keine Umfrage zur Zahl jener Eltern, die ihre nichtbehinderten Kinder von einem geistig behinderten Lehrer unterrichten lassen würden… kein Medium versuchte, all diese Sachverhalte zu recherchieren im Sinnebspw. von Okke Schlüter:

„Die Aufgabe eines seriösen Mediums sollte es sein, das Thema zu versachlichen, gegebenenfalls sogar vermittelnd zwischen den Kontrahenten aufzutreten. Darin sehe ich eine große Chance für alle Medien, denn sie können sich auf diese Weise Autorität und eine gute Reputation erwerben.“

Die Medien schossen sich dagegen – wie das Netzpublikum auch – auf die Interpretation der unterstellten Beleidung sowie deren Folgen ein: aus der Verkürzung „AfD-Landesvize hetzt gegen Behinderte“ wurde gar ein „AfD-Hetzer“, dessen Existenz dann durch die Zerstörung des Geschäftsmodells als Freier Dozent nach 16 Jahren Lehre vernichtet wurde. Den Machtmechnismus hat Volker Zastrow so formuliert:

“Aus dem demokratischen Spektrum dürfen nur die Standpunkte und Forderungen ausgegrenzt werden, die auf Abschaffung der Demokratie und der Menschenrechte zielen, zum Beispiel der Meinungsfreiheit selbst. So viel Ausgrenzung muss sein, aber mehr auch nicht. Denn Ausgrenzung betrifft nicht die Richtigkeit, sondern die Zulässigkeit von Argumenten. Genau genommen entscheidet sie nicht einmal darüber, was man sagen darf, sondern wer was sagen darf. Sie dient nicht der fairen Auseinandersetzung, sondern setzt ihr ein Ende. Ausgrenzung ist ein Werkzeug der Macht.”

Es kam kaum jemandem in den Sinn (und wenn, dann erst spät, nach eingeschaltetem Denken), dass sich das Posting weder gegen Pablo Pineda im Besonderen noch Behinderte im Allgemeinen richtete, sondern einen geistig behinderten Hochschulabsolventen als Argument dafür hernahm, die schockierenden Konsequenzen eines EU-harmonisierten Bildungssystems zu entlarven: es gibt kein weltgeschichtliches Beispiel für eine Harmonisierung nach einem jeweils höchsten Standard. Der Mann hätte also auch eine Frau sein, aus jedem anderen EU-Staat kommen, jeden beliebigen Namen tragen und jeden anderen Hochschulabschluss haben können. Dass gerade einmal fünf Journalisten direkt und zwei per Mail mit mir sprachen, passt ebenso ins Bild wie das schon beim Rektor der TU Dresden beginnende kollektive Vergessen, dass im GG die Ziff. 3 des Artikels 3 lautet (Hervorhebung von mir):

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Christiane Florin hat den zugrundeliegenden publizistischen Prozess knapp und treffend charakterisiert:

„Zuerst begleiten wir unsere Helden freundlich, aber während wir da unten herumkriechen, sehen wir genau, worüber unser Heros stolpern könnte: über seine eigenen Beine, über Steine, die ihm andere in den Weg legen, über Stöckchen, die wir ihm hinhalten. Wenn er am Boden liegt, fühlen wir uns groß. Wir haben einen Mächtigen zu Fall gebracht, die Demokratie gerettet. Manchmal leisten wir uns einen Anflug von Selbstzweifel und fragen, ob wirklich jeder Kommentar nötig war. Und während wir Nachdenklichkeit simulieren, robben wir uns an das nächste Objekt heran.“

Vorletztes Zwischenfazit: Sie gestehen selbst, dass Sie nicht alles gut finden, „was ARD und ZDF senden oder was im Spiegel, in der ZEIT, in der FAZ oder in der Süddeutschen steht“. Sie gestehen weiter, dass Sie sich mitunter ärgern „über den real existierenden Journalismus, über manche Selbstgerechtigkeit und einen Skandalisierungsfuror, der mich frösteln lässt.“ Aber ist angesichts der bislang explizierten Auffälligkeiten einer offensichtlichen Systempresse, die weder die Realität in allen Facetten noch das Publikum in all seinen Wünschen und Sorgen ernst zu nehmen scheint, ja angesichts der Schicksalhaftigkeit mancher journalistischen Entartungen nicht nachvollziehbar, dass „inzwischen … etwas gekippt [ist]“, sich auf einmal „Skepsis in Wut, ja sogar in Hass verwandelt [hat]“? Druck erzeugt Gegendruck, Ausgrenzung Solidarisierung. Wer sich nicht mehr vertreten fühlt, vertritt sich selbst; auch medial. Das Resultat ist (noch?) keine neue, gewandelte Öffentlichkeit, sondern Gegenöffentlichkeit – in welcher Evidenz, wird sich in den nächsten Wochen, Monaten… zeigen.

+ + +

Vertrauen nun – der letzte, schwierigste Punkt, der zugleich die redaktions/redakteursorientierte Begründung für die Divergenz zwischen Medien und Publikum liefern soll. Sicher aus gutem Grund hat die DGPuK-Fachgruppe Journalistik/Journalismusforschung ihre Tagung 2014 diesem Thema gewidmet. Und sicher auch aus gutem Grund haben Sie sich zu der abenteuerlichen Behauptung verstiegen, dass Journalisten „für die misstrauische Beschreibung kritikwürdiger Zustände selbst das Vertrauen ihres Publikums [benötigen], weil sich nur so die Wirkung einer kritischen Enthüllung wirklich entfalten kann.“ Ohne Vertrauen entfaltet sich Kritik nicht bzw. wird nicht als solche wahrgenommen???

Aus persönlichkeitspsychologischer Perspektive fasst man unter Vertrauen die subjektive Überzeugung (das Gefühl) von der Richtigkeit, Wahrheit und Redlichkeit von Handlungen, Einsichten und Aussagen eines anderen Menschen/einer Organisation – Eigenschaften, um die es nicht nur angesichts des bis hierhin verfolgten Textes schlecht bestellt ist. Stefan Niggemeier hat das jetzt ebenfallsbilanziert:

“So wie aus Politikverdrossenheit bei vielen Menschen Politikverachtung geworden ist, ist aus Journalismusverdrossenheit Journalismusverachtung geworden – und Journalistenverachtung.”

Sie selbst fassen die Befunde von Donsbach 2009 zusammen, wonach Journalisten von der Bevölkerung für unmoralisch, rücksichtslos, manipulativ, bestechlich und deutlich zu mächtig gehalten werden (Hervorhebung von mir). Drei wahllose Beispiele.

  • Kann man einer Ex-DFF-Journalistin vertrauen, die 1986 – 1989 SED-Mitglied war und heute „publizistisch objektiv“ eine Talkshow über Für und Wider eines linken Ministerpräsidenten in Thüringen moderiert? Spätestens bei der Entartungskeule war das Vertrauen verspielt.
  • Kann man FAZ- und SZ-Journalisten vertrauen, die als Beiräte der Bundesakademie für Sicherheitspolitik im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums eingebunden sind? Spätestens nach, man muss es so deutlich sagen, „kriegsgeilen“ Kommentaren wie diesem(„Die USA können… nicht tatenlos zusehen, wenn sie ihren Anspruch als Ordnungsmacht aufrecht erhalten wollen.“) war das Vertrauen verspielt.
  • Kann man einem öffentlich-rechtlichen Sender vertrauen, dessen Intendant als Tagesthemen-Moderator fünfstellige Honorare für firmeneigene Politikergespräche kassierte und der sich wegen meteorologischer Fehlinformationen mit Rücktrittsforderungen konfrontiert sah? Spätestens bei diesem Dialog in der WDR-produzierten „Lindenstraße“ (einem Fiction-Format!) vor den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg war das Vertrauen verspielt.
    • „Mutter Beimer: Was hältst Du eigentlich von der AfD? Es ist doch erstaunlich, dieser Wahlerfolg in Sachsen, oder?
    • Vater Beimer: Es gibt mehr Konservative in Deutschland als man denkt.
    • Mutter Beimer: Das ist mehr als konservativ, es ist geradezu fremdenfeindlich! Und dann fordern die auch noch mehr deutsche Musik, populistischer gehts doch gar nicht*. Aber wenigstens fallen die jungen Leute nicht auf diese neuen Rechten rein.“

* Anmerkung: Die rot-grüne Berliner Koalition wollte im Herbst 2004 die Rundfunkstationen unter anderem dazu verpflichten, deutsche Nachwuchskünstler besser zu fördern und in ihren Musikprogrammen 35 Prozent deutschsprachige Rock- und Popmusik zu spielen. Den Dirigismus einer “Quote” hat noch mal nicht die AfD Sachsen in ihr Wahlprogramm einfließen lassen.

Wer sich einer Sache sicher sein kann, braucht qua definitionem nicht vertrauen: Vertrauen wird vor allem in Situationen gebraucht, deren Verlauf und Ausgang unsicher, risikohaft sind. Dazu benötigt es immer eine sogenannte „Vertrauensgrundlage“: gemachte Erfahrungen oder die Persönlichkeit einer Person/Institution. Hat man diese Grundlage nicht, braucht es einen „Vertrauensvorschuss“. Den aber erhält bestimmt nicht, wer als “Schmierfink” angesehen wird, gegen den man meint, sich im Vorhinein verwahren zu müssen.

