Klaus Hart Brasilientexte

Aktuelle Berichte aus Brasilien – Politik, Kultur und Naturschutz

Brasilien – eine kleine Weihnachtsgeschichte 2014.

Dona Abreu, nennen wir sie einmal so, verbringt Weihnachten im Kreise ihrer Lieben, ist glücklich, zufrieden über die Zuwendung, die Segenswünsche so vieler Menschen aus ihrer Nähe, aus ihrem Viertel einer Millionenstadt. Nur noch wenige Jahre sind es bis zur Rente, Dona Abreu hat kontinuierlich in die Pensionskasse eingezahlt und kann sich auf einen materiell gut abgesicherten Lebensabend freuen. Mit ihrem Einkommen finanziert sie der Tochter das Jurastudium an einer angesehenen Universität – die Anwaltskarriere kommt gut in Gang, der Ehemann hat den gleichen Beruf. Dona Abreu ist eigentlich alles gelungen im Leben – bis hinauf in die besseren Kreise wird sie geachtet und respektiert. Eine der tonangebenden Drogenhändlerinnen der Millionenstadt zu sein, hat sich in jeder Hinsicht ausgezahlt. Gute Beziehungen zur Polizeispitze bewahren sie all die Jahrzehnte vor Ärgernissen – immer wenn eine größere Alibi-Razzia anstand, hat man Dona Abreu stets rechtzeitig informiert, damit sie sich für einige Zeit von den Geschäften mit Kokain, Heroin, LSD und Crack entfernt, üblicherweise nur sehr kleine Fische geschnappt und für kurze Zeit eingesperrt werden. Die Tochter hat Dona Abreu ins Berufliche nie hereingeredet, war schließlich Nutznießerin der reichlich fließenden Gewinne – und der Ehemann hält es genauso, achtet die geschriebenen, doch weit mehr die ungeschriebenen Gesetze. Sicherlich, manches in Dona Abreus Karriere lief nicht immer fein und stilvoll ab – da gab es Konkurrenten, die beseitigt werden mußten. Und so mancher Mitarbeiter, so manche Mitarbeiterin hielten sich nicht an die Regeln, griffen gar in die Kasse, worauf ebenfalls die Todesstrafe steht. Aber wo gehobelt wird…Dona Abreu beruhigt sich damit, daß in ihrem Revier, zu dem Mittel-und Oberschichtsdistrikte gehören, die Geschäfte doch viel gesitteter ablaufen als an den Slumperipherien mit ihren Sondergerichten, Blutbädern, Scheiterhaufen. Nein, solche Grobschlächtigkeit hat sie im eigenen Revier garnicht erst einreißen lassen. 

Jetzt, nur noch wenige Jahre bis zur Rente, kann sich Dona Abreu zurücklehnen – die Nachfolge ist geklärt, ausreichend Nachwuchs hat sie herangebildet, auf allen Geschäftsebenen gut geschult. Selbst die Geldwäsche, die Verwandlung der Drogen-Millionen in legales Kapital funktioniert inzwischen weit professioneller. Besonders hilfreich erwies sich der Aufbau einer Restaurantkette – in deren Umfeld sich zudem viele neue Drogenkunden gewinnen ließen.

Gelegentlich spaziert Dona Abreu durch ihr Revier, wird gegrüßt von allen Seiten, schaut lächelnd auf manches neue Appartmenthaus – die meisten Bewohner zu Abnehmern harter Drogen gemacht, das ist doch was! Intensive Arbeit war dazu nötig –  viel Zeit für lange Ferien, gar für Auslandsreisen gab es nie. Im Rentenalter soll dies nachgeholt werden. Ihre Dachorganisation exportiert in Länder der Ersten Welt, nach Frankreich, Deutschland, in die Schweiz – das wäre doch schön, auch einmal dort ein Weihnachten zu verbringen, andere Festtagstraditionen kennenzulernen. Vielleicht läßt sich die Tochter, trotz vieler Verantwortung durch ihre Anwaltskanzlei, einmal überreden, sie mit der Enkelin in diese Länder zu begleiten – die Reise würde Dona Abreu ihr natürlich als Weihnachtsgeschenk spendieren. 

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 26. Dezember 2014 um 15:25 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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