Für unsere Belange wesentlich sind die gemeinsam geteilten Normen und Werte von Vertrauensgeber und Vertrauensnehmer (im soziologischen Fachwortschatz „identifikationsbasiertes Vertrauen“) und die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit des Rezipienten als Vertrauensnehmer („eigenschaftsbasiertes Vertrauen“).

Die redaktions-/redakteursorientierte Begründung für die Divergenz zwischen Medien und Publikum ist zunächst im fehlenden identifikationsbasierten Vertrauen zu finden: es geschieht keine Meinungs- und Willensbildung mehr, sondern – durch überdies wenig vertrauenswürdige Journalisten – eine Darstellung jener Meinungen/jenes Willens, die zwar gesellschaftlich gewünscht und akzeptiert sind, aber individuell nicht als identifikativ, sondern bevormundend wahrgenommen werden. Das Vertrauen, das vom Publikum erwartet wird, sind die Medien selbst nicht bereit zu bedienen: „Vertrauen ist der Wille, sich verletzlich zu zeigen.“ (Osterloh/Weibel 2006:35) Wohin das führen könnte, hat jetzt Stefan Niggemeierthematisiert:

“Viele der seriösen Medien scheinen noch nicht zu ahnen, wie groß die Erosion des Vertrauens in ihre Arbeit ist und dass dieses Vertrauen die Grundlage für alles ist. Die Gefahr für uns alle ist, dass Menschen, die ihnen nicht mehr glauben, alles glauben.”

Das eigenschaftsbasierte Vertrauen nun erweist sich als umfänglicher. Denn welche Eigenschaften sind es, die Vertrauen in ein Medium bzw. in die es produzierenden Journalisten projizieren? Nach Grosser 2014 seien es sechs „Faktoren“, die „Vertrauenswürdigkeit im System Journalismus“ indizierten, wobei unter Koordinierung auch noch der Umgang mit Leserkommentaren zu fassen wäre (eigentlich eine eigene, siebte Kategorie) und das Vertrauen in die optische Anmutung, die “Inszenierung” fehlt – eine achte Kategorie, die ich angesichts der Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung und damit -fälschung für immens wichtig halte und deren Notwendigkeit u.a. durch weitere nachgewiesene Manipulationen der ARD bei der Berichterstattung über Rußland/Putin bekräftigt wird:

Faktoren von Vertrauenswürdigkeit im System Journalismus. Quelle: Grosser 2014:20

Faktoren von Vertrauenswürdigkeit im System Journalismus. Quelle: Grosser in DGPuK 2014:20

Da Recherchefehler bereits weiter vorn konstatiert wurden, betrachten wir gleich den Selektionsaspekt: Sie meinen, den dramatischen „Vertrauensverlust in die Orientierungs- und Informationsleistung des Qualitätsjournalismus“ mit Beispielen für einen „oft mustergültigen, gleichermaßen orientierenden und informierenden Journalismus“ zu kontern wie diese: „Berichterstattung über den Missbrauch von Kindern in der Odenwaldschule, die hartnäckigen Recherchen in der NSA-Affäre, die Aufbereitung des NSU-Prozesses“. Ohne eine weitere Themendiskussion aufzumachen: sind die von Ihnen genannten Symptom für die allgemeine Publizistik oder doch eher die Ausnahme? Vielleicht will das Publikum lieber andere, ebenso drängende Probleme und vor allem Problemzusammenhänge „mustergültig, orientierend und informierend“ verhandelt wissen wie im Inland Bildungsnotstand und „Fachkräftemangel“, Zuwanderung und Islamismus oder Misswirtschaft und Verantwortungslosigkeit (Stichworte SachsenLB, BER oder Elbphilharmonie Hamburg); im Ausland Ukrainekonflikt und Friedenspolitik, Nahostkrise und IS oder TTIP und EU-Recht?

Oder regional: Meldungen, wonach die Polizei Zeugen zu einer Auseinandersetzung sucht, bei der ein 22-Jähriger durch einen Unbekannten schwer verletzt wurde, sowie zu einem Einbruch in einen Pizza-Service sind den DNN 111 + 61 = 172 Worte wert. Wenn andererseits Gäste einer AfD-Jugendparty einen jungen Radebeuler an der Elbe “attackiert” haben sollen, ist die Skandalisierung mit dem Einstieg “Schwere Vorwürfe gegen die AfD…” den DNN 356 Worte wert – mehr als das Doppelte.

Ohne damit die anderen Faktoren gering zu schätzen, soll hier nur noch das Vertrauen in die Darstellungsleistung kurz diskutiert werden, wobei ich der inhaltlichen Einordnung und Bewertung auch noch die formale Gestaltung beigesellen möchte. Und da ist seit rund anderthalb Jahrzehnten ein Prozess beobachtbar, den Konrad Adam so beschrieb (Hervorhebung von mir):

Die Buchstaben wurden fetter, die Farben greller, Bilder bunter, die Thesen fetziger, der Tonfall simpler und brutaler. Wenn sie schon nicht mehr viel zu sagen hatten, so sollte doch der Auftritt stimmen. Inszenieren statt informieren hieß das gar nicht einmal heimliche Rezept, nach dem gearbeitet und angerichtet wurde. Gebracht hat es nichts, weil man die schnelle Konkurrenz nicht dadurch einholt, dass man ihr nachläuft. Neue Leser sind kaum gewonnen worden, und alte kamen nicht zurück.

Was jetzt folgt, sind nur die Startseite-Schlagzeilen des Onlineauftritts der größten Dresdner (und zweitgrößten sächsischen) Tageszeitung vom 3.11.2014, 13.50 Uhr, in dieser Reihenfolge

  • Topthema:
  • Wer wird Oberbürgermeisterkandidat in Dresden?
  • Dresden:
  • Bahnunfall im Alberthafen
  • Dresdens Pannen-Fichte
  • Zwei Demos für Montag angekündigt
  • Drei neue Flugverbindungen
  • Sachsen
  • Druck auf die Hochschulen
  • Indernäd auf Säggsch
  • Der tägliche Autoklau
  • Daniel überzeugt Dieter Bohlen
  • Politik
  • Von der DDR haben viele genug
  • Verlust von Senatsmehrheit droht
  • Abgekanzelt mit links
  • Die schwedische Sünde
  • Panorama
  • „Ade, Welt“
  • „Bring‘ den Hintern da rüber“
  • Geld zurück
  • Karibische Ebola-Offensive
  • Sport
  • Die verdammte Nachspielzeit
  • Wer rasiert, verliert nicht immer
  • Doc im doppelten Einsatz
  • Kultur
  • „Deutsche Pazifisten können nicht mal Sahne schlagen“
  • Die Katastrophe hat jetzt erst begonnen
  • „Wir Musiker brauchen auch mal Stille“
  • Wirtschaft
  • Neuer Lokführerstreik droht
  • „Das Laptop wird aussterben“
  • Hautkrebs wird Berufskrankheit
  • Leben und Stil
  • Meine Tochter verdient etwas Besseres
  • Happy Kids in Tollywood
  • Multimedia
  • Gefahr durch Cyberangriffe wächst
  • Facebook bringt „Hidden Service“ für Tor-Nutzer
  • Pirate-Bay-Mitgründer schuldig gesprochen
  • Wissen
  • Der Salamanderfresser
  • Kathedralen für Stromspeicher

Fetziger, simpler, brutaler – von den 34 Themen/34 Schlagzeilen kommen 15 mit drei oder weniger Worten aus, ebenso viele ohne Voll- oder Hilfsverben. Mit Fresser, Gefahr, Angriff, Hautkrebs, Krankheit, Streik, Katastrophe, Ebola, Sünde, Verlust, Autoklau, Druck, Demo, Panne und Unfall finden sich 15 Substantive, die eine Droh- oder Gefahrensemantik initiieren. Rechnet man (in)finite Verbformen, Adjektive und Adverbien wie schuldig, aussterben, drohen (2 x), schlagen, verlieren, verdammt, abgekanzelt oder genug hinzu, wächst die Zahl auf 24 negativ konnotierte Wörter. Positiv besetzte Wörter wie Tochter, Stille, Sahne oder neu sowie das englische Kids muss man suchen.

Der Autoklau-Bericht bspw. wird so angeteast: „In der jährlichen Statistik der Versicherer bleibt Görlitz ein Spitzenreiter. Doch Sachsen wird für Diebe unattraktiver.“ Dieses Prinzip kann man gekreuzte semantische Präfigurierung nennen: ein im ersten Satz vermeintlich „objektiv“ gesetztes Thema wird im zweiten subjektiv verstärkt oder abgeschwächt bis negiert. Der 20. von 29 Sätzen liefert dann die Begründung:

„Der Schwerpunkt Frankfurt/Oder bestätigt aber auch eine Tendenz, die Kriminaloberrat Daniel Mende von der Polizeidirektion Görlitz schon lange bemerkte: ‚Diebe weichen mehr auf Brandenburg aus, weil in Ostsachsen Fahndungserfolge zunehmen.‘“

Darüber hinaus werden aber überwiegend statistisch untersetzte Diebstahl-Fakten dargeboten und der Leser mit dem Satz entlassen: „Conny Stiehl, Präsident der Polizeidirektion Görlitz, sieht keine Veranlassung, drumherumzureden: ‚Bei Aktivitäten gegen Autodiebstahl besteht Handlungsbedarf.‘“ Damit sind die beruhigende Schlagzeile und der beunruhigende Text nicht kongruent – wieder haben wir es mit einer Inkonsistenz zu tun, die gerade regional betroffene Leser, Politikinteressierte und mit dem Themenverlauf vertraute Abonnenten als kognitive Dissonanz erleben (vgl. jüngst Festinger 2012, Irle/Möntmann 2012).

Kognitive Dissonanz schafft zunächst Desorientierung, da bisher Gelerntes bezweifelt werden muss, und motiviert dadurch, die entsprechenden Kognitionen miteinander vereinbar zu machen.

„Dabei kann die bestehende Dissonanz durch eine bewusste Vermeidung zusätzlicher dissonanter Informationen und die bewusste Zuwendung zu konsonanten Inhalten verringert werden. Ist die Dissonanzreduktion erfolgreich, überwiegen im Resultat konsonante, also mit vorliegenden Prädispositionen verträgliche Informationen gegenüber dissonanten, kognitiv unvereinbaren Inhalten und führen gemäß einem Mehrheitsverhältnis zum Bedeutungsverlust der Dissonanz hervorrufenden Information.“ (Mothes 2008:153)

Weitere Strategien sind Einstellungsänderungen (Rechtfertigungen) oder gleich Verhaltensänderungen, die das Maß temporärer Rationalisierungen übersteigen. Den „Prädispositionen“ entspricht das Phänomen der Perserveranz, wonach einmal Gelerntes bewahrt werden will, denn:

„…die Parteien selbst [rücken] neben Inszenierungsmaßnahmen oft wechselseitig Probleme und Missstände in den Vordergrund…, steht der Rezipient als Bürger und Wahlberechtigter im Zentrum von Interessenkonflikten. Ihm wird es aufgrund der Handlungsweisen von Politik und Medien erschwert, eindeutige, konsistente Einstellungen zu wahren.“ (ebd.:162)

Man wehrt sich prompt gegen die als so empfundene „Umerziehung“, die im vorliegenden Fall darin zu bestehen scheint, trotz Faktenlage das sächsische Kriminalitätsproblem nach Brandenburg wegzuschreiben, um eine “Es ist doch nicht so schlimm”-Beruhigung zu produzieren. Das ist unredlich.

Selbst wenn das nur eine oberflächliche Ad-hoc-Analyse war – Michael Haller führt unter seinen “Zehn Gründen, warum die Zeitungen untergehen” als ersten an: “Der Journalismus, warum missachtet er sein Handwerk?” Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen, ist es aber doch.

Denn an diesem Punkt treffen sich Publizistik und Medienökonomie. Sie bezeichnen es als tragisch, „dass die pauschale Kritik die Qualitätsmedien in einem Moment trifft, in dem manche von ihnen um ihre Existenz kämpfen.“ Aber wer hat denn wirklich ernsthaft und unvoreingenommen die Ursachen jenseits des multischuldigen Internet systematisiert? Andreas Vogel hat das dieses Jahr versucht und kam zu mindestens diesem einen bemerkenswerten Resultat:

„Befragt man die Zeitungsabbesteller, warum sie kündigen, nennt kaum jemand das Internet. Die meisten sagen, sie läsen keine Zeitung mehr, weil viele Inhalte sie nicht betreffen oder sie sei zu teuer geworden.“

Dabei wurden noch nicht mal die „Inhalte“ ausdifferenziert und angesichts von „native Advertising“ sowie anderen Formen nach der Attraktivität von Werbung gefragt, da auch die klassischen Anzeigenerlöse weiter zurückgehen. Stellenabbau, zu dem seit wenigen Tagen sogar eine Selbstmord-Metapher kursiert, Outsourcing, Billiglöhner und allgegenwärtige Qualitätseinbußen sind die logische Folge. Nochmals Vogel:

Die Verlage können natürlich nicht einerseits die Redaktionen verkleinern und andererseits die Zeitung ausdifferenzieren. Die Verleger müssen ihre Renditeerwartungen zurückfahren: Zweistellige Renditen im Zeitungsgeschäft sind heute eben nicht mehr realistisch. (ebd.)

Letztes Zwischenfazit: damit häuft sich ein unlösbares, weil systemisches Problem an: das Publikum soll mit Geld, von dem es immer weniger hat und das immer weniger wert ist, bezahlen für wenige und zunehmend dieselben Inhalte, die nicht seine sind, aufbereitet von wenigen Personen, denen es kaum vertraut, in einer Qualität, die mindestens verbesserungsbedürftig ist, innerhalb eines publizistischen Systems, das es nicht (mehr) als Partner wahrnimmt. Alexander Kissler hat das recht derb auf den Punkt gebracht:

Immer mehr Menschen haben den Eindruck, da werde an ihrem Leben, ihren Eindrücken, ihren Haltungen vorbei geschrieben. Da bastle sich eine abgehobene Medienelite die Welt, wie sie ihr und nur ihr gefalle. … Man achte nur auf die stetig wachsende Schere zwischen dem Tenor der jeweiligen Kommentare zum Weltgeschehen und den Leserbemerkungen gleich darunter. Die Entfremdung macht Fortschritte. Leser an Medium: du lügst, es ist ganz anders. Medium an Leser: Schnauze.

Ein praktisches Beispiel liefert der oben erwähnte MoPo-Beitrag zum Interview mit Claus Weselkys Ex-Frau, dessen Thema und Tenor u.a. so bei Facebook kritisiert wurden:

FB-Screenshot „MoPo“ (Auszug), 06.11.14. Quelle: privat

Meine Bilanz könnte schlechter nicht ausfallen. Sie, verehrter Herr Pörksen, nehmen eine „spürbare Neuordnung der Kommunikations- und Machtverhältnisse“ wahr und meinen: „Eigentlich müsste in diesen Zeiten die Solidarität besonders groß sein.“ Der Schluss wäre nur dann gerechtfertigt, wenn diese Verhältnisse zu einer gerechteren Ordnung für alle Beteiligten – Publikum, Redaktionen und Redakteure, Medien, Politik – führen würden. Hier aber hege ich massive Zweifel.

Um Vertrauen kann man werben, man kann darum bitten. Man kann es auch fordern. Man kann aber auch darum betteln. Genau diesen Eindruck vermittelt Ihr Text. Damit konterkariert er Ihr Eingangsstatement „Ich bin nicht als PR-Söldner im Dienste der Leitmedien unterwegs“. Als Küchenzuruf bleibt nämlich für mich haften: „Es ist gerade ziemlich kompliziert mit den Medien, aber eigentlich ist doch alles nicht sooo schlimm, das System funktioniert, also lasst uns bitte so weiter machen.“ Genau das ist es, was viele Bürger nicht mehr wollen, genau das ist es, was nicht mehr funktioniert, sondern im Gegenteil zu kollabieren droht.

Mag sein, dass mein Text ein wenig zu AfD-lastig wurde, aber das liegt ebenso in der Natur der Sache wie schlussendlich der erneute Verweis auf Brecht, diesmal auf sein Gedicht „Die Lösung“ (in „Buckower Elegien“, 1953), das den Aufstand vom 17. Juni des Erscheinungsjahres zum Thema hat und dessen Ende sich – umgeschrieben mit Brechts dramatischer Lieblingstechnik, der Verfremdung – heute vielleicht so lesen mag:

„Das Volk hat das Vertrauen der Medien verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Medien lösten das Volk auf und schrieben ein anderes herbei?“

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Hartung

+ + +

Der Autor ist diplomierter Pädagoge und promovierter Germanist, baute zwischen 1992 und 2001 als Journalist „Radio SAW“, „Antenne Sachsen“ und „Sachsen Fernsehen“ mit auf und arbeitete 32 Semester lang als Dozent für Medienkommunikation und -produktion an diversen deutschen Hochschulen. Seit der Gründung im April 2013 bis 24. Juni diesen Jahres war er stellv. Vorsitzender und Pressesprecher des AfD-Landesverbands Sachsen.

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Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung 2014

31. August 2014 von Thomas Hartung

Dieser ebenso kleine wie feine Exkurs soll dem viel zu ernsten deutschen Publikum die Klein- und Feinheiten teutonischen Humors etwas näher bringen. „Sarkasmus ist die niedrigste Form des Witzes, aber die höchste Form der Intelligenz“, meinte Val McDermid in „Ein Ort für die Ewigkeit“. Na, das kann ja heiter werden… ;-)

Arndt Noack ist Kreisvorstand der AfD Dresden.

Das ist ein sachlicher, wertfreier Satz.

*Fiktionsmodus on* (schlimm, das betonen zu müssen)

Arndt Noack – der bestangezogenste Mann der AfD Dresden.

Das ist Ironie (Verstellung, Vortäuschung), die verschiedene Graduierungen zwischen Sagen und Meinen ausdrückt; im Extremfalle gar das Gegenteil dessen, was sie meint. Ihr wohnt eine gewisse Leichtigkeit, Gewaltlosigkeit in der Attitüde inne – was jetzt folgt, wird zunehmend gewaltsamer.

Herr Noack, wohnen Sie auf einer Müllkippe? Ihr Anzug, ihr Auto und ihre Frau sehen so aus.

Das ist eine Beleidigung und damit ein justitiables Ehrdelikt, das mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Strafbar ist sie als Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung gegenüber dem Beleidigten oder Dritten, die über bloße Unhöflichkeiten oder Taktlosigkeiten hinausgeht. Der ethische oder soziale Wert des Beleidigten wird geringer dargestellt als er ist.

Arndt Noack trägt gern T-Shirts mit AfD-Logo. Wenigstens das Logo sieht gut aus.

Das ist Hohn, der das Aussehen eines Menschen abschätziger beurteilt als ein Accessoire seiner Kleidung. Hohn kann verschiedene Anteile aufweisen von Verachtung, Lächerlichkeit oder Schadenfreude und wirkt in der sozialen Interaktion oft als Demütigung.

Arndt Noack hat heute einen Anzug an. Er sagt, es sei sein bester. Dann will ich nie die anderen sehen.

Das ist Spott, der einem Menschen bestimmte usuelle Werte zu- oder abspricht; in diesem Falle Billigkeit bzw. Modebewusstsein. Im Gegensatz zum Hohn wird weniger Verachtung ausgedrückt, eher Häme.

Herr Noack, Sie und ihre AfD werden morgen dasselbe anziehen, was Sie auch schon heute anzogen: Spinner, Idioten und Trottel.

Das ist Zynismus, der als potenzierter Spott bewusst und tabulos die Gefühle anderer Personen oder gesellschaftliche Konventionen missachtet, ja deren Verletzung billigend in Kauf nimmt, in diesem Falle alle Parteimitglieder und Interessenten pauschal herabwürdigt – ohne damit freilich neue Konventionen zu schaffen. Der wenig bis gar nichts ernst nehmende Zyniker verletzt vor allem, weil er die vermeintlich verletzenden Umstände ins Bewusstsein heben und damit Spießern und Mitläufern einen Spiegel vorhalten will.

Leider sind wir nicht alle mit Blindheit geschlagen. Arndt Noack hat, wie wir also sehen müssen, heute seinen besten Anzug im Schrank gefunden. Schade, dass er dazu nicht auch sein bestes Gehirn gefunden hat.

Das endlich ist Sarkasmus (altgriechisch „sarkazein“: sich das Maul zerreißen, zerfleischen, verhöhnen), der zum Zeitpunkt des Sprechakts zerstörerisch, ja vernichtend, tödlich wirkt. Sarkasmus kann Elemente von Ironie, Zynismus, Spott usw. beinhalten, die aber nur punktuell wirken sollen – im Gegensatz zum Zynismus, der häufig charakterlich bedingt ist und verallgemeinert. Sarkasmus ist oft Ausdruck von Enttäuschung, Frustration und Verbitterung, die wiederum belegen, dass sarkastische Menschen sich von Normen und Werten innerlich noch nicht verabschiedet haben – im Gegensatz zu Zynikern. Aber selbst der Sarkasmus kann noch gesteigert werden.

Arndt Noack hat also seinen besten Anzug im Schrank gefunden. Schade, dass er dazu nicht auch sein bestes Gehirn gefunden hat. Aber da ist er in guter Gesellschaft. Merkel, Gauck und Tillich suchen auch noch.

Das ist Sardonismus als potenzierter Sarkasmus: im Gegensatz zu den Aspekten von Hohn und Häme wird hier seine grimmige, schmerzvoll-spöttische Seite verallgemeinert, ja verabsolutiert.

Arndt Noack ist Kreisvorstand der AfD Dresden. Einst galt er als bester Mann der Landeshauptstadt, heute nur noch als bestangezogenster. Vor allem seine T-Shirts mit AfD-Logo sind legendär. Keine Frage, das Logo sieht gut aus. Der Mann, der es trägt, dagegen, als wohne er auf einer Müllkippe. Auch Auto und Frau machen nicht den Eindruck, dass sie weit entfernt davon untergekommen sind. Nur selten noch sieht man Noack im Anzug. Wenn er dann sagt, das sei sein bester, will ich nie die anderen sehen. Aber einerlei, ob T-Shirt oder grobes Stöffchen: Arndt Noack und seine AfD werden morgen dasselbe anziehen, was beide auch schon heute anzogen: Spinner, Idioten und Trottel. Ein paar davon hatten ihn zur IceBucketChallenge nominiert, diesem geheimen IQ-Test der NSA. Noack spielte nicht mit. Das würde seine T-Shirts ruinieren und die Anzüge erst recht, sagte er dem ZDF. Im Anzug, natürlich. Offenbar dem besten, den er im Schrank gefunden hatte. Schade, dass er dazu nicht auch sein bestes Gehirn fand. Aber da ist er in guter Gesellschaft. Merkel, Gauck und Tillich suchen auch noch.

Das nun ist Satire, eine Spottdichtung bzw. ein Spotttext, der Personen, Ereignisse, Zustände oder Missstände in sprachlich überspitzter Form angeprangert. Satire bedient sich häufig der Übertreibung, kontrastiert Widersprüche und Wertvorstellungen in übertriebener Weise, verzerrt Sachverhalte, vergleicht sie höhnisch mit einem vorgestellten Idealzustand und gibt ihren Gegenstand der Lächerlichkeit preis. Zu ihren Stilmitteln gehören Parodie, Travestie und Persiflage, zu ihren Tonalitäten Ironie, Spott, Sarkasmus, ja manchmal sogar Pathos.

*Fiktionsmodus off*

Dieses je nach Perspektive literaturtheoretische bzw. stilistische Wissen hatten und haben alle Deutschlehrer, die in der DDR studierten. Und das Wissen um Ironie, Zynismus und Sarkasmus wurde mindestens bis 1990 von diesen Deutschlehrern an satirischen Tucholsky-Texten im Literaturunterricht der Oberstufe vermittelt, kann also als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden.

Dass dieses Wissen offenbar ausstirbt, befremdet und ärgert mich natürlich. Harald Martenstein geißelte das in einer seiner köstlichen Kolumnen mit dem bemerkenswert deutlichen Vorwurf:

Die Vorstellung, dass vermutlich zumeist schwanenweiße Jungs und Mädels in Deutschland einen rabenschwarzen Künstler wegen Rassismus an den Pranger stellen, nur weil dieser schwarze Bengel sich die Frechheit erlaubt, so etwas ihren deutschen Quadratschädel Überforderndes wie Satire und Sarkasmus zum Einsatz zu bringen, hat etwas Gespenstisches, oder? Das Cover kann man missglückt finden, wer es rassistisch findet, hat vor allem ein Bildungsproblem.

Und eben dies befremdet mich noch viel mehr: dass sich Menschen offenbar aus dieser Unkenntnis heraus anmaßen zu bestimmen, für bzw. gegen wen sich – auch problematische – sprachliche Mittel richten dürfen. Aber wer „dazu gehören“ will, muss sich auch kommunikativen Unannehmlichkeiten aussetzen. Und wer dazu gehören soll, erst recht. Wenn Dummheit dort anfängt, wo Sarkasmus nicht mehr verstanden wird, dann hört Demokratie auf, wo sie nicht mehr alle betreffen soll.

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Warum deutsch können, wenns auch englisch geht…

25. Juli 2014 von Thomas Hartung

Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, will bis 2020 alle Master-Studiengänge an der TU auf die Standard-Unterrichtssprache Englisch umstellen. Da muss ich wieder mal fragen: Geht’s noch?

Die Muttersprache, das Denken, Überlegen, Erwägen, Spekulieren, Nachsinnen, Grübeln, Reflektieren usf. – soll jetzt einfach durch eine fremde Sprache ersetzt werden? Wie identitätsvergessen gegenüber der eigenen Sprache und überheblich gegenüber der englischen ist das eigentlich? Wir wissen nicht erst seit der Kolonialzeit, dass es schon immer eine wirkungsvolle Methode war, Menschen zu unterdrücken und gleichzuschalten, indem man ihnen die Muttersprache, damit einen wesentlichen Teil ihrer Identität und auch die Möglichkeit nimmt, sich wirklich differenziert auszudrücken.

Als Christian Thomasius am Reformationstag 1687 eine deutschsprachige Vorlesung ankündigte, galt das als Beginn der Aufklärung. Latein wurde als Wissenschaftssprache abgeschafft. Der Vorteil: in der Muttersprache lässt sich präziser denken als in Fremdsprachen. Wird also nur noch Englisch gelehrt, wird wohl endgültig jede kritische Stimme zum Schweigen gebracht. Nach dem Studium, in der Arbeit … spricht man dann auch nur englisch? Wer wünscht, dass sich das Berufsleben in Zukunft nur noch auf englisch/amerikanisch abspielt?

Doch nicht nur das, in dem Artikel schreibt der Autor tatsächlich: „Noch ist die Angst vor dem Deutschen ein Punkt, der viele ausländische Studenten abhält, sich hierzulande zu bewerben.“ Und weiter zitiert er den Präsidenten: „Es kann dazu kommen, dass bestimmte Quoten gesetzt werden: für Studenten aus Deutschland und der EU einerseits und für Studenten aus aller Welt andererseits.“ Zum zweiten Mal: Geht’s noch? Nicht nur, dass unsere Universitäten aus unseren Steuergeldern bezahlt werden. Nein, so werden unsere Hochschulen mit hochwertigen und noch dazu kostenlosen Studienangeboten auf Englisch künftig wirklich das Schlaraffenland für angehende Ingenieure aus aller Welt. Da tröstet nicht, dass der Präsident dann die Kostenfreiheit der Studiengänge zur Debatte stellt – und damit klar macht, dass es ihm wohl eher um zahlende Studenten geht, die hoffentlich Grips mitbringen, denn um intelligente, die nicht unbedingt Geld mitbringen (können).

TU München. Quelle: https://www.tum.de/typo3temp/pics/f6a52cb60f.jpg

TU München. Quelle: https://www.tum.de/typo3temp/pics/f6a52cb60f.jpg

Immerhin: auch der bayerische Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle merkt, dass das eine Entwicklung befördert, „die Deutsch trotz seiner Bedeutung im weltweiten Kontakt weiter zurückdrängt. Daran kann einer Kulturnation nicht gelegen sein.“ Erst recht, wenn der Bundestag tatsächlich mal macht, was er soll, und sich bei den Ländern dafür einsetzt, dass an Hochschulen in der akademischen Lehre ein ausgewogenes Verhältnis zwischen deutschsprachigen und fremdsprachigen Studienangeboten und Veranstaltungen gefunden wird. Und das umso mehr, als auch wir fordern, die Diskriminierung der deutschen Sprache in Brüssel zu verringern. Wenn nun eine Elite-Universität, die mit erheblichen Steuergeldern gefördert wird, ihrerseits der deutschen Sprache Zweitrangigkeit einräumt, erscheinen die europäischen Bemühungen wie ein Hohn. Dazu die wirtschaftliche Bedeutung: Unternehmen weisen auf den Zusammenhang zwischen der Kenntnis der deutschen Sprache und dem Kauf deutscher Produkte hin.

Die TU München sollte Respekt vor der Mehrsprachigkeit zeigen. Es gab mal eine Zeit, in der an deutschen Gymnasien drei Sprachen als die übliche Qualifikation, die man am Ende haben sollte, vorgesehen waren. Es ist nicht so leicht einzusehen, warum auf der höchsten akademischen Ebene nicht auch mehrere Sprachen benutzt werden sollen. Zumal wenn ein ausländischer Student in Deutschland studieren will, sollte es eher normal sein, dass er sich der Sprache des Gastlandes anpasst und diese lernt, statt umgekehrt zu erwarten, sich ins gemachte Studiennest zu legen.

Monoglossie bedingt Traditionsverlust, Werteverlust, geistige Verarmung. Deutsch Gedachtes englisch auszudrücken entstellt das Gedachte. “In alten Zeiten gingen die Leute nicht so leichtfertig mit der Sprache um, denn sie hatten Skrupel, daß sie hinter ihren eigenen Worten zurückbleiben könnten.” (Konfuzius)

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Mal wieder ein Rezept… Chicoree

15. Mai 2014 von Thomas Hartung

Lang lang ist’s her seit dem letzten kulinarischen Exkurs – aber angesichts der vielen Sonderangebote des unterschätzten Gemüses teile ich völlig unpolitisch vor der Europawahl diese leckere Eigenkreation eines vollwertigen Abendessens:

2 EL Olivenöl
2 EL Schinken
1 kleine Zwiebel
1 Knoblauchzehe
2 Chicorée (250 gr.)
Salz, weißer Pfeffer, Muskat, Zimt
2 x 2 Scheiben Toastbrot
Kräuterbutter
2 Scheiben Käse

gebratener Chicoree

gebratener Chicoree

Olivenöl und Schinken in einer Pfanne erhitzen. Zwiebel und Knoblauch kleinschneiden und im heißen Öl anbräunen. Die Chicorée vierteln, die bitteren Strünke entfernen (kleingeschnitten mit Agavensirup munden sie köstlich) , klein schneiden und dazu geben. Mit Salz, weißem Pfeffer, Muskat und Zimt abschmecken. Toastbrot mit Kräuterbutter bestreichen und Scheibenkäse darauf legen (Edamer, Gouda o.ä.). Den angebräunten Pfanneninhalt darüber geben, den Käse darunter kurz anschmelzen lassen und sofort servieren.

Wohl bekomm’s!

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Keine Satire: “Karrierekiller Bundestag”

1. April 2014 von Thomas Hartung

Da ist wieder mal eine Studie erschienen, deren publizistische Verwertung durch den SPIEGEL an manipulativer Scheinheiligkeit nicht zu überbieten ist. Der Fakt:Kienbaum hat unsere Ex-Bundestagsabgeordneten nach ihrer „Anschlussverwendung“ befragt, 47 antworteten. Wesentliches Ergebnis: Knapp 15 Prozent waren fünf Monate nach der Bundestagswahl 2013 noch arbeitslos. Leider wird dabei nicht nach den Ursprungsberufen und der Parteizugehörigkeit differenziert, was den wissenschaftlichen Aussagewert durchaus schmälert. Aber die Tendenz ist mehr als deutlich.

Schon ein Satz bei der Vorstellung der Studienergebnisse lässt aufhorchen: Thorsten Alsleben, der Hauptstadt-Repräsentant von Kienbaum, „forderte die Fraktionen und die Bundestagsverwaltung auf, sich besser um die Berufsperspektive von Ex-Abgeordneten zu kümmern.“ Aha. Endlich ist der Bundestag, wofür wir ihn schon immer halten sollten: eine Institution wie viele andere auch, mit Neueinstellungen, aber auch Entlassungen. Und um diese Entlassenen solle man sich doch bitte sorgen. Darauf haben alle, die in der freien Wirtschaft ihren Job verloren, in den Jobcentern schließlich ebenso Anspruch: auf Beratung, Trainingsmaßnahmen, Umschulungen, Bewerbungskontrolle…

Die Perfidie dieser Forderung liegt nicht nur darin, dass das Übergangsgeld für Abgeordnete über 7000 € monatlich beträgt und zu Rentenbeginn nach bspw. 7 Jahren Bundestag ein Betrag über 1600 € lockt. Die Perfidie liegt aktuell auch darin, dass sich die Abgeordneten kürzlich eine Diätenerhöhung von 10% mit der Begründung genehmigten, dies müsse sein, weil die Abgeordneten sonst in die freie Wirtschaft wechseln. Wie die Studie zeigt, ist das Gegenteil richtig: die freie Wirtschaft kann mit Abgeordneten gar nichts anfangen.

Grafik Karrierekiller

Quelle: http://www.welt.de/wirtschaft/karriere/article126401899/Job-im-Bundestag-ist-spaeter-oft-ein-Karrierekiller.html

Autor Alexander Neubacher nun nahm die Studie zum Anlass für eine Geschichte unter dem Titel „Karrierekiller Bundestag“. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wenn also Fachkräfte wie der ungelernte Hilfsarbeiter Jan Mücke(FDP) in den Bundestag gelangen und danach als vorgeblich selbständiger Immobilienverwalter arbeiten, dann ist der Bundestag ein Karrierekiller?

Mit keinem Wort wird hier thematisiert, dass im gegenwärtigen Politikzirkus das Leistungsprinzip ausgehebelt ist. Darum hüten sich ebenso gut ausgebildete wie intelligente Menschen in großer Mehrheit, sich diesen Zirkus freiwillig zu geben. Sie aber hätten die größten Chancen, nach einer politischen Auszeit wieder tätig zu werden. Wer dagegen von vornherein nur als schlecht oder gar nicht ausgebildeter „Parteisoldat“ in die Politik geht, muss natürlich damit rechnen, am Ende der Politik schlechte Voraussetzungen für einen neuen Anfang zu haben – aber genau diese Parteisoldaten sind es, die gegenwärtig an den Hebeln der Macht sitzen. Ein Bewerbungstraining für einen Jan Mücke hätte eben darum keinerlei Effekt, weil es keine Substanz gibt, die man trainieren könnte. Vor 12 Jahren sah das dasselbe Medium noch selbst ein: “Vielen Hinterbänklern mangelt es erschreckend an Fachkompetenz.” Das Problem ist nur, dass Mücke parlamentarischer Staatssekretär war…

Die eigentliche Frage muss also lauten: wie können solche Personen überhaupt in den Bundestag gelangen, der sich dann zwar nicht als Karriereturbo, wohl aber als Geldvermehrungsturbo erweist? Und also muss die nächste Frage lauten, wie eine solche Überschrift zustande kommt, obwohl es in Wirklichkeit um die Betrachtung von Personen geht, die das verflossene Mandat dann als Geldvermehrungskiller ansehen? 70 Prozent der Befragten haben durch den Mandatsverlust Einbußen zu verkraften, so Kienbaum. Jeder Fünfte verdiene jetzt weniger als 30 000 Euro im Jahr – angeblich das deutsche Durchschnittsbrutto für Vollzeitbeschäftigte. Aber solche Fragen zu stellen ist ja verpönt, abgesehen davon, dass ich als promovierter Dozent auch gern mal 30 000 Euro im Jahr verdient hätte…

Da wundert allerdings auch nicht, dass die Mehrheit der Befragten auf den Politbetrieb nicht gut zu sprechen ist. Drastisch und medienwirksam hatte das seit 2006 die Ex-SPD-Abgeordnete Lilo Friedrich thematisiert, die nach rund 100 fehlgeschlagenen Bewerbungen in die Selbstständigkeit als „Putzfee“ ging:

“Ich habe Hartz IV mitentschieden. Aber wir müssen viel genauer hinsehen, wen es trifft und wie. Denn es ist ja keine Arbeit da, in die man die Leute bringen könnte.”

Eben. * Ein Diplom-Medizinpädagoge wie Jens Ackermann (FDP), immerhin im Gesundheitsausschuss des Bundestags, hat tatsächlich eine Stelle gefunden, die seiner Qualifikation entspricht: als Notfallsanitäter. * (Ironiemodus aus) Nicht in seiner eigenen Firma auf dem freien Markt, den die Liberallala ja nicht aufhört zu beschwören, dem auszusetzen sie sich aber wenn irgendmöglich verweigert. Nein, in der Firma seines Vaters. Soviel zum Fachkräftemangel in diesem Land. Aber immerhin: ein Taxifahrer ohne Schulabschluss konnte nach seiner Entlassung als Minister sogar Professor in Princeton werden – ganz ohne dass sich jemand um ihn kümmern musste…

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Geschlecht, schlecht, schlechter…

18. März 2014 von Thomas Hartung

Zugegeben: ich habe schon mehrere akademische Zumutungen rings um „Genderismus“ erlebt; die Leipziger „Professorinnen“ waren unrühmlicher Höhepunkt. Aber worauf ich am Wochenende aufmerksam gemacht wurde, übertrifft alles: es scheint sich an der Berliner Humboldt-Universität eine regelrechte Parallelwelt etabliert zu haben, die ihre „verqueeren“ Ideologismen nicht nur zum Maßstab allen hochschulischen Handelns erheben, sondern dieses Handeln auch noch gesinnungspolizeilich in der „unqueeren Realität“ durchsetzen will.

Die Geschichte ist schnell erzählt: in einer erziehungswissenschaftlichen Einführungsvorlesungsreihe hat der männliche Professor Autoren wie Rousseau, Kant, Bourdieu und sogar Humboldt (!) zitiert. Einigen Studenten stießen diese Autoren im pädagogischen Kontext als ahistorisch, rassistisch, ableistisch, adultistisch… auf; sie führten am 10. Februar, nachdem sie ihre Kritik inner- wie außerhalb der Vorlesung nicht angemessen gewürdigt fanden, eine „Klatsch-Intervention“ auf. Auf gut deutsch: sie protestierten mit Applaus, so dass die Vorlesung nicht gehalten werden konnte. Resultat: ein Kommilitone (!!!) verständigte die Polizei (!!!), unter deren schützender Anwesenheit die Vorlesung dann weiterging. Über die Aktion und die Beweggründe wurde universitätsin- und extern in „gendergerechter Stilistik“ hier berichtet.

Als ich das las, wähnte ich mich in mindestens drei falschen Filmen zugleich.

Der erste und wirkmächtigste: die Minderheit fordert die Mehrheit auf, ihr „falsches“ Verhalten gefälligst zu ändern und dem vermeintlich „richtigen“ anzupassen! So wird von den Gegnern schon zu Beginn als besonders schockierend empfunden, „dass auch viele Besuchxs der Vorlesung darin nichts Problematisches zu sehen schienen.“ Das setzt sich fort über negativ kommentierte Protest-Emails; hier „wurden contra_/antidiskriminierende, widerständige Handlungen negativ bewertet und durch das Innehaben der “Mehrheitsmeinung” legitimiert.“ Und es gipfelt in der Behauptung „Ferner sehen wir* in dem Verhalten der selbsternannten “Mehrheit der StudentInnen” ein beunruhigendes Beispiel für unhinterfragte Autoritätenhörigkeit und wie leicht diese zu Hass gegen Andersdenkxs gesteuert werden kann.“

Mit Verlaub: geht’s noch??? Eine echte Mehrheit als falsche dastehen zu lassen und jener Autoritätenhörigkeit zu unterstellen ist gelinde geschrieben undemokratisch. Ein Facebook-Kommentar der Gruppe „Da kotzt das Texterherz“, in der ich mich über die Causa empörte, gab sich mitleidig „Ich habe nur ein Drittel gelesen und der Professor hat mein Mitgefühl…“ Ein anderer war da undiplomatischer: „…Klatschintervention interpretiere ich so, dass die Spinner die Vorlesung so lange störten, bis jemand die Polizei rief. Und das, um ihre Meinung durchzusetzen. Das nenn ich nicht wissenschaftlichen Diskurs. Das sind klassische SA-Methoden…“

Sekundär geht es darum, dass sich diese Minderheit anmaßen darf, den Kenntnisstand des promovierten und um einiges älteren Dozenten derart abzuqualifizieren, ja ihm „männliches_dominantes Redeverhalten und somit genderistische Verletzungen“ zu unterstellen. Und nicht zuletzt geht es auch darum, dass seit Jahrzehnten, ja fast seit Jahrhunderten akzeptierte wissenschaftliche Kapazitäten wie RousseauKantBourdieu… als rassistisch oderadultistisch herabgewürdigt und ersetzt werden sollen durch Kapazitäten wie bspw. „Maureen Maisha Eggers, Professorin für Kindheit und Differenz (Diversity Studies) an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Studiengang Angewandte Kindheitswissenschaften…“, deren Beiträge zur disziplinären Weiterentwicklung der Pädagogik gen Null tendieren.

Der zweite: was wird hier im Namen eines übersteigert rationalen Egalitarismus für Schindluder mit der schönen deutschen Sprache getrieben? Wie die grusligen Formalia zustande kommen (die z.T. sogar die Kanaksprak beleihen), ist an folgender Grafik nachzuvollziehen (die Langfassung dazu gibt’s hier )

Gegenderte Sprache. In: http://feministisch-sprachhandeln.org/leitfaden/kapitel4/

Gegenderte Sprache. In: http://feministisch-sprachhandeln.org/leitfaden/kapitel4/

Viel schlimmer aber ist das mündlich kaum zu lautende Kunstsprech in Bezug auf die Semantik: im Namen einer strikten, allumfassenden Antidiskriminierung (u.a. in den Phänotypen Sexismus, Genderismus, Rassismus, AbleismusKlassismus oderMigratismus) werden tradierte Wortformen erweitert, um sie zu „enthindern“. So entsteht aus dem finiten „dargestellt“ jetzt „dar_ge_stellt_setzt_legt“, das Substantiv „Standpunkt“ mutiert zu einem „Stand_Sitz_Liegepunkt“, oder wird aus einem simplen „widersprechen“ das Kunstverb „widersprechen_gebärden_schreiben“.

Zum zweiten Mal: geht’s noch? Manche Kommentatoren konnten diese Vertextung mit Humor gerade noch ertragen, bspw. „Die haben mit ihrem Liegepunkt ja wohl einen Knallxs“ oder „würde mich mit einer strafbefreienden Selbstanzeige wegen vorsätzlicher Sprachverhunzung zufriedengeben.“ Andere kamen rasch auf den Punkt: „Für mich sind Worte eher beschreibend, um Unterschiede klarzumachen. Ist das Wort Frau, als Abgrenzung zu den Männern, auch politisch inkorrekt? Irgendwann ist es kein Scherz mehr, wenn „Menschen mit Menstruationshintergrund“ gesagt wird.“

Und der dritte: wofür werden an dieser Universität staatliche und Drittmittelausgegeben? Da gibt es zunächst eine „AG Feministisch Sprachhandeln“, die den oben verlinkten Leitfaden verbrach und dem „Referent_innenRat der HU“ sowie dem „Lehrstuhl für Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der HU“ für die finanziellen Hilfen dankt. Dann gibt es eben dieses „Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien“, bestehend aus 3 Sprecherinnen mit einer Geschäftsstelle, in der der Geschäftsführerin 7 klassische und 9 studentische Mitarbeiterinnen zur Verfügung stehen. Da gibt es über 30 Lehrveranstaltungen beisteuernde Professoren, darunter jene Lehrstuhlinhaberin für Gender Studies und Sprachanalyse, die ihr mittleres vierstelliges Monatsgehalt im beendeten Semester mit sage und schreibe 3 (!!!) Lehrveranstaltungen a 90 Minuten „verdiente“: „schreiben einer abschlussarbeit“, „trans_x_ing feminismen“ und „wut als intervenierende handlung“. Der Wert der ersten – wenn die Regeln der Groß- und Kleinschreibung beachtet werden – steht nicht zur Debatte. Aber was ist mit den anderen beiden? In der Seminarbeschreibung zu letzterer lese ich [sic!]

„das seminar nähert sich der frage feministischer wissensproduktion von der ebene der gefühlsproduktionen und –konstruktionen her und betrachtet so das verhältnis von unterschiedlich positionierten subjekten zu wissenschaft und den entscheidungen, die in diesem prozess jeweils getroffen werden.“

Zum dritten Mal: geht’s noch? Der von mir hochgeschätzte Harald Martensteinschrieb vor einem Jahr „Die Paläontologie, die für die Klimaforschung und die Erdölindustrie recht nützlich ist, hat seit 1997 bei uns 21 Lehrstühle verloren. In der gleichen Zeit wurden 30 neue Genderprofessuren eingerichtet.“ Nicht nur, dass die Uni Leipzig darum ringt, dass Studiengänge wie „Pharmazie“ erhalten bleiben, nicht nur, dass an der Dresdner TU weit über 80 % aller Lehrkräfte, auch in den ingenieurstechnischen Fächern, befristet angestellt sind, damit wenigstens ein Grundstock an Lehre angeboten werden kann – hier dürfen fest angestellte, staatlich bezahlte Hochschullehrer ihre privaten Hobbys zum Fach machen! Wofür benötigt ein junger Mensch Universitätsseminare zum Umgang mit Wut? Ist uns Fach- und Sachkompetenz einerlei, stehen nur noch Sozial-, ja Lebenskompetenz im Mittelpunkt? Ein Kommentar brachte es sportlich auf den Punkt: „Ich würde den Spinnern einen Besxen oder eine Schauxel in die Hand gebxen und sie schuften lassxen, bis sie zu erschöpft für so ein blödsinniges Gesabbxel sind. Man bedenke bitte, diese Knalltüten dürfen studieren, und der Strassenreinigung gehen die fähigen Hilfskräfte aus.“

Ich versuche diplomatischer zu sein: Martenstein behauptet, dass Gender-Politik und Voodoo aufs Gleiche hinauslaufen. Ich würde Voodoo durch akademische Esoterik ersetzen. Wenn Genderismus/Feminismus „Wissenschaft“ sein wollten, wären sie einfach nur akademische Filialen der Soziologie und/oder Psychologie. Doch Sinn und Zweck ist doch offensichtlich, der feministischen Ideologie eine (pseudo-) wissenschaftliche Grundlage zu verschaffen mit dem Ziel, Probleme nicht zu lösen, sondern welche zu schaffen. Das dürfte bei den überwiegend weiblichen Studenten zu einer aus der Tunnelperspektive herzuleitenden Radikalisierung führen, aus der sich u.a. der missionarische Nachschub für viele Positionen bspw. als Gleichstellungsbeauftragte ergibt.

Es wäre viel gewonnen, wenn Forschung allgemein ergebnisoffen betrieben würde und jeder Forschungsbereich auf Erkenntnisse rekurrieren müsste, die dem aktuellen Erkenntnisstand entsprechen. Wo er die nicht befürwortet, müsste er akzeptierten wissenschaftlichen Standards genügen, um sie zu widerlegen, statt mit neuen sprachlichen Standards unbewiesene und also unwissenschaftliche Behauptungen zu verbreiten. Aber wenn es möglich ist, eine „Wissenschaft“ zu betreiben, die die Erkenntnisse der Medizin und Psychologie vernachlässigt und dennoch mit Etats in Größenordnungen ausgestattet wird, läuft etwas falsch. In Norwegen ist die Genderwissenschaft einer kritischen Prüfung unterzogen worden mit der Folge, dass die 56 Millionen Euro, die der Forschungsbereich jährlich erhielt, per Ende 2011 ersatzlos gestrichen wurden.

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Schule braucht Noten und Biologieunterricht!

22. Februar 2014 von Thomas Hartung

Da der Wahlkampf naht (oder eigentlich schon begonnen hat), muss ich jetzt doch mal ein privates Statement zu dem Blödsinn posten, mit dem sich diese Woche zwei rot-grüne Regierungen anschicken, Deutschlands Bildungspolitik zu ruinieren.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende kündigt an, dass Schüler erst in der 8. Klasse erstmals Notenzeugnisse erhalten sollen. Diese Verkürzung des Leistungsbegriffs ist dumm, kinderfeindlich und lebensfremd. Kinder lieben Leistung und Erfolg, denn beides stärkt das Selbstbewusstsein. Ohne Stolz auf die eigene Leistung entsteht keine feste Identität.

Die rot-grüne Regierung senkt das Niveau, um möglichst viele Kinder in die Oberstufe zu bringen. Dabei sind ihnen die Gymnasien im Weg. Das beweist, dass die Koalition jeglichen Leistungsgedanken aus den Schulen verbannen will. In Schulen aber muss gefördert, zugleich aber auch gefordert werden. Auch Alt-Bundespräsident Roman Herzog erklärte schon 1997, man müsse wieder Mut finden, gute Schüler gut und schlechte Schüler schlecht nennen zu können: wer Noten verbannt, schafft möglicherweise Kuschelecken.

Abschaffung des Biologieunterrichts „völlig falsches Signal“

Außerdem halte ich es für ein völlig falsches Signal, dass die grün-rote Regierung in Stuttgart unter dem ehemaligen Biologielehrer (!) Winfried Kretschmann den Biologieunterricht und weitere naturwissenschaftliche Fächer zugunsten eines Fachverbunds „Naturphänomene“ als selbständige Schulfächer abschaffen will.

Die methodischen und inhaltlichen Schnittmengen vieler Fächer sind viel zu gering. Es kommt doch auch niemand auf den Gedanken, die Fächer Englisch, Französisch und Spanisch zu einem Fächerverbund „Moderne Fremdsprachen“ zusammenzuschließen. Hinzu tritt die ebenso falsche Regelung, dass künftig auch fachfremd unterrichtet werden kann, sofern den Schulen nicht genügend geeignete Lehrer zur Verfügung stehen. Das erinnert fatal an Sachsens „Kompetenzentwicklungspläne“ in den Fachschulen. Außerdem muss sich gerade die Kretzschmann-Regierung fragen lassen, wie sich ihr Agieren mit den Prinzipien der Transparenz und des Gehörtwerdens verträgt: die Pädagogen sollen offiziell erst einbezogen werden sollen, wenn alles vorbei ist.

Gleich zwei rot-grüne Landesregierungen haben damit gezeigt, wie sie die Bildung in Deutschland ruinieren wollen: durch politisch motivierte Bildungsnivellierung. Hier besteht die massive Gefahr, dass das Niveau von Gymnasien auf das von Gemeinschaftsschulen heruntergeschraubt wird. Uns ist aber nicht mit mehr Abiturienten gedient, sondern mit weniger und vor allem besseren. Dieses Land braucht eine andere Politik. Dieses Land braucht uns.

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Fack ju Schbrache

8. Dezember 2013 von Thomas Hartung

Ich bestreite es ja gar nicht. „Fack ju Göhte“ ist, nein, nicht der beste, wohl aber der erfolgreichste Film des Jahres. Ob oder wegen Aussagen wie diesen, sei zunächst dahin gestellt:

„Gib zwei Euro. Ich muss Guthaben kaufen.“
„Ey, red ma’ höflich, du Opfer.“
„Heb dir das Gelutsche für die Kundschaft auf. Wo ist die Kohle?“
„Halt Fresse und gib mir den Nagellack.“
„Geh putzen, und danach kannst du mir einen blasen.“

Die Handlung ist ein „routiniert gebauter Schwachsinn“ (v. Uslar), mit einem Kommentator: „Ein proletarisches Fusselhirn allererster Güte und eine an ihr pädagogischen Ethos gebundene Heulboje auf Liebesentzug schweißen eine Klasse asozialer Arschlochkinder zusammen und erkennen dabei, was wirklich zählt im Leben.“ Dafür können die Schauspieler nichts, allen voran Karoline Herfurth, mit der ich auch mal spielen würde…

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Fack ju Göhte – Bilder – http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Nun gut. Was ist das Problem? Für mich ist es der Umgang mit der Sprache, damit der Kultur – Sprachkultur, Schulkultur, Schülerkultur… – der hier in einer Weise ad absurdum geführt wird, die jedem halbwegs kulturvollen Zeitgenossen erst die Schames- und dann die Zornesröte ins Gesicht treiben muss. Und nicht nur mir, auch anderen Kommentatoren, die ich in gewohnter Weise einarbeite.

Nach Ansicht Moritz von Uslars in der ZEIT geht es den Autoren des Films darum, beim jugendlichen Zuschauer mit der denkbar brachialsten Sprache um Vertrauen zu werben: „Wir kennen dich. Wir wissen, wie du und deine Freunde miteinander reden, und wir sprechen dieselbe Sprache. Also lehn dich zurück, und genieß diesen Film.“ Das ist genau dieses sozialarbeiterische Dogma (oder Credo): „Wir holen dich dort ab, wo du bist; um Himmels beweg dich nicht, es könnte ja die falsche Richtung sein.“ Also am untersten Sprachniveau ansetzen, ein grammatisch sehr entspanntes Idiom sprechen und damit dem großen Trend der Vereinfachung folgen: Artikel werden weggelassen, Fallendungen abgeschliffen, der Konjunktiv wird gar nicht, Präpositionen beliebig verwendet.

Was soll das? Deutsch ist zu vernachlässigen, wir verstehen uns schon irgendwie? Sprachlevels und Sprachkulturen benötigt man angesichts jenes Einheitsbreis, der politisch in Berlin schon lange angerührt wurde und jetzt offizialisiert wird, sowieso nicht mehr? Entweder bin ich Babo und fordere Geld, Sex oder sonstige Dienstleistungen (wenn ich sie mir nicht einfach nehme) oder ich bin Opfer und muss dieselben liefern? Was spiegelt dieser Film für einen Trend – und ich nehme mal nur „meine“ Branche?

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Fack ju Göhte – Bilder – http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Vor 2 Jahren ergab die Umfrage „Kommunikationsbranche 2010 – Fakten, Erwartungen und Trends“, für die die Wirtschaftspsychologische Gesellschaft München 477 Unternehmen befragte, dass auf einer Liste mit 17 Indikatoren für „Mitarbeiter-Auswahlkriterien“ die Kriterien „Studium“ und „Abschlussnoten“ gerade noch auf den Plätzen 12 und 13 landeten (22.03.2013). „Deutschkenntnisse“ dagegen rangieren nach „Leidenschaft“ an zweiter Stelle, gefolgt u.a. von Sozialkompetenz und Kreativität. „Deutschkenntnisse der Bewerber sind von herausragender Bedeutung für die Entscheider. Das deckt sich mit den Meldungen aus anderen Branchen, die ebenfalls desaströse Deutschmängel bei Bewerbern beklagen“ (ebd.)

Im Oktober 2012 schreckte ein „SPIEGEL“-Interview mit dem Bayreuther Altphilologen Gerhard Wolf nicht nur die Kommunikationsabteilungen deutscher Unternehmen auf. Wolf hatte andere Professoren zur Studierfähigkeit ihrer Studenten befragt – und von 70 Kollegen vernichtende Urteile wie die folgenden erhalten:
– „Die mangelnde Studierfähigkeit zeigt sich vor allem in der stark unterentwickelten Fähigkeit, kompetent und souverän mit der (deutschen) Sprache umzugehen.“
– „Konjunktive schwinden aus den schriftlichen Arbeiten ebenso wie zunehmend alle Zeitformen jenseits des Präsens.“
– „Der aktive Wortschatz schrumpft auf wenige hundert Ausdrücke, die penetrant wiederholt werden.“ (18.03.2013)

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

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Zuletzt bekräftigte die „GWA-Studie zum Agenturnachwuchs“ im Januar 2013 einen Schwund an Textkompetenz: „Gerade in den Bereichen Strategie, Online und Text haben die Agenturen Schwierigkeiten, Nachwuchs mit gewünschtem Qualifikationsniveau zu rekrutieren.“ (22.03.2013)

Nach einer teilweise noch unveröffentlichten Studie der Universität Duisburg-Essen betrifft das inzwischen sogar Lehramtsstudenten „Deutsch“. Die Forscher haben Lehramtsstudenten dreier nordrhein-westfälischer Hochschulen jeweils zwei verschiedenen Tests unterzogen. Mit dem ersten wurden die allgemeinen Sprach- und Rechtschreibfähigkeiten von fast 2900 Studenten geprüft. Dabei erwies sich jeder fünfte angehende Lehrer als stark oder sehr stark förderbedürftig. Im zweiten Test, an dem fast 300 Studenten teilnahmen, sollte ein Zeitungsartikel mit eigenen Worten zusammengefasst werden. Jeder achte künftige Pädagoge gebrauchte dabei vielfach Wörter im falschen Sinnzusammenhang, mehr als jeder dritte machte häufig Grammatikfehler. Studierende mit Migrationshintergrund, die noch schlechter abschnitten, sind dabei nicht mitgerechnet. „Der Test war leichter als eine Abituraufgabe“, sagt Studienautor Dirk Scholten-Akoun (vgl. SPIEGEL, 49/2013).

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

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Uslar ficht das alles nicht an – ich behaupte, er kennt diese Befunde gar nicht. Entsprechend würdigt er die Autorität des Aushilfslehrers, der nur bis zur achten Klasse zur Schule ging („Das war meine Crackphase“), deswegen, weil er,

„wenn die Konflikte hart auf hart kommen, die härtere, bösere, asozialere, verbotenere Sprache spricht als die Schüler selbst. Die Maßregelung eines Krawallbruders lautet: “Achte auf deine Ausdrucksweise, du Wichser.” Einer pubertären Schülerin empfiehlt er: “Friss nicht so viel. Oder willst du als Jungfrau sterben?” Der Lehrer, der kein Lehrer ist, sagt seiner Schulklasse: “Ihr seid Abschaum. Und jetzt Fresse halten und sitzen bleiben, bis es vorbei ist.”

Vollends vorgeführt wird das Ideal zivilisierten pädagogischen Umgangs, wenn der Lehrer mit einer Paintball-Kanone auf seine Schüler schießt: „Durchsetzen kann sich in dieser Welt der deutschen Problemschule nur der, der über die schwerste sprachliche Schusswaffe verfügt und nicht zögert, sie einzusetzen.“

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Fack ju Göhte – Bilder – http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

EBEN NICHT!!! Mit der Paintball-Kanone ist eine Grenze überschritten, die ein Kommentator auf „moviepilot.de“ auf den Punkt bringt: „Es ist unlustig für einen aktiven Paintballer, wenn man mit ansehen muss, wie verharmlosend damit umgegangen wird. Es war sowieso sehr schwer, dass dieses Spiel in Deutschland anerkannt wird und ein Schuss direkt ins Gesicht ist alles Andere als lustig! Es gibt genug hirnlose Jugendliche, die so etwas dann nachmachen wollen und die Folgen bei einem Fehltreffer sind sehr schwerwiegend. Deshalb finde ich das sehr verantwortungslos – auch wenn ich jetzt dadurch als Nörgler angeschaut werde oder mit Dreck beworfen werde.“ Durchsetzen kann sich also nur der mit den besseren Waffen, die – wenn es halt Worte nicht mehr bringen – nur noch verletzende „Taten“ sein können?

Dazu kommt: das Lehrerbild, das ebenfalls ein moviepilot-Kommentator auf den Punkt bringt „… einer der undankbarsten Jobs überhaupt. Stress ohne Ende, täglich mit zu vielen Kindern pro Klasse einen viel zu vollen Lehrplan abarbeiten, dabei über Provokationen hinwegsehen, Probleme der Schüler erkennen, sie erziehen, bilden, individuell fördern. Und das alles, während in der Öffentlichkeit ein Bild gezeichnet wird von verklemmten, stur nach Schema F vorgehenden Korinthenkackern mit Stock im Arsch, die auch noch viel zu viel Freizeit haben (Stichwort: nur vormittags arbeiten und dann auch noch ständig Ferien), eher weltfremd sind und dafür zu viel verdienen.“

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Fack ju Göhte – Bilder – http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

Mag sein, dass der Film nicht den Anspruch hat, ein realistisches Bild eines Lehrers zu zeigen. Aber ich halte es für mehr als ärgerlich, wenn dadurch impliziert wird, jeder dahergelaufene Idiot könne Lehrer werden, wenn er nur cool genug ist oder Vorgaben missachtet – das ist die Bestätigung des neoliberalen Politikerbilds, bspw. ungelernte Hilfsarbeiter zu Staatssekretären mutieren zu lassen.

Natürlich ist ein Draht zu den Schülern wichtig – aber wie im Film gezeigt, nur noch traurig. Überhaupt gibt es keinen einzigen normalen Menschen in diesem Film. Zeki ist ein Betrüger, der – brutal, eklig – mit allem durchkommt. Die Schüler sind entweder die größten Assis aller Zeiten oder so süße kleine Engelchen, dass, wenn man sie aufschlagen würde, nur noch Schleim aus ihnen trieft. Alles ist so vollgepackt, so sehr übertrieben, bunt, laut, schrill und eklig, dass man sich irgendwann nur noch abwenden kann.

Fack ju Göhte - Bilder - http://www.moviepilot.de/movies/f-you-gothe/images

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Der erfolgreichste deutsche Film…
„…die darüber lachen, besuchen vermutlich genau so eine Schule oder lachen, wie sie es auch tun, wenn sie eine Affenhorde im Zoo sehen, die Unfug macht.“

Dieser Beitrag wurde am Montag, 29. Dezember 2014 um 13:29 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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